Zu blöd für den Aufstieg?

Auch das Aus­wärts­spiel in Sand­hau­sen ver­liert der VfB und stellt sich dabei genau­so unfä­hig an wie vor zwei Wochen in Osna­brück. Wie kann eine Mann­schaft so lern­re­sis­tent sein?

Manu­el Schäff­ler (1. und 18.), Son­ny Kit­tel (Foul­elf­me­ter, 13.), Bak­ery Jat­ta (24.) Mar­cos Alva­rez (4.), Aziz Bou­had­douz (1. und 24.). Sechs Gegen­to­re in den ers­ten 25 Spiel­mi­nu­ten, drei davon in den ers­ten fünf Minu­ten nach Anpfiff. Das Ergeb­nis: Nie­der­la­gen gegen Wehen Wies­ba­den, Ham­burg, Osna­brück und jetzt auch Sand­hau­sen. Ja, die Fra­ge in der Über­schrift muss nach der fünf­ten Nie­der­la­ge im 15. Sai­son­spiel gestat­tet sein. Nicht unbe­dingt wegen der Zahl der Nie­der­la­gen und der Häu­fung in den letz­ten Wochen — 2016/17 hat­ten wir am Ende sie­ben Nie­der­la­gen auf dem Kon­to — son­dern wegen der Art und Wei­se, wie sie zustan­de kom­men. Denn gera­de aus der Nie­der­la­ge in Osna­brück hat die Mann­schaft, so scheint es, über­haupt nichts gelernt.

I’ve got a bad feeling about this

Natür­lich lässt sich das im Nach­hin­ein immer leicht sagen, aber ich hat­te schon beim Anstoß ein schlech­tes Gefühl. Der aller­ers­te Spiel­zug der Sand­hau­se­ner glich näm­lich, den direk­ten Tor­er­folg mal aus­ge­nom­men, ziem­lich genau der Ent­ste­hung des 1:0 durch Mar­cos Alva­rez vor zwei Wochen. Und wenn ich bei der Ecke schon weiß, dass es gleich hin­ter Gre­gor Kobel im Tor klin­gelt, sagt das mehr über mich und die Rück­kehr mei­nes Pes­si­mis­mus der letz­ten Sai­son aus oder über die Mann­schaft? Wahr­schein­lich von bei­dem ein wenig, auch wenn ich mir nicht vor­stel­len konn­te und woll­te, dass man so unre­fek­tiert ist, in zwei auf­ein­an­der fol­gen­den Aus­wärts­spie­len die glei­chen kreuz­dum­men Feh­ler zu bege­hen. Um die Fra­ge des letz­ten Spiel­be­richts zu beant­wor­ten: Der Der­by­sieg war wohl doch eher nur ein Stroh­feu­er.

Denn die­se Mann­schaft ist in der Lage, mit exakt der glei­chen For­ma­ti­on und einer nur in einer Per­so­na­lie geän­der­ten Auf­stel­lung zwei kom­plett unter­schied­li­che Spie­le abzu­lie­fern. Ging man gegen den KSC defen­siv kon­zen­triert und mit Inten­si­tät zu Wer­ke, ließ man sich von Sand­hau­sen vom Anpfiff weg den Schneid abkau­fen. Kom­plett­um­bruch hin, neu­er Trai­ner und neu­es Spiel­sys­tem her: Wie lan­ge braucht die­se Mann­schaft noch, um zu kapie­ren, wie der Hase in die­ser Liga läuft? Die Zahl der Geg­ner, die uns ent­we­der mit einer offen­si­ven Spiel­wei­se ent­ge­gen kom­men oder deren Abwehr selbst für unse­re unbe­hol­fe­nen Angriffs­ver­su­che zu löch­rig ist, kannst Du an einer Hand abzäh­len. Gegen alle ande­ren musst Du von Beginn an hell­wach sein und darfst Dich auch nicht durch har­te Fouls, lan­ge Ver­let­zungs­pau­sen und sons­ti­ges Zeit­spiel aus dem Kon­zept brin­gen las­sen.

Den VfB zu schlagen ist nicht schwer

Sand­hau­sen Trai­ner Uwe Koschi­nat ist höf­lich, wenn er im Inter­view mit der Rhein-Neckar-Zei­tung sagt: “Um den VfB zu schla­gen, müs­sen eini­ge Fak­to­ren zusam­men­kom­men.” Im Grun­de reicht es, Stan­dards raus­zu­ho­len, kon­se­quent zu ver­tei­di­gen und so dre­ckig zu spie­len, wie man das in die­ser Liga eben tun muss. Ohne den Gast­ge­bern dar­aus einen gro­ßen Vor­wurf machen zu wol­len, aber der SVS beherrsch­te vor allem die letz­te Dis­zi­plin per­fekt: Bei jeder Berüh­rung in Kopf­hö­he gin­gen sofort bei­de Hän­de vors Gesicht, um Schieds­rich­ter Harm Osmers zu signa­li­sie­ren, dass min­des­tens das Nasen­bein, wenn nicht sogar der Kie­fer­kno­chen hin­über waren. Rekla­mie­ren konn­ten die VfB-Spie­ler zwar auch, aller­dings nur im ver­zwei­fel­ten Ver­such, ihr poma­di­ges Offen­siv­spiel durch einen Hand­elf­me­ter zu kaschie­ren.

Aber auch auf indi­vi­du­el­ler Ebe­ne konn­te die Mann­schaft nicht ans Der­by anknüp­fen. Pas­cal Sten­zel ver­trat den gesperr­ten Marc Oli­ver Kempf als Kapi­tän und war spie­le­risch und auch sonst kom­plett von die­ser Par­tie über­for­dert. Wer schon ein paar VfB-Spie­le in die­ser Sai­son gese­hen hat, weiß, was es bedeu­tet, wenn der Spie­ler mit den meis­ten Ball­kon­tak­ten einen schlech­ten Tag hat: Der Spiel­auf­bau ist für die Ton­ne. Hin­zu kam, dass Orel Manga­la schein­bar nur gegen Mann­schaf­ten ohne Abwehr sowas wie Offen­siv­ge­fahr aus­strahlt, in Sand­hau­sen ver­hed­der­te er sich mit sei­nem umständ­li­chen und kör­per­lo­sen Spiel genau­so wie Sant­ia­go Ascací­bar auf der Gegen­sei­te. Und wenn doch mal ein Ball vor­ne ankam, obwohl die Mann­schaft beim Stand von 0:2 irgend­wann wie­der anfing, panisch lan­ge Bäl­le nach vor­ne zu schla­gen, dann fehl­te am Straf­raum die Kon­zen­tra­ti­on und die Prä­zi­si­on, sowohl bei Nico­las Gon­za­lez, als auch bei Phil­ipp Förs­ter. Ach­ja, und dann war da noch Mario Gomez.

Wie sehr brennt der Baum?

Der war nach Wochen, in denen man ihn zwar auf dem Platz sah, aber nicht bemerk­te, plötz­lich sehr prä­sent und schoss drei Tore, eines davon sogar per Fall­rück­zie­her. Lei­der stand er auch bei jedem sei­ner Tref­fer knapp, aber eben doch im Abseits und stei­ger­te sich nach dem Spiel in eine Kri­tik am VAR hin­ein, die ich in ihrer Schär­fe grund­sätz­lich nach­voll­zie­hen kann, jedoch nicht in die­sem spe­zi­el­len Fall. Denn wäh­rend die Hand­spiel­re­gel mitt­ler­wei­le in jedem Spiel neu aus­ge­legt wird und es bei Fouls immer einen gewis­sen Grau­be­reich gibt, ist die Abseits­re­gel neben der Regel, wann ein Ball eine Linie über­quert hat, eine ziem­lich ein­deu­ti­ge Sache. Ich leh­ne zwar den Video­as­sis­ten­ten grund­sätz­lich ab, kann mich aber mit der Tor­li­ni­en­tech­nik bei­spiels­wei­se sehr gut anfreun­den. Nun mögen die kali­brier­ten Lini­en nicht die glei­che Prä­zi­si­on auf­wei­sen wie das Hawk Eye, mei­net­we­gen. Aber ob Du abseits bist oder nicht, ist eben nicht mehr Inter­pre­ta­ti­ons­sa­che.

Sei es drum, auch Gomez ist sich im SWR-Inter­view bewusst, dass es nicht unbe­dingt nur am Schieds­rich­ter lag, dass der VfB die Nie­der­la­gen von Aue und dem HSV nicht zu sei­nen Guns­ten nut­zen konn­te. Nach­dem durch den Der­by­sieg wenigs­tens zeit­wei­se etwas Ruhe im Kar­ton war, fängt der VfB-Baum, pas­send zur Advents­zeit, jetzt wie­der leicht zu bren­nen an (sor­ry, ein Weih­nachts-Wort­spiel muss drin sein!). Geor­ge Mois­si­dis (kicker, bis­lang nur im Print) hat beim Der­by Jan Sie­wert im Neckar­sta­di­on gese­hen und dann war da noch das Zitat von Sven Mislin­tat:

Jetzt hat mich der Ver­ein fast schon wie­der soweit, dass ich die Schnau­ze voll hab von dem Laden und alles nur noch über mich erge­hen las­se, wie gegen Ende der letz­ten Sai­son, als es für mich irgend­wie aufs Glei­che raus­lief, ob wir mit Mar­kus Wein­zierl oder mit Nico Wil­lig abstei­gen.

So einfach ist es dann doch nicht

War nicht eigent­lich von vorn­her­ein klar, dass Wal­ter schei­tern wür­de, weil er ja bis­her nur Kiel und die zwei­te Mann­schaft der Bay­ern trai­niert hat und sich sein Sys­tem sel­ber aus­ge­dacht hat? Nein, war es nicht, aber ein gewis­ses Risi­ko sind Tho­mas Hitzl­sper­ger und Sven Mislin­tat mit sei­ner Ver­pflich­tung schon ein­ge­gan­gen, denn es gibt Leich­te­res, als einem völ­lig ver­un­si­cher­ten Ver­ein, wo Du eben nie so in Ruhe wirst arbei­ten kön­nen wie in Kiel oder bei einer zwei­ten Mann­schaft, eine neue Spiel­phi­lo­so­phie ein­zu­pflan­zen. Ist Wal­ter nicht ein­fach die Reinkar­na­ti­on von Alex Zor­ni­ger, der stur und stumpf an sei­nem Sys­tem fest­hält, ohne Rück­sicht auf Ver­lus­te und ohne einen Plan B? Nein, ist er nicht, aber auch sei­ne Umstel­lun­gen und sei­ne defen­siv­las­ti­ge­re Her­an­ge­hens­wei­se schei­nen nicht zu fruch­ten. Im Pokal und gegen Dres­den sta­bi­li­siert die Drei­er­ket­te im Mit­tel­feld die Defen­si­ve? Dafür kriegt sie in Osna­brück und Sand­hau­sen offen­siv nichts auf die Rei­he. Wata­ru Endo könn­te die Lösung für die Sech­ser­po­si­ti­on sein, auf der Kara­zor nicht glän­zen kann? In Sand­hau­sen spielt er zwar nicht schlecht, kann aber an die Leis­tung aus dem Der­by nicht anknüp­fen. Gleich­zei­tig scheint Wal­ters Maxi­me in den letz­ten Wochen zu sein: Never chan­ge a win­ning team, es sei denn, es ver­liert.

Und wei­ter: Wer­den die Spie­ler nicht auf völ­lig fal­schen Posi­tio­nen ein­ge­setzt, was auch damit zu tun hat, dass Sven Mislin­tat den Kader unaus­ge­wo­gen zusam­men­ge­stellt hat? Nun, schwer zu sagen in einem Sys­tem, dass eigent­lich auf Rota­ti­on setzt. Ist ein Sant­ia­go Ascací­bar ein Spie­ler für die Außen­bahn? Eigent­lich nicht, aber es wür­de ihm auch nicht scha­den, sein bis­lang eher ein­di­men­sio­na­les Spiel ein biß­chen zu erwei­tern. Ande­rer­seits ist ein Nico­las Gon­za­lez mit dem Flü­gel­spiel offen­sicht­lich über­for­dert und wo soll eigent­lich Dani­el Dida­vi spie­len, der dem Ver­neh­men nach gegen Nürn­berg wie­der fit ist? Wo man auch hin­schaut auf dem Spiel­feld: Es hakt öfters, als es das nicht tut. Und zu guter Letzt: Ist es nicht klar, dass die Mann­schaft bei Geg­nern wie Sand­hau­sen oder Osna­brück über­heb­lich auf­tritt, wenn ihr Trai­ner so ein arro­gan­ter Fatz­ke ist? Nein, ist es nicht, aber Wal­ter gelingt es schein­bar auch nicht, die Mann­schaft rich­tig auf die Anfor­de­run­gen die­ser Liga ein­zu­stel­len. Wer aber glaubt, dass Wal­ters Aus­sa­gen auf der Pres­se­kon­fe­renz Rück­schlüs­se auf sei­ne Trai­nings­an­spra­che zulas­sen, dem ist auch nicht mehr zu hel­fen.

Kein Leidensdruck

Jetzt ist Wal­ter stin­kig, und Hitzl­sper­ger hat eine Rei­se abge­sagt und ich bin gespannt, wie das noch wei­ter geht. Ein Heim­sieg gegen Nürn­berg und dann wie­der so ein hif­lo­ses Auf­tre­ten in Darm­stadt? Natür­lich ist der Auf­stieg noch lan­ge nicht futsch, aber ich befürch­te, dass Bie­le­feld und trotz klei­ner Wack­ler aucn der HSV im Gegen­satz zu uns zu sta­bil sind, um sich die ers­ten bei­den Plät­ze von einer Mann­schaft strei­tig machen zu las­sen, die nicht in der Lage ist, aus ihren Feh­lern zu ler­nen. Ist Tim Wal­ter noch Trai­ner, wenn die Sai­son been­det ist? Kei­ne Ahnung und die Dis­kus­si­on ermü­det mich lang­sam aber sicher. Es gibt mit Sicher­heit nach die­ser Nie­der­la­ge genü­gend Grün­de, ihn zu kri­ti­sie­ren, aber ob es reicht, die kom­plet­te Sai­son­pla­nung von Wal­ter, Mislin­tat und Hitzl­sper­ger infra­ge zu stel­len? Bevor ich so weit gehe, möch­te ich erst­mal von der Mann­schaft sehen, dass ihnen Nie­der­la­gen so weh tun, wie das von Tim Wal­ter ange­kün­digt wur­de. Bis­her scheint der Lei­dens­druck eher über­schau­bar.

1 Gedanke zu „Zu blöd für den Aufstieg?“

  1. Klu­ger Bei­trag sehr aus­ge­wo­gen nur gibt es ein paar klei­ne­re Betrach­tungs­feh­ler soll­te noch eine nie­der­la­ge pas­sie­ren egal ob gegen Nürn­berg oder jenes ande­re Team ‚das danach kommt in der Hin­run­de war es das unter Garan­tie für Wal­ter ‚scha­de ist dar­an nur das der VfB dann schon wie­der einen Trai­ner benö­tigt ‚wie immer und genau das Sche­ma wie­der greift das immer greift und nichts bes­ser macht ‚im Gegen­teil Kon­tui­nui­tät ist dann genau das was fehlt und die Glaub­wür­dig­keit eines eigent­lich guten Weges und pos­si­ti­ven Grund­stim­mung zer­stört wird und ist

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