Damit hatte nun wirklich niemand gerechnet: Eine Woche nach der Klatsche in Leipzig gewinnt der VfB zum ersten Mal seit 2018 (!) ein Bundesliga-Spiel gegen Freiburg und fegt die Gäste mit 5:0 aus dem Neckarstadion.
Es gibt ja im immer moderner werdenden Fußball bestimmte Gewissheiten: Die Bayern werden am Ende doch Meister, Christian Streich trainiert Freiburg und macht damit dem VfB das Leben so schwer, dass man in Bad Cannstatt mittlerweile nicht nur ob des ruhigen Arbeitsumfelds neidisch nach Südbaden schaut, sondern auch wegen des sportlichen Erfolgs. Während die Bayern ihre Konkurrenz aus Dortmund mal wieder im Fernduell schlugen und Streich auch am Samstag auf der Freiburger Bank saß, galt an diesem Tag eines nicht: Der VfB hatte keinen Grund, neidisch nach Freiburg zu schauen. Stattdessen gewann er sein zweites Heimspiel der Saison ebenso mit 5:0, allerdings gegen einen Gegner, der in dieser Saison berechtigterweise höhere Ambitionen haben dürfte als die bemitleidenswerten Bochumer, die am ersten Spieltag das Neckarstadion mit einer Klatsche verließen.
Sicher: Der VfB musste erstmal den üblichen Schreckmoment überstehen. Gegen Bochum ließ Philipp Hofmann die Herzen der VfB-Fans kurz gefrieren, am Samstag waren es Michael Gregoritsch und nach einer Ecke Innenverteidiger Philipp Lienhart, die um ein Haar für die Freiburger Führung gesorgt hätten. Es steckt also noch einiges vom schlafmützigen VfB der vergangenen Saison in dieser Mannschaft — mit dem Unterschied, dass sie eben am Samstag bereits zum zweiten Mal in Folge zu Hause zu null spielte, was ihr zuletzt monatelang nicht gelungen war. Dazu gehört natürlich auch ein wenig Glück, denn Lienhart hatte die frühe Führung wirklich auf dem Silbertablett vor sich, aber auch ein starker Torhüter wie Alex Nübel, der die bisher überwiegend positiven Leistungen wieder bestätigte. Und immerhin hat der VfB mal dieses Glück — man denke nur an das VAR-Roulette des vergangenen Spieltags — was ihm in der Vergangenheit häufig abging.
Konsequent, präzise, kaltschnäuzig
Das Erstaunlichste an diesem Spiel war aber nicht unbedingt die Defensivleistung, sondern mit welcher Konsequenz, Präzision und Kaltschnäuzigkeit die Offensivabteilung die Gäste auseinandernahm. Innerhalb von elf Minuten war das Spiel quasi entschieden und der VfB brauchte dafür nur vier Torschüsse: Einen von Führich, der von Stiller eingesetzt einfach in den Strafraum kurvte und abzog, ein präziser Schuss von Serhou Guirassy nach Pass von Silas, eine Chance von Silas selber und schließlich die Flanke von Hiroki Ito, die erneut Guirassy zu seinem fünften Treffer im dritten Spiel über die Linie drückte. Freiburg machte die gleiche Erfahrung wie die Brustringträger vor Wochenfrist und bekam in dieser Zeit keinen Fuß auf den Boden. Bemerkenswert war in diesem Spiel, in dem erneut der immer mehr in Fahrt kommende Führich und der eingewechselte Millot den Deckel drauf machten, auch die Gefährlichkeit des VfB und die Fähigkeit, das Spiel selbst in offensiv ruhigeren Phasen unter Kontrolle zu haben.
Und an dieser Stelle müssen wir über einen Spieler sprechen, der in dieser Mannschaft vielleicht die größten Fußstapfen auszufüllen hat: Auch wenn Angelo Stiller nicht der gleiche Spielertyp wie Wataru Endo ist, so kam ihm im zentralen Mittelfeld doch eine ähnlich zentrale Rolle zu wie dem abgewanderten Kapitän und er füllte sie in diesem Spiel bravourös aus: Stiller bereitete nicht nur das 1:0 vor, sondern machte mit 11,75 Kilometern auch die meiste Strecke aller Spieler auf dem Platz. Damit trug er wohl dazu bei, dass der VfB bei diesen Statistiken mal nicht seinem Gegner im wahrsten Sinne des Wortes hinterherlief. Aber nicht nur das. Egal welche Statistik man sich anschaut, Stiller schaltete sich beständig in die bestens geölte Offensivmaschine des VfB ein: Eine Passquote von 87 Prozent, die nur von seinem Nebenmann Ata Karazor übertroffen wurde, fünf shot creating actions und zwei goal creating actions laut fbref sowie mit acht die meisten progressive passes. Und auch bei Understat liegt er bei der Metrik, die den expected goals Wert jeder Ballberührung misst, jeweils weit vorne. Eine Partie wie gemalt für ein Heimdebüt, dazu mit einer Stimmung, die er bisher von Heimspielen nicht gewohnt sein dürfte.
Nicht aus der Ruhe gebracht
Man muss natürlich beim VfB immer aufpassen, denn die nächste Enttäuschung lauert erfahrungsgemäß schon im nächsten Spiel. Gut, dass jetzt erstmal Länderspielpause ist und wir dieses Gefühl zwei Wochen lang genießen können. Dass der VfB es irgendwie schafft, sich selber ein Bein zu stellen, ist ja auch so eine der eingangs angesprochenen Gewissheiten. Ein solch überragender Sieg gegen eine Mannschaft wie Freiburg und die Tatsache, dass wir bislang erst einmal in unserer Bundesliga-Geschichte elf oder mehr Tore in den ersten drei Spielen erzielt haben, geben aber zumindest ein wenig Hoffnung auf Besserung. Serhou Guirassy trägt immer noch das Brustringtrikot und trifft, wann er will, Alexander Nübel verkürzt uns die Wartezeit auf das Bundesliga-Debüt von Dennis Seimen auf bislang sehr angenehme Art und Weise und zwischen diesen beiden spielt eine Mannschaft, die immer noch gewisse Schwächen hat und an der einen oder anderen Position auf Kante genäht ist, sich aber offenbar von einer Enttäuschung wie der in Leipzig genauso wenig aus der Ruhe bringen lässt wie durch gegnerische Großchancen. Wäre schön, wenn sich diese Entwicklung in zwei Wochen in Mainz fortsetzt.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass analyiert: “Das Team hat in der zurückliegenden Transferperiode ohne jeden Zweifel Qualität verloren. Trainer Hoeneß scheint dies im Kollektiv auffangen zu wollen. Die Mannschaft berauscht sich wie viele ihrer Vorgänger an sich selbst, feiert gelungene Aktionen, spielt Doppelpass mit dem Stadion. Aber hat sie auch die geforderte Widerstandskraft?”
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images
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