Rund um Corona und Fußball in Dresden

Für den VfB ist es das vier­te Geis­ter­spiel, für den Gast­ge­ber das ers­te: Vor dem Spiel in Dres­den spra­chen wir mit Dyna­mo-Fan und — Blog­ger Uwe (@spuckelch) über die aktu­el­le Lage. 

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Uwe und vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nimmst. Zunächst ein­mal: Wie geht es Dir, wie waren die letz­ten Mona­te für Dich?

Uwe: Mir gehts gut. Fami­lie ist gesund, ich hat­te in den ver­gan­ge­nen Wochen die glei­chen Pro­blem­chen wie vie­le. Kin­der ohne Kita und Home­of­fice unter einen Hut zu bekom­men und Lager­kol­ler zu ver­mei­den. Lief aber bes­ser als vor­her befürch­tet. Was ich rich­tig scha­de fand, dass nach dem Der­by­sieg gegen Aue eine rie­si­ge Eupho­rie da war, auch wegen der extrem über­zeu­gen­den Vor­stel­lung der Mann­schaft und die­se dann dank Coro­na­aus­zeit förm­lich mit Tem­po 200 gegen eine Wand lief.

Wie ist denn die aktu­el­le Situa­ti­on in Dres­den? Wel­che Ein­schrän­kun­gen gibt es und wie kommt die Bevöl­ke­rung damit zurecht?

So schnell die Stadt Dres­den war, Aus­gangs­be­schrän­kun­gen und Kon­takt­sper­ren zu erlas­sen, so schnell waren sie hier ver­gleichs­wei­se auch, die­se wie­der auf­zu­he­ben. Aktu­ell läuft das Leben wie­der rela­tiv „nor­mal“. Kitas und Schu­len sind wie­der geöff­net, die meis­ten Men­schen haben ihr Home­of­fice gegen die Büros zurück­ge­tauscht. Restau­rants und Knei­pen sind auch wie­der geöff­net, aller­dings wegen der Abstands­re­geln halb­leer und nur bis 22 Uhr, also nicht so, dass es Spaß machen wür­de, die­se wie­der zu besu­chen. Ins­ge­samt ist die Stim­mung soli­da­risch und die meis­ten Men­schen gestal­ten ihren All­tag ohne groß zu mur­ren gemäß den gel­ten­den Regeln.

Gab es bei Euch auch Soli­da­ri­täts­be­kun­dun­gen und Unter­stüt­zung für Risi­ko­grup­pen und Kran­ken­haus­per­so­nal sei­tens der Dyna­mo­fans?

Die akti­ve Fan­sze­ne hiss­te am pro­mi­nen­tes­ten Platz der Stadt — der Brühl­schen Ter­ras­se — ein Ban­ner: „Dres­den hat es oft gezeigt, in der Not hilft nur Zusam­men­halt. Auch die­se Kri­se wer­den wir über­ste­hen. Dan­ke an alle, die täg­lich alles dafür gehen.“ Weil der büro­kra­tisch kor­rek­te Weg für das Anbrin­gen nicht ein­ge­hal­ten wur­de, ent­fern­te es die Poli­zei zunächst wie­der, nach Ver­hand­lun­gen von Ver­ein und Stadt wur­de es aber wie­der auf­ge­gan­gen.

Die Ultras Dyna­mo haben außer­dem Risi­ko­grup­pen und Hel­fern, die rund um die Uhr im Ein­satz sind (waren) ihre Hil­fe beim Bewäl­ti­gen des All­tags ange­bo­ten. Ein­kau­fen, Gas­si mit dem Hund, Post holen — wer dabei Unter­stüt­zung braucht(e), konn­te sich an die Ultras-Kon­takt-Adres­se wen­den. Dar­über hin­aus rie­fen sie zum Blut­spen­den auf und appel­lier­ten an alle, sich an die Regeln / Beschrän­kun­gen zum Ein­däm­men der Krank­heit zu hal­ten

Der Ver­ein ver­kauf­te eigens ent­wor­fe­ne Coro­na T‑Shirts („Dynamofiziert“und „Dyna­mo-Fans gegen Coro­na“) und Mund­schut­ze in den Ver­eins­far­ben. Aus dem Erlös wur­den die Arbeits­plät­ze der Mit­ar­bei­ter im Fan­shop gesi­chert und zusätz­lich 30.000 Euro an sozia­le Ein­rich­tun­gen in Dres­den gespen­det.
Wei­ter­hin ver­zich­te­ten Mann­schaft und Betreu­er­stab auf ins­ge­samt 300.000 Euro Gehalt. Davon wur­de das Kurz­ar­bei­ter­geld der Mit­ar­bei­ter der SGD auf­ge­stockt und 50.000 Euro gespen­det. 35.000 Euro gin­gen direkt an Kran­ken­häu­ser in Dres­den und Ber­ga­mo und der Rest an sozia­le Ein­rich­tun­gen in Dres­den.

Dyna­mo bestrei­tet am Sonn­tag gegen den VfB erst sein ers­tes Spiel nach der Coro­na-Pau­se und muss die drei bereits absol­vier­ten Spiel­ta­ge bis Ende Juni nach­ho­len. Grund ist eine 14tägige Qua­ran­tä­ne des gesam­ten Kaders gewe­sen, die das Dresd­ner Gesund­heits­amt ver­häng­te. Das bedeu­tet einen Schweins­ga­lopp mit Spie­len im Drei-Tages-Rhyth­mus. Wie bewer­test Du die gan­ze Geschich­te?

Da müs­sen wir oder bes­ser die Mann­schaft jetzt durch. Stei­gen sie ab, wird ihnen nie­mand ernst­haft einen Vor­wurf machen, blei­ben sie drin, bekom­men sie abso­lu­ten Hel­den­sta­tus.

Siehst Du Dyna­mo im Sai­son­end­spurt benach­tei­ligt?

Ja.

Wel­che Fol­gen hät­te ein Abstieg für den Ver­ein?

Einen Abstieg wird es nicht geben ;).

Falls doch, wäre es nicht schön, aber wir wer­den es über­le­ben und unter den aktu­el­len Bedin­gun­gen wird es auch nicht so weh tun. Wie­der­auf­stie­ge gehö­ren ja inzwi­schen zu unse­ren Kern­kom­pe­ten­zen und die Drit­te Liga ist bes­ser, als vie­le glau­ben. Wirt­schaft­lich ste­hen wir — wer hät­te das vor fünf Jah­re gedacht — so soli­de da, dass der Abstieg erst­mals nicht unmit­tel­bar den Fort­be­stand des Ver­eins bedroht. Gera­de unter den jet­zi­gen Bedin­gun­gen, die für Dyna­mo — und da gibt es für mich kei­ne zwei Mei­nun­gen — ein­deu­tig wett­be­werbs­ver­zer­rend sind, wür­de ein Abstieg Fans und Ver­ein noch enger zusam­men­rü­cken las­sen. Die Trotz­re­ak­ti­on gegen­über der gefühl­ten mas­si­ven Benach­tei­li­gung durch die Fuß­ball­ver­bän­de — die in Dres­den seit dem Lizenz­ent­zug 1995, als Dyna­mo direkt von der 1. in die 3. Liga durch­ge­reicht wur­de — gehegt und gepflegt wird, bekä­me neu­en Nähr­bo­den.

Wie ist denn gene­rell Dei­ne Hal­tung zu Geis­ter­spie­len und wie bewer­test Du die Kri­tik am Pro­fi­fuß­ball, die in Ver­bin­dung damit laut wur­de?

Gene­rell bin ich der Mei­nung, es ist eine Far­ce. Ich glau­be, es macht klar, der Pro­fi­fuß­ball dreht sich nur um sich selbst. OK, die Sai­son wird zu Ende gespielt — bei 750 Mil­lio­nen Euro aus­ste­hen­den Fern­seh­gel­dern ist das aus Sicht der Akteu­re abso­lut nach­voll­zieh­bar, aber es zeigt auch sehr deut­lich, wie sinn­los Fuß­ball ohne Zuschau­er ist. Über­spitzt gesagt: Du kannst Fuß­ball spie­len ohne Mil­lio­nen-Ablö­se­sum­men und exor­bi­tant Gehäl­tern, aber ohne Zuschau­er nicht. Dann sind es wirk­lich nur noch 22 Män­ner, die sich um einen Ball strei­ten — und ich has­se die­sen uralten „Witz“. Klar wer­den wegen der feh­len­den Show und den gehyp­ten Spie­lern — sobald einer zehn­mal in einer Sai­son das Tor trifft, gilt er ja schon als Super­star — vie­le Zuschau­er weg­blei­ben. Aber dann sind im Sta­di­on eben nur noch die, die sich wirk­lich dafür inter­es­sie­ren.

Hat sich Dein Ver­hält­nis zum Pro­fi­fuß­ball in den letz­ten Mona­ten ver­än­dert?

Nicht direkt, es wur­de nur bestärkt. Ich habe das Inter­es­se am Pro­fi­fuß­ball in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ohne­hin Stück für Stück ver­lo­ren. Ein­zig Dyna­mo hält mich noch bei der (Zweitliga)Stange. Die Gel­der, die da flie­ßen, die Show drum­her­um sind nicht mehr mein Ding. Damit geht Lan­ge­wei­le ein­her. Meis­ter wer­den die glei­chen, die Cham­pi­ons League machen auch die übli­chen Ver­däch­ti­gen unter sich aus. Kei­ne Ahnung, wann ich zum letz­ten Mal ein Cham­pi­ons-League-Spiel oder die Sport­schau gese­hen habe.
Die Ent­wick­lung wäh­rend Coro­na hat es nur noch­mal ver­stärkt. Es geht nur ums Geld. Ich will das nicht ver­ur­tei­len. Der Pro­fi­fuß­ball ist halt weni­ger Sport, son­dern mehr ein Wirt­schafts­un­ter­neh­men. Wer dar­an Gefal­len fin­det, sich hoch bezahl­ten High-End-Fuß­all anzu­schau­en, soll das ger­ne tun. Ich mag es aber eher unper­fekt, dre­ckig.

Titel­bild: © ima­go

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