Der VfB verliert auch das Auswärtsspiel in Leipzig mit 0:1. Erneut reicht es nicht aus, gut mitzuhalten. Lange aufhalten sollten wir uns aber mit dem Punktverlust nicht.
Wenn der Abstieg 2016 ja sonst meiner Meinung nach nicht viel Positives hatte, so hat er wenigstens dazu geführt, dass meine Nerven in dieser Saison nicht zu arg strapaziert werden. Wohl selten habe ich mich über eine Niederlage so wenig aufgeregt und war während eines Spiels so wenig angespannt wie am Samstag. Die meiste Energie musste ich wahrscheinlich darauf verwenden, angesichts des Gegners und dessen Stadion den Brechreiz zu unterdrücken.
Nichts erwartet
Woher diese Ruhe nach dem Gebruddel zu den letzten Spielen? “Erwartungshaltung” heißt das Zauberwort. Das gestrige Spiel ist das erste in dieser Saison, in dem ich mir, auch im Wissen um die Stärken und Schwächen des VfB, überhaupt nichts ausgerechnet habe und das mich dementsprechend auch nicht enttäuscht zurück ließ. Überhaupt: Von den mittlerweile fünf Auswärtsniederlagen war lediglich die in Frankfurt unentschuldbar. In Berlin, Gelsenkirchen und Mönchengladbach zu verlieren, hat mich zwar geärgert, eine Schande waren diese Niederlagen für einen Aufsteiger aber nicht.
So war das Spiel in Sachsen für mich das, was man gemeinhin ein Streichergebnis nennt. Zwar taucht auch die 0:1‑Niederlage in der Tabelle auf, aber es waren eben keine Punkte mit denen man rechnen kann. Wie auch, gegen eine Mannschaft, die als Aufsteiger direkt zum Vizemeister wird und auch in dieser Saison in der Lage ist, den Tabellenführer zu schlagen? Mal abgesehen von der finanziellen Potenz, die neben Kuschelzone, Schnuffeltuch und Ernährungstipps wohl ausschlaggebend für den Wechsel von Timo Werner nach Sachsen war. Da sieht ein VfB direkt nach dem Wiederaufstieg — und in den kommenden Jahren wohl auch, auch wenn Wolfgang Dietrich das anders sieht — alt aus.
Nichts bekommen
Das heißt natürlich nicht, dass es über dieses Spiel nicht mehr zu sagen gibt als die Erkenntnis, dass man gegen die Gummibärchen nichts zu erwarten braucht. Im Gegenteil, es gibt einiges zu sagen. Denn wie so häufig bei den Auswärtspleiten dieser Saison, spielte der VfB eigentlich ziemlich gut mit. In der ersten, aber viel mehr noch in der zweiten Halbzeit standen die Brustringträger hinten relativ stabil und waren immer mal wieder mutig genug, um Gegenangriffe zu initiieren. Hätte der VfB so etwas wie ein Offensivkonzept, wäre daraus vielleicht sogar etwas geworden.
Aber, und damit kommen wir schon zur Kritik, es wurde nichts draus. Das hat sicherlich auch mit der sehr ärgerlichen Verletzung von Anastasios Donis zu tun, der neben Akolo als einziger in der VfB-Offensive in der Lage zu sein scheint, den Gegner zu überraschen. Stattdessen standen mit Terodde und Asano nur zwei nominelle Offensivkräfte auf dem Platz, deren Torriecher passend zur Jahreszeit etwas verstopft ist. Einzig Emiliano Insua, der bei seinem Comeback auf einer Dreier-Sechs neben Mangala und Ascacíbar agierte und nach Aogos früher Verletzung auf den Flügel rückte, strahlte offensiv noch so etwas wie Gefahr aus. Zwar gab der VfB insgesamt elf Schüsse ab, nur drei davon gingen aber aufs Tor.
Stellt Wolf falsch auf?
Das lag auch daran, dass sich der Rest der Mannschaft entweder mit dem Defensivspiel begnügte oder, wie Beck und Mangala, nicht in der Lage war, vorne Akzente zu setzen. Beck brachte vorne kaum einen Ball an den Mann, Mangala ließ sich das Spielgerät zu oft abluchsen. Es war natürlich auch eine taktische Entscheidung von Hannes Wolf, die zur Fortsetzung der Torflaute führte und eine, für die er hinterher in die Kritik geriet:
Viel zu defensiv
Typisch Wolf eben#VfB— Carnage (@Carnage_VfB) October 21, 2017
Angesichts der Tatsache, dass der VfB am Ende torlos blieb und das Spiel trotz defensiver Ausrichtung durch eine Kopie des Treffers des Kölners Heintz aus der Vorwoche verlor, nicht ganz unberechtigt. Auf der anderen Seite musste er nach eigenen Angaben Akolo und Brekalo zunächst schonen und brachte beide in der zweiten Halbzeit, auch wenn das keinen Effekt hatte. Welche Alternativen hätte er also gehabt, um offensiv mehr aus diesem Spiel herauszuholen?
ginczek kann alles besser als terodde, aber kommt nicht mal rein. #VfB
— Bart Falko (@Bart1893) October 21, 2017
Es stimmte: Daniel Ginczek saß zum ersten Mal in dieser Saison 90 Minuten auf der Bank. Hätte er den Unterschied gemacht? Wir werden es nie erfahren. Deutlich konnte man sehen, wie in der Leipziger Hintermannschaft bei eigener Führung plötzlich die Zwischenräume größer wurden. Ich meine, dass in dieser Situation von den ganzen momentan wenig überzeugenden Alternativen — auch Ginczek konnte bei seinen Einsätzen noch nicht überzeugen — ein flinker Brekalo im Zusammenspiel mit Akolo die bessere Alternative war. Gebracht hat auch dieser Wechsel im Endeffekt nichts. Sicherlich, man kann die sehr defensive Aufstellung kritisieren, vor allem angesichts der Tatsache, dass man dennoch nicht zu null spielte.
Aber ist das wirklich das Spiel, um daran eine Trainerdiskussion aufzuhängen? Hätte Pavard den Schuss von Sabitzer verhindert, bin ich mir sicher, dass Leipzig das Tor, dass sie für die drei Punkte brauchten, noch auf anderem Wege erzielt hätten. Wolf weist auch richtigerweise darauf hin, dass das Spiel des VfB alles andere als defensiv-destruktiv war. Aber es war eben auch nicht offensiv und begeisternd. Natürlich sind fünf Auswärtsniederlagen zu Beginn einer Saison historisch schlecht, daran gibt es nichts zu rütteln. Aber die sportliche Situation des VfB — als Aufsteiger — ist halt auch historisch selten. Wie schon mehrfach betont: Es geht darum drin zu bleiben.
Entscheidende Wochen
Und das schaffen wir nicht dadurch, dass wir gegen die großen Tiere gut mithalten, sondern dadurch, dass wir die Gegner auf Augenhöhe besiegen. Gerade deshalb war ja die Niederlage in Frankfurt so ärgerlich. Und das 0:0 gegen Augsburg. Und der Auftritt gegen Köln. Die Hälfte der Hinrunde ist jetzt absolviert und der VfB steht mit drei Siegen, einem Unentschieden und fünf Niederlagen auf Platz 13 und hat immerhin noch Wolfsburg, Freiburg, Hamburg, Bremen und Köln hinter sich. Bis auf Köln sind das die Gegner in den kommenden Wochen und in denen entscheidet sich auch, wo der VfB in der Tabelle überwintert.
Deshalb darf es in diesen Spielen auch kein “gut mitgespielt” geben. Nein, diese Spiele müssen, ich mag eigentlich kaum mit “nach Möglichkeit” einschränken, gewonnen werden. Dafür muss sich Hannes Wolf offensiv etwas einfallen lassen. Wenn irgendwann mal alle wieder fit sind, sieht das ja eigentlich perspektivisch offensiv gar nicht so schlecht aus:
Ich freu mich schon drauf, wenn @EmilianoInsua und @DonisTassos mal gleichzeitig fit sind. Das könnte ganz interessant werden. #VfB
— Lennart Sauerwald (@l_sauerwald) October 21, 2017
So, und jetzt stellt Euch mal vor, wir hätten einen richtigen Rechtsverteidiger und einen fitten Mané. *träum* #VfB https://t.co/gsLGxEvINN
— Lennart Sauerwald (@l_sauerwald) October 21, 2017
Aber bis dahin müssen wir mit dem vorlieb nehmen, was fit ist. Das heißt: Wir müssen eine Lösung für den rechten Flügel finden, mit der Beck sich auf sein passables Defensivspiel konzentrieren kann und vorne jemand anders den Ball in den Strafraum bringt. Und wir müssen eine Konstellation finden, in der Ginczek und Terodde in der Lage sind, die Buden zu machen. Ich hoffe, dass auch Insua etwas dazu beitragen kann, auch wenn ich meine Hoffnungen angesichts der vorletzten Saison auch nicht zu groß werden lassen will.
Eigentlich hasse ich diese Sätze, aber in diesem Fall können wir wirklich nichts anderes machen, als uns den Mund abzuwischen und uns direkt nach Abpfiff mit Freiburg zu befassen. Wenn durch einen Pokalerfolg in Kaiserslautern die Laune wieder etwas angehoben werden sollte, nehme ich das gerne mit, aber es zählt einzig und allein die Liga.
In der Hoffnung, dass es dann wieder heißt:
Eat.
Sleep.
Insua-Flanke.
Terodde-Tor.
Repeat.#VfB— Paddypolidis (@Paddypolidis) February 26, 2017