Neu im Brustring: Anthony Rouault

Mit dem Trans­fer von Antho­ny Rou­ault vom FC Tou­lou­se hat der VfB sei­ne Trans­ferk­ak­ti­vi­tä­ten für die­sen Som­mer abge­schlos­sen. Wir haben uns in Tou­lou­se nach unse­rem neu­en Innen­ver­tei­di­ger erkun­digt.

Dass für einen Ersatz für den in letz­ter Minu­te zu Ajax abge­wan­der­ten Bor­na Sosa schein­bar kein Geld da ist, wur­de ja schon rela­tiv schnell, nach­dem das Gerücht auf­kam, ver­deut­licht. Anders auf einer ande­ren vakan­ten Posi­ti­on in der Vie­rer­ket­te, näm­lich dort, wo Kon­stan­ti­nos Mavro­pa­nos mit sei­nem Abgang zum Con­fe­rence-League-Sie­ger West Ham United eine Lücke gelas­sen hat. Hier mahn­te Trai­ner Sebas­ti­an Hoe­neß auf der Pres­se­kon­fe­renz zum Frei­burg-Spiel noch Hand­lungs­be­darf an, was auch klar macht, dass Leo­ni­das Ster­giou kein Vor­griff auf einen Mavro­pa­nos-Abgang war. Meh­re­re Namen kur­sier­ten dann Dead­line Day-typisch rund um den VfB: Nat Phil­ipps, Paul Jae­ckel und: Antho­ny Rou­ault. Der Name kam erst rela­tiv spät auf und wur­de dann sehr schnell, sehr kon­kret, bis der VfB dann im Lau­fe des Frei­tags Voll­zug mel­de­te und den 22jährigen für eine Sai­son vom fran­zö­si­schen Pokal­sie­ger aus­lieh — laut Kicker ohne Leih­ge­bühr und für eine auf den ers­ten Blick erstaun­lich nied­ri­ge “ver­pflich­ten­de Kauf­op­ti­on” von drei Mil­lio­nen Euro. Dazu spä­ter, viel­leicht auch in den nächs­ten Tagen noch mehr. Bevor wir uns die­sen Moda­li­tä­ten wid­men, wol­len wir erst­mal auf den neu­es­ten VfB-Spie­ler bli­cken. Um mehr über ihn zu erfah­ren, haben wir mit Théo Fau­gè­re gespro­chen, der für die in Tou­lou­se ansäs­si­ge Regio­nal­zei­tung La Dépê­che du Midi über den FC Tou­lou­se schreibt.

Überraschend ins NLZ

Rou­ault wur­de am 29. Mai 2001 in Ville­neuve-sur-lot gebo­ren, einer Klein­stadt im Süd­wes­ten Frank­reichs, die mit­tig zwi­schen Tou­lou­se und Bor­deaux liegt. er spiel­te zunächst für zwei Ama­teur­ver­ei­ne in der Regi­on, bevor er 2017 als 15jähriger in die Nach­wuchs­aka­de­mie des FC Tou­lou­se kam. Mit 19 Jah­ren debü­tier­te er dann nach eini­gen Ein­sät­zen in der zwei­ten Mann­schaft bei den mitt­ler­wei­le inach 17 Jah­ren erst­mals wie­der zweit­klas­si­gen Pro­fis in der Ligue 2. Théo zufol­ge war die­ser Weg nicht unbe­dingt vor­ge­zeich­net, gal­ten ande­re Spie­ler wie Bafo Dia­ki­té, der heu­te in Lil­les spielt, als wesent­lich grö­ße­re Talen­te. Rou­ault sei sel­ber ein wenig über­rascht davon gewe­sen, dass Tou­lou­se ihn für deren Nach­wuchs ver­pflich­te­te. Rou­ault, so Théo, habe eigent­lich ande­re Plä­ne gehabt, als Pro­fi­fuß­bal­ler zu wer­den, auch weil er bei Auf­nah­me­prü­fun­gen für den Tou­lou­ser Nach­wuchs frü­her durch­ge­fal­len war.

In der zwei­ten Liga debü­tier­te er am sieb­ten Spiel­tag 2020/2021 mit 19 Jah­ren beim 2:1 gegen AJ Ajac­cio und spiel­te direkt 90 Minu­ten durch. Der eben ange­spro­che­ne Dia­ki­té hat­te sich im Spiel zuvor eine gelb-rote Kar­te ein­ge­han­delt und so den Platz für Rou­ault frei­ge­macht. Er bestritt in Fol­ge eini­ge wei­te­re Spie­le über die vol­le Spiel­zeit, wur­de aber Anfang Dezem­ber sel­ber mit Rot vom Platz gestellt und nach einer gelb-roten Kar­te Anfang Janu­ar durch den im Win­ter ver­pflich­te­ten erfah­re­nen Bel­gi­er Sébas­tien Dewaest ersetzt. Théo nennt es Rou­ault “Ent­de­ckungs­pha­se”, immer­hin kam er kurz vor Ende der 38 Spie­le andau­ern­den Sai­son noch zu ein paar Ein­sät­zen über die vol­le Spiel­zeit. Tou­lou­se ver­pass­te auf Platz 3 den direk­ten Auf­stieg und schei­ter­te in der Rele­ga­ti­on.

Mit mehr Stabilität zurück in die Ligue 1

In sei­ner zwei­ten Sai­son bei Tou­lou­se habe er dann eine wesent­lich grö­ße­re Rol­le im Team gespielt, so Théo. Er führt das auf eine sehr pro­fes­sio­nel­le Ein­stel­lung zurück, die Rou­ault auch heu­te noch an den Tag lege.Obwohl ihn eine Fuß­ver­let­zung ab Ende Sep­tem­ber für den Rest des Jah­res 2021 außer Gefecht setz­te, bestritt er 27 Par­tien für Tou­lou­se, fast alle über die kom­plet­te Spiel­zeit und stieg am Ende mit dem Club als Meis­ter wie­der in die Ligue 1 auf. Mit dem im Som­mer vom FC Midt­jyl­land ver­pflich­te­ten Ras­mus Nico­lai­sen bil­de­te er über wei­te Tei­le der Sai­son ein star­kes Abwehr-Duo, meist in einer Vie­rer­ket­te. Théo zufol­ge trat er in jener Sai­son wesent­lich selbst­be­wuss­ter auf, erhielt auch nur drei gel­be Kar­ten und trug so sei­nen Teil dazu bei, dass Tou­lou­se mit 33 die zweit­we­nigs­ten Gegen­to­re in der Liga kas­sier­te.

In der ver­gan­ge­nen Sai­son, in der Tou­lou­se mit Platz 13 den Klas­sen­er­halt schaff­te, eta­blier­te sich Rou­ault dann auch, gemein­sam mit sei­nem Defen­siv­part­ner Nico­lai­sen, in der Ligue 1: Er ver­pass­te ledig­lich ein Spiel und wur­de in einem wei­te­ren nach 83 Minu­ten aus­ge­wech­selt. Zwar sah er ein­mal die gelb-rote Kar­te, stand aller­dings im nächs­ten Liga-Spiel wie­der auf dem Platz, was die Ver­mu­tung nahe­legt, dass er die Sper­re im dazwi­schen­lie­gen­den Pokal­spiel absit­zen konn­te. Apro­pops Cou­pe de France: Den gewann Tou­lou­se Ende April zum zwei­ten Mal in sei­ner Geschich­te seit 1957. Rou­ault hat­te dar­an aller­dings nur wenig Anteil, im Fina­le kam er auf gera­de ein­mal acht Minu­ten Spiel­zeit, statt­des­sen spiel­te der 2021 ver­pflich­te­te Logan Cos­ta, der ihn auch zur neu­en Spiel­zeit unter dem neu­en Trai­ner Carles Mar­ti­nez aus der Start­elf und schein­bar sogar aus dem Kader ver­dräng­te. Wobei der Trai­ner­wech­sel rela­tiv kuri­os anmu­tet, wie die­ser Arti­kel ver­deut­licht: Mar­ti­nez wur­de bereits im Win­ter als Co-Trai­ner geholt und beerb­te sei­nen Chef Phil­ip­pe Mon­ta­nier in die­sem Som­mer. Dem wie­der­um warf der Prä­si­dent vor, dass statt Platz 13 eher Platz 10 drin gewe­sen wäre für Tou­lou­se und attes­tier­te dem neu­en Chef­trai­ner, bereits in der Rück­run­de und beim Pokal­sieg eine wich­ti­ge Rol­le gespielt zu haben. Lässt sich von hier aus sicher­lich nicht gut bewer­ten, es ist ange­sichts sol­cher Ver­hält­nis­se dann viel­leicht auch wenig über­ra­schend, dass Rou­ault so plötz­lich außen vor war. Dass der VfB für Rou­ault wohl kei­ne Leih­ge­bühr zahlt und angeb­lich auch eine ver­hält­nis­mä­ßig nied­ri­ge Kauf­op­ti­on zie­hen kann, wird ver­mut­lich damit zu tun haben, dass Tou­lou­se für ihn kei­ne Ver­wen­dung mehr hat und der VfB dafür in die­ser Sai­son das kom­plet­te Gehalt zahlt.

Gutes Auge für lange Bälle

Natür­lich hat Rou­ault erst eine Sai­son in einer ers­ten Liga und eine wei­te­re in der Zweit­klas­sig­keit auf dem Buckel, scheint sich aber in die­sen zwei Jah­ren auf einem gewis­sen Niveau eta­bliert zu haben, trotz sei­nes jun­gen Alters. Théo lobt defen­siv sei­ne Anti­zi­pa­ti­on und offen­siv sei­ne Spiel­eröff­nung mit lan­gen Bäl­len. Als Bei­spiel ver­weist er auf eine Tor­vor­la­ge beim 2:1 in Auxer­re in der zwei­ten Liga, die an so man­chen Ver­ti­kal­pass von Hiro­ki Ito oder auch Ben­ja­min Pavard erin­nert. Manch­mal feh­le ihm im Spiel noch die Ruhe, erklärt Théo und erklärt das vor allem mit dem Alter und schiebt nach, dass Rou­ault sich hier schon ver­bes­sert habe.

Blickt man auf sei­ne Stär­ken in der abge­lau­fe­nen Sai­son so lagen die — im Ver­gleich zu ande­ren Innen­ver­tei­di­gern in den fünf gro­ßent Ligen wie in die­ser Gra­fik dar­ge­stellt — vor allem bei den klas­si­schen Defen­siv­auf­ga­ben (Tack­les, geblock­te Schüs­se) und trotz nur zwei Toren und einer Vor­la­ge hat­te er mit 3,3 expec­ted goals einen für die die Posi­ti­on eher hohen Out­put. Neben den Ball­be­rüh­run­gen im geg­ne­ri­schen Straf­raum ste­chen auch die die pro­gres­si­ven Päs­se und die Pass­quo­te noch ein wenig her­vor. Klar ist, dass er in der Ligue 1 nicht die glei­che Rol­le spie­len konn­te wie in der Ligue 2.

Ver­gleicht man Rou­ault mit Kon­stan­ti­nos Mavro­pa­nos und Wal­de­mar Anton, den bei­den ande­ren Rechts­fü­ßen in der VfB-Abwehr der ver­gan­ge­nen Sai­son, so wer­den zwei Sachen deut­lich: Mavro­pa­nos’ Zwei­kamp­stär­ke und Offen­siv­power als Innen­ver­tei­di­ger sind nur schwer auf Anhieb zu erset­zen. Im Ver­gleich zu Anton muss sich Rou­ault aber nicht unbe­dingt ver­ste­cken, auch wenn bei­de natür­lich wesent­lich mehr Erfah­rung haben als er. Wie Théo ver­rät, hat­ten vie­le bes­se­re Ligue 1‑Clubs in der ver­gan­ge­nen Sai­son ein Auge auf ihn. Den Wech­sel nach Stutt­gart fin­det er sinn­vol­ler als den zu einem grö­ße­ren Club, weil sich Rou­ault hier bes­ser ent­wi­ckeln kön­ne.

Potenzial in der Innenverteidigung

Am Ende die­ses heiß dis­ku­tier­ten Trans­fer­som­mers sind wir also wie­der bei einem jun­gen fran­zö­si­schen Spie­ler mit Poten­ti­al ange­langt — qua­si der Mislin­tat­sche signa­tu­re trans­fer. Wie der Ver­ti­kal­pass schon im Rück­blick auf das Frei­burg-Spiel schrieb, scheint Sebas­ti­an Hoe­neß den Ver­lust drei­er wich­ti­ger Defen­siv­spie­ler eher übers Kol­lek­tiv auf­fan­gen zu wol­len oder zu müs­sen. Mit Rou­ault und Ster­giou ver­fügt der VfB jetzt auf der rech­ten Innen­ver­tei­di­ger­po­si­ti­on über zwei hoff­nungs­vol­le Talen­te, die aber Kon­stan­ti­nos Mavro­pa­nos nicht direkt erset­zen wer­den kön­nen. Rou­ault ist ange­sichts der Erfah­rung in der fran­zö­si­schen Liga, die etwas stär­ker ist als die schwei­ze­ri­sche, even­tu­ell schon ein Stück wei­ter und könn­te bei einer Rück­kehr zur Drei­er­ket­te even­tu­ell bei ruhi­gem Sai­son­ver­lauf in die Start­elf rücken. Die Fra­ge ist nur, ob das nach dem Abgang von Bor­na Sosa eine rea­lis­ti­sche Alter­na­ti­ve ist.

Immer­hin ver­fügt der VfB jetzt mit Anton, Zag­adou, Ito, Ster­giou und eben Rou­ault jetzt über fünf nomi­nel­le Innen­ver­tei­di­ger, davon aller­dings drei Rechts­fü­ße, wäh­rend ein Links­fuß aktu­ell als Außen­ver­tei­di­ger gebun­den ist. Je nach­dem wie die Sai­son ver­läuft und sich die Mann­schaft ent­wi­ckelt, könn­ten Ster­giou und Rou­ault lang­fris­tig, wenn der VfB sie nach Ende der Leih­frist über­nimmt, die­se oder nächs­te Sai­son die Ent­wick­lung zum Bun­des­li­ga-Stamm­spie­ler machen. Einen Rück­blick auf die Trans­fer­pha­se will ich an ande­rer Stel­le wagen. Nur so viel vor­ab: Die Angst, dass man nach dem Trans­fer von Hara­guchi und dem Bag­gern an Gui­la­vogui nur noch älte­re Spie­ler ohne Poten­zi­al ver­pflich­tet, scheint unbe­grün­det.

Titel­bild: © CHARLY TRIBALLEAU/AFP via Get­ty Images

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