Lauf Mannschaft, lauf

Der VfB ver­liert das immens wich­ti­ge Heim­spiel gegen Wer­der Bre­men nach gutem Beginn sang- und klang­los. Eine irgend­wie gear­te­te Reak­ti­on auf die letz­ten Spie­le sucht man ver­ge­bens.

“Wir haben gese­hen, was die Mann­schaft kann und was sie nicht kann. Wir hät­ten in allen Spie­len bes­ser punk­ten kön­nen, trotz­dem haben wir nicht mehr geholt. Wir müs­sen trotz­dem genau so wei­ter­ma­chen, beharr­lich sein. Es ist ganz wich­tig, die Mann­schaft auf­zu­bau­en.”

So kom­men­tier­te Bru­no Lab­ba­dia den mit harm­los noch nett umschrie­be­nen Auf­tritt des VfB am Sonn­tag­nach­mit­tag gegen Bre­men. Genau so wei­ter­ma­chen. Mit was bit­te? Mit einem gelern­ten Innen­ver­tei­di­ger auf der Außen­bahn, der zwar ren­nen und kämp­fen, aber kei­ner­lei Impul­se fürs Offen­siv­spiel brin­gen kann? Mit lächer­li­chem Zwei­kampf­ver­hal­ten in ent­schei­den­den Sze­nen, bei denen uns nicht jedes Mal ein völ­lig über­for­der­ter Schieds­rich­ter vor einem Gegen­tor bewah­ren kann? Mit dem ewi­gen Hin­ter­lau­fen-Quer­pass-Geschie­be vor dem geg­ne­ri­schen Straf­raum? Oder mit dem stump­fen, unin­spi­rier­ten Anlau­fen, in der Hoff­nung, dass der Ball am Ende irgend­wie ins Tor geht?

Nett, beharrlich, aber nicht clever

Ihr erin­nert Euch an For­rest Gump, den Film­klas­si­ker? Ohne jetzt inhalt­li­che Par­al­le­len zie­hen zu wol­len: Sym­pa­thisch sind sie ja, unse­re Jungs im Brust­ring, einem Rück­stand hin­ter­her- oder gegen eine sta­bi­le Abwehr anlau­fen kön­nen sie auch, aber beson­ders cle­ver stel­len sie sich dabei nicht an. Dabei ging es gegen Bre­men ja eigent­lich gut los. Der VfB stör­te früh und zwang den Geg­nern zu Feh­lern und manch­mal pro­du­zier­te der sei­ne Feh­ler auch ohne Zwang: Pav­len­kas Stand­bein-Pat­zer hät­te der per­fek­te Auf­takt sein kön­nen für einen Heim­sieg, es hät­te der Silas-Moment wie damals gegen Bre­men sein kön­nen, in dem wir end­lich mal vom geg­ne­ri­schen Slap­stick pro­fi­tie­ren, anstatt uns immer die Din­ger sel­ber rein­zu­le­gen. Aber nein. Statt­des­sen fan­gen wir uns durch ama­teur­haf­tes Zwei­kampf­ver­hal­ten nach einer Ecke, die in erschre­cken­der Bere­chen­bar­keit der sonst gut spie­len­de Hiro­ko Ito ver­sem­meln darf, fast ein Gegen­tor. Gehen immer wie­der mit zu vie­len Spie­lern auf einen ball­füh­ren­den Geg­ner und wun­dern uns dann über des­sen frei­ste­hen­den Mit­spie­ler. Und wenn dann unser ein­zi­ger treff­si­che­rer Stür­mer den Platz ver­las­sen muss, ist es kom­plett vor­bei mit der Tor­ge­fähr­lich­keit. Weil wir einen Trai­ner haben, der meint, man müs­se nur häu­fig genug das Glei­che pro­bie­ren, um irgend­wann Erfolg zu haben. Und einer Mann­schaft, der viel zu häu­fig defen­siv und offen­siv die Cle­ver­ness abgeht, um aus dem, was ihnen ver­schie­de­ne Trai­ner vor­ge­ben, etwas zu machen.

Also läuft und läuft sie in jedem Spiel wei­ter an. Wie­der einem Rück­stand hin­ter. Oder drei Punk­ten, bezie­hungs­wei­se einem Sieg. Nach Pader­born schrieb ich noch, wenn man die Mann­schaft für etwas loben wol­le, dann für die Beharr­lich­keit, mit der sie auf das Pader­bor­ner Tor zurann­te. Aber Beharr­lich­keit ist nun mal kei­ne Qua­li­tät, die dich in der Bun­des­li­ga hält. Beharr­lich­keit ent­lässt einen auch aus der Not­wen­dig­keit, mit Sinn und Ver­stand zu agie­ren, sich Alter­na­ti­ven zu über­le­gen. Hät­te man nicht mal nach der neun­ten, zwölf­ten oder 14. Ecke mal jemand ande­res ran­las­sen kön­nen als einen Spie­ler, der tol­le Dia­go­nal­bäl­le, aber kei­ne Flan­ken schla­gen kann? Wenn der ein­zi­ge Wand­spie­ler im Kader aus­fällt, viel­leicht ver­sucht man dann mal was ande­res als lan­ge Bäl­le auf einen Stür­mer, der die­se nicht fest­ma­chen kann? Nein, der VfB wird immer mehr zum one trick pony und man weiß nicht ein­mal mehr genau, wor­aus die­ser Trick eigent­lich besteht. Natür­lich: Auch Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo brauch­te teil­wei­se zu lan­ge, bis er auf offen­sicht­li­che Pro­ble­me auf dem Platz reagier­te — wäh­rend Spie­len und über meh­re­re Spie­le hin­weg. Aber Lab­ba­di­as Stur­heit kommt mit Ansa­ge und erin­nert an Robin Dutts Aus­sa­ge, die geg­ne­ri­schen Ver­ei­ne müss­ten kei­ne Beob­ach­ter mehr zu VfB-Spie­len schi­cken, denn man wür­de unter Alex­an­der Zor­ni­ger immer gleich spie­len. Stand jetzt kön­nen sich Köln und Schal­ke den Auf­wand eben­so spa­ren.

Mit Anlauf vor die Wand

Im Win­ter wur­de von allen Ver­ant­wort­li­chen die Dra­ma­tik der Situa­ti­on betont: Der VfB steht auf dem Rele­ga­ti­ons­platz, die Mann­schaft hat in den zurück­lie­gen­den Mona­ten nur eine Hand­voll Spie­le gewon­nen und ein Abstieg wür­de den Ver­ein in eine schwe­re finan­zi­el­le Kri­se stür­zen. Das Gegen­re­zept: Alles auf eine Kar­te set­zen, Bru­no oder nichts. Als Lab­ba­dia bei sei­ner Vor­stel­lung noch davon sprach, der Mann­schaft nicht einen bestimm­ten Spiel­stil auf­drü­cken zu wol­len, son­dern sie das spie­len zu las­sen, was sie kann, klang das prag­ma­tisch und nach­voll­zieh­bar. Auf die eige­nen Stär­ken besin­nen, das was man schon gut macht, ein­fach noch bes­ser machen. Ist ja im wei­tes­ten Sin­ne auch das Prin­zip der Poten­zi­al­för­de­rung, dass seit der Ankunft Tho­mas Krü­ckens auch im Nach­wuchs­be­reich zum Ein­satz kommt. Fünf Pflicht­spie­le unter Lab­ba­dia zei­gen aber bereits: Was auch immer es ist, was die Mann­schaft gut kann, das was sie aktu­ell spielt, ist es nicht. Sie kann und konn­te noch nie viel mit lan­gen Bäl­len anfan­gen. Und erst recht nicht konn­ten Spie­ler außer­halb ihrer ange­stamm­ten Posi­tio­nen glän­zen. Wal­de­mar Anton und Niko­las Nar­tey sind kei­ne Außen­ver­tei­di­ger. Joshua Vagno­man und Pas­cal Sten­zel sind Außen­ver­tei­di­ger.

Wir haben noch 15 Spie­le vor uns und drei Punk­te Rück­stand auf einen Nicht­ab­stiegs­platz. Bei einem Sieg gegen Bre­men wären es fünf Punk­te Vor­sprung auf Platz 17 gewe­sen, zudem hät­te man mit Hof­fen­heim einen wei­te­ren Kon­kur­ren­ten mit nach unten gezo­gen. Jetzt steht man vor Spie­len gegen Frei­burg, Köln und Schal­ke wie­der mit dem Rücken zur Wand und tut so, als wür­de sich das Pro­blem von allei­ne lösen. Aber das tut es nicht. Noch­mal zur Erin­ne­rung. Noch nie — ich beto­ne, nie —  hat­te der VfB in einer Bun­des­li­ga-Sai­son nach 19 Spie­len erst drei Sie­ge. Nicht 1974/1975, nicht 2015/2016 und auch nicht 2018/2019. Wenn Prag­ma­tis­mus statt Zukunfts­hoff­nun­gen die neue Losung sein soll, dann seid bit­te prag­ma­tisch. Das ein­zi­ge, was sich momen­tan beim VfB sta­bi­li­siert, ist die Harm­lo­sig­keit und die Schus­se­lig­keit. Wenn sich hier nicht bald gewal­tig was ändert, sowohl in der Mann­schaft, als auch was die Impul­se von angeht dann lau­fen wir mit Ansa­ge vor die Wand.

Zum Wei­ter­le­sen: Der Ver­ti­kal­pass kom­men­tiert tref­fend: “Die Fra­ge ist, ob das Spiel­sys­tem, an dem Lab­ba­dia beharr­lich fest­hält, zur Mann­schaft passt. Ob sei­ne Ein­stel­lung zum Spiel zur Mann­schaft passt. Denn Lab­ba­dia liebt Kon­trol­le, er ver­mei­det Risi­ko und Mut, des­halb spie­len womög­lich Li Egloff und Enzo Mil­lot bei ihm kei­ne Rol­le. Sie ste­hen aber für einen unge­wöhn­li­chen Pass, für eine über­ra­schen­de Idee, die natür­lich auch ein­mal dane­ben gehen kann.” Und Stuttgart.International sieht einen “Auf­tritt gegen Wer­der Bre­men (…) (der) der­ma­ßen unfer­tig (ist), als habe sich die Bau­stel­le von der Haupt­tri­bü­ne ein­fach auf den Rasen ver­län­gert.”

Titel­bild: © Adam Pretty/Getty Images

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