Am Sonntag ist der SC Freiburg zu Gast im Neckarstadion. Vor dem Spiel haben wir uns mit SCF-Fan Michael (@fuszball) vom Podcast Füchsletalk über die Partie und seinen Verein unterhalten.
Rund um den Brustring: Hallo Michael, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen genommen bist. Erzähl Doch mal, wie bist Du zum SC Freiburg gekommen? Und was hat es mit dem “Füchsletalk” auf sich?
Michael: Hallo Lennart! Wie kommt man zum SC? Eine sehr gute Einstiegsfrage, da könnte man stundenlang drüber reden! Bei mir ist es eine Mischung aus mehreren Komponenten: regelmäßige Urlaube mit der Familie im Schwarzwald in den frühen 90ern, das hat früh geprägt. Mit zunehmendem Alter habe ich dann gemerkt dass der SC die perfekte Wahl ist, wenn man gerne zuschaut, wie eine Mannschaft guten Fußball spielt während im Umfeld ruhig und unaufgeregt Schritt für Schritt weiter an der Infrastruktur gebastelt wird. Der Füchsletalk ist der monatliche SC Freiburg Podcast, den ihr zum Beispiel unter meinsportradio.de oder in einem Podcatcher eurer Wahl hören könnt – sofern ihr auf Infos zum SC, Spuren von Ironie und gefährliches Halbwissen steht. 😉
Rund um den Brustring: Nachdem Ihr 2016 ziemlich souverän Zweitliga-Meister wurdet, seid Ihr im vergangenen Jahr direkt auf Platz 7 gestürmt. Nun sind gute Saisons von Aufsteigern mit Platzierungen in der ersten Tabellenhälfte nicht mehr ganz so überraschend, für Euch ist es jedoch seit langem die beste Bilanz eines Aufstiegsjahres. Was waren die Faktoren für Euren Erfolg letztes Jahr?
Michael: Der Schlüssel war — auch wenn sich das jetzt furchtbar kitschig anhört — die mannschaftliche Geschlossenheit und vor allem die in Freiburg seltene Gelegenheit, die komplette Mannschaft zusammen zu halten und zu ergänzen: die Mannschaft hat sich nach der Saison in der zweiten Liga zusammen gesetzt und in einer Art Schwur beschlossen dass keiner den Verein nach dem Aufstieg verlassen wird und sie die erste Saison in der Bundesliga zusammen spielen. Wenn man weiß wie schwierig es ist, Neuzugänge in unser taktisches und spielerisches Konzept zu integrieren, ist es ein unschätzbarer Vorteil zu wissen, dass die Mannschaft komplett zusammen bleibt. Man munkelt, dass es vor der letzten Saison auch mal eine Kabinenansprache von Christian Streich gab, in der es sinngemäß hieß „Wenn wir zusammen bleiben und jeder sich konzentriert, dann können wir es am Ende ins obere Tabellendrittel schaffen!“
Rund um den Brustring: Nicht umsonst wird das zweite Jahr nach dem Aufstieg als das schwerste bezeichnet, schließlich müssen viele Aufsteiger, die überraschend gut abschneiden, in der folgenden Sommerpause ihre besten Spieler abgeben. Vincenzo Grifo wechselte zur einen, Maximilian Philipp zur anderen Borussia, außerdem gingen einige Spieler zu Zweitligisten. Hast Du das Gefühl, Ihr habt die Abgänge gut aufgefangen?
Michael: Jein. Die Transferphase in diesem Sommer war die verrückteste an die ich mich erinnern kann, mit jeder Menge crazy money aus China und England im Umlauf. Viele Transfers haben sich zerschlagen, weil zum einen Berater Dollarzeichen in den Augen bekommen haben wenn noch eine zusätzliche Anfrage rein kam, und zum anderen viele größere Vereine Spieler für ihren Kaderplatz 16 bis 25 geholt haben die bei uns in der ersten Elf gewesen wären. Einige Spieler sind also sehr spät gekommen und einiges ist auch neu für uns: einen offensiv hoch veranlagten Spieler mit defensiven Schwächen für 2 Millionen Leihgebühr aus Liverpool nur für ein Jahr ohne Option auf mindestens ein zweites zu holen ist zum Beispiel etwas, was Freiburg in den letzten Jahren sicherlich nicht gemacht hätte – wirkliche Alternativen zu finden wird für Vereine unserer Größe wohl noch schwerer werden, als es ohnehin schon immer war. Positiv überrascht bin ich von Lienhart, der aus der zweiten Mannschaft von Real Madrid kam und sofort Stammspieler wurde und von Terrazzino, der schon einmal da war und deswegen weniger Eingewöhnungszeit brauchte. Ravet und Kent kamen sehr spät zur Mannschaft und ich denke man wird erst zur Rückrunde sehen ob und wie sehr sie uns helfen können.
Rund um den Brustring: Platz 7 in der letzten Saison bedeutete zugleich die Teilnahme an der 3. Qualifikationsrunde zum UEFA-Pokal, wo Ihr es mit dem NK Domzale zu tun hattet, mit dem wir auch schon Bekanntschaft gemacht haben. Wie enttäuscht ist man in Freiburg über das Ausscheiden?
Michael: Wenn ich mich an die beiden Spiele zurück erinnere, denke ich, dass man nicht hätte ausscheiden müssen: geht der Elfmeter im Hinspiel zuhause rein sieht’s anders aus. Prinzipiell glaube ich — und das soll ausdrücklich keine Ausrede sein! — dass der Modus der Europa League Qualifikation nicht unbedingt maßgeschneidert für die Bundesligisten ist, wir sind ja nicht die Ersten, die es nicht in die Hauptrunde geschafft haben. Playoff-Spiele gegen Mannschaften, die in ihren Ligen schon ein paar Pflichtspiele hinter sich haben sind, für jedes Team aus der Bundesliga quasi aus dem Stand raus mitten in der Saisonvorbereitung raus schwierig. Ich glaube ich bin durchaus repräsentativ für die Freiburg-Fans mit meiner Meinung: ich wäre gerne irgendwohin mit gefahren, aber für das Abschneiden in der Bundesliga ist es sicher nicht das Verkehrteste dass wir ausgeschieden sind.
Rund um den Brustring: In der Bundesliga sprang bisher in neun Spielen erst ein Sieg raus, überraschenderweise gegen Hoffenheim. Gestern habt Ihr Euch, wie wir, im Pokal gegen einen Zweitligisten fürs Achtelfinale qualifiziert. Woran hakt es in dieser Saison noch?
Michael: Ganz klar läuft es vor allem auswärts noch nicht rund: da waren einige hohe Niederlagen dabei. Gut, da kann man jetzt sagen „gegen Bayern und Leipzig“, klar: aber vier Tore in Leverkusen hätten nicht sein müssen, das war ein grottiges Spiel. Ein bisschen konkreter kann man sagen dass es wünschenswert wäre, hinten die teilweise haarsträubenden individuellen Fehler abzustellen und vorne an der Chancenverwertung zu arbeiten – bei den fünf Unentschieden waren mit den Spielen gegen Hannover, Bremen und letzten Sonntag gegen die Hertha drei Spiele dabei die wir durchaus gewinnen hätten können.
Rund um den Brustring: Im Kader des SCF stehen auch zwei Spieler mit VfB-Vergangenheit. Während Julian Schuster nur zwei Bundesligaspiele für uns gemacht hat und seit 2008 in über 200 Spielen für Euch auf dem Platz stand, ist Georg Niedermeier erst seit unserem Abstieg 2016 bei Euch. Seit seinem Wechsel hat er erst sechs Spiele bestritten. Lag das nur an Verletzungen? Welchen Eindruck habt Ihr von ihm gewonnen?
Michael: Schuster ist schon fast eine Vereinslegende: beeindruckend wie er sich wieder in die Mannschaft zurück gespielt hat, er wird ja wie wir alle auch jedes Jahr älter. Niedermeier übrigens auch, das könnte auch ein Grund dafür sein, dass er so selten auf dem Platz steht. Also inklusive Trainingsplatz, er trainiert gerade nach langwierigen Rückenproblemen wieder mit der Mannschaft, hat aber natürlich enormen Trainingsrückstand. Seine Rolle ist auch wirklich ein Sonderfall: vor der letzten Saison hat sich im letzten Testspiel in der Sommerpause mit Marc Oliver Kempf einer unserer Innenverteidiger länger verletzt und plötzlich musste ungeplant noch Ersatz her. Obwohl mein erster Gedanke war „Niedermeier ist vertragslos!“ hat es mich dann doch überrascht dass wir ihn wirklich geholt haben. Ehrlich gesagt hatte ich bei ihm in der Sommerpause damit gerechnet dass er entweder geht oder der Vertrag aufgelöst wird, ich kann mir nicht vorstellen dass er noch einmal eine größere Rolle beim SC spielen wird.
Rund um den Brustring: Wo wir gerade bei Seitenwechseln sind: Wird das Spiel gegen den VfB eigentlich in Freiburg als Derby gesehen? In Stuttgart reservieren die meisten ja diesen mitunter inflationär gebrauchten Begriff für die viel selteneren Spiele gegen Karlsruhe.
Michael: Als Exil-Fan bin ich da vielleicht der falsche Ansprechpartner: bin jahrelang aus Würzburg dem SC hinterher gefahren und wohne seit drei Jahren in Leipzig – für mich ist es also kein emotional besonders aufgeladenes Spiel. Dass das Interesse und die Nachfrage nach Karten größer ist als bei anderen Spielen ist aber Fakt, und ich denke die Spiele gegen Euch sind im Vergleich zu den Spielen gegen Karlsruhe eher als Derby zu bezeichnen, klar.
Rund um den Brustring: Vor kurzem war zu lesen, dass es auf absehbare Zeit keine Ausgliederung der Profimannschaft aus dem e.V. bei Euch geben wird, anders als bei uns, wo die Ausgliederung ja in diesem Sommer vollzogen wurde. Wie siehst Du das persönlich und was meinst Du, wie lange das beim SCF so bleiben wird?
Michael: Ich weiß dass es bei uns viele gibt die sagen „wenn der SC die Profis ausgliedert dann gehe ich nicht mehr hin“, ausdrücklich auch verbunden mit der Vorstellung dass es dann schwierig werden könnte in der Bundesliga mitzuhalten. Das hängt sicherlich eng damit zusammen dass wir ein Verein sind der auf eine gewisse Weise schon immer ein bisschen anders geführt wurde als die meisten anderen Profivereine und Freiburg an sich eine sehr meinungsfreudige Stadt ist. Meine persönliche Meinung ist dass es — sollte es mal so weit kommen, dass man Anteile am Verein abgibt — wichtig ist, dass der Hauptanteil beim Verein bleibt und man auch dann wieder versuchen muss einen Freiburger Weg zu finden.
Rund um den Brustring: Zurück zum Sportlichen: Vor wem müssen wir uns am Sonntag in Acht nehmen bei Euch?
Michael: Vielleicht vor dem höchst motivierten besten Joker aller Zeiten, der vielleicht sogar in der Startelf steht? Oder vor Julian Schuster in seinem dritten oder vierten Frühling? Oder vielleicht nehmen wir uns beide vor dem Videoschiedsrichter in Acht? 😉
Rund um den Brustring: Und wo liegen die Schwächen der Mannschaft?
Michael: Nun, wir spielen auswärts – das alleine ist ein nicht kleiner Nachteil wenn man die Auswärtstabellen der letzten Jahre anschaut, leider. Auch dass sich aufgrund von Verletzungen unsere Innenverteidigung zur Zeit von alleine aufstellt und einer der beiden immer mal für einen individuellen Fehler gut ist und der andere am Sonntag gegen Berlin erstmals in der Bundesliga eingewechselt wurde, ist sicher weder ein Geheimnis noch ein riesiger Vorteil.
Rund um den Brustring: Abschließend: Dein Tipp fürs Spiel.
Michael: Puh. Erst Mal der übliche Standardsatz: ich bin ein gaaaanz schlechter Tipper… 😉 Vielleicht geht’s ja so aus wie ich es mir wünsche: einen zweiten Auswärtspunkt in dieser Saison fände ich super, 1:1.
Rund um den Brustring: Michael, vielen Dank für’s Gespräch.
Bild: VfB-Bilder.de