Was soll man dazu noch sagen? Der VfB siegt immer weiter, diesmal auch im kniffligen Auswärtsspiel in Köln.
Aber war es wirklich so knifflig, wie wir alle befürchtet hatten? Oder war der Doppelschlag von Deniz Undav nach seiner Einwechslung einfach nur die logische Konsequenz der Entwicklung der letzten Wochen? War dieser 1. FC Köln so gefährlich, wie wir ihn vorher erwartet hatten, schon allein wegen des tabellarischen Drucks? Ist das jetzt der neue Normalzustand, dass der VfB solche Spiele zieht, in denen der Gegner den besten Stürmer im Brustringtrikot zuparkt und dabei dessen Alternative aus den Augen lässt? Was ist hier eigentlich los?
Joker mit Heißhunger
Solche und ähnliche Gedanken gingen mir am späten Samstagnachmittag im Gästeblock des Müngerdorfer Stadions durch den Kopf. Doch gemach. Der Sieg des VfB in Köln war verdient, weil die Mannschaft immer wach war und die zwar zahlreichen, aber ungenauen Flanken in den eigenen Strafraum samt und sonders klären konnte. Weil wir in dieser Saison einen Rückhalt im Tor haben, der selbst die eigenen Unkonzentriertheiten umgehend ausbügeln kann und damit nicht nur seinen Vorderleuten, sondern auch uns im Stadion, vor den Fernsehgeräten oder am Liveticker ein ungewohntes Gefühl der Sicherheit gibt. Und weil wir mit Deniz Undav einen Stürmer im Kader haben, der weiß wo das Tor steht und vor allem wo er zu stehen hat.
Als Undav nach Führichs feiner Einzelleistung, mit der er gleich drei Kölner in seinen Bann zog, zum 1:0 einschob, war da vor allem Erleichterung. Endlich war der Knoten beim VfB geplatzt, nach dem der FC seinen ehemaligen Stürmer zumindest im eigenen Strafraum ziemlich kalt gestellt hatte und auch alle anderen mehr oder weniger platzierten Schussversuche bis dahin gescheitert waren. Mit dem 1:0 sank auch die Wahrscheinlichkeit, dass “ausgerechnet” Davie Selke — der in Wirklichkeit ziemlich blass blieb — uns in der 91. Minute das Tor zur Auswärtsniederlage reinmurmelte. Ihr wisst schon: Das emotionale Gedächtnis. Und dann noch dieser Konter. Silas, mach ihn doch, Junge! Neeeein, Pfosten! Aber Undav ist da. Nach seiner Verletzung scheint der ehemalige belgische Torschützenkönig Heißhunger zu haben, sprintet übers halbe Feld, nur für den Fall, dass das passiert, was dann auch passiert, damit er da ist für den Abstauber.
Es läuft einfach
Der VfB macht es wieder spannend. Wie auch die Darmstädter kommen die Kölner immer wieder zu Räumen, gerade über unsere rechte Seite hat Linton Maina viel zu viel Platz, fast alles geht bei den Hausherren über die Spielfeldhälfte von Pascal Stenzel und Jamie Leweling, die beide keinen besonders guten Tag haben, was man auch daran sieht, dass beim VfB fast alles über links geht. Dan-Axel Zagadou und Silas scheinen fit genug für den Kader zu sein, Sebastian Hoeneß hat aber so viel Vertrauen in seinen Kader, dass er sie zunächst draußen lässt und sogar Anthony Rouault zu seinem Startelf-Debüt verhilft, damit Ito auf der linken Außenbahn bleiben kann. Was allerdings dazu führt, dass Rechtsfuß Anton auf der linken Innenverteidiger-Position startet. Funktioniert alles irgendwie, zumindest gegen Köln — und um nichts anderes geht es in diesem Spiel.
Undav für den schwachen und angeschlagenen Karazor zu bringen und damit beim Stand von 0:0 die Doppelsechs aufzulösen ist mutig — aber genau den Mut, den wir sehen wollen. Vielleicht hätte ein wenig mehr Mut im Abschluss schon früher Gewissheit über den nächsten Auswärtssieg gebracht, aber die Mannschaft zieht wieder das Spiel auf, was sie beherrscht: Viel Ball, wenig Laufen und dann zuschlagen. Wie beim Pass von Stiller genau auf Führich auch wenn der VfB in diesem Fall von seinem starken Pressing — in diesem Spiel lassen sie nur 8 Pässe pro Defensivaktion zu — profitiert. Dass der Ball vom Pfosten genau vor Undavs Füße springt, passt dazu. Es läuft einfach. Zwar nicht auf den ersten Blick, aber am Ende doch. Mainz niedergekämpft, Darmstadt zurechtgeschossen, Köln abgezockt. Vierter Sieg in Folge. Bäm.
Next level: Wolfsburg, Union, Hoffenheim
Es ist nach wie vor faszinierend, dass wir in sechs Spielen so viele Punkte gesammelt haben wie in den vergangenen Spielzeiten in einer ganzen Halbserie. Mit jedem Sieg verfestigt sich das Gefühl, dass das nicht nur ein absurder Lauf ist oder ein Geschenk des Fußballgotts. Warum sollte nicht auch gegen Wolfsburg was gehen? Oder in Berlin? Gegen Hoffenheim? Denn nachdem die Brustringträger jetzt drei Mal in Folge einem Kellerkind die ersten Punkte in dieser Saison verwehrt haben, geht es gegen die gehobene Mittelklasse, man möchte fast sagen, in der aktuellen Verfassung unserer Mannschaft sind es Gegner auf Augenhöhe. Die nächste Herausforderung, aber wie das so ist, wenn es gut läuft: Eine Herausforderung, auf die man sich freut: Wie agiert die Mannschaft gegen Teams, die willens und in der Lage sind, uns zu schlagen, dafür aber nicht ganz so tief stehen oder unseren besten Stürmer in Manndeckung nehmen? Baut Serhou Guirassy seinen Vorsprung in der Torschützenliste aus, was steckt noch in Deniz Undav?
Ich freu mich auf die nächsten Spiele. Und das fühlt sich verdammt gut an.
Zum Weiterlesen: Dem Vertikalpass wirds langsam unheimlich. Stuttgart.Internaitonal dichtet: “Es mag rationale Argumente geben, die erklären, warum die Weiß-Roten im Moment so unwiderstehlich rollen. Vielleicht haben sie aber auch einfach nur Geschmack gefunden an dieser wunderbaren Süße, nach der nur Siege schmecken.” Und wer noch einmal in Erinnerungen an eine Zeit schwelgen möchte, in der der VfB ähnlich stabil in die Saison startete, dem lege ich diesen Artikel vom Vertikalpass sowie unsere Podcast-Folge mit Imre Szabics zum 2:1 gegen Manchester United vor 20 Jahren ans Herz.
Titelbild: © INA FASSBENDER/AFP via Getty Images