Rund um Corona und Fußball in Hamburg

Nach zwei Nie­der­la­gen emp­fängt der VfB am Don­ners­tag den Tabel­len­zwei­ten aus Ham­burg im lee­ren Neckar­sta­di­on. Wie es in der Han­se­stadt sport­lich und gesell­schaft­lich aus­sieht, dar­über haben wir uns mit HSV-Fan Susi (@Susi_1887) unter­hal­ten.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Susi und vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nimmst. Zunächst ein­mal eine per­sön­li­che Fra­ge:  Wie geht es Dir, wie bist Du die letz­ten Mona­te zurecht gekom­men?

Susi: Dan­ke, mir geht es gut. Ich arbei­te zum Glück in einer Bran­che, die kei­ne nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen durch Coro­na bewäl­ti­gen muss. In mei­nem Fami­li­en-und Freun­des­kreis gibt es kei­ne Coro­na-Fäl­le (Stand jetzt), das macht mich natür­lich froh. Aller­dings muss ich schon zuge­ben, dass mona­te­lan­ges Home Office und kaum per­sön­li­chen Kon­takt zu ande­ren Men­schen haben zu dür­fen, auch bei mir auf die Stim­mung drückt. Da rückt das The­ma Fuß­ball mal ganz weit an den Rand.

Das Spiel am Don­ners­tag ist bereits der drit­te Geis­ter-Spiel­tag nach der Wie­der­auf­nah­me der 2. Bun­des­li­ga. Wie stehst Du zum The­ma Geis­ter­spie­le und hat sich Dei­ne Mei­nung nach den letz­ten bei­den Wochen­en­den geän­dert?

Ich war gegen die Wie­der­auf­nah­me des Spiel­be­trie­bes, weil ich es für unver­ant­wort­lich und absurd hal­te. Es wirkt wie eine ande­re Rea­li­tät. Mein Bru­der arbei­tet bspw. in einem Alten­heim und ist in der Coro­na-Not­fall-Grup­pe. Zum Glück gab es noch kei­nen Fall, aber selbst wenn, es gibt kei­ner­lei Schutz­aus­rüs­tung im Heim. Die Pfle­ge­kräf­te erhal­ten ledig­lich einen Risi­ko­auf­schlag auf ihr Gehalt. Es fiel mir schon schwer auf­grund der Beschrän­kun­gen und gene­rell dem Leben mit Coro­na dann wie­der Gedan­ken zum Fuß­ball drif­ten zu las­sen. Das war alles so weit weg. Ein wei­te­res The­ma ist natür­lich die Sache mit den Geis­ter­spie­len: Ich betrach­te es als “ok” bzw. “hin­nehm­bar” eben wegen der Pan­de­mie. Mir fehlt aller­dings auch der Sta­di­on­be­such: Freun­de und Bekann­te zu tref­fen, sich per­sön­lich aus­zu­tau­schen und das ein oder ande­re Kalt­ge­tränk zu sich zu neh­men. Man­che rei­sen zu den Heim­spie­len von weit an und man sieht sich nicht so oft. Eigent­lich fehl­te mehr das Umfeld und das Sta­di­on­er­leb­nis als der tat­säch­li­che Fuß­ball. Bei der Wie­der­auf­nah­me der Bun­des­li­ga habe ich trotz mei­ner nega­ti­ven Grund­stim­mung wie­der ein­ge­schal­tet und ehr­lich gesagt, so blöd es klingt, ich habe jede Minu­te der Spie­le auf­ge­saugt wie ein Ver­durs­ten­der einen Trop­fen Was­ser in der Wüs­te. Viel­leicht habe ich gar nicht gemerkt, wie sehr es mir fehlt. Und so hat es sich bei mir von der nega­ti­ven Stim­mung zur neu­tra­len, leicht posi­ti­ven Stim­mung gedreht, da es auch mit den Locke­run­gen im “Real Life”, zu einer Art neu­en Nor­ma­li­tät bei­trägt.

Zum Sport­li­chen: Der HSV ist mit zwei Unent­schie­den gegen Fürth und Bie­le­feld aus der Pau­se gekom­men und steht damit einen Punkt vor dem VfB auf Platz 2. Was über­wiegt bei Dir? Der Frust dar­über, dass Ihr unse­re zwei pein­li­chen Nie­der­la­gen nicht aus­nut­zen konn­tet oder die Erleich­te­rung, dass wir Eure Ergeb­nis­se nicht aus­nut­zen konn­ten?

Das man in letz­ter Minu­te in Fürth noch den Sieg aus der Hand gibt — es hat sich ange­deu­tet: Der HSV ist schon seit län­ge­rem defen­siv sehr schwach gewor­den. Unse­re Geg­ner bekom­men immer wie­der ihre Chan­cen. Das hat man bspw. auch im Hin­spiel gegen den VfB gese­hen: Das Spiel war — beson­ders als neu­tra­ler Zuschau­er — gut anzu­se­hen, aber es hät­te genau­so gut der VfB mit 3:5 oder so gewin­nen kön­nen. Das Spiel gegen Bie­le­feld war sehr gut vom HSV. Wir hat­ten die bes­se­ren Tor­chan­cen, Bie­le­feld war mei­ner Ansicht nach tak­tisch cle­ve­rer. Der Lucky Punch blieb aus. Dumm gelau­fen. Dass der VfB aller­dings bei­de after-Coro­na-Pau­se Spie­le ver­liert, hät­te ich auch nicht gedacht. Bei mir über­wiegt eher das Gefühl “typisch HSV”, denn Ergeb­nis­se der direk­ten Kon­kur­ren­ten konn­ten wir schon in der ers­ten Liga sel­ten zu unse­rem Vor­teil nut­zen.

Wie wich­tig ist der Wie­der­auf­stieg für den HSV und wie groß siehst Du aktu­ell die Chan­cen? Was ist Dein Tipp fürs Spiel am Don­ners­tag?

Der Wie­der­auf­stieg ist beson­ders aus finan­zi­el­len Grün­den sehr wich­tig. Noch ein Jahr Zwei­te Liga gepaart mit der Coro­na-Kri­se finan­zi­ell zu meis­tern, wird sehr schwer. Per­sön­lich fin­de ich es nicht schlimm Zweit­li­gist zu sein: die geg­ne­ri­schen Fans sind nicht so feind­se­lig wie zuletzt in der ers­ten Liga, man sieht mal ande­re Sta­di­en, ver­liert nicht mehr sooooo oft, nega­tiv sind natür­lich die Anstoß­zei­ten, ansons­ten in die Zwei­te Liga sehr char­mant. Bie­le­feld ist qua­si durch, da kann man schon zum Auf­stieg und sou­ve­rä­ner Ers­ter gra­tu­lie­ren. Wer dann Zwei­ter wird, da sehe ich den HSV auf einem Level mit Stutt­gart. Theo­re­tisch könn­te Hei­den­heim auch noch mit­mi­schen. Für mich ist alles offen. Schau­en wir mal.

Mein Tipp: Oh je, ich tip­pe ja immer für den HSV, von daher sage ich mal 2:3 Aus­wärts­sieg

In vie­len Städ­ten orga­ni­sier­ten Fans in den ver­gan­ge­nen Mona­ten finan­zi­el­le, tat­kräf­ti­ge und mora­li­sche Unter­stüt­zung für Risi­ko­grup­pen und Kran­ken­haus­mit­ar­bei­ter. Was ist dies­be­züg­lich in Ham­burg pas­siert?

Der HSV — auch im Ver­bund dem Sup­port­ers Club — hat eine Platt­form zur Ver­fü­gung gestellt, wo man sich gegen­sei­tig hel­fen kann. Die HSV Stif­tung “Der Ham­bur­ger Weg” unter­stützt sozia­le Kin­der- und Jugend­ein­rich­tun­gen. Zu Ostern hat Dino Herr­mann Scho­ko­la­de u.a. an Kran­ken­haus-und REWE-Mit­ar­bei­ter ver­schenkt. Sys­tem­re­le­van­te HSVer wur­den vom HSV e.V. beschenkt. Wäh­rend der stren­ge­ren Auf­la­gen wur­den vom HSV wei­te­re Aktio­nen gestar­tet, wie Sport-Chal­lenges für zu Hau­se, ein Mal­wett­be­werb für die Kids, vir­tu­el­le Trai­nings, etc. Auch eine Crowd­fun­ding-Platt­form für ver­schie­de­ne Shops/Bars/etc. wur­de hier gegrün­det.

Wie ist denn gene­rell die Lage in der Han­se­stadt? Wel­che Beschrän­kun­gen gel­ten der­zeit und wie kom­men die Ham­bur­ger damit klar?

Es ist ziem­lich viel wie­der offen: Restau­rants, Fri­seur, Spiel­plät­ze, etc. Schu­len sind auch z. T. wie­der offen, sodass die Kin­der min­des­tens ein paar Stun­den in der Wochen wie­der Prä­sent­un­ter­richt haben. Man merkt, dass eini­ge Men­schen die Locke­run­gen zu locker neh­men und sich nicht mehr rich­tig an die Auf­la­gen hal­ten, sprich der Min­dest­ab­stand wird z.T. nicht ein­ge­hal­ten und die Mas­ken­pflicht wird eher als “kann” statt als “muss” gese­hen. Ich bin auch kein “Fan” der Mas­ken­pflicht — beson­ders als Bril­len­trä­ge­rin, aber man soll­te die Auf­la­gen auch ein­hal­ten, die­se wer­den ja nicht aus Jux auf­er­legt.

Der Pro­fi­fuß­ball muss­te sich in den letz­ten Mona­ten viel Kri­tik anhö­ren. Wie fin­dest Du das Ver­hal­ten Dei­nes Ver­eins in der Kri­se?

Der HSV macht komi­scher­wei­se ziem­lich viel rich­tig — das kennt man so gar nicht vom Ver­ein. Ich den­ke mit Die­ter Hecking und Jonas Boldt haben wir ein gutes Team in der Chef­eta­ge. Auch die Beto­nung der Bedeu­tung der Fans durch unse­ren Finanz­vor­stand Frank Wett­stein war genau das rich­ti­ge Zei­chen, als er zu Fan-Aktio­nen wäh­rend der Geis­ter­spie­le befragt wor­den ist.

Zum Abschluss: Hat sich Dein Ver­hält­nis zum Fuß­ball und zum HSV durch die Kri­se ver­än­dert?

Mein Ver­hält­nis zum Pro­fi­fuß­ball hat sich in den letz­ten Jah­ren gene­rell gewan­delt. Ich bin nicht mehr so lei­den­schaft­lich bei der Sache, das zeigt sich so, dass mein Wochen­en­de nicht kom­plett ver­saut ist, wenn mein Ver­ein ver­liert. Ich kann WMs/EMs auch nicht mehr so genie­ßen. Ich gehe lie­ber zu Regio­nal­li­ga­spie­len, um den “Fuß­ball wie­der zu spü­ren”. Es ist so viel kaputt gegan­gen in den letz­ten Jah­ren durch die FIFA, UEFA, DFB/DFL, etc. Ich hof­fe wirk­lich, man nimmt sich in den Chef­eta­gen die Coro­na-Kri­se zum Anlass um sich selbst zu hin­ter­fra­gen, und dass Fans die­ses Spiel erst zu dem machen, was es ist. Ich zwei­fel zwar dar­an, dass sich grund­le­gend etwas ändert, aber die Hoff­nung stirbt zuletzt. So eine Pan­de­mie wird mein Ver­hält­nis zum HSV nicht ver­än­dern. Ich habe schon so viel mit dem HSV mit­ge­macht und der Ver­ein hat mir glei­cher­ma­ßen so viel gege­ben. Ein­mal HSV, immer HSV — das bleibt auf ewig

Titel­bild: © Uwe Koch/ Eib­ner-Pres­se­fo­to EPukh

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