Nächster schwerer Gegner, nächste wenig überraschende Niederlage. Auch in Mönchengladbach schafft es der VfB nicht, einer Spitzenmannschaft ein Bein zu stellen.
Eigentlich kann man das ganze Dilemma, das sich VfB-Saison 2018/2019 nennt, in einer Zahl zusammenfassen: Neun. Ganze neun Tore hat der VfB in mittlerweile 15 Pflichtspielen geschossen. In neun von 14 Ligaspielen blieb der VfB ohne eigenes Tor. Auch beim Auswärtsspiel in Mönchengladbach waren die Brustringträger offensiv so erschreckend ineffektiv und harmlos, dass die neunte Niederlage nur folgerichtig war.
Da bringt es auch nichts, sich die ersten 70 Minuten bis zum Gegentor schönzureden. Sicherlich ist die Borussia individuell stärker besetzt und auch als Mannschaft besser als wir. Aber wenn Du gegen solche Gegner überraschend Punkte holen willst — und das werden wir im Laufe der Saison noch einmal tun müssen — dann musst Du von den wenigen Schwächen profitieren, die sie Dir anbieten. In Gladbach war das beispielsweise die Phase, als die Hausherren nach etwa 50 Minuten anfingen, in der Offensive etwas schlampig zu werden, nachdem sie sich in der ersten Halbzeit in Person von Plea selber um die Führung gebracht hatten. Ein Gegentor zu diesem Zeitpunkt hätte den Tabellenzweiten vielleicht ins Wanken gebracht und dem VfB zumindest einen Punkt ermöglicht.
Nur eine Frage der Zeit
Stattdessen überboten sich die Brustring-Kicker wieder darin, ihre eigenen Konter möglichst effektiv im Keim zu ersticken. Die Möglichkeiten zum schnellen Umschaltspiel waren da, etwa durch Ballgewinne oder Fehlpässe der Gladbacher rund um den Mittelkreis, aber entweder folgte auf diese Eroberung des Spielgeräts ein Rückpass oder eine unmotivierte Flanke aus dem Halbfeld. Da ist es dann nur eine Frage der Zeit, bis sich die Überlegenheit des Gegners dann doch mal auszahlt — vor allem wenn man selber nur 29 Prozent des Ballbesitzes sein Eigen nennen kann. Das Gegentor zum 1:0 resultierte dann natürlich aus einer Flanke, wie schon gegen Leverkusen, Dortmund oder Hoffenheim. Mal wieder stimmte die Zuordnung nicht und — auch keine Überraschung — Raffael hatte Zeit und Platz, seine Mannschaft in Führung zu bringen.
Eine Viertelstunde später stand es dann bereits 3:0. Ähnlich wie in Leverkusen und in allen Partien gegen spielstarke Gegner fiel der VfB in einem atemberaubenden Tempo auseinander. Ja, auch körperlich, wenn auch meiner Meinung nach anders als mithin kolportiert, aber vor allem geistig. Lassen wir mal Pavards Eigentor außen vor, das hoffentlich anders als in der Abstiegssaison das einzige in dieser Spielzeit bleibt. Aber schon vor dem 2:0 durch Neuhaus war klar, dass der VfB auch in diesem Spiel nichts mehr zu sagen hatte. Das hat aber meiner Meinung weniger etwas damit zu tun, dass die körperliche Frische fehlt. Nein, man hat vielmehr Gefühl, dass das Fleisch zwar willig, der Geist aber schwach ist und dass dann in der Folge auch das Fleisch ermüdet. Denn gegen Augsburg war die Kondition der Mannschaft kein Problem, als man ein 1:0 über die Zeit brachte. Da hatte man aber auch den Sieg vor Augen. Saisongegentor Nummer 27 führte hingegen eher zu einer zusätzlichen Lähmung, die jegliches Offensivspiel vollends erschlaffen ließ.
Personalprobleme sind keine Ausrede
Das ist aber, siehe oben, nicht das Hauptproblem. Wir können uns natürlich für eine gute Defensivleistung bis zur 70. Minute auf die Schulter klopfen, aber ohne ein eigenes Tor aus so einem Spiel mit einem Punktgewinn rauszugehen ist halt leider ziemlich unrealistisch. Deswegen ist auch Markus Weinzierls Teil-Erklärung für die Niederlage für mich nicht zufriedenstellend:
“Wenn wir personell nicht so angeschlagen gewesen wären und nicht früh zweimal hätten wechseln müssen, wäre mehr drin gewesen.”
Markus Weinzierl auf VfB.de
Er spielt auf die verletzungsbedingte Auswechslung von Aogo (der sich zudem durch ein allzu durchsichtiges Zeitspiel eine gelbe Karte einhandelte) und Beck an. Beide hatten jedoch mit dem Offensivspiel nicht wirklich viel zu tun und angesichts der Spieler, die am Ende auf der Bank sitzen blieben, war es auch nicht so, als hätten diese Wechsel verhindert, dass Aidonis, Sarpei oder Akolo dem Spiel eine entscheidende Wende beschert hätten. Stattdessen kamen Castro, der sein bisher bestes Spiel für den VfB machte, Thommy, der sich durch ein ebenso leichtsinniges wie überbewertetes Foul selber vom Platz nahm und: Leon Dajaku. Immerhin ein kleiner Lichtblick, aber auch nur in der Hinsicht, dass es dem VfB offensichtlich mal wieder gelungen ist, einen Jugendspieler an die erste Mannschaft heranzuführen. Denn auch er wird sehr wahrscheinlich nicht den VfB im Alleingang retten.
Erst recht nicht mit Mitspielern, die alle nicht derzeit nicht in der Lage sind, spielerisch an ihr Limit zu gehen. Das trifft auch auf Benjamin Pavard zu, der jetzt zu allem Überfluss auch noch für die letzten drei Spiele ausfällt. Dass aber ein junger Spieler, der zwei überragende Spielzeiten hinter sich hat und im vergangenen Sommer nicht nur ein Weltmeisterschaftsturnier von Anfang bis Ende spielte, sondern im Anschluss noch seinen wohlverdienten Sommerurlaub verkürzte, auch mal und gerade jetzt einen Durchhänger hat, sollte keinen überraschen. Was dazu teilweise in den sozialen Netzwerken, insbesondere bei Facebook abgesondert wurde, spottet jeder Beschreibung. Zumal, wenn man weiß, dass er bereits nach dem ersten Gegentor Schmerzen verspürte, eine Auswechslung aber ablehnte.
Wenig Hoffnung bis Weihnachten
Wie sagte Eric in unserer letzten Podcastfolge? “Es entwickelt sich sehr wenig und zu mal haben sie ein bißchen Glück.” Auch in Mönchengladbach war in der Tat sehr wenig bis keine Entwicklung zu beobachten. Gegen Augsburg half uns ein Lucky Punch, in Nürnberg die Harmlosigkeit des Gegners. Ja, wir kassieren nicht mehr acht Tore in einer Woche, aber auch in diesem Spiel blieb es, fürchte ich, nur deshalb bei einem 3:0, weil Gladbach erst spät mit dem Toreschießen anfing. Von der defensiven Stabilität der Rückrunde sind wir weit entfernt.
Das alles macht wenig Hoffnung für die letzten drei Spiele vor Weihnachten: Gegen Hertha BSC, bei denen niemand, am wenigsten wahrscheinlich sie selber, weiß, wie sie auf Platz 6 gelangen konnte. In Wolfsburg, die gerade dabei sind, so unwahrscheinlich sich das auch anhört, unter Bruno Labbadia in einen Lauf zu kommen. Und gegen Schalke, denen ich immer noch zutraue, sich eher früher als später aus dem Tabellenkeller zu befreien. Die zarten Verbesserungsansätze der beiden Siege aus den letzten vier Spielen — kein Gegentor, selber getroffen, den Abstiegskampf scheinbar angenommen — verblassen angesichts der krassen Harmlosigkeit, die wir bei den Niederlagen an den Tag gelegt haben. Es muss uns endlich gelingen, auch in Spielen gegen die Tabellenplätze eins bis sechs mal ein außergewöhnliches Ergebnis zu erzielen. Ansonsten droht uns am Ende eine böse Überraschung, nämlich dann, wenn unsere Konkurrenten — zu denen ich primär Düsseldorf, Hannover und Nürnberg zähle — mal außer der Reihe ein Spiel gewinnen.