Erneut blicken wir in der Winterpause auf jene Spieler, die den VfB vor der Saison leihweise verlassen haben. In diesem Jahr sind das Antonis Aidonis, Maxime Awoudja, Darko Churlinov, Pablo Maffeo und Leonhard Münst.
Die vergangene Saison war in vielerlei Hinsicht eine besondere. Nicht nur weil sie verspätet startete und nur an Weihnachten pausierte, sondern auch weil der VfB mit Pablo Maffeo und Nikolas Nartey lediglich zwei Spieler zu anderen Vereinen verlieh und sich angesichts der immer drohenden Quarantäne einen relativ großen Kader vorhielt. Im Winter wurde dann noch Maxime Awoudja für ein halbes Jahr verliehen, aber trotzdem waren die Leihgeschäfte des VfB vergangene Spielzeit wesentlich überschaubarer als in den Jahren zuvor. Das ist natürlich nicht nur dem Corona-Kader geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass man nicht wie in manchen Spielzeiten Transferfehler ausbügeln wollte, in dem man Spieler, die man anders nicht loswurde, für ein Jahr von einem anderen Verein bezahlen ließ. Die Ausnahme bleibt da natürlich weiterhin Pablo Maffeo, ansonsten lautete das Motto auch in diesem Transfersommer eher “Erfahrung auf niedrigerem Niveau sammeln”, wenn der VfB-Spieler verlieh.
In zwei Fällen war das die zweite Bundesliga: Antonis Aidonis, der unter Markus Weinzierl im Abstiegsjahr 2019 zu kurzen Bundesliga-Einsätzen kam und danach den Brustring nur in der Ober- und Regionalliga trug, schloss sich Aufsteiger Dynamo Dresden an und Darko Churlinov, mit Nordmazedonien immerhin EM-Teilnehmer aber in der Bundesliga zu wechselhaft, trägt in dieser Spielzeit das königsblaue Trikot des Bundesliga-Absteigers Schalke. Maxime Awoudja spielte wie bereits angesprochen in der ersten Jahreshälfte bei Drittligist Türkgücü München und zog in der Sommerpause weiter zum österreichischen Bundesligisten WSG Tirol. Bleiben noch zwei Spieler mit sehr gegensätzlichen Zukunftsaussichten beim VfB. Während U19-Pokalsieger und ‑Vizemeister Leonhard Münst beim FC St. Gallen in der schweizer Super League den nächsten Schritt nach der Regionalliga Südwest machen möchte, hoffen bei Pablo Maffeo alle Beteiligten, dass mit La Liga-Aufsteiger RCD Mallorca endlich ein Verein willens und in der Lage ist, Michael Reschkes Rekordtransfer dauerhaft zu verpflichten, wenn auch schon lange nicht mehr zu dem Preis, den Wolfgang Dietrich einst vollmundig ankündigte.
Wie immer haben wir uns bei Fans und Experten der jeweiligen Vereine unserer verliehenen Spieler umgehört, um zu erfahren, wie es für sie in der Hinrunde beziehungsweise der ersten Saisonhälfte lief. In der 2. Bundesliga, der österreichischen und der schweizer Eliteklasse ist aktuell Winterpause, nur die erste spanische Liga spielt durch, hier gilt also der Stand nach dem Spiel der Mallorquiner gegen den FC Barcelona am 2. Januar. Wir werden die Spieler in diesem Artikel alphabetisch durchgehen und beginnen mit
Antonis Aidonis
Über ihn haben wir mit Dynamo-Fan Nick gesprochen, der auch über Sportökonomie und Fußballtraining bloggt. Er hat uns zu seinen Ausführungen auch zwei Grafiken zu Aidonis mitgeschickt, die ich hier gerne einbinde. Aidonis gewann, zusammen mit Leonhard Münst übrigens, im Sommer 2019 den DFB-Pokal der Junioren und hätte um ein Haar das Double seiner Altersklasse geholt. Die Leistungen in der A‑Jugend wurden auch durch erste Bundesliga-Einsätze belohnt, in jener fatalen Saison, in der erste und zweite Mannschaft abstiegen, während die älteste Jugendmannschaft das Maß (fast) aller Dinge war. In der Folgesaison stand Aidonis nur vier Mal im Zweitliga-Kader und lief stattdessen 16 Mal in der Oberliga Baden-Württemberg und vergangene Saison 18 Mal in der Regionalliga Südwest auf. Unter Pellegrino Matarazzo reichte es nur für einen Kaderplatz beim 2:0‑Auswärtssieg in Berlin.
Insofern war der Schritt für einen Spieler, der schon höherklassig gespielt hatte und sich über die vierte Liga hinaus beweisen wollte, zum Zweitliga-Aufsteiger aus Dresden durchaus folgerichtig. Selbst vielen VfB-Fans war Aidonis bislang vor allem wegen seiner Namensähnlichkeit zu Ex-Stürmer Anastasios Donis ein Begriff und auch in Dresden hatten die meisten wenig von ihm gehört, erklärt Nick, mit der Einschränkung, dass er als U20-Nationalspieler natürlich bei jenen, die sich im Nachwuchsfußball auskennen, durchaus als spielstarkes und flexibles Talent bekannt sei. Bei der SGD sollte er, so Nick, mit diesem Profil als Backup verschiedene Defensivrollen abdecken. Als Stammspieler sei er jedoch nicht eingeplant gewesen, auch weil die Konkurrenz in der Dresdner Abwehr groß war, die wahlweise als Dreier- oder Viererkette geplant wurde.
Auch bedingt durch Verletzungen setzte Dresdens Trainer Alexander Schmidt vor allem auf die Viererkette, in der Aidonis sich auf der Position des Rechtsverteidigers oder bei Umstellung auf Dreierkette als rechter Innenverteidiger langsam ins Team trainierte. Nick hebt besonders Aidonis starken linken Fuß und dessen Spielfreude hervor, die jedoch nicht immer zum auf Pressing fokussierten Spielstil Schmidts passt. Insgesamt absolvierte Aidonis von den 18 bisherigen Spielen elf, davon vier in der Startelf und sieben von der Bank, zwei Mal spielte er durch. Nicht notwendigerweise das, was man unter Spielpraxis versteht, auch wenn dem VfB und Aidonis klar gewesen sein muss oder von Ex-VfB-Nachwuchsleiter und Dynamo-Sportchef Ralf Becker klargemacht worden sein muss, dass er in Dresden nicht direkt Stammspieler ist.
Die Kadersituation der SGD in dieser Zweitliga-Saison. © Nick N.
Zu spielerisch veranlagt für Dynamo
Es gibt dafür laut Nick aber auch eine schlüssige Begründung: Aidonis passt mit seinem ballbesitzorientierten Spielstil eigentlich nicht zum defensiv und auf Pressing ausgerichteten System des Trainers. Nick: “Er ist ein mutiger und kreativ denkender Verteidiger, der stets die spielerische Lösung sucht. Besonders durch kluges Andribbeln als Halbverteidiger und seinen ordentlich ausgeprägten linken Fuß besticht er so im Spielaufbau.” Nur wird dieser von Dynamo kaum betrieben, weswegen die Mannschaft in der Hinrunde auch häufig Probleme hatte, Rückstände aufzuholen. So stark seine Aktionen mit Ball gewesen seien, die den Dresdnern in manchen Spielen eine zusätzliche spielerische Note im Offensivspiel verliehen hätten, so wechselhaft seien Aidonis Leistungen gegen den Ball gewesen. Nick führt exemplarisch einen von Aidonis verursachten Elfmeter gegen Holstein Kiel und Probleme in der Restverteidigung im direkt vor Weihnachten verlorenen Spiel beim Schlusslicht aus Ingolstadt an. Gerade im eins gegen eins und in der Strafraumverteidigung offenbare Aidonis Schwächen, die angesichts der Spielweise schnell dazu geführt hätten, dass er Spielern mit einem passenderen Profil nach Ende deren Verletzung habe weichen müssen.
Nicks Fazit: “Wenn er in einem ballbesitzorientierten Team spielen würde, beispielsweise als Halbverteidiger einer Dreierkette, könnte er sicher einen größeren und positiveren Impact kreieren.” Nun, ich kenne da eine ballbesitzorientierte Mannschaft mit Dreierkette und Problemen in der Restverteidigung in der Bundesliga. Nick sieht ihn allerdings noch nicht auf Bundesliga-Niveau, hält eine weitere Leihe zu einem ballbesitzorientierten Zweitliga-Team für sinnvoller, bei dem Aidonis besser seine spielerischen Stärken ausleben könnte. Für Dynamo sei er aufgrund seiner Flexibiliät und angesichts der Personalsituation in dieser Saison ein praktischer Backup. Unser Dynamo-Experte kann sich aber nicht vorstellen, dass man sich um eine feste Verpflichtung bemühe, wenn die derzeitige sportliche Ausrichtung beibehalten werden soll. Der traut Nick durchaus, trotz einer zwischenzeitlichen Ergebniskrise, aufgrund der Zweikampf- und Pressingstärke durchaus den Klassenerhalt im soliden unteren Mittelfeld. Es bleibt abzuwarten, ob Aidonis in den restlichen 16 Saisonspielen einen größeren Anteil haben wird.
Grundsätzlich kann man sich durchaus vorstellen, warum der VfB Aidonis nur verliehen und nicht verkauft hat, denn wie eben bereits angeschnitten passt er mit seinem Spielprofil ziemlich gut in die Pläne von Pellegrino Matarazzo, die vorsehen, dass sich auch die Dreierkette immer wieder in den Spielaufbau einbringt, sei es durch Läufe oder kluge Spielverlagerungen über Diagonalbälle. Dass Aidonis, der im Mai 21 wird, trotzdem noch nicht zu mehr Profieinsätzen für den VfB kam, wird an den von Nick angesprochenen Schwächen liegen. Der räumt ein, dass es auch förderlich sein könne, von einem Trainer zu lernen, der die eigenen Schwächen fokussiere und vielleicht war das auch der Gedankengang von Mislintat und Matarazzo. Ob Aidonis aber wirklich im Sommer weit genug ist für den VfB hoffentlich in der Bundesliga aufzulaufen, da bin ich ebenso skeptisch wie unser Experte. Vielseitige Spieler haben ja oft das Problem, dass sie auf mehreren Positionen zweite Wahl sind, statt auf einer Stammspieler. Aidonis wird es als U‑Nationalspieler sicher auch nicht ausreichen, beim VfB nur die Löcher zu flicken, gleichzeitig ist die Restverteidigung auch in dieser Saison eines der großen defensiven Probleme. Wenn Aidonis hier keinen Sprung nach vorne macht, kann ich ihn mir höchstens als internen, sportlich aber noch nicht unbedingt gleichwertigen Ersatz für einen möglicherweise aus finanziellen Gründen abwandernden Mavropanos vorstellen. Sollte der VfB im Sommer die Klasse und die Mannschaft größtenteils beieiander halten, ist eine weitere Leihe vielleicht wirklich keine schlechte Idee. Aber warten wir erstmal ab, was Nick uns im Sommer zu erzählen hat.
Aus Sachsen geht es weiter nach Österreich, wo
Maxime Awoudja
spielt, dessen Start beim VfB mit dem Eigentor und dem Platzverweis beim ersten Zweitliga-Spiel gegen Hannover denkbar schlecht verlief und der danach auch verletzungsbedingt kaum einen Fuß auf Bad Cannstatter Boden bekam: Sein zweiter und bislang letzter Profi-Einsatz im Brustring war das desaströse 2:6 gegen den HSV. Nach einer Leihe zum Münchner Drittligisten Türkgücü, über die wir im Sommer Bilanz gezogen haben nun der nächste Schritt nach Österreich. Die WSG Tirol hat, wie viele östereichische Vereine, viele Namensänderungen hinter sich und spielt nach dem Aufstieg 2019 aktuell wieder im dritten Jahr in Folge in der österreichischen Bundesliga. Awoudja verpasste von den bisherigen 18 Saisonspielen nur fünf verletzungsbedingt, in den restlichen 13 Spielen stand er zwölfmal in der Startelf, meist über 90 Minuten. Im ersten Spiel bei Sasa Kalajdzics altem Verein aus Mödling führte er sich gleich mit dem Treffer zum 1:0 ein, am elften Spieltag war beim 2:2 gegen Hartberg an beiden Tiroler Toren beteiligt. Über ihn habe ich mit Georg Sander (@sander_georg), Chefredakteur des österreichischen Online-Fußballmagazin 90minuten.at gesprochen.
Wie es die Zahlen schon vermuten lassen, ist Awoudja bei der WSG “fixer Bestandteil der Mannschaft”, so Georg. In der vergangenen Saison erreichte man in Wattens die vor wenigen Jahren eingeführt Meistergruppe, in der die ersten sechs Mannschaften der Zwölferliga nach einem Grunddurchgang mit Hin- und Rückspiel untereinander den Meister und die Europapokalplätze ausspielen. Auch wenn die WSG als Letzte der Meisterrunde nicht ins internationale Geschäft kam, machte die Mannschaft dennoch auf sich aufmerksam, so dass es nach mehreren Abgängen vor allem in der Innenverteidigung an Verstärkung bedurfte. Awoudja sei, so Georg, der Wunschspieler von Trainer Thomas Silberberger gewesen. Die Saison verlief allerdings, auch bedingt durch den Erfolg des Vorjahres, nicht so wie erhofft, erst nach neun Spieltagen gelang der erste von bislang vier Siegen in 18 Spielen. Awoudja, der sonst eine solide Saison spiele, habe dadurch natürlich auch schwächere Phasen gehabt. Immerhin: Platzverweise und Eigentore blieben ihm bislang erspart.
Sprung zu groß?
Es bleibt natürlich abzuwarten, wie die Rückrunde für Awoudja verläuft und ob die WSG es schafft, sich in der Qualifikationsgruppe vor dem Abstieg zu retten. Aus Georgs Sicht könnte es für Tirol durchaus sinnvoll sein, Awoudja — dessen Vertrag im Rahmen der Leihe um das notwendige Jahr bis 2023 verlängert wurde — nach dem Ende der Leihe zu verpflichten, um die Kaderfluktuation gering zu halten. Die Bundesliga könnte für ihn ein zu großer Sprung sein, auch wenn die WSG aktuell unter ihrem Leistungsmaximum spiele und die österreichische Bundesliga im Vergleich zur deutschen durchaus aufgeholt habe. Es gebe zwar auch Spieler wie Christian Gebauer, die von kleineren österreichischen Clubs nach Deutschland wechseln, der sei jedoch auch von Bielefeld nach Ingolstadt verliehen worden.
Solange Awoudja keine Bomben-Rückrunde hinlegt, kann ich mir vorstellen, dass man mit ihm für eine kommende Bundesliga-Saison plant. Natürlich können sich Spieler auch mit dann 24 noch entwickeln, ob die chronisch anfällige VfB-Abwehr dafür das richtige Umfeld ist, weiß ich nicht. Die Leihe war ja vor allem dazu angedacht, Awoudja nach seiner langwierigen Verletzung wieder Spielpraxis zu verschaffen — der Plan ist aufgegangen, auch wenn die WSG nicht das gleiche Leistungsumfeld bietet wie in der vergangenen Saison. Ich will auch nicht ausschließen, dass Matarazzo aus ihm noch einen Bundesliga-Verteidiger machen kann. Die Verlängerung des Vertrags um das eine Jahr nach Ende der Leihe deutet aber für mich eher darauf hin, dass man mit ihm nach einer voll durchgespielten Saison noch etwas Ablöse generieren will.
Aus Österreich wieder zurück in die zweite deutsche Bundesliga.
Darko Churlinov
kam nach dem Abstieg 2019 aus Köln zum VfB und lief seither in 20 Liga-Spielen mit dem Brustring auf, in der Bundesliga reichte es für ihn aber erst nach dem Kreuzbandriss von Silas für einige Kurzeinsätze gegen Ende der Saison, wobei ihm beim Sieg gegen Augsburg sogar ein Assist gelang. Nach dem sieglosen EM-Vorrundenaus mit Nordmazedonien schloss er sich zu dieser Saison leihweise Bundesliga-Absteiger Schalke an, die für den Wiederaufstieg auf Bundesliga-erfahrene Spieler setzten. So zog es Marcin Kaminski nach dem Ende seines Vertrags beim VfB ebenso nach Gelsenkirchen wie VfB-Aufstiegsgarant Simon Terodde. Annika Becker (@annika_be) vom S04-Blog Halbfeldflanke, mit der ich über Churlinovs Hinserie gesprochen habe, weiß zu berichten, dass man sich vor allem auf seine Geschwindigkeit und seine technischen Fähigkeiten im Dribbling gefreut habe. Der Verein habe ihn durchaus zutreffend als Offensivalrounder vorgestellt — wie schon bei Aidonis eine Eigenschaft, die Fluch und Segen zugleich sein kann.
Zu Beginn der Saison kam Churlinov auch regelmäßig auf der rechten Außenbahn in Dimitrios Grammozis’ 3–1‑4–2 zum Einsatz. Die Zahlenkette offenbart schon, dass beide Wingbacks sehr offensiv spielen, aber trotzdem “Veranwortung für die Defensive” haben, wie Annika es beschreibt. Da Schalke mit Ouwejan ähnlich wie der VfB mit Sosa auf links einen “sehr konstanten, gefährlich flankenden Spieler, der (…) auch verteidigen kann” hat, sei das Spiel vor der Verletzung von Simon Terodde Mitte November sehr linkslastig gewesen, auch um Ouwejan nach hinten abzusichern.
Auf rechts habe Churlinov wegen fehlender Fitness, Trainingsform oder kleineren Verletzungen nicht immer die Nase vor seinen Konkurrenten Mehmet Aydin und Reinhold Ranftl gehabt. Churlinov habe sich reingehängt und sei stark im eins gegen eins gewesen, gleichzeitig aber bisweilen zu eigensinnig gespielt. Dass er von Mitte September bis Mitte November nur auf 33 Spielminuten kam, lag aber nicht nur an zwei Länderspieleinsätzen über 90 Minuten sondern auch am verlorenen Pokalspiel gegen 1860, in dem Grammozis Churlinov aus Personalgründen auf der ungewohnten linken Außenbahn einsetzte, aber nach 22 Minuten wieder vom Feld nahm und in den folgenden Spielen nicht mehr einsetzte. Gegen Darmstadt kehrte Churlinov noch einmal auf den Platz zurück und fiel dann drei Spiele mit einer Schulterverletzung aus. Einen bestimmten Grund für die wenige Spielzeit Mitte der Hinrunde kann Annika nicht nennen, es wurde immer mal wieder gemunkelt, dass dies auch auf persönliche Probleme zwischen Churlinov und Grammozis zurückzuführen sei. Wieviel da dran ist? Keine Ahnung.
Balance zwischen Frechheit und Überlegtheit
Zum Hinrundenabschluss gegen Nürnberg kehrte Churlinov dann wieder auf den Platz zurück, was auch darauf zurück zu führen ist, dass sowohl Bülter, als auch Terodde in diesem Spiel fehlten. Churlinov bereitete beim 4:1‑Sieg als einer von zwei Mittelstürmern das erste Tor vor und schoss das dritte Tor selber. Annika zufolge kamen ihm dabei sein Nebenmann Marvin Pieringer und der hinter den Spitzen agierende Rodrigo Zalazar zugute: “Churlinov (…) neigt (dazu), die falsche Entscheidung zu treffen, wenn es ums Abspielen geht, das trifft auf Zalazar vielleicht sogar noch mehr zu und das führt dann dazu, dass die beiden sich mit einer Mischung aus Fummelbuchsenkönnen und Glück nach vorne spielen”. In diesem Spiel und dem nachfolgenden 1:1 gegen den HSV gab Schalke 25 Schüsse ab, aber nur wenige aufs Tor und viele von außerhalb des Strafraums. Annika sieht ihn in der Mitte, entbunden von Defensivaufgaben auch besser aufgehoben als auf dem Flügel, wo er ihrer Meinung nach einen Rechtsverteidiger zur Absicherung bräuchte. “Für Darkos Zukunft wünsche ich ihn, dass er es mit der Zeit schafft, die schwierige Balance zwischen Frechheit und Überlegtheit zu finden”, so Annika.
Sie könnte sich auch gut vorstellen, den aktuell 21jährigen noch eine Saison bei Schalke zu behalten. Der Verein hatte nach dem Abstieg seine Mannschaft komplett neu zusammengestellt. Churlinov habe sich gut eingefügt und auch menschlich scheint es in der Mannschaft zu passen. Für den direkten Wiederaufstieg sei es ihrer Meinung aber zu früh, und auch Churlinov sieht sie noch nicht als Stammspieler in der Bundesliga, außer in einer reinen Kontermannschaft. Das würde jedoch seinen Stärken im Dribbling nicht gerecht, stattdessen sollte er lieber weiter an seinen Schwächen in der Entscheidungsfindung arbeiten, so unsere Schalke-Expertin. Eine Kaufoption hat der Verein jedoch nicht und auch ich gehe davon aus, dass man in der kommenden Saison beim VfB wieder mit Churlinov plant. Ich gehe davon aus, dass er auch deshalb ausgeliehen wurde, weil in Stuttgart mit Roberto Massimo und Chris Führich sowie dem im Laufe der Hinrunde zurückgekehrten Silas ein Überangebot auf dem rechten Flügel bestand und Massimo sich in der Vorbereitung gegen Churlinov durchsetzte. Je nachdem, zu welchen Verkäufen Sven Mislintat im Sommer gezwungen ist, könnte er gewisse Lücken mit einem gereiften Darko Churlinov wieder schließen. Einen Wingback, der offensiv gefährlich und defensiv unbezwingbar ist, findet man kaum. Auch Silas steigerte sich im Laufe der Zweitliga-Saison im Defensivspiel. Ob Churlinov für die kommende Saison eine Verstärkung sein kann, hängt auch davon ab, was er aus der Rückrunde macht. Wie bei anderen nach dem Abstieg 2019 verpflichteten jungen Spielern kommt er, dessen Vertrag bis 2024 läuft, in diesem, spätestens aber im Sommer 2023 an den Punkt, an dem man überlegen muss, ob man ihm beim VfB noch mehr Entwicklungszeit zugestehen will oder nicht.
Nächster Halt auf unserer Leihspieler-Tour ist die spanische Insel Mallorca und
Pablo Maffeo
Der ansässige Real Club Deportivo Mallorca stieg im vergangenen Sommer auf und tauschte damit die Liga mit Pablo Maffeos letztem Verein, SD Huesca. Die konnten sich eine Weiterbeschäftigung der Reschke-Verpflichtung wegen des Abstiegs nicht leisten, gleiches galt für den FC Girona, der im Jahr zu vor mit Maffeo in den Aufstiegs-Playoffs scheiterte. Alex Fitzpatrick (@Mallorcaalex100), der den englischsprachigen Podcast Tornarem zu Real Mallorca betreibt und sonst für La Liga TV arbeitet, war Maffeo natürlich durch die vorherigen Leihen bereits bekannt. Die Rechtsverteidigerposition sei Mallorcas schwächste Position gewesen und Maffeo dafür eine gute Lösung, habe er doch mit 24 schon recht viel Erfahrung. Dementsprechend sei er auch direkt für die Startelf eingeplant gewesen. Dass er im dritten Jahr in Folge erneut den Weg nach Spanien fand, nachdem ja im Sommer kurz im Raum stand, dass er in Stuttgart bleibt, sei übrigens kein Wunder, so Alex. Viele spanische Spieler würden, wenn sie nicht in die lukrative Premiere League wechseln irgendwann in die spanischen Ligen zurückkehren. Maffeo habe trotz der verpassten Saisonziele mit Huesca und Girona individuell gute Leistungen gezeigt.
Auf Nimmerwiedersehen?
Dementsprechend war er auch in einem mallorquinischen Team erste Wahl, dass nach der 0:1‑Niederlage gegen Barcelona am Samstag auf Platz 15 von 20 Mannschaften steht. Laut Alex hängt vieles davon ab, ob die Mannschaft im Januar verstärkt wird und wie sich Corona auf den Kader auswirkt. Der Mannschaft fehle vor allem ein Mittelstürmer. Auf der rechten Abwehrseite sei Maffeo jedoch eine Bank und habe sogar an seinem Positionsspiel gearbeitet, welches aufgrund seiner offensiven Spielweise schon in Huesca dafür gesorgt hatte, dass einige Bälle in seinen Rücken kamen. Und Alex zufolge kann er diese Rolle auch in der nächsten Saison spielen, denn Mallorca wäre auch im Falle eines Abstiegs finanziell in der Lage, ihn fest zu verpflichten.
Ich glaube das Fazit zu Maffeos Leihe kann man schnell ziehen: Er sucht einen neuen Verein, der VfB sucht einen Abnehmer und Mallorca sucht einen Rechtsverteidiger und kann ihn auch bezahlen. Dass der VfB die im Sommer 2019 gezahlte Ablöse nicht wieder reinholt: geschenkt. Dieser Sommer ist aber die letzte Gelegenheit, überhaupt eine Ablöse zu generieren, bei einer weiteren Leihe in der kommenden Saison müsste man Maffeos 2023 auslaufenden Vertrag verlängern. Sollte nichts Unvorhergesehenes passieren, sollte Maffeo in Mallorca heimisch werden.
Zuletzt widmen wir uns
Leonhard Münst
…, der in zweieinhalb Wochen seinen 20. Geburtstag feiert und in dieser Saison an den schweizer Erstligisten und früheren VfB-Kooperationspartner St. Gallen ausgeliehen ist. Münst gewann gemeinsam mit Aidonis 2019 den Junioren-Pokal und die Vizemeisterschaft und ist neben Li Egloff, Alex Kopf und Sebastian Hornung aus der zweiten Mannschaft und eben Aidonis einer der wenigen aus der damaligen Mannschaft, der noch beim VfB unter Vertrag steht. Bemerkenswert dabei ist, dass er 2018/2019 eigentlich den Großteil der Saison noch für die B‑Jugend spielte und dementsprechend in der Folgesaison immer noch für die U19 spielberechtigt war. Jedoch setzte ihn im Oktober 2019 ein Meniskusriss für ein ganzes Jahr außer Gefecht. Nach der Reha feierte er erst im April letzten Jahres sein Debüt in der Regionalliga Südwest und lieferte im Saisonendspurt immerhin in zehn Spielen noch ein Tor beim 3:1 in Balingen und sechs Assists, vier davon beim 7:1‑Saisonabschluss gegen Stadtallendorf. als er Marcel Sökler seine Saisontore 18 bis 20 auflegte. Wer mit 17 schon bei der A‑Jugend mitspielen darf und nach langer Verletzung auch in der zweiten Mannschaft direkt seine Einsätze bekommt, muss den nächsten Schritt irgendwo zwischen der ersten und der vierten deutschen Liga machen, die Leihe zum FCSG war also nur folgerichtig. Über Münst habe ich mit Marco Malgaroli vom St. Galler Fußballmagazin SENF gesprochen.
Wer seit Herbst 2019 nur etwa zehn Pflichtspiele im Herrenbereich bestritten hat, fliegt naturgemäß unterm Radar. Auch in St. Gallen habe Münst niemand gekannt, Münst sei einer von vielen jungen Spielern mit Potenzial in der Mannschaft, so Marco. Seine Einsätze im grünweißen Dress sind jedoch bisher überschaubar: Erst am sechsten Spieltag Mitte September stand er beim 1:5 gegen Servette Genf das erste Mal auf dem Platz, zwischenzeitlich spielte er für die viertklassige zweite Mannschaft. Es folgte ein weiterer Superleague-Einsatz und sogar zwei Spiele in der Startelf, bevor er für fünf Spiele wieder auf die Bank verschwand. In den letzten vier Spielen vor der Winterpause kam er dann wieder zum Einsatz. Erklären kann sich Marco diese Rotation des Trainers, dem ehemaligen VfB-Nachwuchscoach Peter Zeidler nicht. An Münst läge es nicht, den Marco als feinen Techniker mit Übersicht und gutem Fuß, also ein Ballverteiler im Mittelfeld beschreibt. Was ihm noch fehle, seien die wirklich tödlichen Pässe und die Torgefahr. Marco sieht Münst auf der Zehnerposition am Besten aufgehoben, der Spielstil erinnere ihn an Toni Kroos.
Perspektive hinter den Spitzen
Zu dem fehlt ihm dann aber doch noch ein gutes Stück. Bevor er sich in der Bundesliga etablieren kann, müsste sich Münst erstmal in St. Gallen einen Stammplatz erarbeiten, die aktuell auf Platz 8 der Zehnerliga stehen. Gerade gegen direkte Konkurrenten lieferte die Mannschaft “Katastrophenauftritte” ab, so Marco, die dann Überraschungssiege gegen Basel oder Bern relativierten. Eine weitere Saison in St. Gallen, die Erstklassigkeit vorausgesetzt, würde Münst vielleicht ganz gut tun, oder aber der Versuch, bei einem ähnlich starken anderen Team Fuß zu fassen.
Update: Münst hat sich am Dienstag im Training das Sprunggelenk gebrochen und fällt wohl für den Rest der Saison aus.
Auf jeden Fall wird er in der Rückrunde von Matej Maglica unterstützt, der Innenverteidiger des VfB II und Kurzzeit-Mittelstürmer der ersten Mannschaft wird bis Ende der Saison mit Kaufoption an den FCSG verliehen. Auch wenn es nicht so wirkt: Die früher bestehende Kooperation mit St. Gallen gibt es nicht mehr, so Marco, Beziehungen gebe es aber weiterhin über Freundschaftsspiele und einzelne Freundschaften in der Fanszene.
Wo Münst seine nächsten Schritte machen wird, muss man sehen. Offensichtlich hatte er schon im Jugendbereich großes Potenzial, welches nun im Herrenbereich vernünftig gefördert werden muss. Auch wenn der VfB selten mit klassischem Zehner spielt, könnte ich mir Münst perspektivisch gut hinter der Spitze oder den Spitzen vorstellen, denn gerade präzise Pässe, die auch eine eng gestaffelte Verteidigung aushebeln können, fehlen dem VfB seit jeher. Daniel Didavi ist bereits weit über seinen Zenit hinaus, wann auch immer der gewesen sein mag und Förster ist eher fürs Pressing und den Aufbau zuständig als für den letzten Pass. Viel wird auch davon abhängen, wie sich die Karriere von Li Egloff weiterentwickelt, der auf einer ähnlichen Position spielt und ein halbes Jahr jünger ist als Münst. Grundsätzlich beides spannende Spieler, die wie so viele, die beim VfB einen Vertrag haben, bald vor dem nächsten Karriereschritt stehen. Sollte Egloff in der Rückrunde in der Bundesliga zum Einsatz kommen, hat er wahrscheinlich die Nase vorn, aber warten wir mal ab, was im Sommer passiert. Eventuell hat er das sowieso, denn Leonhard Münst ist kurz vor Veröffentlichung dieses Artikels im Training umgeknickt und könnte monatelang ausfallen. Wir werden den Artikel gegebenenfalls aktualisieren.
Fazit
Wie geht es also weiter mit unseren fünf Leihspielern? Bei den drei jüngeren — Aidonis, Churlinov und Münst — wird es darum gehen, sich für die nächste Saison beim VfB zu empfehlen, die dieser hoffentlich in der Bundesliga spielt. Dabei darf man die finanzielle Situation nicht außer acht lassen: Alle drei könnten potenziell als interne Neuzugänge teilweise lukrative Abgänge ersetzen — zumindest personell, qualitativ wären sie nach dieser Saison wohl alle noch kein Ersatz für die Bundesliga-Mannschaft. Vor allem im Falle des gebürtigen Stuttgarters und mit elf aus Degerloch nach Bad Cannstatt gewechselten Münst wäre es ein wichtiges Signal ans eigene NLZ, wenn er den Sprung ins Neckarstadion schaffen würde. Am Ende muss aber die Leistung stimmen, egal woher sie kommen. Über Pablo Maffeo müssen wir nicht viele Worte verlieren, er wird im Sommer wohl das letzte Mal in einem dieser Artikel Erwähnung finden. Interessant wird es bei Maxime Awoudja, der Anfang Februar “schon” 24 wird und wohl vor allem auf Empfehlung von Tim Walter von der zweiten Mannschaft der Bayern geholt wurde. Er müsste sich schon sehr steigern, um in den Bundesliga-Kader zu rutschen — oder der VfB sehr knapp bei Kasse sein. Er fällt für mich noch am ehesten in die Kategorie, for lack of better words, Fehler in der Kaderplanung beheben, auch wenn da natürlich mehr dahinter steckt. Die Leihen von Nikolas Nartey nach Rostock und Sandhausen zeigen, dass das Verleihen von jungen Spielern auf sich steigernde Niveaus durchaus sinnvoll sein kann. Auch in der Riege der diesjährigen Leihspieler sehe ich da durchaus Potenzial, wobei ich am ehesten Leonhard Münst mit auf eine einsame Insel mitnehmen würde, müsste ich mich entscheiden. Schauen wir mal, was unsere Experten im Sommer berichten.
Übrigens: In unserem wöchentlichen Podcast Rund um den Brustring halten wir Euch auch in der Rückrunde über die sportlichen Geschicke unserer Stand jetzt sechs Leihspieler auf dem Laufenden. Einfach überall da abonnieren, wo es Podcasts gibt!