Am Sonntag geschieht beim VfB Historisches: Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte haben wir die Wahl zwischen zwei Präsidentschaftskandidaten. Ein Rückblick und ein Ausblick.
Fünf Monate wird es am Sonntag her sein, dass Wolfgang Dietrich in einem von wirren Anschuldigungen durchzogenen Facebook-Post seinen Rücktritt als Präsident des VfB Stuttgart 1893 e.V. und Aufsichtsratsvorsitzender der VfB Stuttgart 1893 AG bekannt gab und uns Hoffnung machte, dass beim VfB ohne ihn alles ein bisschen besser würde. Ist es das geworden? Das können wir abschließend jetzt sicherlich noch nicht beurteilen, aber die letzten Monate haben mir deutlich gemacht, dass der Weg zu einem neuen VfB noch ein weiter ist. Bevor ich auf die außerordentliche Mitgliederversammlung und die dort anstehenden Entscheidungen zu sprechen komme, noch ein paar Worte zum Auswahlprozess und zum Wahlkampf der beiden Präsidentschaftskandidaten.
Der Weg zur Kandidatur
Ich hatte ja damals angemerkt, dass nach den Lügen — Verzeihung, Wahrheitsbeugungen — der Dietrich-Zeit der VfB das verloren gegangene Vertrauen in die Vereinsgremien nur mit absoluter Transparenz wiederherstellen kann. Diese Transparenz blieb bereits in den Kinderschuhen stecken, als man nicht einmal erfuhr, wer alles seine Bewerbung beim Vereinsbeirat abgegeben hatte — es sei denn, die Bewerber machten Ihre Kandidatur öffentlich. Vielleicht hat sich der Vereinsbeirat, zum ersten Mal mit dieser wichtigen Aufgabe betraut, da ein bisschen selber die Hände gebunden, denn er hätte es ja durchaus als Bewerbungskriterium festlegen können, dass der Bewerber mit einer Veröffentlichung der Kandidatur einverstanden sein muss. Mir fehlt auch weiterhin jegliches Verständnis für die Geheimniskrämerei jener Kandidaten, die sich nicht öffentlich äußerten. Wer ernsthaft VfB-Präsident werden will, muss in seinem beruflichen Umfeld ohnehin die zeitlichen Rahmenbedingungen schaffen so wie das ja die letztendlichen Kandidaten Vogt und Riethmüller auch getan haben. Welche beruflichen Nachteile sollten diesen Personen, die im Zweifelsfall auch bisher schon Führungspositionen bekleidet haben, also daraus entstehen? Wer trotzdem der Meinung ist, seine Kandidatur müsse aus diesen Gründen geheim bleiben, der ist als Kandidat meiner Meinung nach ungeeignet.
Wünschenswert wäre übrigens auch gewesen, wenn man erfahren hätte, warum Bewerber nicht für eine Kandidatur berücksichtigt wurden. Das muss natürlich nicht so weit ins Detail gehen, dass es Rückschlüsse auf die privaten Angelegenheiten zulässt, aber so hätte man vielleicht Guido Buchwald ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen können. Denn der hatte sich natürlich auch beworben und sah als Grund für seine Nicht-Berücksichtigung vor allem einen Mann: Winfried Porth. Nun möchte ich es nicht nur nicht ausschließen, sondern halte es sogar für wahrscheinlich, dass der Investoren-Vertreter im Aufsichtsrat auch weiterhin versucht, auf die Vereinspolitik Einfluss zu nehmen. Dass er damit im Falle Guido Buchwalds auch Erfolg hatte, kann ich mir jedoch nicht vorstellen. Der Vereinsbeirat hatte schließlich auch ohne äußere Einflüsse genügend Gründe, um den Meistertorschützen von 1992 nicht zu berücksichtigen und damit meine ich nicht die unterschiedlichen Vorstellungen über das dem Präsidenten zustehende Gehalt.
Aber Italien! Neapel! Leverkusen!
Denn mal abgesehen davon, dass Buchwald als Aufsichtsrat mehrmals Interna aus eben jenem Gremium nach außen weiter gab — einmal ganz offen im Interview mit Sport1, einmal an Thomas Berthold, was der auch noch offen zugab — versuchte er, parallel zu seiner Bewerbung als Präsident auch noch seinen alten Kumpel Jürgen Klinsmann in das Amt des Vorstandsvorsitzenden der AG zu hieven. Der wiederum machte sich im Verbund mit Dauernörgler Thomas Berthold, der für sich wohl einen Aufsichtsratsposten im Blick hatte, für einen Präsidenten Buchwald stark und alle drei vertrauten darauf, mit ihrer Popularität schon ans Ziel zu kommen. Ich fand dieses Pöstchen-Geschacher damals schon befremdlich, vollends absurd wurde es aber, als Klinsmann von Hertha-Investor Lars Windhorst als Aufsichtsrat und Trainer in spe verpflichtet wurde und bei seiner wenig überraschenden Vorstellung als Trainer seine tiefe Verbundenheit zur Hertha damit belegte, dass bereits sein Vater dem Verein verbunden gewesen sei und die Hertha der einzige Verein sei, in dem er eine Mitgliedschaft besitze. So viel zu der Diskussion, man müsse am Besten alle Ex-Spieler im Verein einbinden und vor allem jene mit herausragenden sportlichen Karrieren. Wie Guido Buchwald geht es Jürgen Klinsmann augenscheinlich in erster Linie um sich selbst.
Was aber viele Fans und Mitglieder weiterhin nicht davon abhält, eine erfolgreiche Spielerkarriere mit Sport- oder gar Leitungskompetenz gleichzusetzen. Die Empörung über die Absage Klinsmanns und die Absage an Buchwald kannte kaum Grenzen und führte dazu, dass die vier verbliebenen Kandidaten in den Augen mancher im Verdacht standen, von Porth persönlich auf die Shortlist gesetzt worden zu sein. Überhaupt diese Shortlist: In einem verzweifelten Versuch, in Zeiten von Social Media die Kommunikationshoheit zu behalten, reagierte der Vereinsbeirat auf die Rückzugsmeldungen von Buchwald, Matthias Klopfer und Markus Reiners mit der Veröffentlichung eben jener Liste an einem für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ungewöhnlich wie ungünstigen Freitagabend. Und stieß damit ungewollt gleich die nächsten Spekulationen an, denn zwei der Kandidaten, Martin Bizer und Susanne Schosser, waren bis dato nicht in Erscheinung getreten und standen somit gleich im Verdacht, vom Daimler auf die Liste geschleust worden zu sein. Mindestens einer, so die einhellige Meinung, werde zu den zwei finalen Kandidaten gehören. Es kam, wie wir wissen anders, denn am Sonntag stehen Claus Vogt und Christian Riethmüller zur Wahl.
Guidos Bärendienst
Aber auch jetzt reißen die Diskussionen nicht ab und es zeigt sich, welchen Bärendienst Guido Buchwald dem VfB mit seiner sogar im Sky-Interview vorm Derby wiederholten Erzählung von der durch geheime Mächte verhinderten Kandidatur des Deutschen und Weltmeisters erwiesen hat. Denn Vogt und Riethmüller wird in den sozialen Medien, vornehmlich Facebook, vor allem eins vorgeworfen: Dass sie nicht Guido Buchwald sind. Denn Guido Buchwald hat nicht nur durch einen Kopfball in Leverkusen nachgewiesene Sportkompetenz, nein, er ist vor allem der große und vor allem bekannte Gegenspieler von Wilfried Porth. Ergo müssen die in der Öffentlichkeit unbekannten und nicht durch meisterliche Kopfbälle in Erscheinung getretenen Riethmüller und Vogt Marionetten des Daimlers sein — und zwar alle beide. Es ist schon einigermaßen amüsant, dass nach Jahren des Verharrens und Kleinredens unter Wolfgang Dietrich jetzt alles in Zweifel gezogen wird, mit den absurdesten Schlussfolgerungen.
Die Sache ist halt, ich habe das schon an anderer Stelle angesprochen: Der VfB ist selbst schuld daran. Natürlich nicht an den wilden Verschwörungstheorien jener, die wahrscheinlich 2017 mit dem Gratistrikot am Körper freudig auf “Ja” drückten und heute Vereinsbeirat und Aufsichtsrat nicht auseinander halten können. Aber an der allgemeinen Skepsis und dem weit verbreiteten Misstrauen. Hätten sich bei der Mitgliederversammlung im Sommer nicht reihenweise Gremienvertreter für Wolfgang Dietrich in Bresche geworfen, vom Vorstand (Gaiser) über den Vereinsbeirat (Erhard, Maintok) hin zum Mitgliederausschuss Vereinsentwicklung, dann hätte man ihnen im Herbst den Willen zur Veränderung vielleicht eher abgenommen. Aber noch einmal kurz zurück zur Mitgliederversammlung 2017. Wer sich heute über das Procedere für die Wahl am Sonntag beschwert und diese der Vorauswahl wegen als undemokratisch abstempelt, hätte vielleicht damals weniger von der Champions League träumen sollen und dafür genauer die vorgeschlagenen Satzungsänderungen lesen sollen. Denn dass der Vereinsbeirat zwei Kandidaten vorschlägt, steht dort genauso geschrieben wie die Zusammensetzung des Beirats. Nun halte ich es weiterhin für großen Käse, so zu tun, als sei die Mitbestimmung der Mitglieder durch dieses Gremium gewachsen — schließlich ist der e.V.-Präsident jetzt die einzige Person im Verein, die in Kontakt zum Profifußball steht und von den Mitgliedern zur Rechenschaft gezogen werden kann. Einem in einer von den Mitgliedern beschlossenen Satzung festgeschriebenen Auswahlprozess, durchgeführt von einem in jener Satzung verankerten und demokratisch gewählten Gremium ein Demokratiedefizit zu attestieren, ist jedoch ein starkes Stück.
Zwei wählbare Kandidaten
Nun aber genug des Vorgeplänkels, widmen wir uns den beiden Kandidaten. Die hatten seit der Bekanntgabe der offiziellen Kandidatur Anfang November genügend Möglichkeiten, sich den Mitgliedern vorzustellen. Nicht zuletzt auch bei der VfBVIERERKETTE, dem gemeinsamen Podcast von BrustringTalk, Nachspielzeit, VfB STR und Rund um den Brustring. Auf die einzelnen Positionen möchte ich hier gar nicht detailliert eingehen, das hat Max schon im Rückblick auf die VIERERKETTE gut getan. Stattdessen möchte ich mich mit dem Wahlkampf beschäftigen. Zunächst einmal ist es gut, dass wir einen solchen überhaupt haben und es nicht wie in der Vergangenheit heißt: Friss oder stirb. Anders kann man nämlich die Haltung der ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Hundt und Schäfer nicht nennen, die für den Fall der Nicht-Wahl des einzigen Kandidaten den Untergang des VfB, wenn nicht sogar des Abendlandes oder der Welt, wie wir sie kennen, voraussagten. Stattdessen müssen beide Kandidaten mit ihren Vorstellungen werben, was sie in den letzten Wochen auch ausgiebig gemacht haben.
Häufig wurde dabei die Kritik laut, die beiden würden sich zu sehr bei den Mitgliedern anbiedern und seien auch inhaltlich nur wenig zu unterscheiden. Ich sage: Es ist gut, dass ein Präsidentschaftskandidat des VfB Stuttgart sich darüber Gedanken machen muss, was den OFCs, den nicht-organisierten Fans und der Netzgemeinde wichtig ist, anstatt sich nur darum zu kümmern, wie er den Auftrag der ihn einsetzenden Gremien am Besten ausführt. Von wenigen Ausnahmen, auf die ich gleich zu sprechen komme, ist dieser Wahlkampf etwas positives für den VfB, auch wenn die beiden nicht die großen Antipoden sind. Zumal: Ist es nicht auch positiv, dass wir eine Wahl zwischen zwei Personen haben, die beide, zumindest meiner Meinung nach, wählbar sind und denen man durchaus zutrauen kann, dass es ihnen gelingt, die Spaltung des Vereins zu überwinden?
Ja, beide sind für mich wählbar, auch ein Christian Riethmüller trotz seiner Aussage zu Ascacíbar, um mal auf die weniger appetitlichen Aspekte des Wahlkampfes zu kommen. Der fragliche Facebook-Post an sich ist natürlich ziemlich unterirdisch und auch ich habe mich damals über die Leute aufgeregt, die Ascacíbar direkt zurück in die argentinische Pampa schicken wollten. Klar ist aber auch, dass Riethmüller die Aussage tätigte, als noch nicht mal klar war, dass der VfB in diesem Jahr einen neuen Präsidenten würden wählen müssen. Hat er diese Meinung zu Ascacíbar (gehabt)? Das ist zweifelsfrei dokumentiert. Würde er sie als Präsidentschaftskandidat oder gar als Präsident so nach außen tragen oder würde er sie für sich behalten? Wohl eher Letzteres. Und auch all die anderen Diskussionen um Riethmüller machen ihn für mich nicht unwählbar.
Es geht nicht ohne Drama
Unerträglich finde ich hingegen, dass es scheinbar weiterhin Kräfte im und um den Verein gibt, die aus welchen Gründen auch immer versuchen, den ersten Präsidentschaftswahlkampf des VfB in erheblichem Maße zu stören. Dazu gehört eben jene Person, die nur neun Minuten, nachdem Riethmüller über Santi ablederte, einen Screenshot anfertigte. Die im folgenden Facebook-Post aufgestellte These, dass der im Screenshot sichtbare Zeitstempel “9 Minuten” darauf hinweist, dass der Screenshot von einem Seitenbetreiber, also einem VfB-Mitarbeiter angefertigt wurde, halte ich zwar für ziemlich unrealistisch und ziemlich steil, klar ist aber: Das hat sich jemand aufgehoben, um Riethmüller irgendwann ein mal zu schaden.
Natürlich ist Riethmüller für den damaligen Post selber verantwortlich, Relevanz gewinnt er aber erst dadurch, dass der Screenshot der Bild-Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten angeboten wird und erstere, ihrem journalistischen Niveau entsprechend, diese Steilvorlage dankend annimmt. Genauso verhält es sich mit einer Aussage Riethmüllers im Mitgliederausschuss Vereinsentwicklung die an den Journalisten Pit Gottschalk weitergetragen wurde. Der verwurstet die Aussage in seinem Newsletter (den ich hier nicht verlinken werde) und rückt den VfB damit in die Nähe von Schalke 04 und dessen Aufsichtsratsvorsitzenden Tönnies. Nur: Die Aussage an sich, nämlich dass Aldi früher das Image gehabt habe, dass dort “nur Türken” einkaufen, ist meiner Meinung nach nicht rassistisch, sondern vielmehr eine Zustandsbeschreibung über Rassismus. Ich fände viel interessanter, was Riethmüller, der früher bei Aldi in verantwortlicher Position war, davor und danach gesagt hat. Das wissen wir aber leider nicht, denn an den dankbaren Journalisten Gottschalk wurde eben nur jene bekannte Aussage weitergegeben — offensichtlich von einem Mitglied des Ausschusses. Es ist übrigens der gleiche Ausschuss, aus dessen Reihen, wie oben schon angerissen, bei der abgebrochenen Mitgliederversammlung im Sommer einige Redebeiträge kamen, die Wolfgang Dietrich schützten und verteidigten. Man sieht also: Es geht beim VfB scheinbar nicht ohne Drama, weder auf, noch neben dem Platz. Dass die Bild-Zeitung es dann noch schafft, die geschätzten Kollegen vom VfB STR-Podcast, die die Gerüchte um Riethmüller diskutierten, als solche kennzeicheten und einordneten, falsch zu zitieren, indem sie schreibt, Riethmüller sei eine zu große Nähe zu Wilfried Porth nachgesagt worden, setzt dem ganzen noch die Krone auf.
Kommen wir also zur Mitgliederversammlung am Sonntag und ein paar Einschätzungen zu den anstehenden Entscheidungen. Schließlich geht es ja nicht nur um die Wahl eines Präsidenten, nein, wir müssen schließlich die halbe Veranstaltung des Sommers nachholen. Zunächst einmal soll es aber um eine Satzungänderung gehen, die sich natürlich mit dem Abstimmungsverfahren beschäftigt. Denn das große Problem war ja, dass die Satzung, genauer die Geschäftsordnung für Mitgliederversammlungen, bis jetzt keine Alternative zur elektronischen Abstimmung vorsah und mangels Abstimmungsmöglichkeiten auch nicht über eine alternative Möglichkeit der Abstimmung, z.B. per Handzettel, abgestimmt werden konnte. Die wichtige Änderung: In der neuen Fassung kann der Versammlungsleiter in diesem Fall reagieren und eine andere Abstimmungsform festlegen. Grundsätzlich eine sinnvolle Satzungänderung, der man zustimmen kann.
Einzeln entlasten!
Neben diversen Berichten von e.V.-Präsidium, Vereinsbeirat und AG-Vorstand, die auch nicht ganz uninteressant werden dürften, steht auch noch die allgemeine Aussprache an. Im Anschluss geht es dann um einen weiteren wichtigen Punkt: Die Entlastung des Präsidiums für das Jahr 2018. Wie wir aus der Vergangenheit wissen, hat das Verweigern der Entlastung vor allem symbolischen Charakter, hat aberandererseits durchaus schon den einen oder anderen zum Rücktritt bewegt. Vorab, nochmal zur Erinnnerung: Hier geht nur um die Entlastung der e.V.-Gremien. Weder der Aufsichtsrat der AG, noch deren Vorstand müssen sich der Entlastungsabstimmung der e.V.-Mitglieder stellen. In der Vergangenheit wurde hier über die Entlastung des gesamten Vorstands abgestimmt, was Wolfgang Dietrich zu der Argumentation verleitete, er können nicht so viel falsch gemacht haben, wenn der Vorstand von über 90 Prozent der anwesenden Mitglieder entlastet worden sei. Wahrscheinlich aus genau diesem Grund gibt es diesmal den Antrag auf eine Einzelentlastung, so dass über Wolfgang Dietrich, Dr. Bernd Gaiser und Thomas Hitzlsperger separat abgestimmt würde. Ein Antrag, dem ich, gleichwohl mir die rein symbolische Bedeutung der Entlastung bewusst ist, an Eurer Stelle zustimmen würde. Denn selbst wenn Dietrich nicht mehr im Amt ist, sollte er sich nicht noch einmal hinter der Beliebtheit Thomas Hitzlspergers verstecken können. Wie man sich, sollte der Antrag durchgehen, dann entscheidet, dafür möchte ich keine Empfehlung abgeben. Gerade die Rolle von Gaiser sehe ich durchaus ambivalent.
Nach der Entlastung des Vereinsbeirats, dessen Wirken im Jahr 2018 auch gerne — wie alles — kritisch hinterfragt werden sollte, geht es dann um die Nachwahl des Präsidenten. Ich hoffe, dass dem Antrag auf eine offene Abstimmung, der zunächst auf der Tagesordnung steht, eine klare Absage erteilt wird. Personenwahlen sollten im Gegensatz zu Sachabstimmungen grundsätzlich immer geheim sein. Und jetzt die große Frage: Vogt oder Riethmüller?
Wie ich abstimmen würde
Ich werde es aus bekannten Gründen am Sonntag nicht in die Schleyer-Halle schaffen. Wäre ich da, würde ich aber für Claus Vogt stimmen, auch wenn ich, wie bereits erwähnt, mit einem Präsidenten Christian Riethmüller auch gut leben könnte. Aber Vogt wirkt für mich im ganzen Auftreten etwas professioneller, während Riethmüller für mich zwar unbequemer, aber auch ungestümer daherkommt. Das sind wie gesagt nur subjektive Eindrücke, ich habe mit keinem von beiden persönlich gesprochen. Auch wenn ich die fabrizierten Skandale rund um Aldi und Ascacíbar nicht als Bewertungsgrundlage nehme, habe ich das Gefühl, dass Riethmüller sich ähnlich wie Michael Reschke — ohne die beiden gleichsetzen zu wollen — häufiger in das ein oder andere Fettnäpfchen setzen könnte. Er scheint auf jeden Fall, das wird aus den Aussagen über Badstuber und auch Ascacíbar grundsätzlich deutlich, ein eher konservatives Wertesystem zu haben, dass ihm sehr wichtig ist. Das ist auch völlig legitim und ein Wertesystem möchte ich auch Vogt nicht absprechen, ich glaube aber, dass dieser es besser rüberbringen könnte.
Die Idee einer Fanabteilung von Claus Vogt finde ich sehr charmant und gleichzeitig glaube ich, dass jemand wie er den Spagat bewältigen kann, gleichzeitig mit Fans und Mitgliedern auf Augenhöhe zu kommunizeren und gleichzeitig seinen Einfluss in Gremien, die er teilweise schon kennt, geltend zu machen. Durch seine Tätigkeit beim FC PlayFair! erwarte ich mir nicht nur ein Bekenntnis zu 50+1, sondern auch einen aktiven Einsatz für dessen Erhalt, auch bei der DFL und anderen Vereinen. Bleibt noch die Frage, wie der zukünftige Präsident mit dem Nachbar von der anderen Seite der Mercedesstraße umzugehen weiß. Hier haben beide schon angedeutet, dass sie im Aufsichtsrat durchaus Potenzial für Veränderungen sehen, auch wenn sich da natürlich keiner, auch auf Nachfrage nicht, allein an der Person von Wilfried Porth abarbeitet. Das Spannungsverhältnis zwischen Investor und Verein wird sowieso eines der wichtigeren Themen der Präsidentschaft sein. Das nur als kleinen Einblick in meine Gedanken zu den Präsidentschaftskandidaten, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Noch zwei weitere Wahlen stehen übrigens an. Zum ersten treten erneut Werner Gass und Rainer Mutschler an, um den dritten Platz im e.V.-Präsidium zu besetzen, zum zweiten wird auch ein Platz im Vereinsbeirat neu besetzt, denn Hans Pfeifer wurde nach der abgebrochenen Mitgliederversammlung ins aus dem Beirat ins Präsidium berufen, um Dr. Gaiser zur Seite zu stehen. Nun will Pfeifer zurück in den Vereinsbeirat, hat jedoch in Marc Nicolai Schlecht einen Gegenkandidaten. Zum dritten Präsidiumsmitglied: Ich fand weder Gass, noch Mutschler so wirklich überzeugend, vor allem die Aussage von Gass aus dem Sommer, Dietrich werde “ans Kreuz genagelt” fand ich sehr befremdlich. Was den Vereinsbeirat angeht: Auch Pfeifer ergriff im Sommer offensiv Partei für Dietrich, über sein Wirken als Interims-Präsidiumsmitglied kann ich nichts sagen. Dementsprechend kann ich zu diesen beiden Posten auch nicht wirklich eine Empfehlung abgeben.
Ein erster Schritt?
Ihr seht also, es gibt zur Vereinspolitik des VfB viel zu sagen und die Themen für solche Artikel werden mir mit Sicherheit nicht ausgehen. Ich hoffe aber, das zumindest im nicht-sportlichen Bereich nach dieser Mitgliederversammlung wieder Ruhe einkehrt im Verein. Keine Grabesruhe natürlich, wir müssen die Vorgänge in den Führungsgremien von Verein und AG auch weiterhin mit Argusaugen unter die Lupe nehmen. Es wäre aber schon etwas gewonnen, wenn dem noch vorhandenen Misstrauen nach und nach die Grundlage entzogen würde, weil man sich für seinen Präsidenten nicht mehr schämen und über seinen Verein nicht mehr ärgern muss. Die Wahl am Sonntag ist der erste Schritt in diese Richtung.
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