Mit 3:1 siegte der VfB schließlich am Mittwochabend in Kaiserslautern. Das Spiel war für viele Gästefans wie eine Reise in vergangene Zweitliga-Zeiten. Für die Mannschaft wohl auch.
Eins vorweg: So eine englische Woche fordert mit Vor- und Nachberichten auch von Bloggern ihren Tribut, vor allem wenn man daneben noch ein Leben hat. Deswegen fällt der Rückblick auf dieses Spiel auch etwas kürzer aus als gewohnt. Es mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass ich dank der fanunfreundlichen Anstoßzeit erst fünf Minuten nach Anpfiff im Block war und damit den Auslöser für dafür verpasste:
Sorry for my first assist of the season ?? glad we won ! #VfB ⚪️? #BP21 ??
— Benjamin Pavard 21 (@BenPavard28) October 25, 2017
Den Rest bekam ich dann aber mit: Der VfB mühte sich in der ersten Halbzeit ordentlich ab gegen eine Lauterer Mannschaft, in der ich, auch bedingt dadurch dass die zweite Liga durch den Aufstieg wieder aus meinem Fokus gerückt ist und so fern scheint wie früher, fast keinen Spieler kannte. Das hielt ebenjene Heimmannschaft aber nicht davon ab, zu vergessen, dass sie in Liga 2 auf Platz 18 steht und eigentlich andere Sorgen hat, als eine zweite Pokalrunde. Man braucht hier nicht das Klischee von den Pokalregeln zu bemühen, aber die Pfälzer sahen die Chance, den VfB früh unter Druck zu setzen und nutzten sie.
In der zweiten Halbzeit war es dann vor allem die individuelle Klasse von Simon Terodde und Chadrac Akolo, die dem VfB dazu verhalf, sich durchzusetzen. Akolo krönte nach Wiederanpfiff seinen guten Auftritt mit einem eigenen Tor und einer Vorlage für Simon Terodde. Der neue, sehr empfehlenswerte Twitteraccount @VfBFilmRoom hat das schön zusammengefasst:
#VfBFilmRoom — Chadrac Akolo (FCK-#VfB)
Liga? Pokal!
Hätte dieses Spiel vor sechs Monaten stattgefunden, wären wahrscheinlich nochmal ein paar tausend Stuttgarter mehr da gewesen und wir würden jetzt darüber reden, dass der VfB sich in einer schweren zweiten Liga erneut gegen einen Konkurrenten durchgesetzt hätte und auf dem besten Weg zurück ins Oberhaus sei.
Es war aber leider — oder zum Glück? — kein Ligaspiel, sondern ein Pokalspiel beim Tabellenletzten der zweiten Bundesliga. Und anders als Köln ist Kaiserslautern kein Tabellenletzter, der besonders tief gefallen ist. Bereits die letzte Saison endete mittelmäßig. Warum der FCK so abgerutscht ist, darüber habe ich vor dem Spiel mit Florian von Betzegebabbel gesprochen. Also eigentlich der perfekte Gegner, um sich seiner eigenen Stärken zu erinnern und mit Schwung in die zweite Hälfte der Hinrunde zu starten.
Mehr Qual als Lust
Stattdessen hatte man im Block streckenweise das Gefühl, das Spiel auf dem Betzenberg sei für die die Mannschaft mehr Qual als Lust. Sicherlich, die Tore waren schön herausgespielt und es war sicherlich gut für Akolo und Terodde, wieder zu treffen. Auch der Rest der Mannschaft wird sich über das ungewohnte Gefühl, auswärts gewonnen und Tore geschossen zu haben, gefreut haben. Aber Warmlaufen für wichtige Spiele gegen direkte Abstiegskonkurrenten sieht irgendwie anders aus. Die erste Halbzeit war nicht nur jenseits des Zauns eine Qual, auch diesseits waren die zahlreichen Sicherheits- und Rückpässe nur schwer zu ertragen.
Das lag auch daran, dass sich Kaiserslautern nach der frühen Führung erwartungsgemäß zurückzog und der VfB sein übliches mediokres Offensivspiel aufzog. 68 Prozent Ballbesitz und über 80 Prozent angekommene Pässe sprechen wieder eine deutliche Sprache: der VfB hat den Ball, weiß aber nichts damit anzufangen. Emiliano Insua spielte erneut von Beginn an, diesmal jedoch auf dem linken Flügel. Er blieb aber offensiv ebenso glücklos, wie Andreas Beck auf der anderen Seite, wobei der immerhin Akolo den Ball auflegte, den der mit viel Zeit und Präzision im Tor versenkte. Zentral spielten Burnic und Ascacíbar auf einer Doppelsechs mit einem Durchschnittsalter von 19,5 Jahren, konnten sich aber auch nicht wirklich effektiv nach vorne einbringen. Sie werden wohl auch so schnell nicht wieder in dieser Konstellation zusammen spielen. Während Ascacíbar ja quasi seit Saisonbeginn und erst recht nach Gentners Verletzung fester Bestandteil des Teams ist, sollten wir aufpassen, dass wir Dzenis Burnic nicht mit Erwartungen überladen. Ja, er ist mehrfacher Nachwuchsmeister. Aber er ist eben auch ein 19jähriger in seinem ersten Bundesliga-Jahr. Wenn er sich in der Rückrunde besser an das Niveau gewohnt hat: Super. Wenn nicht, hat sich die Leihe halt nicht gelohnt. Gibt schlimmeres.
Mit angezogener Bremse
Etwas schlimmer ist hingegen die Erkenntnis, die diese Woche scheinbar nicht nur in mir reifte:
Beschwert euch nicht über die Fünferkette. Mit richtigen Außen ist das eine Dreierkette. #VfB
— Seriouz (@SeriouzRH) October 25, 2017
In der Tat: Im Moment spielen wir nur deshalb mit Fünferkette, weil unsere Außenverteidiger hinten hilfreicher sind als vorne. Hannes Wolf hatte recht, als er anmerkte, man könne dieses System sowohl defensiv als auch offensiv interpretieren. Der VfB versucht durchaus, vom Spiel in Leipzig mal abgesehen, dass ganze offensiv zu gestalten, es scheitert nur bisher an den Offensivqualitäten der Außenbahnspieler. Ich hatte ja schon nach dem letzten Spiel geschrieben, dass wir dafür eine Lösung brauchen. Gesehen habe ich sie am Mittwochabend nicht.
Auch in Kaiserslautern wurde man den Eindruck nicht los, die Mannschaft spielt, als würde sie mit dem Fahrrad eine steile Straße hinunterfahren und hätte Angst, sich auf die Fresse zu legen: Immer mit angezogener Bremse, zur Not absteigen und schieben. Klar, der teilweise sinnlose Hurra-Fußball von Zorniger hat uns noch viel mehr Punkte gekostet. Aber es ist schon arg zäh momentan und das wird es wohl auch bleiben. Solange in den kommenden Spielen gegen die Verfolger Freiburg, Hamburg und Bremen die nötigen Punkte runterfallen: Meinetwegen.
Sehnsuchtsort Betzenberg
Beenden wir diesen Rückblick mit einer positiven Note und kommen wir damit zum Motiv der Überschrift zurück. Die letzte Saison war ja für uns die reinste Nostalgietour durch die zweite Liga und so war auch die Freude über das Zweitrunden-Los so groß, dass sie durch die Anstoßzeit nur minimal gedämpft werden konnte. Ich kann dem Verein FCK mit seiner Fixierung auf Fritz Walter und die Goldenen 50er und der melodramatischen Fixierung der gesamten Region auf ihn eigentlich nicht so wahnsinnig viel abgewinnen. Aber wenn man dann den Betzenberg hochläuft und vom Gästeblock auf die Westkurve blickt, dann wünscht man sich doch, man könnte das einmal pro Saison tun. Man sollte allerdings seinen Blick auch nicht von besagter Kurve abwenden. Wie der Verein sein Stadien in den letzten Jahren leergespielt hat, ist erschreckend. Ganze 28.000 Zuschauer verirrten sich im ehemaligen WM-Stadion, das eigentlich knapp 50.000 fasst. Ein Mahnmal, was passieren kann, wenn man aus der zweiten Liga nicht mehr rauskommt.