Für die Krise des VfB gibt es derzeit eine Vielzahl an Erklärungsansätzen. Nicht alle treffen meiner Meinung nach komplett zu. Der Versuch einer Bestandsaufnahme und Einschätzung.
Dass es beim Verein mit dem roten Brustring derzeit — mal wieder — unterirdisch läuft, macht sich nicht nur am Tabellenplatz bemerkbar, sondern auch darin, dass gleich drei VfB-Fans der bloggenden Zunft quasi parallel und nicht abgesprochen (?) Ihrem Verein ordentlich die Leviten lasen: Andreas (@abiszet) in gleich drei Beiträgen für den Vertikalpass, Ron (@Brustring1893) auf seinem Blog Brustring1893 und Martin (@two_four_two) vom BrustringTalk auf seinem Blog gedankenvoll.de. Die Texte sind wichtig und Ihr solltet sie Euch alle durchlesen. Denn sie legen den Finger in die riesigen Wunden, die in der Grundstruktur des VfB klaffen. Es geht natürlich schwerpunktmäßig um die zentralen handelnden Personen im Verein: Präsident und AG-Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Dietrich und den Vorstand Sport Michael Reschke. Wenn ihr meine Meinung zu den beiden Herren kennt, wisst Ihr: Ich kann vielem von dem, was die Blog-Kollegen schreiben, zustimmen. Aber nicht allem.
Zum Verständnis: Es geht hier nicht darum, besserwisserisch noch einen weiteren Blogartikel hinterher zu schieben oder jemanden in die Pfanne zu hauen. Mir ist nur wichtig, dass wir uns gründlich auf Spurensuche begeben und keine falschen Schlüsse ziehen. Vieles ist dabei sicherlich auch Ansichtssache. Hier also meine Ansicht, nach bestem Wissen und Gewissen verstärkt durch Recherche. Eigentlich ist es nach dem 12. Spieltag noch zu früh, eine solche Bilanz kann man vielleicht besser nach Ende der Hinrunde ziehen. Aber wenn die Diskussion schon einmal begonnen hat, ist es sinnvoll, sie auch jetzt fortzuführen.
Fehler Nr 1: Die Kaderzusammenstellung
In seinem Text Das Millionen-Missverständnis? schreibt Andreas:
Perlentaucher, Netzwerker, genialer Kaderplaner, Supernase: Michael Reschke eilte bei seinem Amtsantritt in Stuttgart ein Ruf wie ein Donnerhall voraus. Die Realität: Er hat die Ausgliederungsmillionen versenkt. In Tayfun Korkut und in Spieler wie Mario Gomez, Gonzalo Castro, Holger Badstuber, Daniel Didavi, Andi Beck und Dennis Aogo. Alles Spieler, deren Gehälter üppig sind und deren Wiederverkaufswert bei Null liegen wird. Dazu kommen in Pablo Maffeo, Nicolas Gonzalez und Borna Sosa Talente, deren Marktwert beim VfB Stuttgart gesunken ist. Deutlich.
Wir haben da auf Twitter schon ausgiebig drüber diskutiert, aber hier nochmal ein wenig geordneter: Natürlich wird der VfB auch in Zukunft dadurch Einnahmen generieren müssen, dass er Spieler relativ günstig verpflichtet, sie weiterentwickelt und sie dann teuer verkauft, um mit dem eingenommenen Geld den Kader nachhaltig zu verstärken. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen von Wolfgang Dietrich wird das auch in Zukunft der Fall sein. Bis auf den letzten Schritt ist das genau das, was mit Benjamin Pavard im kommenden Sommer passieren wird. Es kann aber nicht das Ziel sein, dass die Mannschaft zu großen Teilen aus diesen Spielern besteht. Es muss auch Spieler im Kader geben, deren Wert für den Verein in ihrer Anwesenheit statt in ihrer Abwesenheit liegt.
Denn die einzige Methode, wie meiner Meinung nach die Ausgliederung Früchte tragen ist folgende: Der VfB investiert die geschenkten Millionen in Spieler, die ihn durch ihre Fußballkünste in Tabellenregionen bringen, in denen er erhebliche Mehreinnahmen generieren kann. Sprich: In den Europapokal, optimalerweise in die Champions League, in der man schon mit Geld überhäuft wird, bevor die Wettbewerbshymne das erste Mal in einem Stadion ertönt. Das wäre auch die einzige Methode, um Wolfgang Dietrichs abstruse Pläne umzusetzen, irgendwann die Nummer 3 hinter Dortmund und München zu werden. Für wie realistisch ich das halte, habe ich bereits vor der Ausgliederung aufgeschrieben: Sehr unrealistisch.
Bleibt man dieser Idee der Ausgliederung aber verhaftet, ist es durchaus sinnvoll, Geld auch in Spieler zu investieren, die man aufgrund ihres Alters nicht mehr teuer weiterverkaufen kann. Dafür müssen diese aber auch Leistung zeigen. Das tun derzeit weder Castro, noch Badstuber, noch Gomez. Wären sie in Topform, hätte man eine stabile Achse Bundesliga-erfahrener und sportlich vorbildlicher Spieler, an denen sich jüngere Mitspieler wie Baumgartl, Kempf, Pavard, Ascacíbar oder Gonzalez orientieren können. Anders als bei zwei Spielern, auf die ich gleich noch zu sprechen komme, war das Formtief erfahrenen Spieler aber vor der Saison so nicht absehbar. Gomez und Badstuber hatten großen Anteil am Klassenerhalt, Castro hatte jahrelang weit über dem Niveau des VfB gespielt.
Bei Didavi ist das Problem noch ein wenig anders gelagert, auf ihn komme ich gleich noch. Zu Beck und Aogo: Beide Spieler waren mehr oder minder Notkäufe, die Reschke in der vergangenen Saison kurz vor Toreschluss holte, um den vermeintlichen Mangel an erfahrenen Spielern, den Jan Schindelmeiser hinterlassen hatte, zu korrigieren. Beck ist immerhin ein defensiv stabiler Außenverteidiger, auch wenn er offensiv fast komplett wirkungslos ist. Aogos Wechsel ins zentrale Mittelfeld ist das Beste, was ihm passieren konnte. Denn auf der linken Außenbahn ist er für mich die allerletzte Option. Erfreulicherweise laufen die Verträge der beiden aus.
Die Ausgliederungsmillionen im Falle von Maffeo, Sosa und Gonzalez als “versenkt” zu bezeichnen, halte ich für verfrüht. Klar ist: Sie haben die mit ihnen verbundenen Erwartungen nicht erfüllt und auch im Fall von Benjamin Pavard können wir, wenn es so weitergeht, froh sein, dass wir für ihn eine festgeschriebene Ablösesumme erhalten werden.Von Sosas Verletzung, die ihn für den Rest der Hinrunde außer Gefecht setzt, mal ganz abgesehen kann es nicht Aufgabe dieser drei teuren, jungen Neuzugänge sein, die grundlegenden Probleme der gesamten Mannschaft zu lösen. Ich bin immer noch überrascht, dass ein Spieler von Timo Baumgartl, dessen Bundesliga-Karriere gefühlt bisher nur aus Abstiegskampf und Krise besteht, so stabil ist, dass er immer noch Nachwuchs-Nationalspieler ist.
Zur generellen Kaderzusammenstellung zu möglichen Transfers im Winter komme ich gleich. Kurz noch zu Daniel Didavi. Andreas schreibt in einem weiteren Text seiner Trilogie zur Lage des VfB unter der Überschrift Doppel‑D: die Hoffnungsträger? folgendes:
Es sagt alles über den jämmerlichen Zustand des VfB Stuttgart und den verblendeten Blick von Reschke, wenn er auf zwei Spieler hofft, die aufgrund von Verletzungen lange nicht auf dem Platz standen und die zuvor nicht wirklich bewiesen haben, dass sie konstant (und verletzungsfrei!) auf hohem Niveau spielen können. Der eine immer an der Schwelle zur Invalidität, der andere wirkte bisweilen launisch wie eine Diva.
Es ist klar: Gemeint sind Anastasios Donis und eben Daniel Didavi, der in dieser Saison kaum im Brustring zu sehen war, weil er Probleme an der linken Achillessehne hat, genauer gesagt eine Entzündung des Schleimbeutels. Die hat er, wenn ich mich nicht irre, spätestens seit dem 33. Spieltag der vergangenen Saison, beim letzten Saisonspiel seines alten Arbeitgebers sowie in den anschließenden Relegationsspielen, in denen jener Arbeitgeber sich leider durchsetzte, fehlte er bereits. Ich habe einen Artikel gefunden, in dem von einem “Schlag auf die Achillessehne” am 31. Spieltag die Rede ist. Ich bin kein Sportmediziner und muss mich da auf die Meinung anderer verlassen.
Wenn es dafür verantwortlich ist, hat er ne verdamme schlechte selektivität und ne noch schlechtere Wundheilung. Dann ist das Knie bzw die Achillessehne sein kleinstes Problem.
— Bergliebhaberin (@_psychoQ_) November 27, 2018
Warum ich auf den Schleimbeutel an der linken Achillessehne eingehe? Weil der Knorpelschaden, an dem Didavi seit jenem schicksalhaften Freundschaftsspiel des 1. FC Nürnberg im Frühsommer 2o12 lange laborierte, das linke Knie betraf. Die letzte Operation an jenem Knie liegt aber bereits zwei Jahre zurück. Seit Februar 2017 verzeichnen die Leistungsdaten bei Transfermarkt.de vier Spiele, die er aus gesundheitlichen Gründen verpasst hat. In der letzten Saison war Didavi Topscorer in Wolfsburg, machte neun Tore und gab sechs Vorlagen. Sind also die Achillessehnen-Probleme eine Spätfolge der jahrelangen Probleme am Knie?
Wenn der Körper nicht selektiv genug arbeitet, ja. Knorpelschaden allgemein dauert ewig, bzw wird nie richtig gut, weil knorpel nur unter Belastung richtig arbeitet. Da er das nje wirklich getan hat, ist der unter Garantie auch nicht in Ordnung.
Verfrühte Arthrose lässt grüßen.— Bergliebhaberin (@_psychoQ_) November 27, 2018
Wie gesagt, ich bin kein Experte. Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass der VfB so blauäugig war und nicht erkannt hat, dass die Schleimbeutelentzündung im April 2018 eine Folge der Knieprobleme ist, die zuletzt Ende des Jahres 2016 auftraten. Aber möglich ist bei unserem Verein natürlich alles. Wäre der VfB das Risiko, dass Didavi wegen seiner Achillessehne länger ausfallen kann, wissentlich eingegangen, muss ich Andreas völlig rechtgeben: Dann hätte man bei Didavi in der Tat Geld versenkt und es wäre in der Tat töricht, weitere Hoffnungen auf ihn zu setzen, ganz abgesehen davon, dass Donis und Didavi sowieso alleine den VfB nicht werden retten können, wie Andreas richtig schreibt. Die ganze Mannschaft muss wieder funktionieren. Zu Didavi freue ich mich über weitere sportmedizinische Einschätzungen. Nicht weil ich der zitierten Twitternutzerin nicht glaube, sondern weil ich gerne noch eine weitere Meinung dazu hätte. Vielleicht kann man da bei einer Pressekonferenz auch einfach mal beim VfB nachfragen, liebe Kollegen von der Presse?
Ergänzung: Twitter-Nutzer @vacilar hat seine Einschätzung zu dem Thema aufgeschrieben:
@_psychoQ_ hatte das meiste schon erwähnt. Das Knie von Didavi kann aufgrund der Vorschädung am Knorpel und der Gonarthrose nie als vollkommen stabil und völlig normal belastbar betrachtet werden. Bei richtigen Training und dosierter Belastung könnte ein Spieler auch den grössten
— vacilar (@vacilar) November 28, 2018
Teil einer Saison spielen, sofern er genügend Ruhezeiten bekommt. Wolfsburg hat hier sicher mit Methoden aus dem spanischen Raum (“fitspritzen”) etwas supportiv nachgeholfen, das hilft jedoch auch nur temporär und kann u.U. zu Folgeausfällen führen. Das generelle Problem bei der
— vacilar (@vacilar) November 28, 2018
Bewertung seiner Situation ist dazu noch dass keiner Einblick in die Krankenakte hat und man nur die Miteilungen/Bilder aus den Medien hat. “Schlag auf die Achillessehne” sagt ja erstmal nichts über deren tatsächliche Verletzung aus. Der Körper ist mehr als einzelne Organe bzw.
— vacilar (@vacilar) November 28, 2018
Gelenke und diese wirken so natürlich aufeinander ein. Eine Verletzung an der Achillessehne führt zu Belastungen am Kniegelenk und umgekehrt.
— vacilar (@vacilar) November 28, 2018
Mal unabhängig von Didavi ist ein häufig geäußerter Vorwurf an Michael Reschke: Der Kader ist grundfalsch zusammengestellt, es fehlt vor allem an Geschwindigkeit. Ron schreibt in seinem Beitrag namens Make VfB sympathisch again, der Kader sei “komplett unausgewogen” und Martin konstatiert in seinem Beitrag Beim ersten Mal tat es noch weh:
Der Verein ist eine AG, das einmalige Geld von Daimler ist verbrannt, der Kader macht jedem Rentnerparadies in Florida Konkurrenz inklusive langfristiger Verträge zur Altersvorsorge.
Vielleicht liegt meine Tendenz, der Kritik an der Kaderplanung zu widersprechen auch daran, dass ich mir vor der Saison und auch in der Saisonvorschau mit Heiko Hinrichsen ziemlich sicher war, dass der VfB lange nicht mehr einen so gut zusammengestellten Kader gehabt hat. Anders als viele andere Aufsteiger musste der VfB im Sommer nach dem Aufstieg keine Leistungsträger abgeben, sondern konnte seine defensiv bis dahin stabile Mannschaft vor allem in der Offensive verstärken. Ich hatte mir vorgestellt, dass auf fast jeder Position ein Konkurrenzdruck herrschen würde, der die einzelnen Spieler und die Mannschaft als Ganzes besser machen würde.
- In der Innenverteidigung hätte man ein Luxusproblem, wenn die drei jüngeren Spieler Baumgartl, Pavard und Kempf um den Platz neben dem arrivierten Führungsspieler Holger Badstuber konkurrierten. Alternativ könnten zwei von ihnen in einer Dreierkette spielen.
- Auf den Außenverteidigerpositionen würde der junge Sosa mit dem älteren Insua und der junge Maffeo mit dem erfahrenen Beck um den Platz in der Startelf ringen, zur Not könnten auch noch Pavard und zur allergrößten Not Aogo auf die Außenbahn ausweichen.
- Im defensiven Mittelfeld wäre ein Gonzalo Castro mit Übersicht, Erfahrung und Impulsen nach vorne die perfekte Ergänzung zum Rasenmäher Ascacíbar, dessen Stärken eher im Tore verhindern als im Tore vorbereiten liegen. Als Backup hätte hier Aogo bereit gestanden, wenn es hart auf hart kommt auch Badstuber, auch wenn er eine solche Rolle vor der Saison abgelehnt hat.
- In der Offensive wären wir meiner Meinung nach mit der Verpflichtung von Didavi in der Lage gewesen, zwei verschiedene offensive System zu spielen: Entweder mit Didavi hinter einer Doppelspitze Gonzalez/Gomez und flankiert von zwei Mittelfeldspielern auf der Außenbahn und in dem Fall nur einem Sechser oder mit Gomez als einziger Spitze und zwei Stürmern auf der Außenbahn vor Didavi und einer Doppelsechs. Für die offensiven Außenbahnen wäre meiner Meinung nach auch genug spielerisches Potenzial da gewesen: Thommy, der eine super Rückrunde gespielt hatte, Donis, der gegen München sein Können hatte aufblitzen lassen, Akolo, der in der Hinrunde noch gut in Form war und selbst Christian Gentner, dessen Stärken eindeutig eher im offensiven als im defensiven Mittelfeld liegen.
Das Problem an der ganzen Geschichte habe ich oben schon beschrieben: In der Abwehr herrscht kein Konkurrenzkampf, weil Holger Badstuber und Benjamin Pavard mehr oder weniger neben sich stehen und Timo Baumgartl nicht so stabil ist, wie wir uns das wünschen. Marc-Oliver Kempf hat vor zwei Wochen erst sein Debüt im Brustring gefeiert. Außen fällt Borna Sosa für den Rest der Hinrunde aus und Pablo Maffeo läuft mittlerweile vor Beck im offensiven Mittelfeld auf. Im Mittelfeld hat sich Castro in einem atemberaubenden Tempo aus der Startelf gebolzt und mit Christian Gentner kann Markus Weinzierl nicht so richtig etwas anfangen, aber als Kapitän muss er ihn wahrscheinlich einfach aufstellen. Erik Thommy kann an seine Leistungen der Rückrunde anknüpfen und auch Akolo kann sich nicht durchsetzen. Didavi und Özcan, der ihn vielleicht ersetzen könnte, sind verletzt und im Sturm haben wir die Auswahl zwischen einem Mario Gomez, der kein Scheunentor mehr trifft, einem Nicolas Gonzalez, der sehr bemüht ist und einem verletzten Anastasios Donis.
Klingt erstmal wie eine lange Liste an Ausreden und liefert auch zunächst keine Erklärung dafür, warum der Mannschaft auf der Außenbahn die Geschwindigkeit fehlt oder doch? Dazu gleich mehr. Vorher noch etwas zu einem weiteren Kritikpunkt.
Fehler 2: Der Kader ist zu klein
Der Kader sei zu dünn besetzt, schreibt Ron. Auf den ersten Blick scheint das angesichts der sportlichen Bilanz und der Tatsache, dass die U21 zeitweise nur drei Auswechselspieler hatte, weil alle anderen zur ersten Mannschaft abgezogen worden waren, zutreffend. In der Tat hat der VfB mit 26 Spielern laut transfermarkt.de den viertkleinsten Kader der Liga und da sind Aidonis und Dajaku schon mit einberechnet. Nur München, Leipzig und Hannover leisten sich einen ähnlich kleinen Kader. Am anderen Ende der Liste steht Eintracht Frankfurt mit 36 Spielern, die ja auch in der Bundesliga-Tabele nicht ganz schlecht dastehen. Sicherlich gehören dazu auch die vier 18jährigen, die die Eintracht aus lizenzrechtlichen Gründen in die erste Mannschaft gezogen sowie die insgesamt fünf Torhüter, die in derm Kaderliste stehen. Ein großer Kader ist aber alleine auch kein Erfolgsgarant. Düsseldorf hat 30 Spieler und unser nächster Gegner Augsburg, der in der Tabelle auch gerade ein wenig abrutscht mit 32 die viertmeisten. Mehr Spieler im Kader heißt auch gleichzeitig: Meht Spieler sind unzufrieden, weil sie vielleicht nicht nur einen, sondern zwei Konkurrenten vor sich und dementsprechend nur geringe Chancen auf einen Einsatz haben. Meiner Meinug nach ist der Kader groß genug, wenn man nicht gleichzeitig verletzte und formschwache Spieler ersetzen muss.
Fehler 3: Im Winter wird Reschke seine verfehlte Transferpolitik fortsetzen
Noch ein letzter Punkt zum Thema Transfers: Es liegt in der Natur der Sache, dass bereits jetzt die Gerüchte um mögliche Winterneuzugänge des VfB hochkochen: Shinji Kagawa, Patrick Herrmann, Sandro Wagner oder Sebastian Rode. Andreas schreibt:
Jetzt sollen Spieler wie Patrick Herrmann, Sandro Wagner, Sebastian Rode und Shinji Kagawa den VfB retten. Und sie passen in Reschkes Beuteschema: teuer, erfahren, mit Führungsanspruch und entweder verletzungsanfällig oder langsam. Wird der VfB Stuttgart endgültig zur Rentner-Gang? Eine mögliche Aufstellung könnte dann heißen: Zieler, Badstuber, Pavard, Baumgartl, Insua, Beck, Aogo, Castro (Rode), Kagawa, Herrmann, Gomez (Wagner). Eine Aufstellung, mit der ich mich nicht identifizieren könnte. Eine Aufstellung, mit der der VfB wohl absteigen wird,
Wer bremst diesen Mann, der offensichtlich Spieler danach auswählt, was sie in der Vergangenheit mal geleistet haben und nicht danach, was sie in der Zukunft für den Club bringen können?
Auch das sehe ich ehrlich gesagt anders. Kurzfristig würde uns, je nachdem wie man ihn einbindet, jeder dieser Spieler sportlich weiterhelfen und einen Beitrag dazu leisten, den Klassenerhalt noch zu schaffen. Alle spielen derzeit bei Mannschaften, die unter den Top 5 der Bundesliga rangieren. Selbst wenn es für Gladbach, Dortmund oder München nicht mehr reichen sollte: Für den VfB wären diese Spieler eine Verstärkung. Wie nachhaltig ein solcher Transfer wäre, ist natürlich eine ganz andere Frage. Aber angesichts vor allem der kollektiven Formkrise der erfahrenen Spieler, die schon unter Vertrag stehen, wird man wohl keine Alternative haben, denn junge Spieler mit Potenzial kriegt man im Winter nunmal nur gegen sehr viel Geld. Es bleiben jene übrig, die bei ihren Vereinen keine Perspektive mehr sehen, das Fußballspielen für diese Saison aber noch nicht an den Nagel hängen wollen.
Das Problem ist vielmehr, dass der VfB überhaupt die Notwendigkeit sieht, nochmal in größerem Stile auf dem Transfermarkt aktiv zu werden, oder wie Ron es formuliert: “Es ist schon schlimm genug, dass man sich schon wieder dermaßen in Rücklage befindet, dass man nur noch reagieren und nicht agieren kann.” Und damit komme ich zu dem Aspekt von Reschkes Arbeit, dem man ihm im Gegensatz zur Kaderzusammenstellung wirklich vorwerfen kann: Dem Trainerwechsel.
Fehler 4: Die Verpflichtung von und Vertragsverlängerung mit Tayfun Korkut
Andreas bringt es auf den Punkt:
Hoffnung macht einzig Markus Weinzierl, der eher (handlungs)schnelle Spieler bevorzugt und dem ein Sandro Wagner oder Sebastian Rode sicher nicht ins Konzept passen. Aber was heißt das schon? Womöglich wiederholt Reschke den Fehler, dass er Spieler nach seinem Gusto holt und nicht nach den Vorstellungen des Trainers. Die Sommertransfers kann er jedenfalls kaum mit Tayfun Korkut abgestimmt haben.
Dass die Verpflichtung und Weiterbeschäftigung von Tayfun Korkut ein Fehler war, habe ich ja schon nach dem Hannover-Spiel dargelegt. Wir müssen ja vor allem auf den Außenbahnen nachlegen, weil der aktuelle Kader für die Spielidee von Markus Weinzierl, nämlich mit Tempo über die Flügel kommen, nicht geeignet ist. War er für die Spielidee von Tayfun Korkut geeignet? Wir wissen es nicht, denn eine solche konnten wir in dieser Saison nicht erkennen und letzte Saison bestand sie aus einer frühen Führung und einer 85minütigen Abwehrschlacht. Oder wie Ron es ausdrückt:
Nach der außergewöhnlichen Rückrunde der vergangenen Saison hat Michael Reschke nicht nur Stunden später einen Großteil der Neuverpflichtungen und damit die Ausrichtung des Kaders präsentiert, sondern auch kurz darauf noch ohne Not die Verträge mit dem damaligen Trainerteam verlängert. Vor allem Letzteres ist in der Rückschau definitiv nach hinten losgegangen und zeugt von einer kompletten Fehleinschätzung der Lage (auch wenn man von Seiten des Vereins natürlich nicht müde wird zu betonen, dass die Rückrunde schon realistisch eingeschätzt hat).
Es ist der vielleicht gravierendste Fehler, den Reschke in seiner Amtszeit als Vorstand Sport beim VfB gemacht hat. Der historisch schlechte Saisonstart geht mit Sicherheit auch zu Lasten von Spielern, die ihre Leistung nicht bringen, weil sie der Meinung sind, es würde so weitergehen wie in der Rückrunde oder dass man in Mainz nicht gewinnen müsse. Aber auch Tayfun Korkut und damit Michael Reschke trägt Schuld daran, dass beim VfB mal wieder panisch nach dem Verbandskasten gesucht wird oder gleich besser nach dem Werkzeugkasten, der verhindert, dass das Schiff schon wieder absäuft.
Was ist der Lösungsansatz?
Ron fordert in seinem Blogbeitrag, in dem es ja vor allem darum geht, wie man sich mit dem VfB noch identifizieren kann, den Rücktritt von Wolfgang Dietrich von allen Ämtern und legt Wert auf die Feststellung, dass das nichts mit der sportlichen Situation zu tun hat. Dem kann ich mich nur anschließen. Warum das notwendig ist, dazu habe ich bereits zwei Artikel hier geschrieben. Aber: Nicht um jeden Preis. Martin schreibt: “Wenn die Zwei bei einem Abstieg sicher weg sind – es wäre ein Anfang.” Dem kann ich mich nichr anschließen. Ein erneuter Abstieg muss unbedingt vermieden werden, denn er würde den VfB in riesige Probleme stürzen, wie Andreas in seinem dritten Text Meister im Schönreden? richtig anmerkt:
Es scheint fast so, als ob der VfB keine sportlichen Probleme hätte. Dabei wäre ein Abstieg der absolute GAU. Jan Schindelmeiser hat vor einiger Zeit gesagt, dass ein Jahr in Liga zwei rund 50 Millionen Euro kostet. So oft kann der VfB gar nicht ausgliedern, um diese Defizite reinzuholen (und aktuell scheint man ohnehin keine weiteren seriösen Investoren zu finden).
Wir müssen Wolfgang Dietrich auf einem anderen Weg als diesem irgendwie wieder loswerden. Was Michael Reschke angeht: Vielleicht ist es wirklich so, dass er sich auf das Planen des Kaders beschränken sollte. Dass er der kolportierte Alleinherrscher in der Mercedesstraße ist, glaube ich nicht. Er ist meiner Meinung nach ein guter Kaderplaner, wie ich oben dargelegt habe. Aber nicht nur im Fall von Tayfun Korkut, sondern auch was den Umgang mit der zweiten Mannschaft in der letzten Saison angeht, ist er ein lausiger Vorgesetzter.
Und jetzt?
Dieser lange Text hat für das Spiel gegen Augsburg am Samstag nur geringe Relevanz und wahrscheinlich wird es auch darauf hinauslaufen, dass wir in der Winterpause erneut Geld in die Hand nehmen müssen, um die Mannschaft nicht nur zu ergänzen, sondern substanziell zu verstärken. Es war mir dennoch wichtig, einen weiteren Beitrag zur Debatte um die Fehler, die beim VfB gemacht werden, zu leisten und auf eventuelle Fehlinterpretationen hinzuweisen. Lasst uns hoffen, dass unser Verein sich die von Andreas, Ron, Martin und mir geäußerte Kritik irgendwann einmal zu Herzen nimmt und aus dieser elendigen Abwärtsspirale ausbricht.
Herzlichen Dank für die „Rezension“ unserer 3 Texte auf vertikalpsss.de, sehr lesenwert und sehr gelungen!
Lass mich bitte noch ein paar Dinge ergänzen bzw. einordnen:
— Kader: Ich bleibe dabei, außer bei IV und AV ist das zu dünn und nicht ausgewogen. Es gibt einen einzigen Sechser (Santi), drei Achter (Castro, Gente, Aogo), deren Stärke weder schnell sein noch schnell handeln ist. Es gibt genau 2 (!) offensive Außen mit Donis und Thommy und einen einzigen zentralen Mittelfeldspieler (Didavi), der in der Vergangenheit mit Verletzungen zu kämpfen hatte, Özcan hat man offensichtlich nichts zugetraut. Ein einziger Neuner (Gomez) und zwei 9einhalber (Akolo, Gonzalez), die auf Außen nicht gut aufgehoben sind. Aber klar: bei weniger Formkrisen wirkt sich das nicht so dramatisch aus wie aktuell.
— Thema Geld versenkt: Soll der VfB zum Auffangbecken älterer Spieler werden, die relativ kostspielig sind? Beck, Aogo, Gente, Castro, Gomez und der knapp 30-jährige Badstuber, das ist zu viel und zu teuer und ihnen fehlt Geschwindigkeit. Punktuell Erfahrene ja, aber nicht in der Anzahl. Ausgewogen kommt mir das nicht vor. Zumal alle spielen müssen/sollen/wollen und dann wird nach Erfahrung aufgestellt und nicht nach Leistung. Problem: Die Spieler entwickeln sich, aber leider zurück. Was ist der Unterschied zwischen Aogo und Mangala? Aogo hat den Swag, Mangala ist (handlungs)schneller, wird besser und kostet weniger. 😉
Ich gebe Dir völlig recht: Sich “gründlich auf Spurensuche zu begeben“, das sollten nicht nur wir, sondern auch die Entscheidungsträger beim VfB tun. Und klar: „Vieles ist dabei sicherlich auch Ansichtssache.”
Hallo Andreas,
etwas verspätet melde ich mich nochmal zurück. 🙂
Kader: Kommt halt drauf an, wie man den Sechser definiert, also ob ein Sechser, der sich nach vorne einschaltet, schon ein Achter ist. Bei der Castro-Vorstellung hier im Blog sagte der BVB-Experte ja, er sei ein Verbindungsspieler, also quasi der klassische Achter. So hatte ich mir das auch vorgestellt: Er leitet das Offensivspiel ein und Santi hält ihm den Rücken frei. Aogo ist da natürlich nur der Notnagel. Gentner hat für mich zentral nichts zu suchen. Es steht und fällt im offensiven Mittelfeld halt viel mit Gonzalo Castro, von dem ich mir erhofft hatte, dass er ein Schlüsselspieler wird. Und es kommt auch immer auf das Spielsystem an. Auch in kollektiver Hochform ist das sicherlich kein Kader für Europa, aber zumindest einer für eine entspannte Saison im Mittelfeld.
Geld: Wie schon gesagt: Man muss diese Altherren-Riege meiner Meinung nach differenzieren. Gentner ist schon ewig da, sein Vertrag und die von Beck und Aogo laufen im Sommer aus. Badstuber, Castro und Gomez könnten, wenn sie die Leistung zeigen, zu der sie imstande sind, der Mannschaft sportlich weiterhelfen und jungen Spielern die Möglichkeit geben, neben ihnen zu wachsen und sie irgendwann zu verdrängen. Ja, Mangala spielt in Hamburg super. Wenn es gut läuft, kommt er im Sommer wieder und ersetzt Aogo. Im Sommer 2018 schien er noch nicht bereit für die Bundesliga. Ist er es jetzt bei einem Spitzenteam der 2. Liga? Hoffentlich.
Liebe Grüße, Lennart
Danke,
kann ich Dir größtenteils zustimmen.
Was wir aber ebenfalls unbedingt brauchen ist mehr (kritische) Fußballkompetenz im Verein. Dann wären Fehler, wie die Verpflichtung und Vertragsverlängerung mit Korkut nicht passiert.
Hi,
da brauchte man noch nicht mal “kritische Fußballkompetenz” für, finde ich. Das einzige Argument für Korkut war schon bei seiner Vorstellung nur sein Geburtsort und sein Wohnsitz. Aber ja, eventuell muss man hier doch eine Lösung wie in Frankfurt fahren, auch wenn Reschke das nicht schmecken wird. Die Frage ist nur: Wer soll das machen? Von der Klinsmann-Geschichte halte ich wenig.
Viele Grüße, Lennart
Hallo Lennart,
vielen Dank für deinen Artikel, der sich konstruktiv kritisch mit den aktuellen Themen beim VfB beschäftig. Natürlich habe ich die Beiträge aus den anderen Blogs auch gelesen. Ich selber versuche mir eine differenzierte Meinung von der aktuellen Situation zu machen und da helfen mir die Berichte, welche in den verschiedenen Blogs erscheinen.
Mir selber geht es inzwischen so, dass ich leide und ziemlich ratlos bin, wenn ich z.B. auf die aktuelle Situation beim VfB angesprochen werde. Aber da bin ich wohl seit einiger Zeit nicht mehr alleine.
Auch wenn ich mich zum ersten Mal mit einem Kommentar bei dir melde, lese ich doch so gut wie alles, was in deinem Blog erscheint. Somit also auch danke für deine seitherigen Artikel. Besonders gut gefällt mir, dass vor dem Spiel die gegnerische Mannschaft mit einem zugehörigen Fan beleuchtet wird. Die anschließende Aufbereitung des Spiels in deinem Blog rundet die Sache für mich ab.
Weiter so und liebe Grüße,
Fahne
Hallo Fahne,
vielen Dank für dein Lob und deine positive Rückmeldung! Ja, ratlos sind wir glaube ich alle, deswegen gibt es ja so viele verschiedene Erklärungsansätze. Es ist eine absolute Katastrophe, dass wir schon wieder so schlecht da stehen.
Viele Grüße, Lennart
Hallo Lennart,
mit Interesse habe ich deinen Text und die der zitierten Blogger gelesen. Ich stimme voll mit dir überein, dass die Analyse gründlich und vielschichtig sein muss. Zu drei Punkten möchte ich zusätzliche Denkanstöße geben:
1. Die Ausgliederung war eine Grundsatzentscheidung über die zukünftige Aufstellung des VfB. Bei der Verstärkung des Kaders mit Spielern, die uns sofort helfen oder später mit Mehrwert verkauft werden, sind die Millionen des Investors (noch im Singular) sicher hilfreich. Für mindestens genauso wichtig halte ich allerdings eine nachhaltige strategische Ausrichtung des NLZ und der Lizenzspielerabteilung. Von der Infrastruktur auf dem Vereinsgelände über die Trainingsmethodik und Trainerausbildung bis zur professionellen Betreuung der Spieler in allen Belangen (siehe Berater-Gate) gibt es genügend Handlungsfelder, auf denen der VfB im Vergleich zur nationalen und internationalen Konkurrenz aufholen muss. Das hier investierte Geld wirkt zwar eher mittel- bis langfristig, dafür versickert es nicht so leicht wie die Transfermillionen.
2. Die Arbeit des Sportvorstands muss man meines Erachtens jenseits der Kaderzusammenstellung und Trainerauswahl mehr als bisher anhand der Themen Talentförderung und sportliche Gesamtstrategie bewerten. Ohne diesen Punkt länger ausführen zu wollen, bin ich der Ansicht, dass Herr Reschke bei der Auswahl des Kaders im Vergleich zu den anderen Bereichen noch relativ gut aussieht. Die Zweite taumelt mit kaum ausreichend Spielermaterial durch die Regionalliga, ohne der Bundesligamannschaft in irgendeiner Weise Substanz zuführen zu können. Eine Strategie ist nicht erkennbar.
3. Die Amtszeit des Präsidenten Dietrich ist bislang von der Ausgliederung und dem direkten Wiederaufstieg geprägt. Auf diese Weise hat er viele Mitglieder hinter sich versammelt. Zu hoffen, dass er freiwillig seinen Platz räumt, halte ich für sehr optimistisch. Bei einem erneuten Abstieg wäre er wohl zur Aufgabe gezwungen. Der Rest liegt im Winternebel.
Sportliche Grüße
Christoph aka @ReyBucanero74