Kopflos

Der VfB wehr­te sich in Hof­fen­heim nach Kräf­ten in Unter­zahl gegen die Nie­der­la­ge. Und fiel dann völ­lig aus­ein­an­der — zum zwei­ten Mal inner­halb einer Woche.

Eigent­lich hät­te die Geschich­te die­ses Spiels schon nach der Halb­zeit geschrie­ben wer­den sol­len: Der VfB gerät früh in Unter­zahl, da durch den Ein­griff des Video Assistant Refe­ree der Fuß­ball end­lich wie­der schö­ner und gerech­ter gewor­den ist, stemmt sich aber trotz­dem gegen die dro­hen­de Nie­der­la­ge, weil der neue Trai­ner Mar­kus Wein­zierl nach dem Platz­ver­weis nicht alle neun ver­blie­be­nen Feld­spie­ler zur Bewa­chung des Straf­raums abkom­man­diert, son­dern sie wei­ter kon­trol­liert nach vor­ne stür­men lässt, ohne dabei die defen­si­ve Balan­ce zu ver­lie­ren. Wenn dann der Geg­ner doch irgend­wann sei­nen Vor­teil aus der nume­ri­schen und auf dem Papier auch spie­le­ri­schen Über­le­gen­heit zieht, dann ist es halt so. Aber auf die­ser Leis­tung lie­ße sich auf­bau­en, für die Spie­le gegen mach­ba­re­re Geg­ner.

Keine Chance bei Gegenwind

Dem­entspre­chend hat­te sich, wenig über­ra­schend, auch nach die­sen 90 Minu­ten der Punk­te­stand des VfB weder im Ver­gleich zur Vor­wo­che, noch im Ver­gleich zur Woche davor ver­än­dert. Der Weg dort­hin war aber, wie gegen Dort­mund, ein Alb­traum (und nein, das wird kein Bei­trag vol­ler Hal­lo­ween-Anspie­lun­gen). Waren es im Heim­spiel noch drei Tore bin­nen 25 Minu­ten, schaff­ten die Brust­ring­trä­ger dies­mal das Kunst­stück, sich inner­halb einer Vier­tel­stun­de ins­ge­samt vier Tore ein­schen­ken zu las­sen. Die Zir­kus­tricks, die die VfB-Abwehr dabei voll­führ­te, sind olle Kamel­len. Ver­lo­re­ne Zwei­kämp­fe und fal­sches Stel­lungs­spiel und als Krö­nung erneut eine Fehl­pass­vor­la­ge, dies­mal von Chris­ti­an Gent­ner. Viel erschre­cken­der als die indi­vi­du­el­len Feh­ler und Unzu­läng­lich­kei­ten — beim 0:1 und 0:3 ver­su­chen meh­re­re Ver­tei­di­ger nur halb­her­zig, den Geg­ner vom Ball zu tren­nen, beim 0:2 ren­nen sich die Stür­mer beim Tor man­gels Gegen­spie­ler fast gegen­sei­tig über den Hau­fen — ist aber die Kopf­lo­sig­keit, mit der der VfB die Kon­trol­le über das Spiel ver­liert.

Die gestan­de­nen Pro­fis wie Mario Gomez, Hol­ger Bad­s­tu­ber, Ron-Robert Zie­l­er, Andre­as Beck, Den­nis Aogo und natür­lich ich müs­sen zei­gen, dass wir die­sem Gegen­wind, der jetzt herrscht, stand­hal­ten. Wir müs­sen die ande­ren Spie­ler mit­rei­ßen.

Chris­ti­an Gent­ner im Gespräch mit den Stutt­gar­ter Nach­rich­ten

Abgesoffen. Alle miteinander. Wieder einmal. Bild: © VfB-Bilder.de
Abge­sof­fen. Alle mit­ein­an­der. Wie­der ein­mal. Bild: © VfB-Bilder.de

Nach den letz­ten zwei Spie­len müs­sen wir lei­der fest­hal­ten: Kei­ner der genann­ten Spie­ler ist in der Lage, dem Gegen­wind stand­zu­hal­ten, wenn die­ser zum Sturm wird. Sowohl gegen Dort­mund, als auch gegen Hof­fen­heim pro­fi­tier­te die Mann­schaft vor allem davon, dass der Geg­ner noch nicht ganz im Spiel war, oder sich nach deut­li­cher Füh­rung bereits für das nächs­te Spiel schon­te. Ja, die Geg­ner sind gut besetzt und spiel­stark. Dass wir nach neun Spiel­ta­gen immer noch fünf Punk­te haben wür­den, war nicht ganz unrea­lis­tisch. Dass wir aber in den bei­den letz­ten Spie­len eine Bilanz von 0:8 Toren haben, ist kata­stro­phal. Die Mann­schaft ver­liert vom einen auf den ande­ren Moment die Ner­ven und ist nicht in der Lage, das Spiel auch nur ansatz­wei­se unter Kon­trol­le zu brin­gen. Und die Kapi­tä­ne sau­fen mit ab.

Zum defen­si­ven Total­aus­fall kommt hin­zu, dass der VfB nur in drei der zehn jetzt gespiel­ten Pflicht­spie­len das Tor getrof­fen hat. Dass man Dort­mund und Hof­fen­heim nicht bezwin­gen kann — mei­net­we­gen. Aber kein ein­zi­ges Tor? Und auch keins gegen eine For­tu­na aus Düs­sel­dorf, mit der wir uns den letz­ten Tabel­len­platz tei­len und die aus den letz­ten bei­den Spie­len mit einer Bilanz von 1:10 Toren her­vor­geht? Das ist unbe­greif­lich. Auch dies­mal gin­gen die Schüs­se — wie immer — denk­bar knapp am Tor oder am Pfos­ten vor­bei. Man war in der Offen­si­ve wie­der stets bemüht, aber das war es auch schon. So schön das Offen­siv­spiel in der ers­ten Halb­zeit anzu­se­hen war, es war mal wie­der brot­lo­se Kunst. Ist es Pech? Man­geln­de Spiel­in­tel­li­genz? Man­geln­der Ein­satz? Ich weiß es ein­fach nicht.

Fuck forever

Was ich weiß: Die Gesamt­si­tua­ti­on ist mal wie­der, ver­zeiht, beschis­sen. 

Wir haben es geschafft, einen noch schlech­te­ren Sai­son­start hin­zu­le­gen, als vor drei Jah­ren in der Abstiegs­sai­son. Wir haben eine Mann­schaft, die vor­ne das Tor nicht trifft und in ihre Ein­zel­tei­le zer­fällt, wenn der Geg­ner auf­dreht. Viel schlim­mer noch: Wir haben eine Mann­schaft, die weit unter ihren Mög­lich­kei­ten spielt, von Posi­ti­on eins bis elf. Aber was willst Du jetzt machen? Es wird wie­der nach “mehr sport­li­cher Kom­pe­tenz in den Füh­rungs­gre­mi­en” geru­fen, als sei das das All­heil­mit­tel gegen Fehl­ein­käu­fe und unkon­zen­trier­te Spie­ler. Den drit­ten Sport­di­rek­tor in drei Jah­ren holen? Den gan­zen Ver­ein wie­der auf links krem­peln? Hat­ten wir doch alles schon. Hat nichts gehol­fen.  

Ich bin lang­sam echt rat­los. Natür­lich wür­den wir punk­te­mä­ßig genau­so daste­hen, wenn wir bei­de Spie­le knapp und nach gro­ßem Kampf ver­lo­ren hät­ten. Aber zwei sol­che Klat­schen nach­ein­an­der las­sen mich schon irgend­wie dar­an zwei­feln, dass es bes­ser wird als vor drei Jah­ren. Wir kön­nen es uns aber nicht leis­ten, noch ein­mal abzu­stei­gen. Dann wäre näm­lich auch die ers­te Char­ge an Aus­glie­de­rungs­geld, das wir, kur­ze Erin­ne­rung, nur ein­ma­lig als Anschub­fi­nan­zie­rung bekom­men haben, ver­prasst und wir müss­ten — als Zweit­li­gist — einen wei­te­ren Inves­tor fin­den, der uns hilft, das erneu­te Defi­zit, das der Abstieg ver­ur­sacht, aus­zu­glei­chen. Mit ande­ren Wor­ten: Ein Abstieg ist kei­ne Opti­on.

Was stimmt mit uns nicht?

Und er ist auch noch nicht besie­gelt. Aber der gan­ze Ver­ein täte jetzt sehr gut dar­an, sich die gro­ßen Sprü­che, die wir in den letz­ten zwei Jah­ren seit dem Amts­an­tritt von Wolf­gang Diet­rich gehört haben, sonst­wo­hin zu ste­cken und statt­des­sen ein­fach mal etwas dage­gen zu tun, dass hier bald wie­der alles in Schutt und Asche liegt. “Schutt und Asche?“Ja, genau, das waren die Wor­te, die Mar­tin Schä­fer, der Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­de des e.V. damals benutz­te. Er woll­te damit im Herbst 2016 beschrei­ben, was pas­sie­ren wür­de, wenn die Mit­glie­der Wolf­gang Diet­rich nicht zum Prä­si­den­ten wähl­ten und zusätz­lich noch den Auf­sichts­rat abwäh­len wür­den. Am Ende haben wir Diet­rich und sei­ne Aus­glie­de­rung gewählt und es ist bis jetzt — sie­he oben — null­kom­ma­nichts bes­ser gewor­den.

Was genau stimmt denn mit die­sem, unse­rem Ver­ein nicht? Es kann doch nicht sein, dass wir ein­mal durch die Bank durch alle Per­so­nen aus­tau­schen und am Ende Gefahr lau­fen, wie­der genau dort zu ste­hen, wo wir ange­fan­gen haben. Ich will ja noch nicht mal einen Höhen­flug. Ich will mich ein­fach nur mal für wenigs­tens eine Sai­son in der Bedeu­tungs­lo­sig­keit des Tabel­len­mit­tel­felds ver­krie­chen, ohne dass bei uns jede, wirk­lich jede ver­damm­te Sai­son der Trai­ner aus­ge­tauscht wird, Prä­si­dent und Sport­di­rek­tor ange­zählt wer­den und an der Bun­des­li­ga­taug­lich­keit der Mann­schaft gezwei­felt wer­den muss. Und ohne dass wie­der jeder soge­nann­te Exper­te meint, dia­gnos­ti­zie­ren zu müs­sen, was bei uns falsch läuft. Lothar Mat­thä­us mit sei­nem dum­men Geschwätz hat mir schon gereicht am Sams­tag.

Auch unterirdisch: Der Schiedsrichter. Bild: © VfB-Bilder.de
Auch unter­ir­disch: Der Schieds­rich­ter. Bild: © VfB-Bilder.de

Völlig daneben

So und nun zu dem The­ma, über das wir auch noch reden müs­sen, auch wenn es mei­ner Mei­nung nach nicht ent­schei­dend für den Spiel­aus­gang war. Dar­über kann man sicher­lich geteil­ter Mei­nung sein, aber mei­ner Ansicht nach wäre die Mann­schaft genau­so ein­ge­bro­chen, wenn Insua auf dem Platz gestan­den hät­te. Wie auch immer, an der Nie­der­la­ge Schuld waren Schieds­rich­ter Frank Wil­len­borg und VAR Bibia­na Stein­haus nicht. Eine erbär­mi­che Leis­tung lie­fer­ten sie trotz­dem ab. Ja, das Bein von Emi­lia­no Insua war zu hoch. Ja, er hat sei­nen Gegen­spie­ler, der mit dem Kopf zum Ball ging, im Gesicht getrof­fen. Das ist sei­ne Situa­ti­on wie ich sie schon tau­send­und­ein Mal gese­hen habe. Der Feh­ler liegt hier ein­deu­tig bei Insua, der fahr­läs­si­ger Wei­se ver­sucht, einen Ball auf Kopf­hö­he mit dem Fuß zu spie­len. Für die­se Fahr­läs­sig­keit muss man Gelb geben. Hät­te Insua sei­nen Gegen­spie­ler mit einem Kung Fu-Tritt umge­bolzt, ohne dass der Ball auch nur in der Nähe gewe­sen wäre, wäre es Rot gewe­sen. Aber nichts von alle­dem ist pas­siert. Es war gefähr­lich, aber es war fahr­läs­sig, nicht absicht­lich. Es war sein ers­tes Foul in die­sem Spiel. Die­se rote Kar­te ist schon eine sehr gewag­te Regel­aus­le­gung und davon abge­se­hen völ­lig unan­ge­bracht. 

Noch hane­bü­che­ner ist aber das Zustan­de­kom­men die­ser Ent­schei­dung. Wil­len­borg sah das Foul, pfiff auch, um das Spiel zu unter­bre­chen, zeig­te aber kei­ne Kar­te. Dann schal­te­te sich Köln ein, emp­fahl das Video­stu­di­um und Wil­len­borg ent­schied sich für den Platz­ver­weis. War­um nicht direkt eine Ent­schei­dung tref­fen? Gelb hät­te es ja nach ein­hel­li­ger Mei­nung sein müs­sen. Der VAR inter­ve­nier­te ja nur, weil Wil­len­borg noch gar nichts ent­schie­den hat­te, oder? Noch lus­ti­ger wur­de es, als er Ascací­bar für ein gelb­wür­di­ges Foul auch ent­spre­chend ver­warnt hat­te, von Stein­haus aber noch­mal an den Bild­schirm beor­dert wur­de. Eine Über­prü­fung der Ereig­nis­se vor dem 3:0, als Pavard nach einem Zwei­kampf zu Boden ging, wur­de hin­ge­gen nicht in Erwä­gung gezo­gen. Der VAR bringt halt kei­ne gerech­te­ren Fuß­ball zustan­de, wenn Leu­te wie Wil­len­borg und Stein­haus für ihre Fehl­ent­schei­dun­gen mehr Zeit und einen Fern­se­her brau­chen.

You live in hope, don’t you?

So, jetzt ist der gan­ze Frust aus die­sem Spiel erst­mal raus. Am Frei­tag geht es gegen Frank­furt wei­ter. War­um? Dar­um?

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