Kontrollverlust mit Folgen

Gegen die Bay­ern leis­tet sich der VfB nach län­ge­rer Zeit mal wie­der eine ziem­lich kopf­los Halb­zeit — und wird bit­ter bestraft. War­um die Nie­der­la­ge in Über­zahl nicht so außer­ge­wöhn­lich und dra­ma­tisch ist, wie es scheint.

Vier Mal schoss der amtie­ren­de Deut­sche Meis­ter und Cham­pi­ons League-Sie­ger vor der Pau­se auf den Ball auf das Tor von Gre­gor Kobel. Und vier Mal muss­te Kobel den ihn anschlie­ßend aus dem Netz holen. Was für sich genom­men schon ärger­lich ist, wird noch frus­tie­ren­der, wenn man sieht, dass der VfB dabei einen Spie­ler mehr auf dem Platz hat­te und drei der vier Tore inner­halb von fünf Minu­ten fie­len. In der zwei­ten Halb­zeit lie­ßen die Bay­ern dann von ihrem Opfer ab oder wie Sky-Kom­men­ta­tor Wolff Fuß in sei­ner uner­träg­li­chen Art es for­mu­lier­te: die zwei­te Halb­zeit war nur dazu da, dass Spiel zu kom­plet­tie­ren. Und auch sonst scheint das Ver­dikt in vie­len Spiel­be­rich­ten und Kom­men­ta­ren ein­deu­tig. Kata­stro­pha­le Leis­tung, Euro­pa ade, kurz: so darf man nicht auf­tre­ten.

Nun möch­te ich die Abwehr­feh­ler des VfB nicht schön­re­den. Vorm 1:0 dreh­te sich Gon­za­lo Cas­tro zurecht erstaunt um, dass hin­ter ihm weder Silas Waman­gi­tu­ka noch. Kon­stan­ti­nos Mavro­pa­nos absi­cher­ten und Ser­ge Gna­b­ry zu viel Platz hat­te. Auch beim 2:0 waren die VfB-Spie­ler nicht mehr als Hüt­chen beim Trai­nings­spiel. Man kann auch erwar­ten, dass drei Ver­tei­di­ger in der Lage sind, Leroy Sané vom Ball zu tren­nen und schließ­lich stimmt irgend etwas in der Abstim­mung nicht, wenn Wal­de­mar Anton Lewan­dow­ski gleich zwei Mal auf­hal­ten muss. Kann, nein muss man alles bes­ser machen. Dass jeder ein­zel­ne die­ser Feh­ler aller­dings so direkt bestraft wird, ist auch nicht die Regel. Denn die ers­te Halb­zeit die­ses Spiels für den VfB kein extre­mer Aus­schlag nach unten — sie hat­te nur extre­me Fol­gen.

Bayern doing Bayern things

Das The­ma Kon­troll­ver­lust habe ich ja schon ein paar Mal in die­ser Spiel­zeit ange­ris­sen. Gera­de in der Hin­run­de ver­lor die Mann­schaft in einer von bei­den Halb­zei­ten häu­fi­ger den Kopf und die Kon­trol­le über das Spiel — und damit auch zwei Punk­te. Gegen Köln zog ihnen der Elf­me­ter zum Aus­gleich den Ste­cker, gegen Frank­furt brach­te sien­die Umstel­lung und Ein­wechs­lun­gen von Adi Hüt­ter ins Schwim­men, um nur zwei Bei­spie­le zu nen­nen. Der Unter­schied zu die­sem Spiel besteht dar­in, dass die Geg­ner die­ses Kon­troll­ver­lust des VfB nicht so kon­se­quent aus­nutz­ten wie die Bay­ern am Sams­tag. Dabei gab es auch dies­mal einen Aus­lö­ser — wenn auch einen unge­wöhn­li­chen.

Denn eigent­lich kamen die Brust­ring­trä­ger rich­tig gut ins Spiel und wenn Gon­za­lo Cas­tro Geis­tes­blitz, mit einem abrup­ten Quer­pass Bor­na Sosa in eine opti­ma­le Flan­ke-Sosa-Tor-Sasa-Posi­ti­on zu brin­gen, Früch­te getra­gen hät­te, wäre das alles viel­leicht auch ganz anders aus­ge­gan­gen. Aber die Bay­ern sahen nach dem star­ken Beginn des VfB und dem Platz­ver­weis die Fel­le davon schwim­men und taten das, was sie halt in sol­chen Situa­tio­nen, das muss man neid­los aner­ken­nen, meis­tens tun: Sie gin­gen an ihr Leis­tungs­li­mit. Und das Leis­tungs­ver­mö­gen bezieht sich dabei nicht nur auf das mann­schafts­tak­ti­sche, son­dern auch auf die indi­vi­du­el­le Klas­se — Unter­zahl hin oder her. Inso­fern kann ich auch die Über­ra­schung der Blog­ger-Kol­le­gin von Mia­s­an­rot über die Leis­tung ihrer Mann­schaft nicht ganz nach­voll­zie­hen ayern doing Bay­ern things halt.

Mutig nicht zerlegen lassen 

Wich­tig war vor allem, dass der VfB eine Reak­ti­on auf die ers­te Halb­zeit zeig­te und sich nicht wie ande­re Mann­schaf­ten kom­plett zer­le­gen ließ. Das gelang auf jeden Fall, auch wenn der Geg­ner deut­lich erkenn­bar meh­re­re Gän­ge zurück schal­te­te. Den­noch zeig­ten sich die Brust­ring­trä­ger in den Zwei­kämp­fen, gera­de im Mit­tel­feld wesent­lich bis­si­ger und aggres­si­ver, auch wenn sich das Feh­len von Orel Manga­la deut­lich bemerk­bar mach­te. Apro­pos: Silas Waman­gi­tu­ka war der ein­zi­ge, der der Bay­ern-Abwehr wirk­lich gefähr­lich wer­den konn­te, sei­ne Ver­let­zung ist nicht nur für ihn per­sön­lich bit­ter, er wird der Mann­schaft ver­mut­lich auch in den Spie­len gegen ähn­lich star­ke Geg­ner schmerz­haft feh­len. Nico Gon­za­lez war auf sei­ner Sei­te zwar schwer aktiv, woll­te aber wie schon vor sei­ner Ver­let­zung zu viel auf ein­mal und vor allem sel­ber machen. Aber nicht nur im nega­ti­ven Sin­ne blieb sich der VfB treu: Dass Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo Naoui­rou Aha­ma­da in die Start­elf beför­der­te, wo die­ser ein den Umstän­den ent­spre­chend ordent­li­ches Spiel mach­te, ent­spricht genau der muti­gen Her­an­ge­hens­wei­se, die ihn schon die gan­ze Sai­son aus­zeich­net.

Und wie schon nach dem Hin­spiel sehe ich kei­nen Grund, die­se Par­tie zum Anlass zu neh­men, um Mann­schaft und Trai­ner grund­sätz­lich in Fra­ge zu stel­len. In der Tabel­le hat sich weder nach oben, noch nach unten etwas grund­le­gend ver­än­dert und gegen Bre­men wird der VfB nach der Län­der­spiel­pau­se mit Sicher­heit nicht so gna­den­los bestraft wie am Sams­tag. Hof­fen wir, dass zu den Ver­let­zun­gen von Manga­la und Waman­gi­tu­ka nicht noch zusätz­li­che, durch­aus ver­meid­ba­re Aus­fäl­le wegen sinn­lo­ser Fern­rei­sen hin­zu kom­men. Immer­hin: Eine klei­ne Ver­schnauf­pau­se ist nicht zu ver­ach­ten um Anfang April mit Schwung in den End­spurt zu gehen — wo auch immer der endet.

Titel­bild: © ima­go / Pres­se­fo­to Bauman/Alexander Kepp  

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