Einen Tag nach seinem 130. Geburtstag steht dem VfB heute zur Abwechslung mal nicht eine schwere Auswärtspartie ins Haus, sondern ein kompliziertes Heimspiel: Die ordentliche Mitgliederversammlung für das Jahr 2023. Schaut man sich in den sozialen Netzwerken um, ist die Stimmung so aufgeheizt wie lange nicht mehr, auch die Tagesordnung verdeutlicht das Konfliktpotenzial. Eine Einschätzung der aktuellen Lage.
Disclaimer: Auch dieses Jahr werde ich es aus persönlichen Gründen nicht zur Mitgliederversammlung schaffen, die Anfahrt und andere Verpflichtungen lassen es zeitlich leider nicht zu. Wen es beim Lesen der folgenden Zeilen stört, dass ich aus der Ferne meinen Senf dazu gebe, aber nicht am Sonntag mein Sitzfleisch für den Verein hinhalte, möge diesen Artikel überspringen. Allen anderen kann ich mit meinen Einschätzungen hoffentlich eine Hilfe zur Meinungsbildung sein, mehr nehme ich auch gar nicht in Anspruch. Hauptsache ist, ihr kommt, wenn es Euch möglich ist, zur Mitgliederversammlung und nutzt Euer Rede- und Stimmrecht.
Ich möchte mich erstmal dem größten Elefanten im Raum widmen, den Abwahlanträgen gegen Präsident Claus Vogt sowie gegen die Vereinsbeiräte André Bühler und Marc Nicolai Schlecht. Diese kommen aus zwei verschiedenen Richtungen, nämlich einmal von der Initiative VfB-jetzt, die im Frühjahr versuchte, eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu initiieren, und einmal von Cornelia Gerstung. Beide Abwahlanträge sind in der erweiterten Tagesordnung auf mgv.vfb.de abrufbar und sind ausführlich begründet. Ob die Abwahlanträge auch fundiert begründet sind, darüber lässt sich streiten. Meiner Meinung nach verlieren sich beide Anträge einerseits in Kritik an Sachverhalten, die durchaus kritikwürdig sind, für mich in Summe aber nicht ausreichend, um Claus Vogt des Amtes zu entheben, andererseits basieren sie auf teilweise auf Quellen, deren Glaubwürdigkeit zumindest nicht belegbar ist. Nicht angesprochen werden hingegen Themen, die meiner Meinung nach zum Auslöser für den Wunsch nach einer außerordentlichen Mitgliederversammlung und die Abwahl Vogts wurden oder die meiner Meinung nach nicht nur wesentlich problematischer sind, sondern auch anders als anonym geäußerte Vorwürfe öffentlich beobachtbar und nachvollziehbar sind. Aber der Reihe nach.
Dünne Argumentation
Die Initiative, die sich aus Monica Wüllner, Christoph Burandt, Hans Dürr und Andreas Waldner zusammensetzt, wirft Vogt vor, den Verein in Bezug auf das Wohl und die Förderung der Mitglieder und des Sports nicht gewissenhaft zu führen und begründet das mit der Auflösung der Mitgliederausschüsse Vereinsentwicklung und NLZ, ohne gleichzeitig die angekündigten Expertenräte umzusetzen, mit dem beschädigten Ansehen des VfB durch Vogts Umgang mit der Datenaffäre, die Personalfluktuation sowie den neuen Hauptsponsor sowie mit dem Umgang mit den Personalien Bühler und Schlecht. Leider wird hier wieder deutlich, was schon während der Unterschriftensammlung für eine außerordentliche Mitgliederversammlung problematisch war: Die Argumentation ist inhaltlich ziemlich dünn, aber immerhin hat man sich mehr Gedanken gemacht, als bei der Argumentation für die Abwahlanträge gegen alle Gremienvertreter auf einer möglichen außerordentlichen Mitgliederversammlung. Lassen wir die Auflösung der Mitgliederausschüsse mal außen vor — zum einen geht es hier ganz offensichtlich um persönliche Betroffenheiten von Mitgliedern der Gruppe, die, wie auf der Webseite ersichtlich, in diesen Ausschüssen mitwirkten, zum anderen erwidert das Präsidium darauf, dass Mitglieder auf andere Art und Weise eingebunden wurden, was ich schlicht nicht nachprüfen kann. Beim Umgang mit den Personalien Bühler und Schlecht werden Beiträge aus einem Fanforum zitiert, in dem scheinbar auch E‑Mails des Vereinsjustiziars Jan Räker kursieren, in denen er ausführt, dass dem Gutachten von Pierre-Enric Steiger im Falle von Marc Nicolai Schlecht zuzustimmen sei und alle Beschlüsse mit dessen Beteiligung unwirksam seien, wenn er dir entscheidend Stimme gehabt habe. Der Verein verweist auf rechtliche Bewertungen des Sachverhalts, die im Gegensatz zu Steigers Gutachten “in Kenntnis sämtlicher Unterlagen und Zusammenhänge” entstanden sei. Hier lässt sich von außen schwer bewerten, wer Recht hat. Aber mal ganz abgesehen davon, dass der Fall Bühler hier außen vor gelassen wird — und dennoch ein Abwahlantrag gestellt wird — bleibt unkonkret, welches Fehlverhalten Vogt hier konkret vorgeworfen wird. Man muss vermuten, dass es um den Vorwurf geht, den eigenen Justiziar übergangen und rechtswidrig gehandelt zu haben. Ob das der Vorwurf ist, wird nicht klar, ob er berechtigt ist, ist schwer zu bewerten.
Am ausführlichsten wird die Initiative beim beschädigten Ansehen des VfB durch einen unprofessionellen Umgang mit der Datenaffäre, Personalfluktuation und dem neuen Hauptsponsor. Über den Hauptsponsor habe ich mich hier schon ausgelassen, würde man beim VfB zu dem stehen, was man so hochtrabend zu Papier bringt, hätte dieser Sponsorendeal nie die Zustimmung des Aufsichtsrates kriegen dürfen. Hierfür kann man Vogt zurecht kritisieren, ob das Grund für eine Abwahl ist, lasse ich mal dahingestellt. Die Themen Datenaffäre und Personalfluktuation sind da schon etwas vielschichtiger. Es klang ja schon mehrfach an, dass die Aufklärung der Weitergabe von Mitgliederdaten auch vereinspolitisch instrumentalisiert worden sei und im einem Verein, in dem scheinbar jeden Tag neu um die Macht gekämpft wird, ist das vermutlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Dass der VfB “monatelang im medialen Fokus stand” hatte aber vor allem damit zu tun, dass man auf der Geschäftsstelle eine Zeit lang Mitgliederdaten an einen Dienstleister weitergab, dessen Aufgabe es war, ebenjene Mitglieder hinters Licht zu führen. Auch die Personalfluktuation muss man in Kontext setzen: Zu den zurückgetretenen Vereinsbeiräten zählen die ehemaligen Vorsitzenden Wolf-Dietrich Erhard und Claudia Maintok, die Wolfgang Dietrich ebensowenig Einhalt geboten wie die zurückgetreten Präsidiumsmitglieder Bernd Gaiser und Rainer Mutschler — letzterer Projektleiter der Ausgliederung, angeblich ohne Kenntnis der Mitgliederverarsche. Natürlich sind das nicht alle und gerade bei den Rücktritten von Martin Bizer und Susanne Schosser steht Aussage gegen Aussage. Hätte man sich auf jene Rücktritte konzentriert, die dem Verein unter Umständen schaden könnten, wäre das Argjment stärker, in dieser Pauschalität und mit Zitaten von Thomas Hitzlsperger, Schosser und Bizer versehen, ist der Antrag einfach nur, pardon, schlampig. Gleiches gilt auch für die weiteren Abwahlanträge, doch dazu gleich mehr.
Kritik teilweise berechtig, aber nicht ausreichend
Wesentlich mehr Mühe hat sich Cornelia Gerstung gemacht. Sie zitiert zur Neubesetzung des Aufsichtsrates ausführlich aus den öffentlich abrufbaren Protokollen der AG-Hauptversammlungen und der Satzung der AG. Im Grunde geht es darum, dass mit Dr. Bertram Sugg vom OFC Courage Gerlingen ein Vertreter eines Fanclubs durch Beate Beck-Deharde ersetzt wurde, wie dem Protokoll zu entnehmen ist gegen die Stimmen der Investoren Mercedes und Jako. Aus persönlichen Gesprächen mit Sugg weiß ich, dass der sich im Aufsichtsrat durchaus für Fanbelange einsetzte, die Gründe für die Neubesetzung kenne ich allerdings nicht. Man muss Vogt zwar die Argumentation im vereinseigenen Podcast STR zugestehen, dass es keinen Prozess für die Wahl eines “Fanvertreters” in den Aufsichtsrat gibt und dass das Versprechen, immer einen solchen im Aufsichtsrat zu haben, von Wolfgang Dietrich gemacht wurde. Es ist dies jedoch eine sehr formalistische Antwort. Man findet zwar, mit sechswöchiger Verspätung nach der Neubesetzung, eine relativ ausführliche Selbstvorstellung der neuen Aufsichtsräte und nicht “nur Namen”, wie Gerstung kritisiert, aber eine Erläuterung der Neubesetzung findet sich in der Tat nicht, auch wenn ich dem Vorwurf, sie erkenne keinen “Mehrwert” in der Ernennung von Beck-Deharde, etwas harsch finde. Das geneigte Mitglied muss sich Mal wieder zusammenrätseln, dass man damit wohl die Verbindungen zur Politik und zur lokalen Wirtschaft stärken will. Auch der Punkt, dass sich der e.V. in der Causa Sugg mit seiner Stimmenmehrheit gegen die Investoren durchsetzen musste, lässt aufhorchen. Aber erneut: lch kenne die Hintergründe nicht.
Die weiteren Gründe für die Abwahl sind die Streichung von gedruckten Mitgliederzeitungen und Einladungen zur Mitgliederversammlung und das Fehlen eines ÖPNV-Tickets und eines Verzehrgutscheins bei Mitgliederversammlungen sowie das angeblich nicht datenschutzkonforme Abdrucken von Geburtstagen in der Mitgliederzeitung. So berechtigt diese Kritik in Teilen sein mag: In der Begründung eines Abwahlantrags haben sie meiner Meinung nach nichts zu suchen. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Gemeinnützigkeit und Nachhaltigkeit wegen des Mitflugs von e.V.-Funktionären zum Relegationsspiel nach Hamburg und der Nutzung einer Mediatorin. Diese Vorwürfe werden vom Präsidium inhaltlich entkräftet. Bleibt noch das Thema Kommunikation. Hier kritisiert Gerstung die ausbleibende offizielle Kommunikation zu vielen Themen, während regelmäßig Interna bei der Presse landen. So berechtigt dieser Vorwurf in Teilen ist — während man von der AG aktuell eher widersprüchliche Kommunikation sieht, bräuchte es beim e.V. einen Fanblog, um die Vorteile des neuen Grundlagenvertrags zu erklären — besteht er argumentativ teilweise aus Vermutungen oder aus dem Vorwurf, Vogt hefte sich, wenn er kommuniziere die Leistungen anderer ans Revers. Unschön, wenn korrekt, aber Grund zur Abwahl? Eher nicht.
Was fehlt
Das war’s? Das wars. Dabei hat Gerstung in der Einleitung ihrer Begründung nicht ganz unrecht: Der VfB und seine Gremien sind sind spätestens Anfang 2021 ein einziges Pulverfass. Und mir fehlt die Fantasie, um zu glauben, dass dies nichts mit Claus Vogts Amtsführung als e.V.-Präsident zu tun hat. Dazu sind die Vorwürfe zu zahlreich und kommen aus verschiedenen Richtungen: von Thomas Hitzlsperger, von den Quellen hinter Marc Brosts und Oli Fritschs House of Cannstatts, von zurückgetretenen Vereinsbeiräten oder anonymen Blogs. Was es in der Bewertung so schwer macht, ist, dass man diese Vorwürfe und dir Intention ihrer Urheber schwer überprüfen kann. Stellungnahmen des Vereins dazu sind rar gesät, teilweise kommen sie trotz Ankündigung (“Zu anderen haltlosen Vorwürfen in dem Blog werden wir uns nach Saisonende in einem geeigneten Format äußern.”) gar nicht. Die mangelhafte Kommunikation mag kein Abwahlgrund sein, sie führt aber nicht zuletzt bei mir zu einem massiven Vertrauensverlust. In Einzelgesprächen Unklarheiten ausräumen ersetzt halt nicht die öffentliche Kommunikation, wie sie beispielsweise der CEO meines Drittklubs Aberdeen FC beispielhaft, wenn auch zugegebenermaßen weniger brisanten Themen, beispielhaft vorlebt.
A wee bit of background. We asked Hearts for some more tickets, given the demand is what it is and the week before the opposition at Tynecastle is getting double. It was explained to us that the away allocations were set at the start of the campaign and all clubs out with CFC/RFC https://t.co/2lp9na91Qq
— Alan Burrows (@Alan_Burrows) May 4, 2023
Die Schwäche der Abwahlanträge liegt auch darin begründet, dass sie Vogts öffentlich wahrnehmbar wesentlich problematischer Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender der AG kaum thematisiert. Sei es bei der holprigen Suche nach einem Sportvorstand oder der mangelnden Kontrollfunktion bei der Einstellung oder Entlassung von Trainern. Hinzu kommt, dass viele Themen bereits vor der letzten Mitgliederversammlung existierten, damals aber nicht zu einem Abwahlantrag führten. Meine Vermutung ist, dass die katastrophale Ein- und Vorstellung von Philipp Lahm, Sami Khedira und Christian Gentner am Tag nach der Mitgliederversammlung sowie die Trennung von Sven Mislintat und die Einstellung von Bruno Labbadia, hier ein wesentlich wichtigerere Auslöser waren als Personalfluktuation oder die Kommunikation. Dass man sich als VfB-Fan und Mitglied nach der shit show der letzten zwölf Monate Sorgen um die langfristige sportliche Perspektive des Clubs macht, ist nachvollziehbar und legitim. Dann sollte man das aber auch so formulieren, wenn man diese Perspektive durch Vogt gefährdet sieht.
Unprofessionalität allerorten
Weitere geht es zu den beiden anderen Abwahlanträgen, die ausschließlich von der Initiative VfB-jetzt gestellt wurden, wobei bemerkenswert ist, dass Andreas Waldner sich dem Abwahlantrag gegen Marc Nicolai Schlecht nicht anschließt. Was vielleicht daran liegt — und hier greife ich inhaltlich vor — dass dieser eine komplette Farce ist. Wenn man nämlich, wie im Abwahlantrag gegen Claus Vogt zitiert, der Meinung ist, dass ein Rücktritt irrelevant sei, weil der Schaden schon entstanden und irreversibel ist, dann bringt auch eine jetzige Amtsenthebung nichts mehr — zumal Schlecht die als kritisch empfundenen Posten in der AG mittlerweile aufgegeben hat, ein möglicher Satzungsverstoß also aktuell nicht mehr existiert. Hier geht es lediglich darum, Schlecht noch einen mitzugeben. Schlecht erwidert auf die Vorwürfe, die sich teils auf dem Ergebnis einer Google-Suchanfrage, teils auf seiner Twitter-Bio, aber auch wieder auf in oben genanntem Forum zitierte E‑Mails von Jan Räker speisen, dass er nie in irgendeiner Form als Torwart-Trainer der in der AG verankerten 1. Frauenmannschaft des VfB tätig war, sondern lediglich ab und zu Tipps gegeben hat. Auch André Bühler verweist darauf, dass seine Anstellung an der Hochschule, die, verkürzt gesagt, über den VfB-Master mit dem Verein in Verbindung steht, keinen Satzungsverstoß darstellt. Ich kenne seinen Arbeitsvertrag nicht, die Frage muss allerdings gestellt werden, ob Pierre-Enric Steiger diesen kannte. Was mich seitens des VfB an dieser Causa stört ist, dass man offensichtlich von den Vorwürfen überrascht war. Der VfB-Master besteht seit 2019, 2021 wurde die Satzung auf Antrag von Ron Merz angepasst, 2022 kam das Gutachten von Steiger an die Öffentlichkeit. Gerade nach der Einführung dieses Paragraphen wäre es doch sinnvoll gewesen, diesen Sachverhalt direkt überprüfen zu lassen. So gab es ein internes und ein externes Gutachten zu beiden Fällen, was alles Zeit in Anspruch nahm.
Was micb aber noch viel mehr stört, ist das Vorgehen der genannten Initiative. Die sammelte Unterstützung für die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung — in Form von Unterschriften und finanziell. In bester VfB-Manier verlief die Kommunikation dabei aber genauso schleppend und teilweise unprofessionell wie im Verein selber. Der ursprüngliche Aufruf zur Unterstützung strotzte nur so vor unkonkreten Vorwürfen, in der Folge nahm man sich vor, gegen alle Gremienmitglieder Abwahlanträge zu stellen — selbst wenn man diesen offenbar nichts vorzuwerfen hatte. Dass sich Menschen, die sich für den Verein engagieren, nur zwei Jahre nach ihrer Wahl anlasslos einer Vertrauensfrage stellen müssen, mag vereinsdemokratisch legitim sein, zielführend ist es genauso wenig wie die Inkaufnahme, dass in letzter Konsequenz bei einer Abwahl aller Gremien das Stuttgarter Amtsgericht einen Not-Vereinsbeirat einsetzen würde. Als die selbstgesetzte Frist für das Erreichen des Quorums abgelaufen war, erfuhren Interessierte erst aus den Medien, dass dieses verfehlt wurde, auch was mit den über 4.000 Euro eingesammelten Spenden passiert war, bekamen die Spender erst mit erheblicher Verzögerung mit. Neben Antwaltskosten fielen für die Initative auch Kosten für die Homepage in Höhe von 3.000 Euro an. Nur so viel: Diese Seite hier hat in den ersten vier Monaten ihrer Existenz keine 3.000 Euro verschlungen. Dee Abwahlanträge reihen sich in dieses Bild der Unprofessionalität ein, die mit anderweitigen Verpflichtungen nur unzureichend erklärt ist. Die hab ich auch.
Als Mitglied ratlos
Bevor ich zu den Satzungsänderungen komme, vielleicht noch ein kurzer Umweg zu dem, was ich vielleicht gesagt hätte, hätte ich mich heute ans Rednerpult gestellt: Es nervt alles kolossal. Und ich rede hier nicht davon, dass wir dem Abstieg zweimal knapp von der Schippe gesprungen sind. Nein, es nervt, dass man nicht mehr weiß, wem man in diesem Verein vertrauen kann. Vielleicht ist Vertrauen im Profifußball sowieso fehl am Platz. Aber wenn ich wiederholt vom Vorstandvorsitzenden und vom Präsidenten höre, es tue ihnen ja leid, dass sie keinen regionalen Sponsor an Land gezogen hätten, dann komme ich mir verschaukelt vor. Bei Alex Wehrle ist das nur einer von vielen Kritikpunkten in der Kommunikation. Der steht aber heute nicht zur (Ab-)Wahl. Ich warte, als deutlichstes Beispiel seit April darauf, dass sich der Vereinsbeirat, wie angekündigt, “zu anderen haltlosen Vorwürfen in dem Blog […] nach Saisonende in einem geeigneten Format [äußert].” Jetzt erfahre ich, dass man wohl viele Vorwürfe vor dem Frankfurter Landgericht widerlegen konnte, da der ominöse Blog aber kein Impressum hat und als kostenlose WordPress-Seite angelegt ist, habe man aber keine Handhabe, eine Unterlassung durchzusetzen. In der Zwischenzeit bleibt man als Mitglied ratlos, was jetzt dran ist an den Sachen und was nicht. Und dieses Misstrauen gilt natürlich auch jenen, die diese Vorwürfe in den Raum stellen oder sie verbreiten. Wem nutzt das? Mit welcher Intention werden beispielsweise immer wieder Interna an die Medien durchgestochen? Geht es um Aufklärung oder um Demontage? Was ist da in und rund um unseren Verein los, dass keiner die Klappe halten kann und jeder Strauß öffentlich ausgefochten wird? Es wäre jeweils zu einfach, die Verantwortung dafür nur dem Präsidium oder nur dessen Kritikern in die Schuhe zu schieben. Aber es führt soweit, dass ich diesen Artikel lange vor mir hergeschoben habe und es vorziehen würde, wenn Serhou Guirassy, Chris Führich und Silas dieses Wochenende einen beliebigen Bundesligisten herspielen würden, anstatt dass ich mich mit sowas beschäftigten muss.
Noch zu den Satzungsänderungsanträgen: Michael Reichl hat gleich mehrere eingebracht, einen gemeinsam mit Holger Rothbauer. Im ersten geht es darum, dass bei der Wahl zum Präsidium nicht mehr, wie 2021 geschehen, zwei Kandidaten gegeneinander antreten, sondern dass das Präsidium in Listenwahl gewählt wird. In der Tat fiel es auf, dass damals beispielsweise Christian Riethmüller und Rainer Adrion nicht “gegeneinander” antraten. Das Präsidium unterstützt den Satzungsänderungsantrag und dem kann ich mich nur anchließen, ebenso wie beim zweiten Antrag, der die Amtszeit des Präsidiums einmalig bei der Wahl 2025 auf fünf Jahre festlegt, um zu verhindern, dass die Wahlen zum Präsidium und zum Vereinsbeirat immer in das gleiche Jahr fallen und zu Mammutveranstaltungen führen. Bei der Amtszeitbegrenzung für Gremienmitglieder bin ich noch unentschlossen. Einerseits ist es sowieso schon schwer genug, Kandidaten für das Amts des Präsidenten zu finden, wie die letzte Wahl gezeigt hat, andererseits verhindert man damit natürlich, dass jemand ewig an seinem Posten klebt und setzt gleichzeitig neue Impulse. Letztlich überwiegt dann für mich doch das erste Argument gegen eine Amtszeitbegrenzung, schließlich besteht ja die Möglichkeit, jemanden nicht wiederzuwählen.
Offen und ehrlich, intern und konstruktiv
Diametral gegenüber stehen sich die Anträge von Reichl und VfB-jetzt, wenn es um den Wahlausschuss für die Wahl des Präsidiums geht. Reichl will den Vereinsbeirat als quasi-Wahlausschuss durch einen Wahlausschuss anderen Zuschnitts ersetzten, während die Initiative VfB-jetzt eine Vorauswahl komplett ablehnt. Beide Anträge schließen sich offenbar gegenseitig aus, haben aber beide ihre Reize — schließlich bekamen wir lange genug vom Aufsichtsrat des e.V. nur einen Kandidaten vorgesetzt, der dann mit allen Mitteln durchgedrückt wurde. Wichtig ist dabei auch der Hinweis, dass der Präsident nach der letzten Satzungsänderung sowieso immer zur Wahl steht, wenn er kandidiert — ein Ergebnis aus den Versuchen ehemaliger Beiräte, den Mitgliedern die Entscheidung über die Amtszeit des Präsidenten vorzuenthalten. Da die Anzahl der Kandidaten in der Vergangenheit überschaubar war, braucht es einen Wahlausschuss fast wirklich nicht, auf der anderen Seite bietet man, wenn man nur die Mindestmaßstäbe an die Kandidatur anlegt, auch Menschen eine Bühne, die für diese vielleicht wirklich ungeeignet sind. Schwierig. Zuletzt gibt es noch die Satzungsänderungsanträge des Präsidiums, von denen der interessanteste vielleicht der ist, dass die Mitgliederversammlung — und nicht das Präsidium — entscheiden kann, ob die jeweils nächste Mitgliederversammlung hybrid oder virtuell stattfindet. Wichtig: Damit geht es nicht grundsätzlich um die Einführung eines solchen Formats — sondern darum, wer darüber entscheiden darf. Dass die finaele Tagesordnung eine Woche vor der Mitgliederversammlung allen Mitgliedern zugänglich gemacht werden sollte, dass sich nur wählen lassen kann, wer mindestens sechs Monate Mitglied ist und Details zum Bewerbungsprozess auf ein Amt sind die anderen Änderungsanträge, denen man vermutlich ohne Weiteres zustimmen kann,
Zum Abschluss: Ich wünsche mir eine Mitgliederversammlung, die wenn sie schon nicht harmonisch verläuft — was nach den letzten Jahren kein Wunder ist — zumindest respektvoll über die Bühne geht. Vielleicht ist es dann doch was anderes, wenn man sich auf der Bühne in die Augen schaut, als wenn man sich auf Social Medie über jemanden auslässt. Das oben von mir beschrieben Misstrauen hat sich nämlich dort ausgebreitet wie ein Virus und schlägt sich nicht nur in Verunglimpfungen von Gremienmitgliedern nieder, sondern in beide Richtungen auch gegenüber anderer Nutzer*innen.
Egal wie es ausgeht — und ich bin mittlerweile an dem Punkt angelangt, dass es mir fast egal ist, auch wenn ich manchem Antragsteller nicht die Genungtuung gönne, dass sein Antrag angenommen wird: Die Diskussionen werden auch am morgigen Montag weitergehen. Ich hoffe aber, dass der Verein mittelfristig wieder dahin kommt, dass er seinen Mitgliedern gegenüber offen und ehrlich — und rechtzeitig — kommuniziert und dass Konflikte intern und konstruktiv ausgetragen werden. Damit man sich auch mal wieder auf eine Länderspielpause freuen kann.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images