Der VfB hat mit Winamax endlich einen neuen Hauptsponsor gefunden — und konterkariert damit die großspurigen Ankündigungen, man würde sich bei der Sponsorensuche nicht allein von der Höhe der Einnahmen leiten lassen. Nicht zum ersten Mal muss Alexander Wehrle als Vorstandsvorsitzender die von ihm geschürten Erwartungen enttäuschen und relativieren. Geht es stattdessen nicht einfach auch eine Spur ehrlicher, kleiner und transparenter?
Wir hatten ja in den letzten Jahren schon so unsere Erfahrungen mit Erwartungen, Erwartungshaltungen, Ankündigungen und deren Umsetzung. Ex-Präsident Wolfgang Dietrich war mit seiner Ankündigung, 2022 sollten nur zwei Vereine in Deutschland größer sein als der VfB, schlicht größenwahnsinnig, mit seiner unsäglichen Ausgliederungskampagne zudem manipulativ. Dass die Ausgliederung alleine den erhofften Erfolg nicht bringen würde, war bald jedem klar, der sah, wie Dietrich den Verein führte. Dass er sich irgendwann dazu verstieg, die eigene Kampagne zu zerreden, indem er meinte, regionale Investoren seien nie in irgendeiner Weise Thema gewesen, passt nur ins Bild eines Mannes, der zu retten versuchte, was nicht mehr zu retten war. Anders verhielt es sich mit Ex-Sportvorstand Michael Reschke, der Kritiker seiner Transferpolitik als Vollidioten schalt und auch sonst lieber um jedes Mikrofon einen großen Bogen hätte machen sollen. So entließ er Trainer Korkut am Morgen nachdem er ihm noch demonstrativ den Rücken gestärkt hatte. Anschließend verniedlichte er das, was im Sprachgebrauch als Lüge bezeichet wird, als Wahrheitsbeugung im Sinne des VfB, die seiner Glaubwürdigkeit keinen Schaden zufügen würde. Als Wahrheitsbeugung musste man dann wohl auch die Tatsache bezeichnen, dass Reschke bei der Vertragsverlängerung mit dem damaligen Talent Berkay Özcan per Pressemitteilung verlautbaren ließ, der Vertrag enthalte keine Ausstiegsklausel. 2019 enthüllte der Kicker nach Özcans Wechsel zum HSV: “Fakt ist nach kicker-Informationen aber, dass der VfB den türkischen Nationalspieler im Sommer für eine festgeschriebene Summe, etwa 1,2 Millionen Euro, hätte ziehen lassen müssen, wenn er nicht auf eine bestimmte Einsatzzeit gekommen wäre.”
Diskrepanz zwischen Ankündigung und Umsetzung
Nun ist das Fußballbusiness natürlich eins, in dem selten mit offenen Karten gespielt wird. Im Gegenteil, in den letzten Jahren ging es beim VfB eher darum, die Leute für dumm zu verkaufen. Es wurde unter Thomas Hitzslperger besser, auch wenn die knallharte Analyse der Entlassung von Tim Walter mal abgesehen von Sven Mislintats Auftritt bei VfB STR wohl immer noch in irgendeiner Schublade ihr Dasein fristet. Seit über einem Jahr ist Alexander Wehrle jetzt Vorstandsvorsitzender des VfB — und langsam aber sicher kommt man sich als Fan ein wenig verschaukelt vor. Nicht wegen des sportlichen Abschneidens etwa, auch wenn er daran einen Anteil trägt. Auch nicht wegen der finanziellen Situation des Vereins, die sich kürzlich auch dank seiner Arbeit erheblich verbessert hat. Nein, es geht um die Diskrepanz zwischen Ankündigung und Umsetzung, zwischen geschürter Erwartungshaltung und enttäuschten Erwartungen. Das ging schon los mit den Vertragsverhandlungen mit Sven Mislintat, die erst in der Sommerpause stattfinden sollten, dann nach Ende der Transferperiode und schließlich in der WM-Pause. Immer wieder warteten Fans auf Wasserstandsmeldungen, nur um dann zu erfahren, dass noch nicht einmal richtig gesprochen wurde und stattdessen übergeordnete Berater und ein untergeordneter Leiter Lizenzspielerabteilung eingestellt wurden. Erklärungsbedürftig war auch die Behauptung in der Sendung Doppelpass im April, als Wehrle einem Journalisten im Brustton der Überzeugung erwiderte, die Einstellung und Entlassung Labbadias habe den VfB kein Geld gekostet. Was er meinte: Kein zusätzliches Geld. Denn der Aufsichtsrat hatte nach der Entlassung Pellegrino Matarazzos bereits Mittel für einen neuen Trainer zur Verfügung gestellt, die aber bis zur Verpflichtung Labbadias nicht benötigt wurden, weil man sich bis dahin auf Michael Wimmer als Kompromisslösung geeinigt hatte. Warum muss man den Mund so voll nehmen, wenn man auch einfach erklären könnte, was man meint?
Ebenfalls im April kündigte Wehrle etwas verklausuliert an, dass man in den nächsten zwei Wochen einen namhaften Sponsor präsentieren werde. Wer im Hinterkopf hatte, dass der Vertrag mit der Mercedes-Benz-Bank im Sommer auslief, hörte da einen neuen Hauptsponsor heraus, gemeint war aber wohl die Supermarktkette Rewe. Die Kooperation mit dem neuen “Team-Partner” gab der VfB schließlich am 7. Juni bekannt — knapp zwei Monate nach Wehrles Ankündigung im SWR. Nun gut, da dauerten die Verhandlungen eben etwas länger. Sei’s drum, willkommen in der VfB-Familie. Aus der schied kürzlich Meisterheld Sami Khedira wieder aus, nachdem er, wie der VfB verlautbaren ließ, seine Beratertätigkeit erfolgreich abgeschlossen habe. Nun wird Sami Khedira als Markenbotschafter von Porsche sicherlich auch seinen Teil zum kürzlich geschlossenen Weltmarkenbündnis beigetragen haben. Aufhorchen ließ aber der folgende Satz in der Pressemitteilung zu Khediras Abschied: “Die Zusammenarbeit war vertraglich auf die vergangene Saison begrenzt und endet nun einvernehmlich.” Das hörte sich im Dezember letzten Jahres aus dem Mund von Alexander Wehrle noch anders an: “Wir haben einen gemeinsamen Fahrplan für seine Entwicklung festgelegt. Aber er ist jetzt erst mal die nächsten mindestens eineinhalb Jahre Berater des Vorstands”. Nun kann man darüber streiten, welchen Mehrwert Khediras Beratertätigkeit abseits des Investoreneinstiegs hatte und klar ist auch, dass diese mit einem neuen Sportvorstand obsolet wird. Was bleibt ist die Diskrepanz. Ähnlich wie bei der Ankündigung zu ebenjenem Einstieg von Porsche als Investor. Bis Ende Juli sollte das alles unter Dach und Fach sein, kündigte Wehrle an — jetzt müssen doch noch Sachen geprüft werden und man rechnet mit September. Immerhin soll die Tatsache, dass ein Aufstieg Ingolstadts in die zweite Bundesliga ein Problem werden könnte, kein “deal breaker” sein. Na dann.
Pathologischer Optimismus
Wer will, kann das alles als Lappalie abtun und meinen, unterm Strich müsse doch das Ergebnis stehen, der Zeitplan sei zweitrangig. Das Problem besteht aber darin, dass man Ankündigungen des Vorstandsvorsitzenden mittlerweile zwangsläufig mit Vorsicht genießen muss, denn Wehrle gelingt es nur selten, seine Ankündigungen entweder zeitlich einzuhalten oder sie ohne große Rechtfertigungen und Wortakrobatik zu erklären. Wenn Dietrich ein Dampfplauderer war und Reschke ein “Wahrheitsbeuger”, so könnte man Wehrle wohlmeinend als pathologischen Optimisten bezeichnen. Oder ihm vorwerfen, dass er ein ziemlich miserables Erwartungsmanagement betreibt. Das ist alles noch einigermaßen akzeptabel, wenn es um Zeitpläne geht. Ein anderes Thema ist die Aussage, die Marketingvorstand Rouven Kasper in der Bild-Zeitung tätigte, die ich hier ausnahmsweise mal zitiere:
“Wenn es darum gehen würde, wer am meisten Geld bezahlt, hätten wir schon längst einen Trikotsponsor. Es geht neben den natürlich wichtigen Einnahmen auch darum, woher das Geld kommt, ob alles seriös und valide ist. Deshalb gibt es Branchen und geopolitisch auch Regionen, die für uns ein No-Go sind. Schön wäre es, wenn wir jemand aus der Region finden würden. Das passt einfach perfekt zur Geschichte, die wir gerade schreiben. Aber wir blicken auch darüber hinaus.”
Wehrle schlug in die gleiche Kerbe: Der Sponsor müsse zu den VfB und seinen Werten passen und nicht nur das meiste Geld auf den Tisch legen. Ausgerechnet bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen VfB-Stiftung ließ er dann fallen, dass es sich beim neuen Hauptsponsor nicht um einen chinesischen Wettanbieter handele. Haha, sehr lustig. Es ist nämlich ein französischer Wett- und Onlinepoker-Anbieter namens Winamax, der sich den Einstieg in den deutschen Markt einiges kosten lässt und vielleicht deshalb auch mit seinem neuen Werbeträger etwas netter umgeht als mit Girondins Bordeaux. Wie man zu Wettanbietern als Sponsorn steht, bleibt jedem selbt überlassen, auf die Gefahren, die von dieser Branche trotz Verpflichtungen zum Jugendschutz und staatlicher Regulierung ausgehen, weist Martin in seinem Blogbeitrag hin. Winamax ist bei Weitem auch nicht der erste Sponsor aus diesem Segment, auch wenn die Aufschrift auf irgendwelchen Werbebanden natürlich eine andere Reichweite hat als auf dem Trikot, mit dem auch Fans zu Werbeträgern werden. Das größte Problem aber ist, dass der VfB sich dazu entschied, seine Werte und seine Haltung als eine Monstranz vor sich her zu tragen, um diese dann, gelinde gesagt, in die Tonne zu kloppen.
Dicke Backen, nichts dahinter
Denn wer so stark seine Werte betont und von No-Gos spricht, kann dann nicht leichthin für eine Branche werben, die wie im verlinkten Blogartikel beschrieben, zu gefährlichem Suchtverhalten verführt — und zwar quasi als Geschäftsmodell. Man ist sich ja selber der Gefährlichkeit bewusst, indem man auf Kindertrikots auf den Sponsorenflock verzichtet. Und vielleicht ist Winamax auch seriös und valide und eben kein chinesischer Wettanbieter. Seriöser wäre es gewesen, wenn Kasper und Wehrle angekündigt hätten, dass sie bei der Sponsorensuche angesichts der aktuellen Situation nicht primär auf moralische, sondern eher auf monetäre Werte achten müssen. Aber nein, beim VfB bläst man vorher die Backen auf, stellt sich als etwas Besonderes hin, schürt die Erwartungen der Fans an einen anderem Umgang mit Sportsponsoring als beispielsweise Hertha BSC — nur um am Ende, vermutlich auf Vermittlung des gleichen Vermarkters, genauso wie die Berliner, mit einem Wettanbieter ins Bett zu gehen. Die Haltung, die man durch solche Interviews und Aussagen propagiert, muss man sich auch leisten können — und der VfB kann es offenbar nicht. Weil wir halt doch eben nicht so viel anders sind als Hertha, Bremen, Augsburg oder Bochum. Von den Mehrheitsverhältnissen in den Kapitalgesellschaften mal abgesehen. Das muss nicht nur mancher Fan verstehen, der bisweilen verächtlich auf die Konkurrenz im Abstiegskampf schaut, sondern auch im Club selber.
Dass Alexander Wehrle dann die falsche Erwartungshaltung bezüglich des Sponsors im Interview mit Sky den Fans zuschiebt, unterstreicht nur, wie wenig Mühe man sich in der Führungsetage teilweise gibt, Sachverhalte von vornherein transparent zu erklären. Es ist eben nicht die falsche Erwartung der Fans gewesen, dass der Hauptsponsor ein regionaler sein muss. Ganz im Gegenteil: Rouven Kasper fand, dies würde perfekt zur Geschichte passen, die man gerade schreibe — welche auch immer das sein soll. Bei den Fans wurde viel mehr die Erwartungshaltung geschürt, dass man nicht nur im Rahmen von CSR-Projekten wie der neu gegründeten Stiftung oder dem, was bisher VfBfairplay hieß, gesellschaftlich Verantwortung übernimmt, sondern auch da, wo es eventuell weh tut. Anders als vielleicht früher, als man mit halbseidenen Firmen auf dem Trikot ins Europapokalfinale stürmte oder mit der Atomlobby die Meisterschaft feierte. So setzt man sich dem Vorwurf des Social Washing aus: Stiftung und hehre Ziele bei der Sponsorensuche gehen Hand in Hand, die Realität ist eine andere. Wer mehr zu dem Thema lesen möchte, dem empfehliche ich das Buch Gesellschaftsspielchen von Ronny Blaschke. Wehrle und Kasper tun damit auch Steffen Lindenmaier, der für die neue Stiftung zuständig ist, keinen Gefallen.
Vielleicht am gravierendsten ist dabei der Glaubwürdigkeitsverlust, den Wehrle und nun auch sein Marketingvorstand damit selbstverschuldet erleiden. Statt großen Ankündigungen, von denen wir in den letzten Jahren wahrhaft genug hatten, wünsche ich mir eine ehrlich und transparente Kommunikation, oder wie der Vertikalpass kommentiert: “Den Fans gegenüber wäre es nur fair, klar zu kommunizieren, dass man sich manche Werte aktuell einfach nicht leisten kann oder will.” Wir wissen schon ganz gut, wie der Profifußball funktioniert und dass der VfB finanziell nie in der Lage sein wird, allein unter moralischen Gesichtspunkten zu entscheiden — egal wie der Vorstandsvorsitzende und der Marketingvorstand heißen. Worauf ich keine Lust mehr habe, ist für dumm verkauft zu werden und mir hinterher immer wieder sagen lassen zu müssen, ich hätte das alles nur falsch verstanden oder hätte falsche Erwartungen. Eure Glaubwürdigkeit ist Euer Problem. Nicht unseres.
Titelbild: © Graham Chadwick/Getty Images
Wow! Einmal den großen Bogen gespannt. Super-Text!
Danke Dir, das Kompliment geb ich gerne zurück. Nur das Titelbild musste ich nochmal abändern. Gibt einfach zu wenige Fotos mit Winamax-Trikot bisher. 😉
LG
Der Text sollte direkt an den VfB geschickt werden. Schöne Schilderung über ein nicht so schönes Thema.
Hallo Stefan,
danke für die Rückmeldung. 🙂
Viele Grüße, Lennart
Ja. Es ist vor Allem eine Frage der Wertschätzung, ob man gegenüber Fans, Mitarbeitern und Spielern (siehe VVL Endo) mit offenen Karten spielt oder sich hinter Nebelkerzen, Schweigen, Halbwahrheiten und glatten Lügen versteckt, um seine Macht zu zelebrieren. Ich als Fan wünsche mir vom VfB nicht viel (man ist ja hinreichend leidgeplagt), aber eine offene und ehrliche Kommunikation darf man schon erwarten. Und langfristig machen diese ganzen Machtspielchen den Laden kaputt, das war auch schon unter Dietrich so.
Hallo Bernd,
ja, am Ende kommt man sich, wie beschrieben, als Fan verschaukelt vor. Das Vertrauen von Vereinsverantwortlichen, dass Fans auch harte Wahrheiten vertragen, scheint nach wie vor nicht besonders groß zu sein.
Viele Grüße, Lennart
Hallo Lennart
Ganz herzlichen Dank dass es noch Menschen wie Dich gibt. Ich kann dieses ganze Geschwaffel und Zurechtbiegerei nicht mehr ertragen und bin kurz vor der Kündigung der Mitgliedschaft. Von Herrn Wehrle habe ich ehrlich gesagt nie was erwartet. Allerdings bin ich sehr enttäuscht von unserem sogenannten Fanpräsident. Ich frage mich welche Werte er hätte wenn er noch beim FC Playfair wäre. Wasser predigen und Wein trinken. Ich habe noch deutlich die Worte Kommunikation und Transparenz in den Ohren wohlgemerkt vor der Wahl aber wie so oft auch hier was geht mich mein Geschwätz von gestern an. Bitte mach weiter. Danke
Sponsorenflock auf Kindertrikots: Bevor der VfB und sein Sponsor “sich der Gefährlichkeit bewusst sind”, verbietet der Glücksspielstaatsvertrag derartige Werbung auf Kinder- und Jugendtrikots. Jeder Text von Seiten des Vereins dazu ist Blendwerk.
Ah, das wusste ich nicht, danke für den Hinweis!
Richtig !!!!!
voll aus dem Herzen geschrieben! armer VfB!
Hallo Lennart,
Endlich schreibt mal wieder einer was beim VfB hinter den Türen passiert.
Und das sogenannte Präsidium Vogt und Adrion trinkt lieber mit Fangruppen ein paar Bier als einen Verein zu führen, wofür sie großspurig angetreten sind.
Hallo Gerhard,
Danke fürs Feedback. Auch wenn der AR sowas natürlich freigibt, geht es mir hier in erster Linie um den operativen Bereich in der AG. Wer da mit wem ein Bier trinkt, ist da erstmal zweitrangig.
LG, Lennart
Sehr guter Text, speziell Wehrle sollte einfach öfter mal den Mund halten. Machtbesessenheit macht sich in unserem Verein seit Jahren breit und führt zur Spaltung. VfB -> “Verein für Blender”
Sehr interessant. Viele Themen habe ich nur am Rande mitbekommen. Daher finde ich eine so kritische aufbereitete Darstellung außerordentlich gut. Das macht schon nachdenklich. Bravo Lennart
Super Artikel — herzlichen Dank! Darf ich den Posten?
LG Moni
Hallo Moni,
selbstverständlich darfst Du — der Artikel ist ja öffentlich. 🙂
Ich würde allerdings empfehlen, sich beim Thema Kommunikation nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. 😉
Viele Grüße, Lennart