Go where?

Seit Mon­tag weilt der VfB im texa­ni­schen Aus­tin und “enga­giert sich damit im Ein­klang mit der Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­stra­te­gie der DFL für die Bun­des­li­ga”, wie es immer wie­der heißt. Aber wie sieht die­se Stra­te­gie eigent­lich aus und war­um machen wir da schon wie­der mit?

(Go west) in the open air

(Go west) baby you and me

(Go west) this is our desti­ny (aah)

(Go west) sun in win­ter­ti­me

(Go west) we will do just fine

(Go west) whe­re the ski­es are blue

(Go west, this is what we’­re gon­na do)

“Austin’s big­gest back­yard”, das Q2 Sta­di­um, home of Aus­tin FC fasst nor­ma­ler­wei­se etwa 20.000 Fans. Am Sams­tag­abend war es aller­höchs­tens zu einem Drit­tel besetzt, als der VfB gegen Köln einen 4:2‑Auswärtssieg fei­er­te, der lei­der kei­nen Ein­gang in die ver­hee­ren­de Aus­wärts­bi­lanz die­ses Kalen­der­jah­res fin­den wird. Eine über­schau­ba­re Reso­nanz ange­sichts der Tat­sa­che, dass sich auch die MLS seit einer Woche in der WM-Pau­se befin­det und die DFL in ihrem Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­be­stre­ben gleich zwei ihrer Ver­ei­ne nach Texas ent­sandt hat. Gleich­zei­tig aber wenig über­ra­schend, denn war­um soll­te man sich das Freund­schafts­spiel zwei­er deut­scher Mit­tel­klas­se­ver­ei­ne ohne nen­nens­wer­te Stars anschau­en, wenn drei von vier Major Leagues schon im regu­lä­ren Betrieb sind? Ich freue mich für die VfB-Fans in den Staa­ten, die dem Club so nahe sein kön­nen wie sel­ten, aber schon exis­tie­ren­de Fans glück­lich zu machen ist ja nicht Sinn und Zweck die­ser Rei­se. Als ich einen von ihnen, Tra­vis vom Pod­cast VfB Stutt­gart Ame­ri­ca­na, ver­gan­ge­nes Jahr auf das Stan­ding des VfB in den USA ansprach, ant­wor­te­te er fol­gen­des:

If you’re tal­king about the gene­ral sports fan, ever­yo­ne knows Bay­ern and Dort­mund, but asi­de from tho­se two clubs, I’d say the league is not too well known. I mean, ever­yo­ne knows there’s a Ger­man league, but most Ame­ri­cans don’t know the clubs or the play­ers. Over here, in terms of soc­cer, the Pre­mier League is defi­ni­te­ly num­ber one, and I don’t think there’s real­ly a clo­se num­ber two. And while it’s a lot easier to watch Bun­des­li­ga matches than any of the other leagues like Serie A or La Liga (alt­hough ESPN is going to start broad­cas­ting La Liga matches this sea­son), it’s just not that well known on a gene­ral basis.

And gene­ral­ly spea­king, no one knows Stutt­gart at all.

In den Staa­ten kennt uns kei­ne Sau. Die Pre­mier League, dann lan­ge nichts, dann Bay­ern und Dort­mund. Nichts gegen inter­kul­tu­rel­len Aus­tausch, ich habe sel­ber ein Jahr als Aus­tausch­schü­ler in den USA ver­bracht und danach jun­ge Men­schen dar­auf vor­be­rei­tet. Und die her­vor­ra­gen­den Trai­nings­an­la­gen, die Sven Mislin­tat lobt, soll­te man eben­so wenig unter­schät­zen wie die Tat­sa­che, dass die VfB-Dele­ga­ti­on samt Fami­li­en­an­hang anreis­te und sich damit unter­ein­an­der noch bes­ser ken­nen­lern­te. Aber wel­chen Mehr­wert sol­che Rei­sen dar­über hin­aus und für die Liga haben sol­len, erschließt sich mir wei­ter­hin nicht.

Es ist dies natür­lich nicht der ein­zi­ge Aus­flug des VfB in die wei­te­re Welt des Fuß­balls. Vom geglät­te­ten und mit Stadt­na­men statt Grün­dungs­jahr ver­se­he­nen Ver­eins­wap­pen über die im Titel­bild die­ses Arti­kels ver­spot­te­te und mitt­ler­wei­le ver­mut­lich still­ge­leg­te Koope­ra­ti­on mit dem chi­ne­si­schen Ver­ein Guang­zhou R+F hin zu #VfBaf­a­na, dem Win­ter­trai­nings­la­ger 2014 in Süd­afri­ka. Mal ließ man sich der­ar­ti­ge Rei­sen von der DFL finan­zie­ren, mal leis­te­te man Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Sig­mar Gabri­el gesell­schafts­po­li­ti­sche Schüt­zen­hil­fe, indem man die sport­po­li­ti­schen Bestre­bun­gen des chi­ne­si­schen Staats mit Koope­ra­tio­nen und Wis­sens­aus­tausch beför­der­te, oder indem man sich nicht dage­gen aus­sprach, dass die U20 des Lan­des außer Kon­kur­renz am Spiel­be­trieb der Regio­nal­li­ga Süd­west teil­nahm. Und alles geschah natür­lich immer mit dem Ziel, neue Märk­te zu erschlie­ßen, für TV-Abos für die gan­ze Liga oder fürs eige­ne Mer­chan­di­se.

Nobody cares

Das Pro­blem ist nur genau das von Tra­vis ange­spro­che­ne: Kei­nen interessiert’s. Seit Jah­ren schon schaut man in Deutsch­land (und wahr­schein­lich in Ita­li­en und Frank­reich und teil­wei­se in Spa­ni­en) nei­disch auf die welt­wei­te Prä­senz der Pre­mier League. Zumin­dest die gro­ßen Ver­ei­ne wie bei­spiels­wei­se Chel­sea, Liver­pool, United, City oder Arse­nal haben Mas­sen an Fans auf der gan­zen Welt. Nimmt man noch aus Spa­ni­en Real und Bar­ca dazu, aus Frank­reich PSG, aus Ita­li­en die Mai­län­der Ver­ei­ne und Juven­tus und aus Deutsch­land Bay­ern und Dort­mund, hat man nicht nur fast die Super League zusam­men, son­dern auch die Clubs, die in Län­dern wie den USA, Chi­na oder Süd­afri­ka rich­tig Geld ein­neh­men. Das bringt nur dem Rest der Liga nichts, denn wer holt sich ein inter­na­tio­na­les Abo und steht früh auf — oder bleibt lang wach -, nur um zu sehen, wie PSG die AJ Auxer­re mit 5:0 über­fährt oder Bay­ern Munich gegen einen so unaus­sprech­li­chen Ver­ein wie Bou­ru­s­sya Mon­schen­glad­bak spielt?

Es sind zwei Grün­de für das gro­ße inter­na­tio­na­le Inter­es­se an der Pre­mier League: Spra­che und Stars. Eng­li­sche Ver­ei­ne las­sen sich leicht aus­spre­chen (wir klam­mern Lei­ces­ter jetzt mal aus) und kom­mu­ni­zie­ren mit Fans qua Her­kunft bereits in einer Spra­che, die vie­le Men­schen, egal wo, beherr­schen oder zumin­dest ver­ste­hen. Nicht zu ver­ges­sen die Bericht­erstat­tung dazu, die den glei­chen sprach­li­chen Vor­teil hat. Hin­zu kommt ver­mut­lich (!) eine gewis­se Bin­dung ehe­ma­li­ger Kolo­nien, bzw. der Com­mon­wealth-Staa­ten, zumin­dest was Fuß­ball­ver­ei­ne angeht. Ähn­lich dürf­te es mit Spa­nisch sein, wobei bei Real und Bar­ca ver­mut­lich die Mar­ken­wirk­sam­keit wich­ti­ger ist als die Spra­che. Fran­zö­sisch, Deutsch und Ita­lie­nisch? Da musst Du qua­si alles erst­mal über­set­zen oder Dir erklä­ren las­sen.

Keine Anreize

Und war­um ren­nen trotz­dem Kin­der mit Tri­kots von Juven­tus und Paris rum, neben West Ham, New­cast­le oder Sout­hamp­ton (über­spitzt gesagt)? Nicht, weil da Turin oder Paris drauf­steht, son­dern weil da Ronal­do, Ney­mar oder Mes­si drauf­steht. Die Pre­mier League hat die höchs­te Dich­te an inter­na­tio­na­len Top­stars, hin­zu kom­men die oben genann­ten Super League-Anwär­ter. Unser größ­ter Star ist aktu­ell Bor­na Sosa und der war in Aus­tin nicht mal dabei. Und auch die DFL ver­fügt als Liga nicht mal ansatz­wei­se über sol­che Anrei­ze, vom seit zehn Jah­ren stin­kend lang­wei­li­gen Meis­ter­ren­nen habe ich noch gar nicht gespro­chen.

Dass der VfB grund­sätz­lich für fast jeden Quatsch zu haben scheint, den ande­re Ver­ei­ne machen, ist gar nicht mal so ver­werf­lich. Aber was er und die ande­ren 35 Clubs mit sol­chen Stra­te­gien errei­chen wol­len, ver­ste­he ich nicht. Der Glau­be dar­an, die Pre­mier League finan­zi­ell ein­zu­ho­len, ist genau­so fehl­ge­lei­tet wie die Annah­me, ein seriö­ser Inves­tor ste­cke noch­mal so viel Geld in den VfB wie damals die­je­ni­gen, die die Aus­glie­de­rung erfun­den haben. Und ich hof­fe, dass wir nicht in die Lage kom­men, in der wir Spie­ler wegen ihres Sta­tus in ihrem Hei­mat­land ver­pflich­ten. Dem deut­schen Fuß­ball wäre mit grö­ße­ren Inves­ti­tio­nen in die Basis wahr­schein­lich mehr gehol­fen als mit Rei­sen in Län­der, in denen sich für Bun­des­li­ga-Durch­schnitt nie­mand inter­es­siert.

Titel­bild: © VfB-Bilder.de

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