Präsident Claus Vogt möchte beim VfB eine Fanabteilung ins Leben rufen. Aber was ist das eigentlich und ist so etwas in Stuttgart sinnvoll?
Dass Claus Vogt neben dem Frauenfußball auch fanpolitische Themen auf seiner Agenda im Wahlkampf haben würde, kann angesichts seiner Vergangenheit als Gründer des FC PlayFair e.V. nicht überraschen. Im November 2019 sagte er im Gespräch mit Florian Regelmann auf Spox:
“Ich würde mir wünschen, dass wir es schaffen, ähnlich wie bei Mainz 05 eine richtige Fanabteilung zu installieren, in der sich unsere Mitglieder noch mehr engagieren und frische Ideen einbringen können. Der e.V. und die AG kommen dadurch mehr zusammen.”
Und kurz nach seiner Wahl verriet er den Stuttgarter Nachrichten:
“Als erstes Projekt sieht der 50-Jährige die Gründung einer Fanabteilung. Die Anhänger will er stärker einbinden, wie das vonstatten gehen soll, sei allerdings noch unklar: „Da gibt es keine Blaupause.“
Welche Erfahrungen gibt es in anderen Vereinen?
Nun, eine Blaupause gibt es sicherlich nicht, aber es gibt Erfahrungswerte. Seit Vogts Wahl ist es um das Thema ziemlich ruhig geworden, was natürlich damit zusammenhängt, dass es mittlerweile durch die Corona-Krise und deren Auswirkung auf den Profifußball dringlichere Themen für ihn gibt. Vor kurzem fand das Thema im Podcannstatt von MeinVfB Erwähnung, als Vogt dort zu Gast war. So richtig konkret wurde er da aber auch nicht, weder was den Zeitplan, noch was die Art der Umsetzung angeht, auch wenn beides sicherlich im Hintergrund existiert. Offen bleibt aber weiterhin: Was ist eine Fanabteilung, welche Funktionen hat sie und wäre das für den VfB Stuttgart 1893 e.V. eine gute Idee?
Um diese Fragen zu beantworten, haben wir kurzerhand bei den Vereinen in den ersten drei Bundesligen nachgefragt, in denen eine Fanabteilung existiert. Teilweise bei Abteilungsmitgliedern oder ‑leitern selber, teilweise bei Fans, die sich in ihren Vereinen gut auskennen. Natürlich lassen sich die Verhältnisse dort nicht genau so auf den VfB übertragen — wie Claus Vogt sagt: Es gibt keine Blaupause. Aber ich werde versuchen, die Erfahrungen aus anderen Vereinen auf die Situation des VfB anzuwenden um so herauszufinden, welche Chancen und Risiken die Gründung einer solchen Abteilung birgt.
Insgesamt gibt es, nach meiner Recherche, in den ersten drei Ligen insgesamt zehn Vereine mit einer Fanabteilung. Teilweise haben diese Vereine ihre Profimannschaft mittlerweile, wie der VfB, in eine andere Rechtsform ausgegliedert, was natürlich erstmal nichts mit dem eingetragenen Verein und seinen Abteilungen zu tun hat. Vereinsintern hat es aber natürlich Auswirkungen, schließlich sind die in der Fanabteilung zusammengefassten Fans nicht unbedingt Tischtennis- oder Badminton-Fans, sondern in erster Linie Fußballfans. Es gibt aber natürlich auch noch die e.V. ohne ausgegliederte Profisparte.
Unsere Gesprächspartner
In der Bundesliga haben mit der Fan- und Förderabteilung (FuFa) von Eintracht Frankfurt, der Fanabteilung des BVB, der Fanabteilung von Mainz 05 und der Fan- und Mitgliederabteilung (FuMA) von Union Berlin vier Vereine eine Mitgliederabteilung. Frankfurt und Dortmund haben bereits ausgegliedert, Mainz und Union noch nicht. In der zweiten Liga gibt es insgesamt fünf Fanabteilungen: Bei Hannover 96 ist die jüngste zu finden, sie wurde am 12. April dieses Jahres gegründet. Außerdem gibt es den Supporters Club beim HSV, die Fanabteilung des VfL Osnabrück — alle drei Vereine haben ihre Profisparten ausgegliedert — sowie auf “e.V. mit Profifußball”-Seite die Fan- und Förderabteilung (FuFa) des SV Darmstadt 98 und die Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM) im FC St. Pauli. In der dritten Liga verfügt Eintracht Braunschweig seit Beginn dieses Jahres über eine Fanabteilung.
Über die FuFa der Eintracht habe ich mit SGE-Fan Axel (@beves_welt) gesprochen, über die Fanabteilung des BVB mit Abteilungsleiter Jakob. Zur Mainzer Fanabteilung stand mir Abteilungsleiter Alex Schulz Rede und Antwort und zur FuMA von Union Textilvergehen-Podcaster Sebastian (@saumselig). Justus (@justushates) ist frischgebackener Abteilungsleiter der 96er-Fanabteilung und hat meine Fragen ebenso beantwortet wie HSV-Fan Tanja (@fschmidt77) zum Supporters Club und VfL-Fan Marvin (@MarvinR) zur Osnabrücker Fanabteilung. Aus Darmstadt erhielt ich die Antworten auf meine Fragen von Abteilungsleiter Markus Sotirianos und zur AFM von St. Pauli von Maik (@MaikKrue) vom Millernton. Last but not least vielen Dank an Kevin (@kivi_97) Mitglied der Fanabteilung des BTSV für seine Einblicke in die Braunschweiger Fanabteilung. Alle genannten Personen haben einen gleichlautenden Fragebogen erhalten.
Eine Abteilung, kein gewähltes Gremium
Ohne Euch mit zehn verschiedenen Organigrammen langweilen zu wollen, möchte ich doch kurz darauf eingehen, was eine Fanabteilung formell ist: Eine Abteilung des Vereins. Der VfB hat beispielsweise neben der Fußballabteilung, die nur noch unterhalb der U16 im e.V. aktiv ist, sechs weitere Abteilungen: Leichtathletik, Faustball, Hockey, Tischtennis, Schiedsrichter und die Garde. So ist es auch bei den anderen Vereinen, die teilweise über erheblich mehr Sparten verfügen, wie der HSV oder Hannover, aber auch bei Union, das als reiner Fußballverein keine anderen Sportarten anbieten. Die Fanabteilung wäre also kein bei der Vereinsführung angesiedeltes Gremium wie der Expertenrat oder ein reines Wahlgremium wie der Vereinsbeirat sondern eine Vereinsabteilung, der man beitreten kann, wie es viele VfB-Mitglieder, die nicht aktiv im Brustring Sport treiben (Haare raufen zählt nicht!), passiv bei der Fußballabteilung getan haben. Innerhalb der Abteilungen gibt es bei allen Vereinen, wie auch beim VfB einen Abteilungsvorstand, bestehend aus Abteilungsleitern, ihren Stellvertretern, einem Kassenwart und gelegentlich auch Beisitzern. So weit, so normal im deutschen Vereinswesen.
Spannender hingegen wird es bei den Arbeitsgruppen, die in mehreren Fanabteilungen existieren und einen Hinweis darauf geben, womit sich die Abteilung, statt der sportlichen Betätigung beschäftigt. Beim BVB gibt es unter anderem die AGs Fanpolitik, “Uns verbindet Borussia”, “Borussentreff”, ein Media- und ein Fototeam, die AG Infostände und die AG Tradition, erklärt Jakob. In Mainz gibt es die Bereiche Soziales Engagement, Identifikation und Fanservice und bei Union Marketing, Faninteressen, Soziales, Kommunikation, Stadion und Grundsatzthemen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Dabei gibt es, was den Organisationsgrad angeht, keine großen Unterschiede zwischen Borussia Dortmund mit insgesamt knapp 160.000 Vereinsmitgliedern und Union Berlin mit 37.000. Natürlich hat die Dortmunder Fanabteilung rein von der Anzahl der Fans her einen größeren Aufwand, freiwillige und angestellte Helfer sind aber in vielen Vereinen üblich.
Meistens die größte Abteilung im Verein
Bevor wir zum Betätigungsfeld der Fanabteilungen und damit auch zur Frage nach der Notwendigkeit und möglichen Doppelstrukturen innerhalb der Fanszene kommen, noch etwas zum vereinsinternen Einfluss. Der ist natürlich in “reinen” e.V. ohne ausgegliederte Fußballsparte noch etwas höher, weil diese noch über einen durch Wahlen zu besetzenden Aufsichtsrat verfügen, während bei ausgegliederten Profisparten, wie beim VfB, der Aufsichtsrat dort angesiedelt ist und von den Anteilseignern besetzt ist. In Mainz beispielsweise hat die Fanabteilung einen festen Platz im Aufsichtsrat, berichtet Alex Schulz. In Darmstadt, so Sotirianos, gibt es im e.V. einen Vorstand für die anderen Sportabteilungen — außer Fußball — und die FuFa. Aber auch dort, wo die Vertretung der Fanabteilung in den Vereinsgremien nicht festgeschrieben ist, ist diese durchaus zu finden,
Denn dadurch, dass die Fanabteilung meistens auch die größte Abteilung des Vereins ist, hat sie auf Mitgliederversammlungen und damit auch bei der Besetzung von Gremien zumindesten theoretisch ein größeres Stimmgewicht — was natürlich auch immer davon abhängt, wie viele Mitglieder auch wirklich zur Versammlung kommen. Auf jeden Fall steht der Fanabteilung auf der Mitgliederversammlung eine Redebeitrag in Form des Berichts des Abteilungsleiters zu. Ich bin jedoch skeptisch, ob das beim VfB eine so große Rolle spielen würde. Schließlich wurden die großen Abstimmungsschlachten der letzten Jahre — Präsidentenwahlen, Entlastungen, die Ausgliederung — größtenteils innerhalb der Fußballfans unter den Mitgliedern ausgefochten und weniger im Konflikt mit der Garde oder den Faustballern. Klar scheint aber zu sein: Einigt sich eine Fanabteilung auf ein gemeinsames Ziel, hat sie gute Chancen, dieses bei der Mitgliederversammlung auch zu erreichen. Das trifft in geringerem Maße auf Personenwahlen zu, aber viel mehr auf inhaltliche Entscheidungen. Wie Sebastian aus Köpenick berichtet, ist der Einfluss in sportlich und wirtschaftlich guten Zeiten natürlich geringer, als in Zeiten der Not. In Darmstadt konnte die Ausgliederung verhindert und ein Mitspracherecht beim Stadionumbau gesichert werden.
Was macht eine Fanabteilung eigentlich?
Und damit komme ich zu den Zielen und Aufgaben der Fanabteilungen. Die Bündelung und Vertretung von Faninteressen, wie Marvin sie für den VfL Osnabrück skizziert, habe ich ja eben schon beschrieben und das wird auch in den weiter oben angesprochenen Arbeitsgruppen deutlich. Dazu später noch mehr. Zudem engagieren sich viele Fanabteilungen sozial. Der Abteilungsleiter der Lilien erläutert:
“Zudem versuchen wir mit unseren Aktivitäten die soziale Verantwortung des Vereins mit wahrzunehmen, haben über unsere Abteilung auch eine Anlaufstelle für sexuelle Vielfalt und eine Anlaufstelle für Frauen geschaffen, eine Typisierungsaktion mit der DKMS veranstaltet, zahlreiche Spendenaktionen gemacht und eng mit der Nieder-Ramstädter Diakonie oder der Caritas zusammengearbeitet. Der Verein selbst hat — trotz hauptamtlich Beschäftigten — im Tagesgeschäft wenig Kapazitäten, um diese Aspekte so im Blick zu halten, wie wir uns das vorstellen.”
Das ist sicher bei einem größeren Verein wie dem VfB, der mit VfBfairplay über ein Corporate Social Responsibilty-Programm verfügt, nochmal eine andere Geschichte. Deutlich wird aber, dass es nicht nur um Fanbelange geht. Ein weiteres Ziel einer Fanabteilung, das häufig genannt wird ist die Steigerung der Mitgliederzahlen und eine engere Bindung von Mitgliedern an den Verein. Teilweise übernimmt diese Aufgaben beim VfB aktuell der Vereinsbeirat, der aber natürlich auch noch andere Aufgaben hat. In diesem Jahr zum Beispiel die Auswahl der Präsidentschaftskandidaten.
Eine Abteilung für alle Abteilungen
Ich will aber noch auf eine weitere mögliche Aufgabe der Fanabteilung blicken, die auch für den VfB interessant sein könnte. Denn viele Fanabteilungen haben es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur ihre Interessen in Bezug auf den Profifußball zu verfolgen und den Gesamtverein zu fördern, sondern auch die anderen Abteilungen zu stärken. Am deutlichsten wird das bei der FuFA der SGE, deren Wesen es ist, so Axel, auch die anderen Abteilungen zu fördern und zu unterstützen. Aber auch die anderen Fanabteilungen tun das finanziell vor allem durch die Mitgliedsbeiträge. Wer den Podcast der Nachspielzeit mit den VfB-Leichtathleten Marie-Laurence Jungfleisch und Fabian Heinle gehört hat, weiß dass die anderen Abteilungen des VfB eine solche Förderung, egal ob finanzieller Natur, oder in Form von Aufmerksamkeit, gut gebrauchen können. Wer die Folge nicht gehört hat, sollte das übrigens unbedingt nachholen. Beim FC St. Pauli fließen Fördergelder auch in den Nachwuchsfußball, der sich beim VfB allerdings in den älteren Jahrgängen im Bereich der AG befindet. In Darmstadt, so vermutet der Abteilungsleiter, sei erst durch das Engagement der Fanabteilung eine größere Vernetzung innerhalb der Vereinsabteilungen entstanden.
Dementsprechend ist das vereinsinterne Ansehen der Fanabteilung, also bei den anderen Abteilungen, meist sehr hoch. Das ist allerdings teilweise auch zeitlich gewachsen, wie Axel im Fall der Eintracht berichtet: “Zur Gründungszeit hatten viele Abteilungen Angst, dass die Fußballchaoten jetzt den Verein übernehmen.” Auch in Hamburg, wo der HSV als Breitensportverein über 33 Abteilungen hat, von denen der Supporters Club die größte ist, ist die Akzeptanz innerhalb des Vereins laut Tanja “geteilt”. In Mainz werde man mittlerweile nicht mehr als Externer, sondern als Teil des Vereins wahrgenommen, berichtet Alex Schulz und dass die neugegründete Fanabteilung in Hannover zunächst nicht nur auf Gegenliebe stoßen wird, kann man sich denken. In Hamburg ist die Situation auch nicht ganz einfach, was zum einen damit zu tun hat, dass es die Fanabteilung schon sehr lange gibt, sich der Einfluss des Supporters Club aber durch die Ausgliederung 2014 gemindert hat. Generell gibt es zwischen der Fanabteilung und der ausgegliederten Profifußball-Gesellschaft meist wenig Überschneidungspunkte, was zunächst überrascht, weil die meisten ja eben Profifußball-Fans sind. Aber es geht den Fanabteilungen eben, wie bereits angesprochen um mehr als den Profifußball, was vielleicht in der aktuellen Zeit nicht die schlechteste Grundhaltung ist.
Wer will die Fanabteilung?
An verschiedenen Stellen habe ich schon angesprochen, welche möglichen Aufgaben einer Fanabteilung aktuell beim VfB an anderer Stelle angesiedelt sind und damit möchte ich auf eine Frage kommen, die bei diesem Thema nicht unbeantwortet bleiben darf: Brauchen wir eine Fanabteilung überhaupt oder werden deren Aufgaben im VfB derzeit schon angemessen wahrgenommen und durch wen? Dafür lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, unter welchen Umständen und von wem die Abteilungsgründung initiiert wurde. Das waren nämlich fast ausnahmslos die jeweiligen Fans, teilweise organisiert, teilweise nicht. In Frankfurt, so Axel, habe der damals neu gewählte Präsident Peter Fischer seinen Verbleib von der Gründung der FuFa abhängig gemacht und in Hannover, so Justus, seien die Grenzen zwischen Fans und Vereinsführung derzeit fließend. Eine weitere Parallele bei fast allen Vereinen: Die Fanabteilung wurde in einer Situation gegründet, als entweder der Verein in der Krise war oder die Fans ihren Einfluss stark bedroht sahen: In Frankfurt im Jahr 2000 als Reaktion auf die Ausgliederung, in Dortmund in 2004, als der Verein sportlich und wirtschaftlich abzurutschen drohte, in Köpenick im gleichen Jahr nach dem Abstieg in die Drittklassigkeit und angesichts des drohenden Verlusts der Alten Försterei sowie finanzieller Schwierigkeiten, ähnlich in Darmstadt, wo die FuFa ihre Ursprünge in einem Fanverein hat, der angesichts einer drohenden Insolvenz der Lilien 2008 gegründet wurde. Über die aktuelle Situation in Hannover erzähle ich wohl niemandem etwas Neues. Teilweise sahen sie die Abteilungsgründer dabei auch Vorbehalten der Vereinsführung gegenüber, die eine “Übernahme” des Vereins fürchteten.
Ganz anders wäre die Situation in Stuttgart, wo die Vereinsführung selber die Initiative ergreift. Von einer Krisensituation kann man zwar angesichts des zweiten Abstiegs in drei Jahren und dem daraus resultierenden Vertrauensverlust durchaus sprechen, gleichzeitig haben vor drei Jahren mehr als drei Viertel der anwesenden Mitglieder dafür gestimmt, die Kontrolle über das, was in der Fußballsparte passiert, größtenteils aufzugeben. Wolfgang Dietrich sind wir auch los, die großen Schlachten scheinen fürs Erste geschlagen, sieht man mal von dem einen oder anderen ab, der dem Ex-Präsidenten in den letzten drei Jahren den roten Teppich ausrollte. Freiräume in Form einer Fanabteilung muss sich aktuell niemand im Verein groß erkämpfen, auch wenn die Gräben des letzten Sommers noch lange nicht zugeschüttet sind. Und die Frage ist auch: Sind diese Freiräume gewünscht? Oder enstehen beim VfB durch die Gründung einer Fanabteilung Dopplungen zu bestehenden Strukturen?
Wer macht was für Fans?
Zwar hat der Verein die bislang bestehenden Mitgliederausschüsse Vereinsentwicklung und Nachwuchsleistungszentrum zugunsten des Expertenrats aufgelöst, es existieren aber noch weitere Strukturen, über die Fans und Mitglieder aktiv eingebunden werden. Neben dem Vereinsbeirat, der aus drei Säulen besteht, darunter auch “Fans und Mitgliedern”, ist das vor allem der Fanausschuss, der seit 2012 existiert und laut Geschäftsordnung folgende Aufgaben hat:
“Der Fan-Ausschuss berät den Vorstand in allen wichtigen Fanangelegenheiten und fungiert als repräsentatives Bindeglied zwischen den einzelnen Fan-Gruppen und dem Vorstand. Zielsetzung ist die Aufrechterhaltung eines dauerhaften und partnerschaftlichen Dialogs zwischen der Vereinsführung und der gesamten Fanbasis. Hierdurch soll unter Berücksichtigung der Tradition des Vereins eine erfolgreiche Zukunftsgestaltung des VfB Stuttgart 1893 e. V. in dem sich ständig wandelnden Wirtschaftsbereich Profifußball sichergestellt werden. Der Fan-Ausschuss und jedes einzelne Mitglied des Fan-Ausschusses bekennen sich zu diesen Zielen.”
Im Fanausschuss sitzen neben dem Fanbeauftragten Christian Schmidt, der den Ausschuss auch leitet, je ein Vertreter der vier Regionen, in die sich die mittlerweile über 400 Offiziellen Fanclubs (OFCs) aufteilen, zwei Vertreter des Commando Cannstatt, ein Vertreter des Schwabensturms sowie Vertreter verschiedener Interessens- und Menschengruppen wie zum Beispiel den offiziellen VfB-Treffs, der Frauen, der Minderheiten — in diesem Fall des homosexuellen Fanclubs Stuttgarter Junxx oder VfB Away. Kurz: Ein Querschnitt durch die organsierte Fanszene des VfB, wenn man offizielle Fanclubs und deren Mitglieder dazu zählt. Bis 2014 existierte noch ein sogenannter VfB-Anhängerverband als Dachverband für organisierte und nicht organisierte VfB-Fans, dessen Akzeptanz aber meiner Erinnerung nach vor allem gegen Ende seiner Existenz deutlich geringer wurde.
Auch in anderen Vereinen existieren parallel zur Fanabteilung solche Strukturen. Was beispielsweise in Braunschweig, Osnabrück und Hannover kein Problem darstellt, weil die Ultras beispielsweise in großen Teilen Mitglieder der Fanabteilung sind oder diese mitgegründet haben. In Darmstadt, so Sotirianos, “wird die FuFa, denke ich, von der aktiven Fanszene als Anlauf- und Ansprechstelle wahrgenommen. Logischerweise können wir nicht immer eine Bandbreite für alle abbilden, aber punktuell mal was für unterschiedliche Zielgruppen tun.” Ähnlich sieht es beim BVB aus, erklärt Jakob: “Wir grenzen uns zu anderen Fan-Institutionen (zum Beispiel zum Fan-Projekt oder zu den Fanbeauftragten) strukturell deutlich ab. Trotzdem arbeiten wir natürlich eng zusammen und kooperieren bei vielen Themen.” Am Millerntor, so Maik, nutzen AFM und Fanprojekt die Fanräume im Stadion gemeinschaftlich. Beim Stadtrivalen und bei Union sehen Tanja und Sebastian keine Doppelstrukturen,
“Immer pro Verein, nicht unbedingt pro handelnde Personen”
Sebastian spricht auch noch einen weiteren wichtigen Punkt an: “Sie ist eine Abteilung des Vereins. Damit wirkt sie in den Verein hinein. Aber sie ist eben auch gleichzeitig nicht unabhängig vom Verein.” Dazu später mehr, aber in diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass die Ultragruppe in Köpenick ein Fanclub ist. Das ist in Stuttgart nicht der Fall, eine Aufnahme der Ultragruppen als Fanclub würde, so meine Vermutung, schon an der notwendigen Gewaltverzichtserklärung scheitern. Alex Schulz aus Mainz meint: “ Als Teil des Vereins ist oftmals auch der Umgang mit kritischen Themen nicht einfach. Während man als Supporters oder Ultras frei und öffentlich poltern kann, sind die Wege als FA anders. Man ist natürlich weiterhin genauso kritisch, äußert sich aber intern und trägt die Kämpfe auch intern aus.” Eine negative Instrumentalisierung durch die Vereinsführung sei jedoch bisher selten vorgekommen. Was nicht bedeutet, dass es nicht durchaus auch zu Konflikten zwischen Fanabteilung und Vereinsführung kommt. Stellvertretend dafür stehen die Aussagen von Alex Schulz aus Mainz….
“Als Teil des Vereins wird ja ein gewisses Maß an Loyalität erwartet. Und zu politischer Arbeit gehört es auch, den Vereinsverantwortlichen auch mal Wünsche zu erfüllen. Oder sie es glauben zu lassen. Und natürlich muss man immer wachsam sein. Manche Fans sind natürlich anfällig, wenn der Präsident etwas wünscht. Die Zusammensetzung der Abteilungsleitung ist daher enorm wichtig.”
und Markus Sotirianos aus Darmstadt:
“Wir sind immer pro Verein, nicht unbedingt pro handelnde Personen. Kritik äußern wir zuerst intern und haben auch den Eindruck, oftmals Gehör zu finden. Teil des Vereins zu sein, bringt auch mit sich, dass die handelnden Personen sich tatsächlich mit uns auseinandersetzen MÜSSEN und nicht argumentieren können, dass wir eine Minderheiten-Meinung vertreten. Insofern nutzen wir vielleicht seltener die Öffentlichkeit für Kritik, aber im Sinne der Sache haben wir ganz andere Einfluss- und Beratungsmöglichkeiten als eine externe Fanorganisation. Für die Vereinsführung ist eine offene Konfrontation mit ihrer eigenen Fanabteilung sicherlich nicht erstrebenswert. Die Frage kann sich sogar umkehren: Durch unsere Aufklärungsarbeit haben wir mit dazu beigetragen, dass die von der Vereinsspitze angestrebte Ausgliederung nicht zustande kam. Insofern hat die Fanabteilung einen sehr positiven Einfluss auf die Vereinsentwicklung ausgeübt.”
Zuständigkeiten klar abstecken
Insgesamt scheinen die meist aus der aktiven, beziehungsweise organisierten Fanszene hervorgegangenen Fanabteilungen im Umfeld des Vereins eine hohe Akzeptanz zu genießen, oder wie Markus Sotirianos aus Darmstadt es ausdrückt: “Gute Arbeit, die gar nicht so sehr die Einzelperson, sondern den Verein in den Vordergrund rücken will, setzt sich langfristig durch.”
Wichtig für Claus Vogt wird sein, ähnliche wie bei der Einrichtung des Expertenrats, die Kompetenzen und Zuständigkeiten klar abzustecken. Der Fanausschuss und gerade die Dachstrukturen der OFCs sind gewachsene Institutionen, die bisher meiner Meinung nach für einen guten Austausch zwischen Fans und Vereinsführung sorgen. Gleichzeitig sind natürlich nicht alle OFC-Mitglieder automatisch Vereinsmitglieder. Ich kann mir sogar durchaus vorstellen, dass eine solche inhaltliche Abgrenzung zwischen organisierter Fanszene, bestehenden Fanbetreuungs- und OFC-Strukturen und einer neuen Fanabteilung bereits hinter den Kulissen stattgefunden hat. Wichtig wäre es auf jeden Fall, wenn eine Fanabteilung ihre möglichen Aufgaben, wie oben genannt, erfüllen können soll. Unschön wäre eine Spaltung der engagierten Fans in “Abteilungs-Fans” und “externe Fans”.
Aktiv im Verein
Warum aber solte man als Fan der VfB-Fußballer überhaupt von der passiven Mitgliedschaft der Fußballsparte in die Fanabteilung wechseln, beziehungsweise warum sollte ich mich als Neumitglied der Fanabteilung anschließen? Der große Unterschied liegt natürlich darin, dass man bei den Fußballern nur passives Mitglied ist, also Beiträge zahlt, aber die Trainingsanlagen des Vereins nicht nutzen darf, während man in der Fanabteilung meist aktives Mitglied ist. Bei der Eintracht beispielsweise gibt es altersspezifische Angebote für junge und ältere Menschen und freien Eintritt bei Veranstaltungen der Abteilung. Außerdem geht es häufig darum, aktiv im Verein etwas zu gestalten, auch außerhalb von Mitgliederversammlungen. Laut Justus soll es in Hannover darum gehen, “dass wir in der Fanabteilung echtes Vereinsleben anbieten wollen, welches in der Fussballabteilung hier nicht gibt”. In Darmstadt geht es laut Sotirianos in eine ähnliche Richtung: “Alle Aktivitäten des Vereinslebens, Vorträge, Ausstellungen, Lesungen, Quizabende, Turniere usw. finden in der FuFa statt. Dafür muss man zwar nicht explizit Mitglied dieser Abteilung sein, unterstützt aber durch seine Mitgliedschaft dort deren Aktivitäten.” Teilweise haben die Fanabteilungen nämlich auch eigene Budgets, aus denen solche Veranstaltungen finanziert werden — oder eben die finanzielle Unterstützung anderer Sparten, wo es möglich ist.
Eine Abteilung, kein Fanclub, keine Ultragruppe
Natürlich birgt die Gründung einer Fanabteilung auch Risiken. Axel sieht als Risiko den Spagat zwischen Fan- und Vereinsinteressen, die nicht immer deckungsgleich sein müssen. Jakob weist auf das Verhältnis zur organisierten Fanszene hin: “Außerdem muss sie als das verstanden werden, was sie ist. Als Abteilung. Sie ist kein Fanclub und auch keine Ultragruppe, sondern eine unabhängige Abteilung, die vermittelt und für alle Fans da ist.” Außerdem dürfe die Fanabteilung kein Sprachrohr des Vereins sein, auch wenn sie ein Teil dessen ist. Alex Schulz weist darauf hin, dass es wichtig sei, mit der Fanabteilung das breite Spektrum an Fans auch personell abzudecken. Markus Sotirianos verrät, wie die FuFa Darmstadt es geschafft hat, mit den organisierten Fans zu koexistieren:
“Daher haben wir zu Beginn Nischen gesucht, in denen wir ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln konnten: Fanradio, Auswärtsfahrten ohne Alkohol für Mitglieder, die keinen Fanclub-Anschluss haben und nicht viele Pinkelpausen machen wollen, redaktionelle Arbeit (wir haben z.B. das “Saisonjournal”, ein Jahresheft zum Saisonstart, wiederbelebt oder zwei Bildbände herausgegeben), soziale Aktionen, Lesungen usw. Dazu ist es wichtig, über längere Zeit in den Austausch mit den relevanten Fangruppen zu treten, aber auch Einzelmeinungen zu hören. Dinge ggf. “besser” zu machen als der Hauptverein (z.B. ein Archiv für das Stadionmagazin aufbauen). Mit derartigen Kleinigkeiten wächst die Fanabteilung und wird dadurch immer mehr in ihren Bereichen wahrgenommen, ohne eine Konkurrenz zu anderen zu sein.”
Auch etwas für den VfB?
Grundsätzlich wird die Gründung der Fanabteilung im jeweiligen Verein aber von den Gesprächspartnern, die sich nicht selber dort engagieren, überwiegend positiv gesehen, wobei wie eingangs angesprochen natürlich die Rahmenbedingungen an jedem Standort unterschiedlich sind. Wäre das also auch etwas für den VfB?
Am wichtigsten ist es sicherlich, dass wir in Stuttgart eindeutig abstecken, wer wofür zuständig ist. Wie schon in einem Artikel im April angesprochen, verfügen VfB e.V. und AG bereits über einige Gremien, über deren Zuständigkeiten in den vergangenen Jahren selbst bei den Gremienmitgliedern scheinbar teilweise Unwissen herrschte. Nun ist eine Fanabteilung natürlich erstmal kein weiteres Gremium, sondern eine Abteilung, aber auch die Abteilungsleitung wird gewählt und als entsprechendes Fangremium wahrgenommen. Die größten Chancen sehe ich in der Gestaltung eines aktiven Vereinslebens der, nennen wir sie “Fußballfans” untereinander, aber auch zwischen Fußballfans und Mitgliedern der anderen Sparten. Soziale Aktionen, ein kulturelles Programm, vereinsinterne Aufgaben sind bei einer Fanabteilung sicherlich gut aufgehoben. Wobei hier natürlich nicht das vom VfB unabhängige, nämlich von der Stadt finanzierte Fanprojekt vergessen werden sollte, welches auch Fan-Projekte auf die Beine stellt und die anderen drei VfB-Fanpodcasts und uns beispielsweise bei der VfBVIERERKETTE unterstützt hat.
Die Wunden pflegen
Ob eine Interessenvertretung der Fans im Fanausschuss, der eigentlich fast alle Fangruppen abdeckt oder in der Fan- und Mitgliedersäule des Vereinsbeirats oder gar in einer Fanabteilung am Besten aufgehoben ist, vermag ich nicht zu sagen. Auf jeden Fall sollten hier vorab Gespräche geführt werden und später eventuell Zuständigkeiten neu zugeschnitten werden. Klar ist aber: Die Mitglieder des Fanauschusses sind meinem Eindruck nach wesentlich unabhängiger vom Verein, als es eine Fanabteilung sein könnte. Anlaufstellen für Fans gibt es ja beim VfB durch die Fanbetreuung und die OFCs und ihre Regionalversammlungen bereits, hier wäre es wichtig, sich, wie das Beispiel Darmstadt zeigt, Nischen zu schaffen. Man könnte zum Beispiel Dr. Florian Gauß im VfB-Archiv unterstützen. Eine weitere Idee, die Jakob mir im Gespräch vorgeschlagen hat: Warum die Abteilung nicht “Abteilung für Fußballkultur” nennen und somit auch namentlich eine Unterscheidung zu anderen Strukturen zu schaffen und dabei die Fans trotzdem miteinbeziehen?
Als größte und wichtigste Aufgabe einer Fanabteilung sehe ich aber persönlich in der Tat die Gestaltung eines Vereinslebens und die Pflege der Wunden, die die letzten drei Jahre, das Gebaren von Wolfgang Dietrich und die Ausgliederungsdebatte, aber auch der sportliche Misserfolg in die Vereinsseele geschlagen haben. Natürlich gab und gibt es entsprechende Angebote seitens des Vereins bereits — aktuell sind da die Dunkelroten Tische zu nennen — aber im Falle der Fanabteilung kämen diese Angebote von den Mitgliedern und nicht vom Vereinsbeirat oder der Vereinsführung. Denn wenn der VfB — neben dem Aufstieg — derzeit eines braucht, dann ist es das, was ich im Juli letzten Jahres im Nachgang der Mitgliederversammlung aufgeschrieben habe: Ein Mit- und kein Gegeneinander und ein respektvoller Umgang untereinander.
Eine Chance verdient
Bei einer solchen Aufgabenverteilung wie eben beschrieben könnte ich mir eine Fanabteilung beim VfB gut vorstellen und würde auch meine Mitgliedschaft auf diese Abteilung umschreiben. Für eine breite Akzeptanz im Verein und im Umfeld ist es unerlässlich, dass sich die Fanabteilung auch für die anderen Abteilungen engagiert und im engen Austausch mit anderen Fanstrukturen steht, ohne dass es zu Kompetenzgerangel kommt. Schlussendlich ist natürlich auch immer die personelle Besetzung der Abteilungsleitung nicht unwichtig. Aber: Darüber können wir als Mitglieder ja entscheiden. Klar ist auch, dass die Fanabteilung nicht von heute auf morgen bei jedem auf Gegenliebe stoßen würde. Aber man sollte ihr, wenn sie ins Leben gerufen wird, die Chance geben, ihren Platz im VfB-Kosmos zu finden, den sie meiner Meinung nach durchaus haben kann. Durch die Ausgliederung sind uns viele der sowieso rar gesäten Mitbestimmungsmöglichkeiten verloren gegangen. Eine gut organisierte Fanabteilung könnte zumindest auch den passiven Mitgliedern der Fußballabteilung ein neues Zu(sammen)gehörigkeitsgefühl verschaffen.
Ich hoffe, wir konnten Euch mit diesem Artikel einen Eindruck verschaffen, was eine Fanabteilung ist und was sie leisten kann — und was nicht. Mal schauen, wie es beim VfB diesbezüglich weitergeht.
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Zum Schluss noch eine Anmerkung: Meine Gesprächspartner haben natürlich auf den Fragenkatalog alle sehr ausführlich geantwortet. Wer Interesse an den ausführlichen Antworten, häufig auch mit Beispielen aus den jeweiligen Vereinen oder Details zu den Strukturen, die den Rahmen dieses sowieso schon sehr ausführlichen Artikels gesprengt hätten, kann gerne eine E‑Mail an blog@rundumdenbrustring.de schreiben, gerne auch mit einer konkreten Frage.
Titelbild: © Imago
Vielen Dank für den ausführlichen Artikel. Der Begriff “Fanabteilung” fiel im Laufe der Präsidenschaftswahl immer mal wieder, aber hatte mich bisher nie damit beschäftigt was genau das eigentlich ist. Finde es immer spannend, dass ihr regelmäßig Stimmen aus anderen Vereinen einholt, so auch zu diesem Thema!