Tut so gut

Wie­der auf­ge­stan­den. Und wie! Der VfB gewinnt zum ers­ten Mal gegen die deut­sche Ener­gy­trink-Filia­le, schenkt den Gäs­ten fünf Tore (!) ein und been­det damit gleich meh­re­re Dis­kus­sio­nen.

Na, ob noch irgend­wer an die Brand­schutz­be­stim­mun­gen des Bochu­mer Ruhr­sta­di­ons dach­te, als Deniz Undav nach knapp 75 gespiel­ten Minu­ten am Sams­tag­nach­mit­tag einen schnell aus­ge­führ­ten Frei­stoß im Nach­schuss mit dem fünf­ten VfB-Tor in die­sem Spiel, sei­nem drit­ten, ver­wer­te­te? Wohl kaum. Wie über­haupt die ärger­lich bis dum­men Nie­der­la­gen gegen Mön­chen­glad­bach und Bochum in den Hin­ter­grund rücken ange­sichts die­ses Auf­tritts am 19. Spiel­tag. Leicht­sin­ni­ge Feh­ler? Feh­len­de Bis­sig­keit? Offen­si­ve Ein­falls­lo­sig­keit? Alles wie weg­ge­wischt. Der VfB hät­te im “schlimms­ten” Fall an die­sem Spiel­tag von einem Cham­pi­ons-League-Platz rut­schen kön­nen — zum ers­ten Mal seit dem Hin­spiel im Übri­gen — statt­des­sen distan­zier­ten die Brust­ring­trä­ger die nun fünft­plat­zier­ten Leip­zi­ger auf vier Punk­te. Dass die Rei­se jetzt auch in die­sem Kalen­der­jahr ihre Fort­set­zung nimmt, ist aber nur einer von vie­len Aspek­ten, die mir nach die­sem Spiel Genug­tu­ung ver­schaf­fen.

Denn nach den für unse­re der­zei­ti­gen Ver­hält­nis­se kri­sen­haf­ten zwei Wochen hat die Mann­schaft mit die­sem Spiel, mal wie­der, ein rich­ti­ges State­ment gesetzt. Eigent­lich wäre ja das Spiel bei ersatz­ge­schwäch­ten Bochu­mern ide­al gewe­sen, um die nächs­ten drei Punk­te für eine ent­spann­te Sai­son zu sam­meln. Statt­des­sen war es die Heim­par­tie gegen einen direk­ten Kon­kur­ren­ten, bei der uns neben unse­ren Afri­ka- und Asi­en-Cup-Fah­rern auch noch Ata­kan Kara­zor mit einer Gelb­sper­re fehl­te. Im Hin­ter­kopf außer­dem die Tat­sa­che, dass wir, seit die Nord-Salz­bur­ger sich durch den Para­gra­phen-Dschun­gel in die Bun­des­li­ga schli­chen, noch nie gegen sie gewin­nen konn­ten und im Hin­spiel nach einer 1:0‑Führung noch fünf Tore kas­sier­ten und mit­un­ter so sehr ins Schwim­men gerie­ten wie nur sel­ten in die­ser Spiel­zeit. Wür­de die Mann­schaft also wach ins Spiel gehen und das Feh­len von Xavi auf der Gegen­sei­te aus­nut­zen kön­nen?

Eiskalter Enzo

Sie konn­te. Natür­lich wird nach die­sem Spiel ein Erklä­rungs­an­satz lau­ten, dass die Leip­zi­ger mit ihrem offen­si­ve­ren Spiel­stil dem VfB mehr lie­gen und dass sie, wie selt­sa­mer­wei­se so vie­le unse­rer bis­he­ri­gen Geg­ner, am Sams­tag einen äußerst gebrauch­ten Tag erwisch­ten. Das lässt aber zum einen außer Acht, dass das 2:5 in Stutt­gart (!) bereits die drit­te Nie­der­la­ge in Fol­ge war und ins­ge­samt das vier­te sieg­lo­se Spiel in Fol­ge. Und zum ande­ren, dass der VfB in die­sem Spiel ein­fach bes­ser war. Viel bes­ser. Ob nun ein Hand­spiel aus kür­zes­ter Distanz mit dem zum Balan­ce beim Sprung gehal­te­nen Arm wirk­lich im Sin­ne des Fuß­balls ein Hand­spiel ist, las­se ich mal dahin gestellt. Wie eis­kalt Enzo Mil­lot den trotz­dem der­zeit regel­kon­for­men Elf­me­ter gegen die Gäs­te ver­wan­del­te, war auf jeden Fall im Sin­ne aller VfB-Fans — und viel­leicht dann doch auch im Sin­ne des Fuß­balls. Die­se Kalt­schnäu­zig­keit, dass Mil­lot die Chan­ce zur Füh­rung nach einem bis dahin schon gut Auf­tritt nahm und nutz­te, tat ein­fach so gut.

Es tat auch gut, Jamie Lewe­ling end­lich ein eige­nes Tor im VfB-Tri­kot fei­ern zu sehen. Lewe­ling, der wie immer genau­so bemüht wie unglück­lich war, hät­te bereits kurz vor der Pau­se tref­fen kön­nen, als ihm der Ball vor die Füße fiel und er ent­we­der so über­rascht oder so läs­sig war, dass er ihn rechts vor­bei schlapp­te. Nach der Pau­se ließ er sich dann nach Füh­richs Flan­ke und Vagno­mans Kopf­ball­vor­la­ge die Gele­gen­heit nicht mehr neh­men und netz­te ein. Ent­ste­hung und Abschluss des 3:1 waren auch sinn­bild­lich dafür, wie gut die­ses Spiel für den VfB lief: Chris Füh­rich berei­te­te nicht nur die­ses Tor indi­rekt vor, son­dern leg­te auch Deniz Undavs zwei­ten Tref­fer mit einer Bil­der­buch-Flan­ke auf. Und auch sonst brach­te er die Abwehr der Gäs­te mit klu­gen Päs­sen und Tem­po­dribb­lings immer wie­der in Ver­le­gen­heit. Vagno­man auf der ande­ren Sei­te brach­te end­lich sei­ne Wucht und kör­per­li­che Prä­senz ins Spiel ein und köpf­te Lewe­ling den Ball direkt auf den Fuß. Und der wuss­te genau, wo er zu ste­hen hat­te.

Kurzer Prozess

Sehr wohl­tu­end war der Nach­mit­tag eben­so für Deniz Undav und damit für uns alle. Denn nach­dem er in den letz­ten bei­den Spie­len ent­we­der bes­te Chan­cen ver­gab oder zum rich­ti­gen Zeit­punkt am fal­schen Ort war, erziel­te er in die­sem Spiel sei­ne Sai­son­tref­fern zehn, elf und zwölf. Damit hat er jetzt schon mehr Tore geschos­sen, als der bes­te VfB-Stür­mer in man­chen Spiel­zei­ten der Ver­gan­gen­heit in 34 Spie­len — und ist damit nur der zweit­bes­te Tor­jä­ger in der Mann­schaft. Da aber der bes­te gera­de abkömm­lich ist, kommt es eben auf Undav an und der bewies im Spit­zen­spiel, dass er die­sen durch­aus ver­tre­ten und die Mann­schaft auch ohne ihn zum Sieg schie­ßen kann. Ein­mal mit rechts nach einem Abpral­ler vom Gegen­spie­ler, ein­mal wie beschrie­ben mit dem Kopf und ein­mal nach links, als er und sei­ne Kol­le­gen im Kopf unge­fähr dop­pelt so schnell waren wie die Geg­ner.

Und der Kopf war, nicht nur bei Undavs zwei­tem Tref­fer, viel­leicht der wich­tigs­te Kör­per­teil in die­ser Par­tie. Denn die Mann­schaft war von Beginn an voll da, gewann zahl­rei­che Zwei­kämp­fe und fing immer wie­der durch gutes Anlau­fen Päs­se ab — man ist geneigt zu sagen: wie immer. Vor allem aber zeig­te sie sich hand­lungs­schnell und fuhr einen Kon­ter nach dem ande­ren auf die Leip­zi­ger Abwehr. Und als erst Ses­ko völ­lig frei­ste­hend und spä­ter Lois Open­da nach einem Kon­ter kurz­zei­tig den Anschluss her­stell­ten, schüt­tel­ten sich die Brust­ring­trä­ger kurz und mach­ten im Anschluss kur­zen Pro­zess mit Geg­ner und Spiel. Und mit allen ver­früh­ten Abge­sän­gen auf die angeb­lich ent­schlüs­sel­te Spiel­an­la­ge und unnö­ti­ger auf­kom­men­den Zwei­feln an ihren Fähig­kei­ten.

Neues Selbstvertrauen

Natür­lich: Es ist nur ein Spiel, es sind nur drei wei­te­re Punk­te. Aber es war wie­der so eine Situa­ti­on, in der eine opti­ma­le Situa­ti­on in eine etwas weni­ger opti­ma­le Situa­ti­on hät­te kip­pen kön­nen. Statt­des­sen schwe­ben Fans und Mann­schaft wie­der auf Wol­ke Sie­ben und schöp­fen neu­es Selbst­ver­trau­en. Nicht nur für das Aus­wärts­spiel in Frei­burg, das die Breis­gau­er mit Sicher­heit nicht so her­schen­ken wol­len und wer­den wie das Hin­spiel, son­dern erst recht auch für den Show­down drei Tage spä­ter im Pokal-Vier­tel­fi­na­le in Lever­ku­sen. Nach­dem spä­ten Wei­ter­kom­men im Afri­ka-Cup wird das Spiel für Ser­hou Gui­ras­sy, der am kom­men­den Sams­tag­abend das nächs­te Spiel bestrei­tet, wohl zu früh kom­men. Nach der domi­nan­ten Vor­stel­lung gegen Leip­zig und hof­fent­lich einem ähn­lich mut­ma­chen­den Auf­tritt gegen Frei­burg hat die Mann­schaft hof­fent­lich wie­der genug Selbst­ver­trau­en getankt, um auch in die­ses Spiel mit einer ähn­li­chen Inten­si­tät rein­zu­ge­hen wie in die Par­tie gegen Leip­zig. Und wer weiß, was uns dann in die­ser Sai­son noch so Wohl­tu­en­des erwar­tet.

Zum Wei­ter­le­sen: Der Ver­ti­kal­pass stellt fest: “Der VfB hat nicht zum ers­ten Mal in die­ser Sai­son gezeigt, dass er uns begeis­tern kann.” und Stuttgart.International beob­ach­tet: “Über gewon­ne­ne Zwei­kä­mo­fe und Ball­ge­win­ne im Mit­tel­feld domi­niert der VfB die Par­tie am Ende, pro­fi­tiert aber auch von einer sehr sorg­lo­sen Gäs­te­ab­wehr.”

Titel­bild: © THOMAS KIENZLE/AFP via Get­ty Images

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