Die Bundesliga macht, wenn auch nur kurz, Pause. Zeit für uns, auf die Hinrunde der verliehenen VfB-Spieler bei ihren Leihvereinen zu schauen.
Auch in dieser Saison hat der VfB wieder eine halbe Mannschaft bei anderen Vereinen zwischengeparkt. Wie immer sind die Gründe dafür unterschiedlich: Manche Spieler sind in ihrer Entwicklung noch nicht weit genug für die Bundesliga, andere hätten trotz ausreichend Erfahrung keine Chance im Kader. Dies war bereits in der vergangenen Saison der Fall, was Sportvorstand Alexander Wehrle zu der Kritik verleitete, die vielen Leihspieler würden finanzielle Kaderressourcen binden. Nun hat der VfB in diesem Sommer mit Ömer Beyaz, Gil Dias, Wahid Faghir, Matej Maglica, Luca Pfeifer, Juan José Perea und Mo Sankoh erneut sieben Spieler an andere Vereine verliehen, hinzu kam Mateo Klimowicz, der im vergangenen Winter für das Kalenderjahr 2023 verliehen wurde. Immerhin hat er, genauso wie Matej Maglica mittlerweile einen neuen Verein gefunden, mit Thomas Kastanaras fand die VfB loan army jedoch direkt einen weiteren Rekruten. Auch in diesem Jahr stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Leihen, denn wie im Folgenden deutlich wird, haben die verliehenen VfB-Spieler in ihrer neuen sportlichen Heimat auf Zeit nicht durchweg Bäume ausgerissen. Je nach Alter des Spielers sind das keine guten Vorzeichen für eine erfolgreiche Karriere im Brustring oder eine Weiterbeschäftigung bei einem anderen Verein und die damit verbundene Ablösesumme. Es muss für den VfB in den kommenden Jahren darum gehen, einen Kader wieder auf ein gesundes Maß zu schrumpfen, der durch die Anforderungen der Pandemie und das Sammeln von Spielern mit vor allem mittelfristiger Perspektive ziemlich aufgebläht war — wobei natürlich eine tragende Rolle jenen Spielern mit Potenzial zukommt, die sich vorzugsweise beim VfB durchsetzen und nicht unter Wert verkauft und woanders durchstarten sollen.
Aber werfen wir erstmal einen Blick auf die erste Halbserie. Denn wie in der Schule sind die Halbjahreszeugnisse ja nur ein Anhaltspunkt für den aktuellen Leistungsstand. Für diesen Blick auf das letzte halbe Jahr haben wir uns mit Journalisten und Experten unterhalten, die unsere Leihspieler und deren Vereine beobachten. Wo es möglich ist, werden wir versuchen, deren persönliche Eindrücke mit Statistiken zu unterfüttern, es ist aber natürlich wichtig, festzuhalten, dass es sich hier um persönliche Eindrücke unserer Gesprächspartner handelt.
Beginnen wir alphabetisch mit
Ömer Beyaz
, der in der laufenden Saison an den türkischen Süperlig-Verein Hatayspor verliehen ist. Hatayspor spielt eigentlich in der Stadt Antakya in der Provinz Hatay im Südzipel der Türkei der zwischen Syrien und dem Mittelmeer liegt. Ich schreibe eigentlich, weil die Region vor etwas weniger als einem Jahr, was fast schon wieder in Vergessenheit geraten ist, von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde. Wir mir Sportjournalist Mustafa Dilek berichtet, ist die Stadt und die Region immer noch stark zerstört, das Stadion, die Funktionsgebäude und die Trainingsanlagen von Hatayspor nicht benutzbar. Aus diesem Grund zog sich der Verein im Februar aus der vergangenen Süperlig-Saison zurück, dies Saison tritt er jedoch wieder an. Nachdem die Spieler nach dem Erdbeben zunächst die Einrichtungen des türkischen Fußballverbands in Istanbul zum Trainieren nutzten, spielen sie mindestens in dieser Saison, voraussichtlich aber auch in der nächsten in Mersin einer Stadt an der Mittelmeerküste etwa 270 Kilometer von Antakya entfernt. Was, wie Hatay-Fan Ali Ateş festhält, dazu führt, dass jedes Spiel für Hatayspor eigentlich ein Auswärtsspiel ist.
In der Süperlig rangiert Hatayspor nach der 1:2‑Niederlage gegen Besiktas kurz vor Jahresende mit 19 Punkten auf Platz 14, nur zwei Punkte vor dem ersten Abstiegsplatz. Zu Saisonbeginn blieben sie mit drei Siegen und fünf Unentschieden acht Spiele lang ungeschlagen, seitdem gelang ihnen nur noch ein Sieg, ausgerechnet gegen Schwergewicht Galatasaray. Ömer Beyaz kehrte mit dieser Leihe im vergangenen Jahr in sein Heimatland zurück, dass er 2021 mit dem ablösefreien Wechsel von Fenerbahçe zum VfB verlassen hatte. In Istanbul sah er damals angesichts prominenter Neuverpflichtungen nicht genügend Perspektive und lehnte einen neuen Vertrag ab. Beim VfB unterschrieb er einen Kontrakt bis 2025, musste aber zunächst bis zu seinem 18. Geburtstag Ende August warten, da er vorher als minderjähriger nicht-EU-Ausländer nicht spielberechtigt war. Leider galt das auch nach seiner Volljährigkeit für die viertklassige Regionalliga. Mangels der Möglichkeit, dort Spielpraxis zu sammeln, pendelte er im Bundesliga-Kader zwischen Tribüne und Bank und kam nur zu vier Kurzeinsätzen in der Liga und einem im Pokal. In der Folgesaison wurde dementsprechend zu Zweitligist Magdeburg ausgeliehen um auf einem etwas niedrigeren, aber dennoch gehobenen Niveau Spielpraxis zu sammeln. Wie in der letzten Halbjahresbilanz vor einem Jahr deutlich wurde, war diese Leihe jedoch ein ziemlicher Reinfall. Beyaz wurde nicht wirklich benötigt, hatte Probleme sich durchzusetzen und kam bis zur Winterpause auf nur 69 Einsatzminuten. Es folgte im vergangenen Sommer also der nächste Anlauf für den mittlerweile — aber auch erst! — 19jährigen, eben bei Hatayspor.
Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft
Dort sei man von der Leihe zunächst etwas überrascht gewesen, berichtet Mustafa. Angesichts der Tatsache, dass Trainer Volkan Demirel einen positiven Einfluss auf junge Spieler habe — als Beispiel führt Ali Emre Mor an, der unter Demirel nach seiner Zeit in Dortmund wieder aufgeblüht sei — , sei ihm allerdings durch aus eine Entwicklung zugetraut worden. Zumal Demirel nicht nur langjähriger türkischer Nationaltorhüter war, sondern auch fast seine gesamte Karriere bei Fenerbahçe verbrachte und dort nach seinem Karriereende 2019 bis 2021 als Co-Trainer fungierte, Beyaz also schon aus Istanbul kannte. Dass Beyaz in den letzten zwei Jahren in Deutschland kaum Spielpraxis sammeln konnte, war hingegen kein Problem, auch wenn er zu Saisonbeginn nur zu Kurzeinsätzen kam und in den ersten neun Saisonspielen — als Hatayspor noch ungeschlagen war, fünf Mal die die komplette Spielzeit auf der Bank verbrachte. Gegen Ende der ersten Saisonhälfte erhielt er jedoch mehr Startelfeinsätze mit jeweils etwa 60 Minuten Spielzeit, besonders beim 2:1‑Sieg gegen Galatasaray. Hinzu kam ein Einsatz über 90 Minuten im Pokal. Für Galatasaray war die Niederlage gegen Hatayspor die bisher einzige der Saison, in diesem Spiel habe Beyaz auch in der türkischen Fußballöffentlichkeit wieder auf sich aufmerksam gemacht, erklärt Ali.
Mustafa zufolge habe sich Beyaz durch gute Trainingsleistungen einen Platz in der Mannschaft und einen Vorsprung vor den Konkurrenten auf seiner Position erarbeitet. Interessanterweise agiert er bei Hatayspor weniger als klassischer Zehner, als den ihn Türkei-Experte Fatih Demireli bei seiner Vorstellung bei uns im Blog 2021 beschrieb, sondern eher als Achter, der zwischen den Strafräumen pendelt, ein box-to-box-Spieler also. Mustafa beschreib ihn als jemanden, der den Ball in die gegnerische Hälfte tragen und das Spiel eröffnen kann, teilweise zeige er auf dem Feld auch Führungsqualitäten. Er habe aber auch auf dem rechten Flügel gute Leistungen gezeigt. Ali unterstreicht, dass Beyaz vor allem physisch stärker geworden sei seit seiner Zeit bei Fenerbahçe, auch wenn Mustafa einschränkt, dass er in diesem Bereich immer noch Luft nach oben habe und deswegen sein Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft sei. Daran, so Ali arbeite er aber hart. Gleichzeitig, so Mustafa “zeigt er, dass er bei ausreichendem Engagement einen Platz im türkischen Fußball haben kann.” Ali beschreibt, dass Beyaz’ Spiel erwachsener und er wesentlich laufstärker geworden sei. Seine Stärken kämen Demirels Umschaltspiel also zugute, während der noch große Schwächen im Abschluss habe. Beyaz gab bei seinen Einsätzen nur insgesamt sechs Abschlüsse ab, von denen nur drei aufs Tor gingen.
Auf einem guten Weg — zum VfB?
Wie also geht es weiter für Hatayspor und Beyaz? Mustafa prophezeit, dass der Verein bis zum Ende um den Klassenerhalt kämpfen werde — nicht unbedingt das beste Umfeld, um junge Spieler zu entwickeln. Andererseits erfährt Beyaz dann die Wettkampfhärte, die ihm in den letzten beiden Jahren fehlte. Volkan Demirel habe gar nach der jüngsten Niederlage gegen Beşiktaş seinen Rücktritt angeboten, dieser sei aber vom Verein abgelehnt worden. Ali verweist darauf, dass die Abstände in der Liga derzeit noch sehr gering sein, so trennen den Tabellen-17. und den Neunten nur sechs Punkte, es könne also schnell in beide Richtungen gehen. Ali ist zuversichtlich, dass der Verein die Klasse hält, Beyaz sieht er dabei auf einem guten Weg, auch in der zweiten Saisonhälfte eine gute Rolle zu spielen. Dass er in der kommenden Saison noch im Verein ist, halten beide für unrealistisch. Während unsere Experten uneinig sind, was seine Perspektiven in der Bundesliga angeht, können sie sich durchaus vorstellen, dass er auch in Zukunft weiter in der Türkei spielt, vielleicht sogar wieder bei Fenerbahçe.
Oder doch beim VfB? Wie oben schon angemerkt wird Beyaz im Spätsommer erst 21 und wenn man sich mal von dem Wahn befreit, dass man sich mit 20 Jahren schon durchgesetzt haben muss, weil man sonst als ewiges Talent gelte, dann hat er selbst dann noch viele Möglichkeiten zur Entwicklung. Offenbar scheint er mit den ersten regelmäßigen Pflichtspieleinsätzen seit über zwei (!) Jahren einen gewissen Rhythmus und seinen Platz auf dem Feld gefunden zu haben. Es bleibt zu hoffen, dass Demirel, der einen positiven Einfluss auf Beyaz zu haben scheint, auch in der Rückrunde bei Hatayspor an der Seitenlinie steht und die Mannschaft unter ihm auch wieder einige Erfolge feiern kann. Sollte sich Beyaz in der Rückrunde dort festspielen, könnte er auch für den VfB wieder zur Option werden — je nachdem wie unsere Saison endet. Sollten wir im kommenden Jahr nach langer Zeit mal wieder auf drei Hochzeiten tanzen, brauchen wir gerade im zentralen Mittelfeld mehr Breite. Gleichzeitig erhöht sich dann die Chance, dass beispielsweise Enzo Millot im Verein bleibt, was natürlich die Perspektive für Beyaz wieder einschränken dürfte. So oder so muss man im Verein im Sommer eine weitreichende Entscheidung treffen. Denn das eingangs erwähnte Vertragsende 2025 bedeutet, dass man diesen vor einer weiteren Leihe verlängern müsste. Sollte er die Verantwortlichen im Sommer erneut nicht überzeugen, wäre es vermutlich das sinnvollste ihn direkt zu verkaufen. Auch wenn Beyaz eigentlich zu jenen Leihspielern zählt, bei denen das Ziel sein sollte, sie irgendwann in den VfB-Kader zu integrieren, anstatt einen Abnehmer für sie zu finden.
Etwas anders dürfte der Fall bei
Gil Dias
liegen, den der VfB im vergangenen Winter verpflichtete und damit dessen Leihodyssee aus Monaco und Lissabon vorerst beendete. Dias spielte seine Ablöse mit einem sehenswerten Treffer im Pokal in Paderborn wieder ein und legte kurz darauf einen Treffer beim einzigen Sieg unter Labbadia gegen Köln nach. Die verheerende Niederlage gegen Wolfsburg, mit der der VfB auf den letzten Tabellenplatz abstürzte, sollte sein letzter Auftritt im Brustring werden, zwei Wochen später wurde Bruno Labbadia entlassen und Sebastian Hoeneß befreite die Mannschaft vom 4–3‑3-System mit falschem Rechtsverteidiger. Damit fiel aber auch Dias’ Paradeposition als rechter Flügelstürmer weg, so dass er für den Rest der Saison zwischen Bank und Tribüne wechselte und gegen Saisonende nicht mal mehr im Kader stand.
So folgte also im Sommer die nächste Leihe von Dias, diesmal von Stuttgart in die polnische Hauptstadt zu Legia Warszawa. Dort konnte er immerhin im Europapokal spielen, denn als er Anfang September wechselte, hatte sich Legia schon durch drei Qualifikationsrunden in die Gruppenphase der Conference League gekämpft und traf im Herbst auf Aston Villa, AZ Alkmaar und Zrinjski Mostar. Insgesamt bestritt der Verein bis zur Winterpause 34 Spiele (19 in der Liga, 12 im Europapokal, ein Supercup-Spiel und zwei Pokalspiele) und damit wesentlich mehr, wie uns Legia-Fan Kuba Żywko erklärt. Dias wurde also auch für die Kaderbreite geholt, um die regulären Außenbahnspieler Patryk Kun und Paweł Wszołek zu entlasten und im Falle des eher defensiv orientierten Kun vielleicht sogar zu ersetzen. Seine Vita habe durchaus Eindruck auf die Legia-Fans gemacht, die Ausstiegsklausel von etwas über einer Million sei als mögliches Schnäppchen angesehen worden, auch wenn der Verein bei Ablösen selten in die Millionen gehe.
Möglichkeiten nicht genutzt, Rolle nicht erfüllt
Diese Diskussion, so Kuba habe sich jedoch schnell erübrigt, weil Dias die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen konnte. Er spielte von 19 Spielen in der Ekstraklasa nur zwei über 90 Minuten, dies waren auch seine beiden einzigen Startelf-Einsätze, ein weiteres Mal wurde er immerhin zur Pause eingewechselt. Im Europapokal dauerte sein längster Einsatz 55 Minuten beim Gastspiel in Birmingham, im Pokal, aus dem Legia im Achtelfinale ausschied, spielte er zwei Mal durch und steuerte immerhin einen Assist bei. Zwei Mal wurde er aber auch für Legias Reserve in der vierten Liga eingesetzt. Dem entsprechend fällt auch Kubas Urteil aus: Dias habe seine Möglichkeiten nicht genutzt und seine Rolle als Alternative zu den regulären Außenbahnspielern nicht erfüllt. Im Dezember habe Trainer Kosta Runjaić (in der Vergangenheit unter anderem in Darmstadt, Kaiserlautern oder bei 1860 an der Seitenlinie) gar einen Verteidiger auf der Außenbahn spielen lassen oder Wszołek trotz Adduktorenproblemen eingesetzt.
Kuba lobt zwar Dias’ Technik, diese habe sich aber zu häufig als brotlose Kunst erwiesen, weil er nach den Dribblings zu häufig den Ball verloren habe. Bei Runjaic sei er als linker oder rechter Wingback vorgesehen gewesen, dazu habe ihm aber die defensive Qualität gefehlt — was niemanden in Stuttgart überraschen dürfte. Aber auch offensiv sei er kein Unterschiedsspieler gewesen, so Kuba, auch seine Vielseitigkeit sei eher eine Schwäche als eine Stärke. Beim Pokalaus gegen Korona Kielce und beim Remis gegen den Tabellenletzten ŁKS Łódź habe er zudem wichtige Chancen liegen gelassen, ihm fehle die Kaltschnäuzigkeit vorm Tor und die Fähigkeit, seine technischen Fertigkeiten gewinnbringend einzusetzen — ein ziemlich vernichtendes, wenn auch nicht überraschendes Urteil. Auch wenn man durchaus die Frage stellen muss, warum Dias als Schienenspieler angedacht war, die beschriebenen Schwächen hätten ihm auch als reiner Rechtsaußen nicht zum Ruhm gereicht.
Perspektive Einwechselspieler
Auch in der Rückrunde sieht Kuba nur wenig Möglichkeiten für Dias, sich zu beweisen. Runjaic sei sehr konservativ, was die Kaderplanung angehe, es sei unwahrscheinlich, dass er mit Wszołek einen Topspieler für Dias auf der Bank lasse. Legia rangiert aktuell auf dem fünften Platz und hat das offizielle Saisonziel, die Meisterschaft, noch nicht korrigiert, müsste dafür aber neun Punkte Rückstand auf Tabellenführer Śląsk Wrocław auf und drei andere Konkurrenten überholen. Kuba sieht die erneute Qualifikation für die Conference League als realistisches Ziel an. In der Zwischenrunde des diesjährigen Wettbewerbs trifft die Mannschaft auf Molde aus Norwegen, sollten sie dort weiterkommen, wären sie in den folgenden Runden klarer Außenseiter, so dass nur noch Liga-Spiele zu bestreiten wären, in denen er Dias höchstens als Einwechselspieler sieht. Sollte sich Dias in der Winterpause nicht komplett verändert haben, sieht er auch keinen Grund, die eingangs erwähnte Kaufoption zu ziehen und auch für eine Bundesliga-Karriere beim VfB sehe es seiner Meinung nach nicht gut aus. Auch das dürfte in der Mercedesstraße niemanden überraschen.
Dort wiederum läuft sein Vertrag erst im Jahr 2025 aus, genauso wie bei Beyaz. Was wiederum heißt, dass man ihn im Sommer möglichst verkaufen sollte, denn eine Vertragsverlängerung und eine erneute Leihe erscheint unrealistisch. Während ich bei Genki Haraguchi noch zugute halten kann, dass dieser mit seiner Bundesliga-Erfahrung eine wichtige Rolle im Teamgefüge spielt, ist der Transfer von Gil Dias leider im Nachhinein betrachtet ein ebenso großer Fehler wie die des Trainers, für dessen Spielsystem er geholt wurde. Auch mir erscheint eine Weiterbeschäftigung in Warschau über den Sommer hinaus unwahrscheinlich, hier kann man nur hoffen, dass der VfB sich im Sommer mit einem etwas weniger ambitionierten Verein auf eine etwas niedrigere Ablösesumme einigt und das Kapitel Gil Dias schnell wieder schließt.
Ein Jahr länger läuft der Vertrag von
Wahid Faghir
beim VfB, nämlich bis 2026. In der vergangenen Saison war er in seine dänische Heimat zurückgekehrt, konnte bei FC Nordsjælland aber nicht wirklich überzeugen, was zum einen mit dem wenig zu ihm passenden Spielsystem zu tun hatte, zum anderen damit, dass ihm zu Saisonbeginn die Spielpraxis fehlte und er sich dann im Herbst eine Verletzung zuzog, die ihn sportlich wieder zurückwarf. Im vergangenen Sommer folgte also der nächste Anlauf, das Potenzial des wie Beyaz im Sommer 2021 verpflichteten Talents richtig auszuschöpfen und zwar beim Zweitliga-Aufsteiger SV Elversberg. Dort legte er einen beeindruckenden Saisonstart hin, traf direkt im ersten Spiel gegen Hannover, steuerte im von Leihspieler-Kollege Perea spät entschiedenen Spiel gegen Hansa Rostock die Vorlage zur Elversberger-Führung bei, erzielte das einzige Tor beim Auswärtssieg in Osnabrück und erneut zwei Wochen später gegen Wehen.
Vielversprechender Start
An dieser Stelle endete die Hinrunde Faghirs im Saarland, denn vor dem Spiel gegen Fürth Ende September zog er sich eine Muskelverletzung im Oberschenkel zu und bestritt seither kein Spiel mehr. Es ist nicht der erste Eintrag in einer für einen 20jährigen bereits ziemlich dicken Krankenakte, denn nicht nur in Dänemark, sondern auch in Stuttgart verpasste er immer wieder Spiele, häufiger war auch der Oberschenkel betroffen — wobei ich zu seiner aktuellen Verletzung keine Informationen gefunden habe, ob diese strukturell bedingt ist oder durch einen Kontakt im Training zustande kam. Für Faghir, der einen vielversprechenden Start in die zweite Liga zeigte, auf jeden Fall bitter. Immerhin stand er beim Trainingsauftakt der SVE am 2. Januar wieder auf dem Platz (im Tweet auch im rechten Bild im Hintergrund zu sehen).
Mit Vollgas in die Vorbereitung! Knapp zweieinhalb Wochen — dann geht’s schon wieder weiter mit der Rückrunde! 🤩🔥#DieElv #UnsereElv pic.twitter.com/lwwrdyeLyJ
— SV 07 ELVERSBERG (@SV07Elversberg) January 3, 2024
Elversberg-Fan @Flimatic1983 beschreibt Faghir als “enorm zweikampf- und laufstark”, er strahle immer Gefahr aus. Im Spiel gegen Osnabrück habe er auch durch sein Kopfballspiel überzeugt. Da sowohl Luca Schnellbacher, den er ergänzen sollte, als auch Ex-VfB-Jugendspieler Dominik Martinovic zu Beginn der Saison mit Verletzungen fehlten, rückten Faghir recht schnell in die Mannschaft, habe aber direkt überzeugt. Teilweise sei Faghir auf dem Platz sehr extrovertiert und treibe Mitspieler und Fans an, mitunter führe sein großer Ehrgeiz in manchen Situationen dazu, den Kopf hängen zu lassen und sich etwas rauszunehmen. Es scheint also weniger, wie in Stuttgart, die körperliche Konstitution zu sein, die ihm zu schaffen macht, sondern ab und zu die mentale, auch wenn das natürlich angesichts der geringen Spielzeit genauso mit Vorsicht zu genießen ist, wie seine Statistiken. Dennoch sind seine drei Saisontore in 371 gespielten Minuten, also 0,73 pro 90 Minuten, relativ gesehen der beste Wert der Elversberger Mannschaft. Er gab immerhin 3,6 Schüsse pro 90 Minuten und schoss ein Tor mehr als statistisch erwartet. Da er in den Spielen, in denen er auf dem Feld stand, als Stürmer agierte, ist es durchaus sinnvoll, sich auf diese Statistiken zu konzentrieren, ob er diese Zahlen über eine ganze Hinrunde aufrecht erhalten hätte, bleibt Spekulation.
Flimatic geht jedenfalls nicht davon aus, dass Fahir auch in der kommenden Saison nach das Trikot der Saarländer trägt. Sollte sein Comeback nach der Winterpause genauso verlaufen wie sein Saisonstart, sei es schwierig, ihn für ein weiteres Jahr auszuleihen. Bei seiner derzeitigen Entwicklung stünden ihm alle Optionen im höherklassigen Fußball offen. Wichtig wird es jetzt vor allem Faghir sein, verletzungsfrei zu bleiben und sich in der zweiten Saisonhälfte über die 2. Bundesliga für die Bundesliga zu empfehlen. Ebenso wie Beyaz schien er vor seiner Verletzung und nach der enttäuschenden Leihe nach Dänemark in die Spur zu kommen. Auch Faghir ist erst 20 Jahre alt und könnte in der nächsten Saison mit dann 21 Jahren ein Herausforderer in einem Sturm sein, dessen Zusammensetzung jetzt noch völlig offen ist — vor allem ist offen, wen her dann herausfordert. Auf jeden Fall scheint ein Zweitliga-Aufsteiger für ihn ein besseres Umfeld zu sein als der Kampf um die dänische Meisterschaft, vielleicht braucht er auch genau dieses Umfeld, in dem er eine aktivere Rolle spielen kann.
Gar keine Rolle mehr beim VfB wird
Mateo Klimowicz
spielen. Der Sohn des langjährigen Bundesligastürmers, nach dem Abstieg 2019 von Instituto AC aus Argentinien nach Bad Cannstatt gekommen, hat nach seiner zwölfmonatigen Leihe zum mexikanischen Club Atlético de San Luis dort einen festen Vertrag bis Mitte 2026 unterschrieben. Während der WM-Pause 2022 brach der VfB die Leihe zur in der zweiten Liga abgestürzten Arminia aus Bielefeld ab, um ihn für das Kalender 2023 nach Mexiko zu verleihen. Das erste Halbjahr, beziehungsweise die zweite Hälfte der Saison in Mexiko verlief für Klimowicz etwas besser, wie mir Mexiko-Experte Osmín damals berichtete. Wie schon in der Clausura 2022/2023 — in Mexiko wird, wie in manch anderen südamerikanischen Ländern, pro Halbjahr eine Meisterschaft mit Playoffs ausgespielt — traf er auch in der Apertura dieser Saison einmal ins Tor und zwar am vierten Spieltag beim Puebla FC zur 1:0‑Führung
Leider kam es nach der Apertura, in der San Luis als Tabellensiebter der Hauptrunde bis ins Halbfinale der Playoffs vorstieß und dabei wie schon im Frühjahr an CF América scheiterte, aus organisatorischen Gründen nicht zu einem erneuten Gespräch mit Osmin. Klimowicz stand bei insgesamt 22 Saisonspielen 21 Mal im Kader und zehn Mal in der Startelf, spielte jedoch nie komplett durch. Er hatte jedoch mehrere Spiele über sechzig Minuten. Genug auf jeden Fall um die Verantwortlichen von San Luis von sich zu überzeugen. Letztendlich vermutlich für alle Seiten das Beste. Wünschen wir ihm, dass er in Mexiko in Zukunft mehr aus seinem Potenzial machen wird.
Auch nicht mehr im Brustringtrikot auflaufen wird
Matej Maglica
denn dessen Leihe wurde im Laufe der Vorrunde in einen im kommenden Sommer beginnenden Anschlussvertrag umgewandelt, so dass er zwar pro forma derzeit noch verliehen ist, die Perspektive aber jetzt schon klar ist, weswegen wir uns auch nur kurz mit ihm befassen wollen. 2020 aus Göppingen zum VfB II gewechselt, verlieh ihn der VfB eineinhalb Jahre später für eine Halbserie an den FC St. Gallen in die Schweiz, verkaufte ihn dann im Sommer an den FCSG nur um ihn im vergangenen Sommer per Rückkaufoption wieder an den Neckar zu holen und direkt an den Bundesliga-Neukonkurrenten aus Darmstadt zu verleihen. Genauso wie Luca Pfeiffer, zu dem wir gleich noch kommen. Über beide sprachen wir mit Lilienfan Matthias, der unter Kickschuh.Blog über die Südhessen berichtet.
Instabile Defensive
Für den SVD stand Maglica in den ersten 16 Bundesligaspielen neun Mal in der Startelf, vier Mal wurde er eingewechselt und drei Spiele verpasste er wegen Sperren. Ihm gelang nämlich, wenn auch teilweise unverdient, das Kunststück, in der Hinrunde bereits zwei rote Karte zu sammeln. Abgesehen davon, sei er ein Startelfspieler gewesen, erklärt Matthias. In den letzten Spielen vor der Winterpause sei er allerdings erst von der Bank gekommen, weil Trainer Torsten Lieberknecht die Aggressivität gefehlt habe. Die Lilien überwintern auf Platz 18, wie bei seinen Mitspielern sei also bei ihm auch noch viel Luft nach oben. Für Matthias sei klar gewesen, dass Maglica Anlaufzeit brauchen würde, um den Sprung von der Superleague in die Bundesliga zu schaffen. Er habe es zwar direkt in die Mannschaft geschafft, jedoch in eine Defensive, die nicht mehr die gleiche Stabilität hatte wie in der zweiten Liga. Sollte der SVD wieder absteigen, könnte Maglica eine noch wichtigere Rolle spielen, aktuell müsse er seine Qualitäten noch stärker aufzeigen, um sich festzuspielen. Matthias wünscht sich von ihm mehr Seitenverlagerungen und mehr Kopfballstärke. Immerhin erzielte er im Spiel gegen Mönchengladbach mit dem Kopf sein erstes Bundesliga-Tor bevor ihm später eine rote Karte wegen Handspiel das Duell mit dem VfB kostete.
Kommen wir zu
Luca Pfeiffer
Der wechselte bekanntlich im Sommer 2020 von den Würzburger Kickers in die dänische Liga zum Überfliegerteam FC Midtjylland, die ihn eine Saison später nach Darmstadt ausliehen, für die er in 32 Zweitligaspielen 17 Mal traf und damit den VfB auf sich aufmerksam machte. Im Sommer 2022 wechselte er also nach Stuttgart. Für den VfB traf er immerhin zwei Mal beim 6:0 im Pokal gegen Bielefeld und bereitete im Achtelfinalspiel in Paderborn den Treffer von Gil Dias vor, ein weiterer Assist gelang ihm im Relegations-Rückspiel, als er Silas das 3:0 auflegte. In der Bundesliga fiel jedoch vor allem durch eine komplett übermotivierte Grätsche im Spiel gegen den 1. FC Köln auf, die ihm eine Sperre über drei Spiele einbrachte. Ansonsten konnte er die in ihn gesetzten Erwartungen, gerade nach der Verletzung von Serhou Guirassy im Winter, nie erfüllen, so dass er im Sommer leihweise nach Südhessen zurückkehrte, wo ihm beim 3:3 in Hoffenheim kurz vor Weihnachten immerhin sein erster Bundesligatreffer gelang, mit zwei weiteren Assists trug er maßgeblich zum Punktgewinn bei.
Matthias schrieb kurz nach der Bekanntgabe der Leihe in seinem Blog: „Ich vermute, Pfeiffer ist nicht die absolute Wunschlösung. Gerade mit der Erfahrung von nur einer (suboptimalen) Bundesligasaison im Gepäck. Letzte Saison hat er gespürt, dass die Decke doch sehr weit oben ist. Wenn er in dieser Spielzeit zeigt, dass er der Decke bedeutend näherkommen kann, dann wird ein Schuh draus.“ Was schon seit seiner ersten Saison in Darmstadt klar war: Luca Pfeiffer ist niemand, der als alleinige Spitze funktionierte, weswegen er auch beim VfB nur wenig Land sah. In Darmstadt sei er die Konstante mit wechselnden Sturmpartnern gewesen, erklärt Matthias. In der Tat stand Pfeiffer in allen 16 Saisonspielen auf dem Platz, 13 Mal in der Startelf, weitere Assists gelangen ihm gegen Union und Bochum, insgesamt zeigten die Darmstädter aber bisher weder offensiv, noch defensiv eine gute Leistung. Matthias hält Pfeiffer zugute, dass er sich stets reingehängt habe. Er sei allerdings häufig als Zielspieler für lange Bälle eingesetzt worden, nicht unbedingt seine Stärke — Pfeiffer hat trotz seiner Körpergröße nur wenige Kopfballtore in seiner Karriere erzielt. Das läge aber eben auch an den wechselnden Sturmpartnern, Fraser Hornby habe sich beispielsweise verletzungsbedingt nie als Zielspieler etablieren können. Als hängende Spitze kämen Pfeiffers Stärken mit dem Ball am Fuß besser zur Geltung, ebenso im Spiel gegen Hoffenheim, in dem er neben Skarke auflief.
Vielseitig, aber eingeschränkt
Leider käme die Winterpause für Pfeiffer zur Unzeit, beklagt Matthias, sonst hätte er vielleicht direkt in eine Lauf kommen können. Durch schlechte Ergebnisse gegen Konkurrenten im Tabellenkeller — zu denen wir gottseidank diese Saison nicht gehören — und erfolglose Heimspiele seien die Lilien schon etwas ins Hintertreffen geraten, nach der Pause warten zudem mit Dortmund und Frankfurt direkt schwere Gegner. Bei Pfeiffer ist er aber etwas zuversichtlicher: Wenn sich vorne mit ihm ein eingespieltes Sturmduo herausbilden kann, werde er seinem ersten Bundesligator noch weitere folgen lassen können. Vor allem die vier genannten Torvorlagen seien ein Beweis von Pfeiffers Vielseitigkeit, der die Tore mal per Kopf, mal per Hacke und mal durch einen öffnenden Pass vorbereitet habe. Wenn sich Pfeiffer fallen lasse, habe er mehr Ballaktionen und gewinne an Sicherheit. Zwar habe er auch teilweise Pech im Abschluss gehabt, er müsse aber vor allem an seinem Kopfballspiel arbeiten. Seine Durchsetzungsfähigkeit auf dem Boden habe sich mit zunehmender Spielzeit jedenfalls verbessert. Immerhin hat Pfeiffer mit fünf die zweitmeisten goal creating actions der Lilien, also Aktionen, die direkt oder indirekt zu einem Tor führen.
Sollte es finanziell möglich sein, würde Matthias ihn auch gerne in der kommenden Saison in Darmstadt sehen. Beim VfB sähe er für ihn in der laufenden Saison nur wenig Chancen, auch in der kommenden Saison und bei möglicherweise internationalen Auftritten der Brustringträger bliebe für Pfeiffer nur die Rolle des Backups in Ligaspielen. Eigentlich war Pfeiffer das für mich schon bei seiner Verpflichtung, denn es war klar, dass er einen möglichen Kalajdzic-Abgang nicht würde auffangen können. In dieser Saison haben wir Deniz Undav als Absicherung gegen einen Ausfall Serhou Guirassys, aber auch Undav hat natürlich mit seinen Erfolgen in Belgien und seinem Schritt nach Brighton ein anderes Niveau als Pfeiffer. Es wird spannend sein zu sehen, ob die Darmstädter die rote Laterne bald wieder abgeben können und welche Rolle Pfeiffer dabei spielt. Klar ist: Es braucht schon genau die richtige Konstellation — eben wie damals in der zweiten Liga — damit er sein Potenzial ausschöpft, wobei er wie Serhou Guirassy in diesem Jahr 28 Jahre alt wird. Sollte er seine Leistungen stabilisieren, könnte ich ihn mir im VfB-Sturm 2024/2025 durchaus als Einwechselspieler vorstellen, der zumindest nochmal den Deckel drauf machen kann oder bei Ausfällen der Stammspieler keinen so großen Qualitätsabfall wie in der vergangenen Saison darstellt. Ein bisschen Sorgen macht mir, dass man ihn auch in Darmstadt bisher nicht optimal einsetzte. So vielseitig er mit dem Fuß am Ball ist, so eingeschränkt ist er auf diese Spielweise. Aber wie gesagt: Die Karten in der VfB-Offensive werden im Sommer neu gemischt, unter anderem auch weil, neben Pfeiffer mit Dias, Faghir, Perea und Sankoh vier weitere Stürmer zunächst zum VfB zurückkehren.
Den beiden letzteren wollen wir uns jetzt widmen, zunächst
Juan José Perea
Der kam im Sommer 2022 zusammen mit Pfeiffer zum VfB und spielte vorher für verschiedene Vereine in Griechenland. Er ist zwar etwas jünger als Pfeiffer, aber auch er hatte es schwer, sich in einer unsicheren VfB-Mannschaft durchzusetzen. Er kam immerhin auf 16 Einsätze und ein Tor gegen den FC Bayern im März 2023, 15 Spiele verbrachte er allerdings auch komplett auf der Bank, drei Mal stand er gar nicht im Kader, seine längsten Einsätze hatte er mit jeweils 45 Minuten unter Bruno Labbadia gegen Leipzig und Bremen. Auch in der laufenden Zweitliga-Saison kam er auf 16 Einsätze — allerdings von 17 möglichen, und das auch nur, weil er erst nach dem ersten Zweitliga-Spieltag verliehen wurde. In seinem ersten Einsatz drehte er direkt mit zwei späten Treffern gegen die SV Elversberg die Partie zugunsten seines Leihvereins Hansa Rostock und ließ einen weiteren Treffer gegen Osnabrück folgen, die damit von beiden VfB-Leihspielern in der Hinrunde einen eingeschenkt bekamen. Hansa-Fan Christian erklärt uns, dass er Perea zuerst für einen klassischen Neuner hielt, weil der damals im Hansa-Kader noch fehlte. Nach seinem guten Einstand wurden seine Einsatzzeiten gegen Ende der Hinrunde kürzer.
Unruheherd und Systemopfer
Christian vermutet, dass er der Umstellung von Dreier- auf Viererkette, die Ex-Trainer Alois Schwartz nach drei Niederlagen in Folge Ende Oktober vornahm, zum Opfer gefallen ist, nachvollziehbar sei das jedoch nicht, schließlich habe er mit seiner Schnelligkeit und Robustheit immer für Unruhe gesorgt, so zum Beispiel auch bei der knappen Niederlage gegen St. Pauli. Schwartz habe aber grundsätzlich auch Probleme gehabt, das Beste aus dem Kader herauszuholen, Christian hofft, dass es unter dessen Nachfolger Mersad Selimbegovic für den Verein und für Perea besser laufe. Er betont Pereas körperliche Stärken, auch die Abschlussschwäche sei nicht so schlimm gewesen wie angenommen. Er hat allerdings 1,2 Tore weniger geschossen als erwartet, was ihn in Hansas schwacher Offensive immer noch zum zweitbesten Stürmer macht — auch in anderen Statistiken. Zunächst sei Perea neben einem weiteren Stürmer — erst Kai Pröger, später Junior Brumado — aufgelaufen, mit dem Systemwechsel musste er auf die offensiven Halbpositionen ausweichen.
Die läuferische und kämpferische Stärke Pereas sei auf jeden Fall wichtig im Abstiegskampf, für den der Kader eigentlich ein bisschen zu gut sei. Christian erwartet, dass Perea die Offensive Hansas in der Rückrunde wieder belebe. Er würde ihn auch gerne im Nordosten behalten, auch weil er für Perea derzeit keine Perspektive in einem Bundesliga-Kader sehe. Auch ich tue mich damit noch schwer, so sehr ich Pereas Engagement gegen den Ball schätze. Ich muss hier nicht wiederholen, dass die Sturmsituation im Sommer noch offen ist. Was der VfB jedoch braucht, ist ein Stürmer, der in der Bundesliga verlässlich für Tore sorgen kann, zumindest in einer Rolle als Einwechselspieler. Wie auch bei Pfeiffer müsste Hansa in der Rückrunde schon einen ziemlichen Turnaround hinlegen, um die Klasse zu halten. Sowohl Pfeiffer als auch Perea können ihren Teil dazu beitragen — nur eben auf unterschiedlichen Ebenen. Perea scheint zumindest etwas vielseitiger zu sein als Pfeiffer und hat ihm ein paar Jahre Potenzial voraus. Dennoch kann es sich der VfB nicht leisten, Spieler auf die Bank zu setzen, die nicht an die Stammelf herankommen. Auch hier werden wir im Sommer hoffentlich etwas schlauer sein und damit schließen wir unser diesjähriges Halbserienzeugnis mit
Mo Sankoh
ab. Dessen (Leidens-)Geschichte ist jedem VfB wohlbekannt: Von Stoke City ins VfB-NLZ gewechselt, zerfledderte er Anfang 2021 eine Halbserie lang die Regionalliga Südwest mit neun Treffern in 15 Spielen, bevor er in den Bundesliga-Kader aufrückte und sich im ersten Spiel der neuen Saison eine Verletzung zuzog, die seine Saison beendete. Die Hoffnung auf ein Comeback im Brustring musste zunächst ein Jahr aufgeschoben werden, denn es ging zurück in seine Heimat zum Erendivisionär Vitesse Arnhem. Vergangenen Sommer erklärte mir Vitesse-Fan Wilko, dass Sankoh vor allem durch seinen Einsatz ein Schlüsselspieler für die Mannschaft gewesen sei. Auch in der laufenden Saison lief Sankoh nicht für den VfB auf, stattdessen verschlug es ihn zu Heracles nach Almelo, einer Stadt in der Nähe von Enschede. Über die Region berichtet auch Journalist Ralph Blijlevens für die Regionalzeitung De Twentsche Courant Tubantia.
Für Almelo bestritt Sankoh, der im Oktober erst zwanzig Jahre alt wurde, 13 von 14 möglichen Spielen, neun Mal davon in der Startelf. Nach einem Tor zum Einstand gegen Excelsior Rotterdam traf im November gleich drei Mal beim Kantersieg gegen Almere City, einer der wenigen Lichtblicke in der Hinrunde von Almelo, die als Tabellen-15. in die Winterpause gingen.
Sankoh sei damals als Last-Minute-Ersatz für Angreifer Jizz Hornkamp ausgeliehen worden, der sich im ersten Saisonspiel gegen Ajax verletzt hatte. Im eben erwähnten ersten Spiel gegen Rotterdam habe er direkt sehr viel Energie und Geschwindigkeit auf den Platz gebracht. Das habe ihm auch im Spiel gegen Almere geholfen, als er viele Pässe hinter die Abwehr bekam und aus vier Chancen drei Tore machte. Er habe allerdings auch Schwächen in der Ballkontrolle gezeigt, hier fehle es ihm noch an der technischen Reife. Sankoh habe sich häufiger fallen lassen, um den Ball aufzunehmen, anstatt sich seine Energie für Ballaktionen im Strafraum aufzuheben. Er müsse aus seinen Fähigkeit mehr machen. Trainer John Lammers, der vor dem letzten Spiel des vergangenen Jahres entlassen wurde, setzte sehr auf Sankoh, da er früher ein Stürmer mit ähnlichen Anlagen gewesen sei.
Starker Körper, starke Persönlichkeit
Ralph prophezeit aber, dass Sankoh mit der Rückkehr von Hornkamp im Januar wieder ins zweite Glied rücken würde. Auch wenn der neue Trainer Erwin van de Looi früher Trainer der niederländischen Nachwuchsteams war und damit auch für Sankoh förderlich sein sollte. Denn gleichzeitig geht es für ihn natürlich darum, mit Almelo die Klasse zu halten. Sollte Sankoh sich unter ihm mit dem Ball nicht wesentlich weiterentwickeln, sieht Ralph ihn im Sommer wieder in Stuttgart, auch wenn er ihm aktuell noch nicht zutraut, eine Rolle in der Bundesliga zu spielen. Er lobt jedoch Sankohs Einsatz und seine Persönlichkeit, für die er ein eindrucksvolles Beispiel hat: Sankoh kündigte nach dem Dreierpack gegen Almere an, den Spielball nach Sierra Leone, das Heimatland seiner Mutter schicken zu wollen. Almelos Fans waren jedoch der Meinung, er solle den Ball behalten und organisierten stattdessen eine Aktion, um Fußbälle nach Sierra Leone zu schicken, aktuell seien etwa 200 Bälle für das von Armut gebeutelte Land und die Kinder dort zusammen gekommen.
Mo Sankoh traue ich weiterhin von allen Leihspielern neben Wahid Faghir und mit Abstrichen Ömer Beyaz noch am Meisten zu. Erneut muss ich darauf verweisen, dass er vor wenigen Monaten erst 20 Jahre alt wurde und die letzten eineinhalb Jahre immerhin Spielpraxis in einer der besseren europäischen Ligen, die nicht zu den Top 5 zählen, sammeln konnte. Leider befindet auch er sich im Abstiegskampf und musste schon einen Trainerwechsel mitmachen, was die Situation für junge Spieler bekanntlich nicht einfacher macht. Andererseits sind es solche Situationen, in denen sich manchmal schon in einem jungen Alter Qualität zeigt, die sich von anderen abhebt. Erneut: Schauen wir mal, wie es im Sommer aussieht, ich würde mich jedenfalls freuen, wenn wir ihn nach drei Jahren endlich wieder im Brustring zu sehen bekommen.
Und damit sind wir am Ende unserer Halbjahres-Bilanz. Es fällt wie gesagt auf, dass der VfB mit Ausnahme von Matej Maglica nur Offensivspieler verliehen hat, die im Sommer nach ihrer Rückkehr unterschiedliche Perspektiven haben, das gilt auch für den aktuell in Ulm weilenden Thomas Kastanaras. Noch befinden wir uns im Winter-Transferfenster und noch wissen wir nicht, welche sportlichen und finanziellen Perspektiven Fabian Wohlgemuth im Sommer zur Verfügung hat. Es wäre wünschenswert, wie schon eingangs gesagt, wenn wir die Zahl der Leihen in Zukunft wieder reduzieren könnten, denn wir wir trotz positiver Ansätze auch in diesem Winter sehen, können Trainerwechsel und sportlicher Misserfolg bei Leihvereinen das Konzept auch ad absurdum führen — die Spieler sitzen dann halt woanders auf der Bank und kriegen keine Chance, weil der jeweilige Trainer lieber auf erfahrene Spieler setzt, die längerfristig an den Verein gebunden sind. Erneut eine gemischte Bilanz der Leihspieler also — immerhin haben sie noch ein halbes Jahr Zeit, um diese aufzubessern. Wir bleiben für Euch dran, die aktuellen Ergebnisse hört ihr jede Woche im Podcast und im Sommer kommt dann natürlich der große Leihspieler-Saisonrückblick.
Titelbild: © siehe Bildunterschriften, Mateo Klimowicz © Hector Vivas/Getty Images