Neu im Brustring: Deniz Undav

Kei­ner weiß, wie es bei Ser­hou Gui­ras­sy wei­ter­geht. Dafür hat der VfB in der ver­gan­ge­nen Woche einen ande­ren Stür­mer unter Ver­trag genom­men — zunächst für ein Jahr als Lei­he. Deniz Undav kommt von Brigh­ton & Hove Albi­on aus der Pre­mier League und soll das Angriffs­spiel des VfB bele­ben. Über Undav, der vor drei Jah­ren noch beim SV Meppen spiel­te, sei­ne inter­es­san­te Kar­rie­re und sei­ne letz­ten bei­den Sta­tio­nen haben wir uns in Bel­gi­en und Eng­land umge­hört.

Zunächst mal ein kur­zes Sor­ry: Nor­ma­ler­wei­se habe ich sol­che Arti­kel frü­her fer­tig, aber Urlaub ist Urlaub. Ihr habt Deniz Undav zwar schon beim Test­spiel in Shef­field gese­hen, ich hof­fe — und den­ke — Euch mit den Infos von Fans und Exper­ten sei­ner bis­he­ri­gen Ver­ei­ne den­noch ein paar zusätz­li­che Infos geben zu kön­nen, bevor er in Reut­lin­gen und gegen Bochum da wei­ter­macht, wo er letz­ten Som­mer in Saint Gil­les auf­ge­hört hat.

Aus Niedersachsen nach Belgien

Natür­lich hat­te ich schon mal von Deniz Undav und sei­nen unge­wöhn­li­chen Kar­rie­re­weg von Havel­se über Braun­schweig II und den SV Meppen in die zwei­te bel­gi­sche Liga und von dort über die bel­gi­sche Vize­meis­ter­schaft in die Pre­mier League gehört. Dass ich aller­dings in abseh­ba­rer Zeit einen Arti­kel in die­sem Blog über ihn schrei­be, hät­te ich nicht gedacht. Und man muss natür­lich die­ses gan­ze Trans­fer­fens­ter noch mit Vor­sicht genie­ßen: Noch ist im Defen­siv­be­reich, wo zumin­dest bei der Zahl der Gegen­to­re viel Ver­bes­se­rungs­be­darf besteht und wo die lukra­tivs­ten Ange­bo­te erwar­tet wer­den, nichts pas­siert. Gleich­zei­tig hat der VfB bis­her vor allem Geld aus­ge­ge­ben, wenn man mal von klei­ne­ren Gehalts­ein­spa­run­gen durch die Lei­hen absieht. Neben wem Deniz Undav in der kom­men­den Sai­son im Sturm auf­lau­fen wird, ist auch noch unklar. Den­noch: Die­se Lei­he ist bemer­kens­wert. Aber dazu am Ende mehr, wid­men wir uns erst­mal dem neu­en Mann im Brust­ring, der wie gesagt bis Som­mer 2020 vor allem im geho­be­nen Ama­teur­fuß­ball bezie­hungs­wei­se nie­de­ren Pro­fi­fuß­ball unter­wegs war, bevor er in die zwei­te bel­gi­sche Liga zur Roya­le Uni­on Saint-Gil­loi­se wech­sel­te. Über sei­ne zwei Jah­re in Brüs­sel habe ich zum einen mit Sté­pha­ne Lecail­lon, Jour­na­list beim Nach­rich­ten­por­tal Laven­ir, gespro­chen, zum ande­ren mit Jesús, einem der ältes­ten Mit­glie­der der Fan­grup­pe Uni­on Bhoys. Zu sei­ner Sai­son in Brigh­ton habe ich gleich drei Exper­ten befragt: Scott vom tra­di­ti­ons­rei­chen Blog WeAreBrighton.com, Ady vom Pod­cast The Albi­on Roar und Jim Frank, Jour­na­list bei BBC4 und Brigh­ton-Fan.

Undav im Trikot des SV Meppen. © Sebastian Widmann/Getty Images for DFB
Undav im Tri­kot des SV Meppen. © Sebas­ti­an Widmann/Getty Images for DFB

Undav wur­de am 19. Juli 1996 in Achim bei Bre­men gebo­ren, ist also gera­de 27 Jah­re alt gewor­den. Mit sechs Jah­ren schloss er sich dem TSV Achim an, spiel­te dann fünf Jah­re lang bei Wer­der in der Jugend und kam über den SC Wey­he schließ­lich zum durch­aus ambi­tio­nier­ten TSV Havel­se, der 2021/2022 immer­hin in der drit­ten Liga spiel­te. Zwi­schen 2015 und 2017, als Undav dort die Fuß­ball­schu­he schnür­te, tat er das jedoch “nur” in der Regio­nal­li­ga Nord, in der er aber in jeweils 32 Sai­son­spie­len 16 Tore schoss. Wei­ter ging es 2017 zum dama­li­gen und heu­te wie­der Zweit­li­gis­ten Ein­tracht Braun­schweig, die gera­de gegen den VfB im Auf­stiegs­ren­nen das Nach­se­hen gehabt hat­ten. Der 21-jäh­ri­ge Undav stand jedoch für die Ein­tracht, die am letz­ten Spiel­tag noch über­ra­schend auf einen direk­ten Abstiegs­platz fiel, nur ein­mal im Pro­fi­ka­der. Viel­leicht auch wegen einer Schien­bein­ver­let­zung, die er sich früh in der Sai­son zuzog und die ihn bis Novem­ber außer Gefecht setz­te. Als er wie­der auf dem Platz stand, fand er sich erneut in der Regio­nal­li­ga Nord wie­der, dies­mal bei der zwei­ten Mann­schaft des BTSV. Dabei gelang ihm wie­der das Kunst­stück, in den ver­blei­ben­den 18 Spie­len im Schnitt in jedem zwei­ten zu tref­fen. 2018 zog es Undav dann wei­ter nach Meppen, die in der ver­gan­ge­nen Sai­son nach sechs Jah­ren aus der drit­ten Liga abge­stie­gen sind. Wäh­rend er in sei­ner ers­ten Sai­son im Ems­land nur sechs Mal traf, erreich­te er in der Coro­na-Sai­son 2019/2020 wie­der sei­nen alten Tore­schnitt: 17 Tref­fer in 34 Spie­len, dazu 13 Vor­la­gen. Soweit im Schnell­durch­lauf sei­ne Kar­rie­re in Deutsch­land, die ich auch des­halb nicht noch mit Ein­drü­cken von Exper­ten ange­rei­chert habe, weil sie drei Jah­re zurück­lie­gen und sowohl die Regio­nal­li­ga Nord als auch die 3. Liga nur schwer mit den Anfor­de­run­gen der Bun­des­li­ga ver­gleich­bar sind.

Das Märchen von Saint Gilles

Wäh­rend der Coro­na-Pau­se gab Undav dann sei­nen Wech­sel zum bel­gi­schen Zweit­li­gis­ten Roya­le Uni­on Saint-Gil­lois zum Sai­son­ende bekannt. Wer noch nie etwas von die­sem Ver­ein gehört hat, dem emp­feh­le ich die­sen sehr lesens­wer­ten Arti­kel aus dem bal­les­te­rer von Klaus Feder­mair, der sel­ber Uni­on-Fan ist und über den auch der Kon­takt zu Jesús ent­stand. Sté­pha­ne zufol­ge habe man in Brüs­sel kei­ne gro­ßen Erwar­tun­gen an die­sen Stür­mer aus der drit­ten deut­schen Liga gehabt, ange­sichts des ablö­se­frei­en Wech­sels sah man aber auch wenig Risi­ko, die 17 Tore für Meppen mach­ten aller­dings durch­aus Ein­druck. Jesús ergänzt dass ihn Undavs ers­ter Kon­takt, also die Ball­an­nah­me beein­druckt habe. Auf die 17 Tore kam Undav auch in der Sai­son 2020/2021, aller­dings in nur 26 Spie­len. Die ers­ten Mona­te in Bel­gi­en sei­en für Undav aller­dings schwer gewe­sen, erklärt Ste­phá­ne, bis Dezem­ber gelan­gen ihm in zehn Spie­len nur zwei Tref­fer beim 6:0 gegen Club NXT. Undav habe spä­ter sel­ber zuge­ge­ben, dass er sich nicht beson­ders pro­fes­sio­nell ernährt habe, erklärt Ste­phá­ne und zitiert einen Kol­le­gen der schrieb, dass Undav frü­her täg­lich eine Dose eines unge­nieß­ba­ren Getränks genoss, des­sen Her­stel­ler unter ande­rem Stand­or­te in Salz­burg und Leip­zig betreibt. Außer­dem habe er in Meppen nach dem Trai­ning häu­fig als ers­tes zum Fast Food gegrif­fen, mit­hil­fe einer Ernäh­rungs­be­ra­te­rin habe er die­ses Pro­blem aber in den Griff bekom­men.

Torschützenkönig in Belgien. © VIRGINIE LEFOUR / BELGA MAG / Belga via AFP
Tor­schüt­zen­kö­nig in Bel­gi­en. © VIRGINIE LEFOUR / BELGA MAG / Bel­ga via AFP

In der zwei­ten Sai­son­hälf­te schien das auch zu wir­ken, als er sei­ne wei­te­ren 15 Tref­fer erziel­te, dar­un­ter drei wei­te­re Dop­pel­packs, beim 3:2 gegen Lom­mel SK schoss er sogar alle Tore. Uni­on ver­lor in der gesam­ten Sai­son nur zwei von 28 Spie­len, das letz­te Ende Novem­ber, und stieg am Ende zum ers­ten Mal seit 1972 wie­der in die ers­te Liga auf — und stürm­te direkt wei­ter nach oben, muss­te sich Im Som­mer 2022 nur knapp dem FC Brüg­ge im Kampf um die bel­gi­sche Meis­ter­schaft geschla­gen geben. Es wäre die zwölf­te für Uni­on gewe­sen, die ers­te seit 1935. Genau­so mär­chen­haft wie der Auf­stieg sei­nes Ver­eins war der Sai­son­ver­lauf für Undav. Er traf unglaub­li­che 25 Mal in 33 Spie­len in der Haupt­run­de und ein wei­te­res Mal in der Final­run­de und wur­de damit bel­gi­scher Tor­schüt­zen­kö­nig — dar­un­ter ein Vie­rer­pack beim 7:1 in Oos­ten­de und ein Drei­er­pack gegen Leu­ven. Ein Erfolg für Spie­ler und Ver­ein, der, wie Sté­pha­ne erklärt, für nie­man­den abseh­bar war.

Kurzer Dienstweg nach Brighton

Als Undav mit Uni­on um den Titel kämpf­te war er aller­dings offi­zi­ell bereits ein Spie­ler des Brigh­ton & Hove Albi­on FC, der ihn im Janu­ar 2022 ver­pflich­tet und direkt an Saint Gil­les ver­lie­hen hat­te. Wer ein biss­chen etwas über die Mehr­heits­ver­hält­nis­se bei bei­den Ver­ein weiß, den konn­te der Wech­sel nicht unbe­dingt über­ra­schen, denn der pro­fes­sio­nel­le Poker­spie­ler Tony Bloom hielt zu die­sem Zeit­punkt bei bei­den Ver­ei­nen die Mehr­heit der Antei­le. Mitt­ler­wei­le ist er in Bel­gi­en nur noch Min­der­heits­eig­ner, um den Regeln der UEFA zu genü­gen, die es ver­bie­tet, dass zwei Ver­ei­ne mit dem glei­chen Mehr­heits­eig­ner an euro­päi­schen Wett­be­wer­ben teil­neh­men oder gar auf­ein­an­der tref­fen — es sei denn, der Her­stel­ler von Deniz Undavs Lieb­lings­ge­tränk hat sei­ne Fin­ger im Spiel, selbst­ver­ständ­lich. Sté­pha­ne zufol­ge betont man auch in Brüs­sel und Brigh­ton immer wie­der, dass die Ver­ei­ne nicht Teil eines Netz­werks sei­en, de fac­to gebe es aber vie­le Ver­bin­dun­gen und auch Leih­ge­schäf­te und der Dienst­weg bei die­sem Trans­fer wird wohl ein eher kur­zer gewe­sen sein. Für Undav war der Auf­stieg aus der drit­ten deut­schen in die stär­ke Liga der Welt natür­lich ein Rie­sen­sprung — und für Uni­on mit 7 Mil­lio­nen Euro Ablö­se ein Rekord­ver­kauf.

Auch Scott und Jim bestä­ti­gen von der ande­ren Sei­te des Ärmel­ka­nals, dass Brigh­ton vie­le Spie­ler nach Saint Gil­les ver­lei­he, um ihnen Spiel­pra­xis zu ver­schaf­fen und nennt als Bei­spie­le Kao­ru Mitoma und Simon Adin­gra. Der Unter­schied bei Undav sei jedoch gewe­sen, dass die­ser qua­si den ande­ren Weg genom­men habe und dass die eben genann­te Ablö­se für Pre­mier League-Ver­hält­nis­se nur ein gerin­ges Risi­ko dar­stell­te — ein deut­li­ches Zei­chen für den gro­ßen Unter­schied der eng­li­schen zu ande­ren euro­päi­schen Ligen. Scott und Ady beto­nen zudem, dass Undav wegen sei­nes Sta­tus als Tor­schüt­zen­kö­nig ohne­hin auf Brigh­tons Radar gewe­sen sei und auch Jesús sieht eher die Mög­lich­keit für Undav, in einer der bes­ten Ligen der Welt zu spie­len, von sei­ner Sei­te als aus­schlag­ge­bend für den Wech­sel. Trotz­dem sei­en die Erwar­tun­gen auch wegen der Unter­schie­de zwi­schen der bel­gi­schen und der eng­li­schen Liga nicht all­zu groß gewe­sen, beto­nen alle drei. Ady zufol­ge rech­ne­te man damit, dass er sich erst im eng­li­schen Fuß­ball ein­fin­den müs­se. Die Tat­sa­che, dass er sich bis dort­hin empor gear­bei­tet habe sei aber etwas gewe­sen, was Brigh­tons Fans beein­druckt habe, so Scott. In der Pre­mier League konn­te Undav sei­nen Tore­schnitt dann nicht mehr hal­ten, ihm gelan­gen ledig­lich fünf Tref­fer, aller gegen Sai­son­ende in den letz­ten acht Spie­len, dazu drei Tore in den Pokal­wett­be­wer­ben.

Ballverteiler mit Zielwasser

Wie Ady und Scott berich­ten, beweg­ten Undav dabei aber vor allem im ver­gan­ge­nen Win­ter auch pri­va­te Ange­le­gen­hei­ten, zum ande­ren litt er wohl auch unter Heim­weh. Scott erzählt, Undav habe noch im April ange­merkt, dass er in Brigh­ton noch kei­ne ver­nünf­ti­gen Döner oder Würst­chen gefun­den habe, was dazu führ­te, dass die Albi­on-Fans ihm Emp­feh­lun­gen gaben. Am Ende war es auch die Ver­let­zung von Evan Fer­gu­son, die im von Trai­ner Rober­to De Zer­bi prä­fe­rier­ten Sys­tem mit nur einem Stür­mer Undav die Mög­lich­keit gab, regel­mä­ßi­ger zu spie­len — und zu tref­fen. Am Ende, so Jim, hät­ten Undavs Tore, unter ande­rem beim 3:0 gegen Arse­nal, auch zu ers­ten Euro­pa­po­kal­teil­nah­me der Ver­eins­ge­schich­te bei­getra­gen. Nicht unwe­sent­lich sei für Undav auch die Unter­stüt­zung sei­ner Team­ka­me­ra­den gewe­sen, die sich mit ihm über sei­nen ers­ten Tref­fer im FA Cup gegen Midd­les­b­rough gefreut hät­ten —  sogar der Tor­wart mach­te sich quer über den Platz auf den Weg um ihn zu beglück­wün­schen, so Scott —  sowie die Tat­sa­che, dass er sich gegen Ende der Sai­son end­lich in Eng­land ange­kom­men fühl­te. Umso über­rasch­ter sei­en vie­le Fans jetzt über die Lei­he nach Deutsch­land, so Scott.

Undavs erster Treffer für Brighton im Pokal gegen Boro. © Stu Forster/Getty Images
Undavs ers­ter Tref­fer für Brigh­ton im Pokal gegen Boro. © Stu Forster/Getty Images

Auch wenn wie gesagt noch nicht fest­steht, in wel­cher per­so­nel­len For­ma­ti­on Undav in den kom­men­den Mona­ten auf­lau­fen wird, lohnt ein Blick auf sei­ne Spiel­wei­se in Bel­gi­en und Eng­land. Bei Uni­on habe er bes­ser in einem Sys­tem mit zwei Stür­mern funk­tio­niert, erklärt Sté­pha­ne, das sieht Jesús auch so. Dabei habe Undav eher tie­fer gestan­den, wäh­rend sein Sturm­part­ner — und guter Freund — Dan­te Van­zeir höher spiel­te und schnel­le Läu­fe in die Spit­ze gemacht habe. Wie bei­de Uni­on-Exper­ten beto­nen, habe Undav den Ball sehr gut mit sei­nem Kör­per behaup­ten kön­nen, was sei­nen Mann­schafts­kol­le­gen Zeit zum Auf­rü­cken in der Offen­si­ve oder zum Ver­schnau­fen in der Defen­si­ve ver­schafft habe. Er habe für Uni­on eini­ge sen­sa­tio­nel­le Tore geschos­sen und es sei ihm häu­fig gelun­gen die Beschimp­fun­gen der geg­ne­ri­schen Fans in Moti­va­ti­on umzu­wan­deln, so Sté­pha­ne. Wich­tig für Undav, erklärt er, sei ein intak­tes Mann­schafts­um­feld, was man auch an sei­nem Zusam­men­spiel mit Van­zeir habe beob­ach­ten kön­nen, der ihm sechs Tore auf­leg­te. Schwä­chen hat­te Undav in Bel­gi­en im Kopf­ball­spiel gehabt, gleich­zei­tig hät­ten ihn inter­es­san­ter­wei­se Abwehr­feh­ler des Geg­ners aus dem Kon­zept gebracht. In Brigh­ton wur­de er wie erwähnt häu­fig als Mit­tel­stür­mer ein­ge­setzt, wobei auch Scott und Jim beto­nen, dass er in der Lage sei, als zwei­te Spit­ze zu agie­ren, wäh­rend er auf der 10 Pro­ble­me gehabt habe. Ady sieht ihn eher als zwei­ten Stür­mer oder in einem 4–3‑3. Sei­ne größ­te Stär­ke sei sein Abschluss, Scott führt an, dass die Fans der Seagulls sol­che “cli­ni­cal strikes” nicht gewohnt sei­ne, weil der Club in der expec­ted goals-Sta­tis­tik jah­re­lang weit hin­ten lan­de­te. Gleich­zei­tig sei er aber auch gut im Spiel­auf­bau und dabei, freie Räu­me zu fin­den. Jim betont, dass er sei­ne Stär­ken vor allem im eins gegen eins im Sta­f­raum habe und über einen sehr guten Abschluss ver­fü­ge. Wich­tig sei, dass er im Straf­raum zu Chan­cen kom­me unter­strei­chen alle drei Exper­ten, sein ers­ter Gedan­ke im Sech­zeh­ner sei immer “Kann ich tref­fen?”, ergänzt Ady, sein ers­ter Kon­takt sei aller­dings noch aus­bau­fä­hig, Jim zufol­ge sei sein Kopf­ball­spiel auch in Brigh­ton nicht unbe­dingt bes­ser gewor­den, er sei zudem auch nicht unbe­dingt der Schnells­te, so Jésus.

Die Stimmung muss passen

Viel, das wird in allen Gesprä­chen deut­lich, hängt bei Undav von sei­nem Selbst­be­wusst­sein und sei­ner Zufrie­den­heit ab. Scott unter­streicht das mit dem eng­li­schen Aus­druck “chalk or cheese”: Ent­we­der er ist rich­tig gut vor dem Tor oder rich­tig schlecht. Alle Exper­ten sind sich jedoch einig, dass er auch bei sei­ner Rück­kehr nach Deutsch­land in der Bun­des­li­ga tref­fen kann — wenn die Rah­men­be­din­gun­gen stim­men. Die­se Abhän­gig­keit von äuße­ren Umstän­den kann eine Schwä­che sein, nach allem was ich in den letz­ten Jah­ren von der Mann­schaft im Brust­ring gese­hen habe, soll­te Zusam­men­halt aller­dings kein Pro­blem sein, egal wer auf dem Platz steht. Es loh­ne sich auf jeden Fall, so Sté­pha­ne, Geduld mit ihm zu haben. Wie Scott unter­streicht, soll­te die Bun­des­li­ga auch Undavs Heim­weh kurie­ren, selbst wenn er in Deutsch­land nie so weit süd­lich gespielt hat. Sei­ne Pro­phe­zei­ung: “If Stutt­gart has some good kebab shops, then expect big things from Undav!” In Brigh­ton, so Ady, möch­te man ihn jeden­falls nicht gehen las­sen.

Undav hat unlängst auch den Wunsch geäu­ßert, sich für die Euro­pa­meis­ter­schaft im kom­men­den Jahr zu emp­feh­len — even­tu­ell spielt das auch eine Rol­le, in eine schwä­che­re Liga und und zu einem schwä­che­ren Team als Brigh­ton in der Pre­mier League zu gehen. Betrach­tet man die bis­he­ri­ge Tran­fer­stra­te­gie des VfB, so wird deut­lich, dass die größ­te Ver­än­de­run­gen nicht per­so­nel­ler Natur sein wird, auch wenn bis­her mit Jeong, Lewe­ling und eben Undav vor allem die Offen­si­ve gestärkt wur­de. Es wird aber viel mehr dar­auf ankom­men, noch häu­fi­ger in noch bes­se­re Schuss­po­si­ti­on zu kom­men. Von den Qua­li­tä­ten her ähneln sich Gui­ras­sy und Undav sehr, auch wenn sie auf unter­schied­li­chen Posi­tio­nen behei­ma­tet sind. Die Her­aus­for­de­rung für Spie­ler wie Füh­rich, Jeong, Lewe­ling oder Mil­lot wird in der kom­men­den Sai­son dar­in bestehen, Wege in den Straf­raum zu fin­den, um zum einen die Abhän­gig­keit von dem Spie­ler auf der Neun zu redu­zie­ren und zum ande­ren mit Undav eben einen ganz neu­en Stür­mer­ty­pen ein­zu­bin­den — oder eben ihn auf der Neun anzu­spie­len.

Sinnvolles Mittel zum Zweck

Natür­lich ist eine Lei­he immer nur eine Lösung auf Zeit — oder eben auch nicht, wie wir bei Tia­go Tomás beob­ach­ten konn­ten, des­sen Ver­pflich­tung für die von Sport­ing auf­ge­ru­fe­ne Sum­me unver­ant­wort­lich gewe­sen wäre. Auch in zwölf Mona­ten wird der VfB, soll­te er nicht über­ra­schend in die Cham­pi­ons League stür­men, nicht in der Lage sein, Undav fest zu ver­pflich­ten. Lei­hen kön­nen immer nur Mit­tel zum Zweck sein. In die­sem Fall geht es dar­um, den Ver­ant­wort­li­chen mehr Pla­nungs­si­cher­heit und damit Mann­schaft und Ver­ein mehr Sta­bi­li­tät zu ver­schaf­fen, wenn viel­leicht der Klas­sen­er­halt nicht erst Ende Mai oder gar im Juni fest­steht. Gleich­zei­tig muss eine Lösung gefun­den wer­den, wie der VfB nach den bei­den in die­ser Hin­sicht ver­hee­ren­den Spiel­zei­ten wie­der als Mann­schaft mehr Tor­ge­fahr aus­strah­len kann. Sei es durch ein star­kes offen­si­ves Mit­tel­feld oder eben über einen Nach­fol­ger für Gui­ras­sy und/oder Undav, der sich zur Abwechs­lung mal län­ger­fris­tig an den VfB bin­det. Den­noch: Selbst als Mit­tel zum Zweck scheint die Lei­he von Deniz Undav kurz­fris­tig eine sinn­vol­le Lösung und im bes­ten Fal­le ein klu­ger Schach­zug zu sein. Den­noch ist nicht nur in der Abwehr­ket­te, son­dern auch im Angriff wei­ter Geduld gefragt — bis zum 20. August, even­tu­ell sogar noch elf Tage län­ger. Viel­leicht hat ja unser Neu­zu­gang bis dahin wie­der sei­nen alten Tore­schnitt in Angriff genom­men.

Titel­bild: © Juli­an Finney/Getty Images

4 Gedanken zu „Neu im Brustring: Deniz Undav“

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