Das Gschmäckle schlägt zurück

Am ver­gan­ge­nen Frei­tag erschie­nen zwei Arti­kel über den VfB Stutt­gart, die ver­deut­li­chen, dass die Zei­ten, in denen die Ver­eins­füh­rung auf Augen­hö­he mit Fans und Mit­glie­dern kom­mu­ni­zier­te, vor­bei sind. Gere­det wird von oben her­ab oder hin­ten her­um. Und das hat eine Vor­ge­schich­te.

Da denkt man beim Früh­stück in der Län­der­spiel­pau­se nichts Böses, und dann die­se Nach­richt:

Prä­si­dent Wolf­gang Diet­rich will sich bei der Suche nach wei­te­ren Inves­to­ren für den VfB Stutt­gart alle Optio­nen offen hal­ten und schließt auch Fonds als Anteils­eig­ner an der AG nicht aus. „Wir suchen Part­ner, die opti­mal zum Ver­ein pas­sen. Ob der Part­ner aus der Regi­on kommt oder nicht, ist zweit­ran­gig. Es muss pas­sen von den Zie­len, die er hat“, sag­te der Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­de der VfB-AG der „Deut­schen Pres­se-Agen­tur“.

Fonds? Also im Zwei­fel Inves­to­ren ohne regio­na­len Bezug, denen es pri­mär um die Ren­di­te geht und nicht wie dem Anker­in­ves­tor und treu­en Part­ner Daim­ler um die Stär­kung des loka­len Bun­des­li­gis­ten? Moment, wie hieß es noch im Löwen­zahn-Video zur Aus­glie­de­rung?

“Star­ke, regio­nal ver­wur­zel­te Unter­neh­men sind unser Heim­vor­teil. Den wol­len wir nut­zen”

Bereits ein knap­pes hal­bes Jahr, nach­dem die­ses Video ent­stan­den ist, ist der Heim­vor­teil, den der VfB nut­zen will, also zweit­ran­gig. Dabei war es genau die­ses Argu­ment, wel­ches vie­le VfB-Mit­glie­der ruhi­gen Gewis­sens für die Aus­glie­de­rung stim­men ließ: Der VfB holt sich kei­nen “Scheich” und kei­nen durch­ge­knall­ten ame­ri­ka­ni­schen Mil­li­ar­där an Bord, son­dern nur boden­stän­di­ge Mit­tel­ständ­ler aus dem Länd­le. Was im Mai noch als Ver­kaufs­ar­gu­ment für die Aus­glie­de­rung galt, ist jetzt nicht mehr so wich­tig. Frei nach Ade­nau­er: “Was stört mich mein Geschwätz von vor der Aus­glie­de­rung?”. Natür­lich heißt das jetzt nicht, dass der VfB sich direkt einen sol­chen Inves­tor an Land zieht. Aber schon allein die Tat­sa­che, dass man mit der Aus­sicht auf regio­na­le Part­ner für die Aus­glie­de­rung wirbt und dann Regio­na­li­tät als zweit­ran­gig bezeich­net, hat ein Gschmäck­le.

Am Abend des sel­ben Tages erschien dann ein Arti­kel in den Stutt­gar­ter Nach­rich­ten, geschrie­ben von Sport­re­dak­teur Gun­ter Bar­ner, der das ers­te Jahr der Prä­si­dent­schaft Wolf­gang Diet­richs resü­mier­te und dabei zu Erkennt­nis­sen kam, bei denen sich manch einer ange­sichts der Nach­richt vom Mor­gen ver­wun­dert die Augen rieb.

Ein Jahr danach lau­tet die Bilanz: Eini­ge Fans begeg­nen ihm immer noch mit Arg­wohn, aber fast alle respek­tie­ren sei­ne Arbeit.

(…)

Die Rück­kehr in die Bun­des­li­ga blieb auch des­halb kei­ne Illu­si­on, weil es die neue Füh­rungs­rie­ge ver­stand, wie­der Ruhe in den Ver­ein zu brin­gen.

(…)

Er ist, gemes­sen an den Her­aus­for­de­run­gen des ers­ten Jah­res, eine gute Wahl.

Inter­es­sant: Am Mor­gen wird bekannt, dass Wolf­gang Diet­rich uns nur was von regio­na­len Inves­to­ren erzählt hat, um die Stim­men für die Aus­glie­de­rung zu bekom­men und am Abend schreibt Gun­ter Bar­ner einen Arti­kel, in dem davon kein Ster­bens­wört­chen erwähnt wird, son­dern der Prä­si­dent in den Him­mel gelobt wird?

Natür­lich ist es Gun­ter Bar­ner unbe­nom­men, die­se Mei­nung von Wolf­gang Diet­rich zu haben, und ihn auf eine sol­che Wei­se zu por­trai­tie­ren. Aber es hat schon ein gewis­ses Gschmäck­le, oder nicht?

Down the rabbit hole

Der Ent­wurf für die­sen Bei­trag lag schon eine Wei­le in der Schub­la­de, aber es waren die­se bei­den Arti­kel, die mich dazu brach­ten, ihn wie­der her­vor­zu­ho­len. Denn was am Frei­tag pas­sier­te, war kein Prä­ze­denz­fall. Im Gegen­teil es war nur der fol­ge­rich­ti­ge nächs­te Schritt einer beden­kens­wer­ten Ent­wick­lung im Umgang der Ver­eins­füh­rung des VfB mit Fans und Mit­glie­dern. Das letz­te Mal, als ich die­sen Bei­trag aus der Schub­la­de hol­te, hat­te Micha­el Resch­ke gera­de Kri­ti­ker sei­ner Trans­fers als “Voll­idio­ten” bezeich­net. Aber immer, wenn ich dar­über nach­den­ke, bewe­ge ich mich, wie man im Eng­li­schen sagt, “down the rab­bit hole”. Soll hei­ßen, man gräbt sich in sei­nen Gedan­ken immer tie­fer hin­ein in einen Sach­ver­halt und kommt von einem zum nächs­ten. Dass Micha­el Resch­ke beim VfB ist, hat ja sei­nen Ursprung dar­in, dass Jan Schin­del­mei­ser gefeu­ert wur­de. Das wie­der­um hat etwas mit VfB-Prä­si­dent Wolf­gang Diet­rich zu tun. Aber ist Wolf­gang Diet­rich wirk­lich der Start­punkt die­ser Geschich­te? Denn des­sen Prä­si­dent­schaft ent­stand ja auch nicht aus der dün­nen Luft, son­dern hat eine Vor­ge­schich­te. Eben­so wie die Gescheh­nis­se des ver­gan­ge­nen Frei­tags.

Die­se Vor­ge­schich­te beginnt am 17. Juli 2011 und und hat ihren Ursprung am Ende des rab­bit holes: Beim Auf­sichts­rat und des­sen Mit­glie­dern.

Up the rabbit hole

Denn die­ser Tag, an dem der VfB Stutt­gart 1893 e.V. sei­ne Mit­glie­der­ver­samm­lung abhielt, mar­kiert den Beginn einer Pha­se, in der die Auf­sichts­rats­mit­glie­der die Kon­trol­le über den VfB Stutt­gart ver­lo­ren und die erst knapp fünf Jah­re spä­ter mit dem Abstieg des VfB in die zwei­te Liga im Mai 2016 ende­te. Auf besag­ter Mit­glie­der­ver­samm­lung drück­te der dama­li­ge Auf­sichts­rat unter sei­nem Vor­sit­zen­den Die­ter Hundt als Nach­fol­ger des heu­ti­gen Ehren­prä­si­den­ten Erwin Staudt sein Mit­glied Gerd Mäu­ser als ein­zi­gen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten durch. Und das nicht ohne Neben­ge­räu­sche: Ein Antrag, eine zwei­te Kan­di­da­tur zuzu­las­sen, fand eben­so wenig die not­wen­di­ge Zustim­mung von 75 Pro­zent wie ein Antrag auf Abwahl Hundts. Mäu­ser sel­ber erreich­te nur 58,7 Pro­zent der Stim­men. Immer­hin noch etwa ein Pro­zent­punkt mehr als Wolf­gang Diet­rich. Von da an ging es berg­ab.

Zwei Jah­re spä­ter, nach­dem sich Mäu­ser durch die alber­ne Suche nach einer neu­en Sta­di­on­hym­ne, einem Ver­trag mit dem zwei­fel­haf­ten Ticket­por­tal Viago­go, einer rück­grat­lo­sen Hal­tung gegen­über der Liga im Rah­men des DFL-Maß­nah­men­pa­piers und — dem Ver­neh­men nach — zwi­schen­mensch­li­chen Defi­zi­ten als völ­lig unqua­li­fi­ziert erwie­sen hat­te, trat er schließ­lich Anfang Juni 2013 zurück. Genau­so wie kurz dar­auf sein Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der Die­ter Hundt, der das Amt seit 2002 inne­ge­habt hat­te und sich sei­ner Macht­po­si­ti­on so sicher war, dass er sogar den ewi­gen Ger­hard May­er-Vor­fel­der trotz des dro­hen­den Kol­lap­ses im Jahr 2001 über­leb­te und sich spä­ter anschick­te, nach der Vize­meis­ter­schaft Mana­ger Rolf Rüss­mann zu schas­sen und im Jahr 2006 den spä­te­ren Meis­ter­trai­ner Armin Veh als “Über­gangs­lö­sung” zu bezeich­nen.

Der Aufsichtsrat verliert die Kontrolle

Die­sem Dop­pel­rück­tritt vor­aus­ge­gan­gen waren mas­si­ve Pro­tes­te aus der Cannstat­ter Kur­ve gegen bei­de. Und es kam einer Palast­re­vo­lu­ti­on gleich. Schließ­lich war der letz­te Prä­si­dent, der sei­nen Pos­ten unge­wollt ver­lor, Ger­hard May­er-Vor­fel­der gewe­sen. Die­ser war von Hundts Vor­gän­ger Heinz Band­ke abge­sägt wor­den. Und nun tra­ten gleich die bei­den wich­tigs­ten Män­ner im Ver­ein, näm­lich Prä­si­dent und Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der, bin­nen weni­ger Tage zurück.

Hundts Nach­fol­ger wur­de Joa­chim Schmidt, für den es auf der nächs­ten Mit­glie­der­ver­samm­lung im glei­chen Jahr noch gut lief. Im Glau­ben, es wür­de alles bes­ser, stimm­ten 97,4 Pro­zent für Bernd Wahl­er und ent­las­te­ten den Auf­sichts­rat, mit Aus­nah­me von Die­ter Hundt, für das Jahr 2012. Außer­dem fand in die­sem Jahr die mona­te­lan­ge Kam­pa­gne der akti­ven Fan­sze­ne, das alte VfB-Wap­pen wie­der ein­zu­füh­ren, end­lich Umset­zung. Der Frie­den soll­te aber nicht von lan­ger Dau­er sein. In der dar­auf fol­gen­den Mit­glie­der­ver­samm­lung 2014 wur­de der Auf­sichts­rat neu gewählt und bestand fort­an aus Joa­chim Schmidt als Vor­sit­zen­dem, Edu­ar­do Gar­cia als sei­nem Stell­ver­tre­ter, Han­si Mül­ler, Hart­mut Jen­ner, Wil­fried Porth und Mar­tin Schä­fer.

Mai 2016: Ground Zero

Spu­len wir kurz zwei Jah­re vor — von die­sen sechs Auf­sichts­rä­ten sind nur noch drei im Amt. Schmidt und Gar­cia tra­ten kurz nach der Mit­glie­der­ver­samm­lung 2015 zurück, als dem von ihnen geführ­ten Auf­sichts­rat nur 28 Pro­zent der Mit­glie­der die Ent­las­tung geneh­mi­gen woll­ten. Bereits im Mai des glei­chen Jah­res war Han­si Mül­ler zurück getre­ten, nach­dem er es sei­nes Egos unan­ge­mes­sen fand, sein Insi­der­wis­sen über die Ver­pflich­tung von Alex­an­der Zor­ni­ger als neu­en VfB-Trai­ner nicht aus­zu­plau­dern, obwohl Huub Ste­vens zu die­sem Zeit­punkt noch im Amt war und mit der Mann­schaft mit­ten in einem aus­sichts­los erschei­nen­den Abstiegs­kampf steck­te.

Wir befin­den uns jetzt also im Mai 2016 und in den Gre­mi­en des VfB herrscht gäh­nen­de Lee­re. Der Vor­stand besteht nur noch aus Finanz­vor­stand Ste­fan Heim und Mar­ke­ting­vor­stand Jochen Rött­ger­mann, nach­dem Bernd Wahl­er und Robin Dutt aus dem Abstieg per­sön­li­che Kon­se­quen­zen gezo­gen hat­ten. Im Auf­sichts­rat saßen unter dem Vor­sitz von Mar­tin Schä­fer nur noch die eben genann­ten Wil­fried Porth und Hart­mut Jen­ner. Und der Ver­ein stand vor der Her­aus­for­de­rung, einen Prä­si­den­ten, einen Trai­ner, einen Sport­vor­stand und eine auf­stiegs­taug­li­che Mann­schaft zu fin­den.

Gschmäckle-Journalismus

Wann genau Gun­ter Bar­ner, Sport­re­dak­teur bei den Stutt­gar­ter Nach­rich­ten, es sich zur Auf­ga­be gemacht hat, den Auf­sichts­rat und die Ver­eins­füh­rung des VfB mit vol­ler publi­zis­ti­scher Kraft zu unter­stüt­zen und beschloss, jeg­li­che gebo­te­ne kri­ti­sche jour­na­lis­ti­sche Distanz zum Objekt sei­ner Bericht­erstat­tung zum Fens­ter raus zu wer­fen, ist mir nicht ganz klar. Denn bereits 2011, vor der Wahl Gerd Mäu­sers, trat er im Gespräch mit Die­ter Hundt in inzwi­schen wohl­be­kann­ter Manier mehr als Stich­wort­ge­ber, denn als kri­ti­scher Inter­view­er auf:

Bar­ner: Selbst ernann­te Kan­di­da­ten haben einen Wahl­kampf insze­niert, der vor allem eines zum Ziel hat: den vom Auf­sichts­rat gemäß Sat­zung benann­ten Bewer­ber Gerd E. Mäu­ser zu ver­hin­dern.

Hundt: Ja, und das bedaue­re ich sehr. Die­se Irri­ta­tio­nen scha­den dem VfB gewal­tig. Des­halb bin ich froh, dass am nächs­ten Sonn­tag die Mit­glie­der­ver­samm­lung ent­schei­det …

Bar­ner: … und danach womög­lich das gro­ße Cha­os aus­bricht.

Hundt: Nein, um Him­mels wil­len. Es muss schnellst­mög­lich wie­der Ruhe ein­keh­ren, die der VfB braucht, um sich unge­stört auf die nächs­te Sai­son vor­be­rei­ten zu kön­nen.

Quel­le: Stutt­gar­ter Nach­rich­ten vom 9. Juli 2011

Kommt einem alles so bekannt vor, oder? Sehr lesens­wert dazu übri­gens dazu der Kom­men­tar von Heinz Kam­ke damals. Es hat, man kann es nicht anders nen­nen: Ein Gschmäck­le. Weni­ger gut war offen­sicht­lich der Draht zu Gerd Mäu­ser, den Bar­ner im März 2013 “nach Infor­ma­tio­nen unse­rer Zei­tung” anzähl­te. Selbst­re­dend ver­liert er hier kein schlech­tes Wort über den­je­ni­gen, von dem die Infor­ma­tio­nen wahr­schein­lich stamm­ten und der die geball­te Inkom­pe­tenz, die Bar­ner in sei­nem Arti­kel seziert, über­haupt erst zum Prä­si­den­ten­amt ver­hol­fen hat.

Auch über Joa­chim Schmidt und Bernd Wahl­er sind auf den ers­ten Blick kei­ne gefäl­li­gen Arti­kel oder unkri­ti­sche Inter­views zu fin­den. Wenig über­ra­schend, denn als Auf­sichts­rats­chef und VfB-Prä­si­dent hat­te man zwi­schen 2013 und 2016 nur wenig zu lachen und war­um auf ein lah­mes Pferd set­zen?

Wer erfand die Ausgliederung?

Auch nicht ganz klar ist mir, wes­sen Idee die Aus­glie­de­rung eigent­lich war. Auf jeden Fall nahm es Bernd Wahl­er auf sich, als ers­ter VfB-Prä­si­dent die­sen Plan den Mit­glie­dern des Ver­eins schmack­haft zu machen. Wir erin­nern uns: Mäu­ser und Hundt tra­ten zurück, Nach­fol­ger wur­den Wahl­er und: Joa­chim Schmidt, Ver­tre­ter der Daim­ler AG im Auf­sichts­rat. Erst­mals wird die Aus­glie­de­rung bei der Mit­glie­der­ver­samm­lung 2014 erwähnt, in der Fol­ge ver­an­stal­te­te der VfB unter der Regie von Rai­ner Mutsch­ler eine Rei­he von Regio­nal­ver­samm­lun­gen und Work­shops, in denen Mit­glie­der, mehr oder min­der auf Augen­hö­he, mit Ver­eins­ver­tre­tern dis­ku­tie­ren konn­ten. Natür­lich war schon damals das Fern­ziel klar erkenn­bar, auf dem Wege der Mit­glie­der­be­tei­li­gung den Mit­glie­dern die Aus­glie­de­rung schmack­haft zu machen. Aber immer­hin: Man konn­te sich mit Ver­eins­mit­ar­bei­tern und ‑funk­tio­nä­ren in einen Stuhl­kreis set­zen. Von Bar­ner las man zu die­sem The­ma erstaun­lich wenig. Statt­des­sen tat sich Kol­le­ge Tho­mas Haid von der Stutt­gar­ter Zei­tung her­vor, der die Aus­glie­de­rungs­plä­ne bei jeder Gele­gen­heit in höchs­ten Tönen lob­te. Dann kam der Abstieg und Bernd Wahl­er war weg.

Wir befin­den uns also wie­der im Jahr 2016, der VfB ist in die zwei­te Bun­des­li­ga abge­stie­gen, die Ver­eins­füh­rung ist auf Rumpf­for­ma­ti­on zusam­men­ge­schrumpft und die Aus­glie­de­rung auf Eis gelegt. Dem Auf­sichts­rat, der — wir erin­nern uns — aus Schä­fer, Porth und Jen­ner bestand, konn­te also qua­si gar nicht anders, als die Zügel in die Hand zu neh­men. Gemäß des Leit­spruchs “Beson­de­re Zei­ten erfor­dern beson­de­re Maß­nah­men” soll­ten ihnen dabei nicht, wie in den ver­gan­ge­nen fünf Jah­ren, kri­ti­sche Fans und Mit­glie­der auf der Nase her­um­tan­zen. Es galt, den Ein­fluss des Auf­sichts­ra­tes wie­der zu stär­ken und das Pro­jekt end­lich umzu­set­zen, an dem Schmidt und Wahl­er geschei­tert waren: Die Aus­glie­de­rung. Von nun an ste­ter publi­zis­ti­scher Beglei­ter: Gun­ter Bar­ner.

Als die VfB-Mit­glie­der sich am 1. Juni die­ses Jah­res dazu ent­schlos­sen, ihre Pro­fi­fuß­bal­ler in eine AG aus­zu­glie­dern, über­schrieb ich mei­nen Rück­blick auf die außer­or­dent­li­che Mit­glie­der­ver­samm­lung mit “The times, they are a chan­gin’ “. Welch ein Irr­tum. Die Zei­ten­wen­de kam bereits in den Wir­ren des Abstiegs 2016. Denn seit­her gibt es beim VfB kei­ne Ver­an­stal­tun­gen auf Augen­hö­he mehr und kei­ne Abstim­mun­gen auf Mit­glie­der­ver­samm­lun­gen oder Spruch­bän­der in der Kur­ve mehr, die Funk­tio­nä­re zu Fall brin­gen kön­nen.

Dass Rest-Auf­sichts­rat und Rest-Vor­stand nie­man­dem damit einen Gefal­len getan haben, erst Jos Luhuk­ay als Trai­ner und dann geschla­ge­ne zwei Mona­te spä­ter Jan Schin­del­mei­ser als Sport­vor­stand enga­giert zu haben, wur­de spä­tes­tens mit  Luhuk­ays Rück­tritt kurz nach Sai­son­be­ginn deut­lich. Natür­lich war Han­nes Wolf ein ziem­li­cher Glücks­fall für den Ver­ein, aber der wur­de auch von Jan Schin­del­mei­ser ver­pflich­tet und nicht vom Auf­sichts­rat. Als jener sich dann sei­ner Kern­kom­pe­tenz zuwand­te, näm­lich der Neu­wahl des Prä­si­den­ten wur­de schon deut­lich, in wel­che Rich­tung es gehen soll­te.

Gschmäckle-Kandidat

Mona­te­lang hat­ten die Mit­glie­der zusam­men geses­sen und hat­ten über­legt, wie man den Ver­ein posi­tiv wei­ter­ent­wi­ckeln könn­te. Und dann prä­sen­tier­te der Auf­sichts­rat für die Mit­glie­der­ver­samm­lung im Okto­ber 2016: Nur einen Kan­di­da­ten. Und nicht nur irgend­ei­nen Kan­di­da­ten, son­dern Wolf­gang Diet­rich, der als ehe­ma­li­ger Spre­cher von Stuttgart21 sowie­so schon bei vie­len Men­schen in der Stadt nicht gut gelit­ten war und der mit sei­ner Fir­ma Quat­trex zudem in finan­zi­el­ler Ver­bin­dung mit direk­ten Zweit­li­ga-Kon­kur­ren­ten des VfB wie etwa Uni­on Ber­lin stand. War aber alles kein Pro­blem, denn beim VfB heißt es ja jetzt: Was nicht passt, wird pas­send gemacht. Diet­rich über­gab die Fir­ma voll­stän­dig an sei­nen Sohn und auch die DFL bestä­tig­te schließ­lich die Recht­mä­ßig­keit der Kan­di­da­tur. Was nicht wirk­lich über­rascht, denn eine Liga, die sich von Red Bull, Mar­tin Kind und Volks­wa­gen aufs Kreuz legen lässt, hat mit sowas selbst­ver­ständ­lich auch kein Pro­blem. Aber bereits hier offen­bart sich, beim VfB geht es nicht mehr ohne — ihr ahnt es bereits — ein gewis­ses Gschmäck­le.

Wie? Es gibt immer noch Mit­glie­der, die nicht von Wolf­gang Diet­rich über­zeugt sind und die gar die Auf­sichts­rats­mit­glie­der abwäh­len wol­len? So geht das aber nicht. Flugs schwa­dro­nier­te Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der Mar­tin Schä­fer davon, wer die­sem Antrag auf Abwahl statt­ge­be, wol­le den VfB “in Schutt und Asche legen”, berich­tet Gun­ter Bar­ner am 29. Sep­tem­ber 2016. Am sel­ben Tag erscheint ein wei­te­rer Arti­kel von Bar­ner, der, gäbe es die­se Aus­zeich­nung, bei der Wahl zur “Home­sto­ry des Jah­res” mit Sicher­heit weit vor­ne läge. Der Haupt­dar­stel­ler: Mar­tin Schä­fer. Es ist ein sol­ches Gesamt­kunst­werk, dass man gar nicht dar­aus zitie­ren kann, ohne dabei die eine Lob­hu­de­lei aus dem Kon­text der ande­ren zu rei­ßen. Fazit: Schä­fer hat sich hoch­ge­ar­bei­tet und redet, wie ihm die Gosch gewach­sen ist. Einer von uns. Seit dem Inter­view mit Die­ter Hundt 2011 also nichts ver­lernt.

Die Mit­glie­der­ver­samm­lung rück­te näher und immer noch gab der auf­müp­fi­ge Pöbel kei­ne Ruhe. Also müs­sen schär­fe­re Geschüt­ze auf­ge­fah­ren wer­den. Ob Bar­ner Schä­fer einen Gefal­len tun woll­te, oder ob die­ser ihn im Zuge der Home­sto­ry um einen sol­chen bat, kann nur spe­ku­liert wer­den. Auf jeden Fall rief Bar­ner ihn am 6. Okto­ber aus den…Tag der Abrech­nung! Und er rech­ne­te ab, mit jenen, die es wag­ten, Kri­tik am Auf­sichts­rat und des­sen Wunsch­kan­di­da­ten zu üben:

Seit Wochen laden die Vor­män­ner des Wider­stands ihre Geschüt­ze vor­zugs­wei­se in den sozia­len Netz­wer­ken, um ihr Ver­ständ­nis vom Neu­be­ginn einem brei­ten Publi­kum ein­zu­b­läu­en: erst ein­mal alles zer­stö­ren.

(…)

Gift­pfei­le, gern auch unter die Gür­tel­li­nie, feu­ern die Hecken­schüt­zen auch des­halb gegen die Chef­kon­trol­leu­re, weil sie statt zwei – wie laut Sat­zung erlaubt – nur einen Kan­di­da­ten für das Prä­si­den­ten­amt ins Ren­nen schi­cken. Zwar beteu­ert Mar­tin Schä­fer, „dass wir aus­führ­lich mit 13 Kan­di­da­ten gespro­chen und uns dann ein­deu­tig nur für den einen ent­schie­den haben“, in den Ohren der Oppo­si­ti­on klingt das aber so glaub­haft wie eine Mär aus dem Fun­dus von Münch­hau­sen.

(…)

Beseelt von der roman­ti­schen Vor­stel­lung, dass die Post­kut­schen schon wie­der fah­ren wer­den, wenn sie man es nur lan­ge genug for­dern, wüten Tei­le der Ultra-Sze­ne um Com­man­do Cannstatt gegen alles, was nach Kom­merz riecht, genie­ßen im Sta­di­on aber die Vor­zü­ge der Moder­ne und fei­ern neben­bei ihre ganz eige­ne Par­ty: Mit preis­güns­ti­gen Tickets – und wenn es sein muss auch mit Pyros, Kra­wall-Ein­la­gen und schmä­hen­den Inter­net-Posts, die Ver­let­zun­gen der Anstands­re­geln als tak­ti­sches Foul tole­rie­ren. Da kann es schon mal pas­sie­ren, dass man den Prä­si­dent­schafts-Kan­di­da­ten als „kri­mi­nel­len Voll­idio­ten“ apo­stro­phiert. Und die Spon­so­ren-Ver­tre­ter im Auf­sichts­rat aus der Cannstat­ter Kur­ve der unsport­li­che Rat­schlag ereilt: „Ver­pisst euch!“

Die Gschmäck­le-Drei­er­ket­te Bar­ner-Schä­fer-Diet­rich stand also sta­bil.

Und kam am Ende zum gewünsch­ten Ergeb­nis: Diet­rich wur­de gewählt, auch wenn er dabei noch schlech­ter abschnitt als sei­ner­zeit Gerd Mäu­ser, der Auf­sichts­rat blieb im Amt, ein­zig die vor­ge­schla­ge­nen Sat­zungs­än­de­run­gen fan­den kei­ne Mehr­heit. Aber gar kein Pro­blem, denn Abwehr­chef Diet­rich ging direkt nach der Wahl in die Offen­si­ve und unter­stell­te den Mit­glie­dern auf der anschlie­ßen­den Pres­se­kon­fe­renz, sich gegen die Stär­kung der eige­nen Rech­te ent­schie­den zu haben. Und unter­schlug dabei, dass die­se gar nicht die Mög­lich­keit hat­ten, über ein­zel­ne Sat­zungs­än­de­run­gen sepa­rat abzu­stim­men.  Man konn­te nicht anders, als ent­we­der alle Ände­run­gen, gute wie schlech­te, anzu­neh­men oder abzu­leh­nen. Es bedarf schon eini­ger Chuz­pe, so offen­sicht­lich die Tat­sa­chen zu ver­dre­hen und die Mit­glie­der so vor den Kopf zu sto­ßen. Aber es stand im Ein­klang mit der neu­en Innen­po­li­tik des VfB: Erst­mal von oben her­ab drauf­hau­en.

Frontalunterricht statt Stuhlkreis

Auch abseits der Mit­glie­der­ver­samm­lung änder­te sich die Her­an­ge­hens­wei­se. Statt Work­shops gab es jetzt “VfB im Dia­log”. Fron­tal­un­ter­richt statt Stuhl­kreis. Mode­riert und orga­ni­siert nicht mehr von Rai­ner Mutsch­ler, son­dern von einem Mode­ra­tor VfB-Freun­des­kreis-Mit­glied Klaus-Die­ter Feld, der sei­ne Gesprächs­part­ner aus Vor­stand und Auf­sichts­rat durch­ge­hend duz­te und alles in allem nicht den Ein­druck ver­mit­tel­te, eine unab­hän­gi­ge Instanz zwi­schen Ver­eins­füh­rung und Mit­glie­dern zu sein. Es scha­de­te dabei sicher­lich nicht, dass natür­lich die Zeit begrenzt war und dass vie­le Fans und Mit­glie­der die Gele­gen­heit, die VfB-Funk­tio­nä­re auf der Büh­ne direkt adres­sie­ren zu kön­nen, dafür nutz­ten, erst­mal ihre gesam­te Fan­kar­rie­re zu reka­pi­tu­lie­ren, um hin­ter­her Fra­gen zu stel­len, die schon tau­send Mal beant­wor­tet wur­den.

Ziem­lich genau vor einem Jahr war also beim VfB die Ord­nung end­gül­tig wie­der her­ge­stellt. Der Auf­sichts­rat saß fest im Sat­tel, gestützt durch einen Prä­si­den­ten, der dem Kon­troll­organ in domi­nan­tem Geha­be in nichts nach­stand. Von jetzt an soll­te beim VfB wie­der Ver­eins­po­li­tik von oben gemacht wer­den. Schließ­lich galt es noch eine Aus­glie­de­rung durch­zu­brin­gen. Und dafür hat­te der Auf­sichts­rat genau den rich­ti­gen Kan­di­da­ten. Kei­ne weich­ge­spül­ten Stuhl­krei­se wie unter Bar­ner und Mutsch­ler mehr, jetzt hieß es: “Ja zum Erfolg!”.

Auf der flugs ein­ge­rich­te­ten gleich­na­mi­gen Akti­ons-Web­sei­te wur­den Kri­tik an der Aus­glie­de­rung als “Fake” dar­ge­stellt und den Mit­glie­dern ein You­tube-Film auf Löwen­zahn-Niveau prä­sen­tiert. Aus­ein­an­der­set­zung auf Augen­hö­he? Nir­gends zu sehen. Statt­des­sen hieß es “Friss oder stirb”. Haupt­dar­stel­ler Wolf­gang Diet­rich, der erzähl­te, man habe bereits Ver­hand­lun­gen mit der Daim­ler AG geführt, aber mit nie­man­dem sonst, denn dafür feh­le ihm, Zitat “das Man­dat der Mit­glie­der”. Der Kri­ti­ker irgend­wann per­sön­lich angriff, selbst auf der außer­or­dent­li­chen Mit­glie­der­ver­samm­lung noch, anstatt inhalt­lich auf deren Kri­tik ein­zu­ge­hen. Und der sich bei sei­ner Über­zeu­gungs­ar­beit für die Aus­glie­de­rung nicht pri­mär auf die Fähig­kei­ten von Finanz- und Mar­ke­ting­vor­stand stütz­te, son­dern auf die Meri­ten sei­nes Sport­vor­stands: Jan Schin­del­mei­ser.

Gschmäckle-Entlassung

Der sah sich, sechs Wochen nach der erfolg­reich ver­lau­fe­nen Aus­glie­de­rungs-Mit­glie­der­ver­samm­lung, plötz­lich Kri­tik aus­ge­setzt. Der VfB war auf­ge­stie­gen, hat­te zusätz­li­ches Geld zur Ver­fü­gung, und Schin­del­mei­ser kauf­te Spie­ler ein. Es war noch etwa ein Monat bis zum Sai­son­be­ginn und eigent­lich sah alles recht posi­tiv aus. Und dann das: Jan Schin­del­mei­ser sto­ße intern auf Wider­stand, man sei unzu­frie­den mit ihm, berich­te­te Gun­ter Bar­ner Mit­te Juli exklu­siv. Als Schin­del­mei­ser Anfang August tat­säch­lich vor die Tür gesetzt wur­de, hat­te er dann ganz über­ra­schend bereits weni­ge Minu­ten nach Bekannt­ga­be der Beur­lau­bung durch den VfB einen fer­tig aus­ge­schrie­be­nen Kom­men­tar zur Hand und durf­te sogar noch ein Video­in­ter­view dazu geben.

Und wie­der hieß es: Die Drei­er­ket­te stand sicher. Denn zu den Grün­den für die Ent­las­sung Schin­del­mei­sers hat sich Wolf­gang Diet­rich bis heu­te nicht ein­deu­tig geäu­ßert. Wozu auch, der Hase läuft ja jetzt anders beim VfB. Muss­te er zudem gar nicht, denn das konn­te man ja bei Gun­ter Bar­ner nach­le­sen: Zu vie­le Allein­gän­ge bei Trans­fers, zu gro­ße Nähe zum Bru­der von Andre­as Beck, zu wenig mensch­li­che Nähe. Was für eine Posi­ti­on! Bar­ner konn­te jetzt nicht mehr nur Men­schen in Ämter hin­ein­schrei­ben oder ihnen Rücken­de­ckung ver­schaf­fen, um ihre Ämter zu behal­ten. Nein, jetzt konn­te er schein­bar sogar Leu­te aus Funk­tio­nen her­aus schrei­ben. Dass die von ihm gestreu­ten Kri­tik­punk­te an Schin­del­mei­ser samt und son­ders Käse waren, offen­bar­te schon die Tat­sa­che, dass Diet­rich nichts von Kri­tik an Schin­del­mei­sers Trans­fers wis­sen woll­te. Vom gro­ßen Andrang bei des­sen Ver­ab­schie­dung ganz zu schwei­gen. Dass Schin­del­mei­sers Nach­fol­ger dann aus­ge­rech­net Andre­as Beck ver­pflich­te­te, der selbst­ver­ständ­lich von sei­nem Bru­der bera­ten wird, ver­lieh Bar­ners Bull­shit-Sto­ry eine beson­ders absur­de Note. Wenn man dann noch erfährt, dass Resch­ke bereits vor der Asi­en­rei­se des FC Bay­ern um die Auf­lö­sung sei­nes Ver­trags bat, wird das Gschmäck­le nicht nur unüber­seh­bar, son­dern bekommt eine bit­te­re Note.

Denn wie bereits erwähnt, war Jan Schin­del­mei­ser ein nicht unwe­sent­li­cher Fak­tor, um die VfB-Mit­glie­der von den Vor­zü­gen einer Aus­glie­de­rung zu über­zeu­gen. Es waren sei­ne in der zwei­ten Liga getä­tig­ten Trans­fers, auf denen das Ver­trau­en vie­ler Mit­glie­der basier­te, dass nun der Zeit­punkt gekom­men sein, zu dem man dem VfB end­lich wie­der eine grö­ße­re Sum­me Geld anver­trau­en konn­te. Ohne Angst zu haben, dass er die­se genau­so in den Wind schießt wie sei­ner­zeit die Erlö­se aus den Trans­fers von Hleb und Gomez. Schin­del­mei­sers Ent­las­sung hat­te aber am Ende nichts mit sei­nen Trans­fers oder dem Bru­der von Andre­as Beck zu tun. Er wur­de mit­ten in der Sai­son­vor­be­rei­tung ent­las­sen, weil er offen­bar nicht mit dem Ego sei­nes Prä­si­den­ten kom­pa­ti­bel war und die­ser für ihn nach erfolg­ter Aus­glie­de­rung (und Ablauf der Ein­spruchs­frist) auch kei­ne Ver­wen­dung mehr hat­te. Wie auch zwei Mona­te spä­ter galt schon Anfang August: “Was stört mich mein Geschwätz von vor der Aus­glie­de­rung?” Man gewinnt den Ein­druck, Wolf­gang Diet­richs Ent­schei­dung sei nicht zum Woh­le des VfB Stutt­gart gesche­hen, son­dern zum Woh­le sei­nes Egos.

Le Club, c’est moi

Die­ses erhielt direkt im Anschluss einen wei­te­ren Schub, denn als Nach­fol­ger prä­sen­tier­te er Micha­el Resch­ke, der sich als Kader­pla­ner und Trans­fer­spe­zia­list in Lever­ku­sen und Mün­chen einen Namen gemacht hat­te. Und der bei sei­ner Vor­stel­lung fast mehr über den FC Bay­ern rede­te, als über sei­nen neu­en Arbeit­ge­ber. End­lich wur­den die Bay­ern und der VfB wie­der in einem Atem­zug genannt. Der VfB war wie­der wer und mit ihm Wolf­gang Diet­rich, auch wenn man damit sport­lich noch nicht zu den Münch­nern auf­ge­schlos­sen hat­te. Aber zumin­dest abseits des Plat­zes waren der Prä­si­dent des VfB Stutt­gart und sein guter Freund, der Prä­si­dent des FC Bay­ern, auf Augen­hö­he. Aber nicht nur wegen der Aus­sicht, dass der Glanz des FC Bay­ern nun ein wenig auf den VfB abfär­ben könn­te, war Micha­el Resch­ke der per­fek­te Kan­di­dat für Wolf­gang Diet­rich.

Denn der neue Sport­di­rek­tor ver­in­ner­lich­te schnell die Füh­rungs­phi­lo­so­phie sei­ner Vor­ge­setz­ten. Im bes­ten Sti­le des Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­den und Prä­si­den­ten bezeich­ne­te er jene, die an sei­nen Trans­fers Kri­tik übten, von oben her­ab als “Voll­idio­ten” und ließ die Fan­ge­mein­de außer­dem wis­sen, dass es auf sei­ne Lebens­qua­li­tät kei­nen Ein­fluss habe, wann ein Fuß­ball­spiel ange­pfif­fen wird und ob ein DFB-Pokal­fi­na­le in Asi­en statt­fin­det. Er muss sehr genau zuge­hört haben, als Uli Hoe­neß sei­ner­zeit pol­ter­te: “Für die Scheiß­stim­mung seid ihr doch ver­ant­wort­lich!” Aus der Drei­er­ket­te ist einer Vie­rer­ket­te gewor­den. Ben­ja­min Brumm (Tra­gi­sches Drei­eck) kon­sta­tiert zurecht:

Der neue Sport­chef Micha­el Resch­ke folg­te nun auf eine, wenn man ihn zu ken­nen meint, über­ra­schend unan­ge­neh­me Wei­se dem Ton des Prä­si­den­ten. Der hat­te Kri­ti­ker an der durch­ge­setz­ten Aus­glie­de­rung als Fort­schritts­ver­wei­ge­rer bezeich­net. Pau­schal und ohne Not. Wer mit Argu­men­ten zu über­zeu­gen weiß, muss nie­man­den beschimp­fen oder her­ab­wür­di­gen. Schon gar nicht die, die dem Ver­ein bereits die Stan­ge hiel­ten, lan­ge bevor dort auch nur das Wort Akti­en­ge­sell­schaft zum ers­ten Mal aus­ge­spro­chen wur­de. Die­se Wort­wahl wirkt über­heb­lich, abge­ho­ben und ist Was­ser auf die Müh­len der Has­ser des Sys­tems Pro­fi­fuß­ball.

Geschmackvoll ist anders

Und damit kom­men wir wie­der zum Aus­gangs­punkt, dem ver­gan­ge­nen Frei­tag. Es hieß ja 2016, ein Abstieg wür­de dem VfB viel­leicht ein­mal gut tun. Ich habe damals nicht dar­an geglaubt und ich glau­be auch heu­te nicht dar­an. Der Abstieg hat den Ver­ein eine Men­ge Geld gekos­tet und ihm eine Ver­eins­füh­rung beschert, der Ver­eins­mit­glie­der und Fans ent­we­der nütz­lich oder läs­tig sind. Eine Ver­eins­füh­rung, die sich schein­bar auch nicht davor scheut, über einen Jour­na­lis­ten die Stim­mung in Öffent­lich­keit und Ver­ein in die für sie rich­ti­ge Rich­tung zu len­ken. An den Fans vor­bei, wie erneut Ben­ja­min es heu­te geschrie­ben hat.

Beim VfB geht es seit Mai 2016 nicht mehr ohne Gschmäck­le. Ich möch­te gar nicht wis­sen, was uns in den kom­men­den Mona­ten und Jah­ren noch ins Haus steht. Geschmack­voll wird es auf jeden Fall nicht.

Bild: “Star Des­troy­er Bridge — The Empire Strikes Back” von flickr/Pixelpiper unter CC BY-NC-SA 2.0

3 Gedanken zu „Das Gschmäckle schlägt zurück“

  1. Wow das ist schon ein star­kes Stück und in sich lei­der über­haupt nicht plau­si­bel, da ganz vie­le The­men durch­mischt wer­den und die­se Unter­stel­lun­gen der Gefäl­lig­keits­pres­se rela­tiv pein­lich sind.

    Ich möch­te drei Din­ge her­vor­he­ben:

    1. Wenn du glaubst, dass die Wahl von Schmidt, Diet­rich oder auch das Ja zur Aus­glie­de­rung letzt­end­lich nur durch Arti­kel und Inter­views von Herrn Bar­ner zustan­de kom­men dann schmei­chelst du ihm gewal­tig, über­schätzt die (ver­meint­li­che) Macht der (Lügen-)Presse aber maß­los.
    Dass die Her­ren Bar­ner und Co. pro Aus­glie­de­rung waren mag vllt auch nur dar­an lie­gen, dass sie als reflex­tier­te VfB-Fans der Mei­nung waren (die kann man tei­len oder auch nicht), dass die Aus­glie­de­rung für den Ver­ein sport­lich über­le­bens­wich­tig ist? Aber nein, bestimmt spen­diert ihnen Wol­le Diet­rich vier Wochen Mau­ri­ti­us im Jahr.

    2. Zitat: “Dass die von ihm gestreu­ten Kri­tik­punk­te an Schin­del­mei­ser samt und son­ders Käse waren, offen­bar­te schon die Tat­sa­che, dass Diet­rich nichts von Kri­tik an Schin­del­mei­sers Trans­fers wis­sen woll­te”
    Das genaue Gegen­teil ist rich­tig. Da kannst du jeden Mit­ar­bei­ter im Ver­ein fra­gen. Dass Diet­rich sich nicht öffent­lich hin­stellt und Schin­del­mei­ser noch ein­mal dis­kre­di­tiert war eine Fra­ge des Stils. Das kann man ihm weiß Gott nicht vor­wer­fen.

    3. Einen ganz wich­ti­gen und guten Punkt machst du, und das ist so scha­de, dass er durch die gan­zen ande­ren komi­schen Unter­stel­lun­gen und Ver­schwö­rungs­theo­rien ziem­lich unter geht: Das The­ma mit dem Fond als Inves­tor. Hier hät­te ich mir eine schö­ne Aus­ein­an­der­set­zung damit gewünscht, war­um wir das nicht wol­len, wie­so es dem VfB scha­det und war­um Diet­rich hier Wort­bruch begeht.
    Aber statt­des­sen schreibst du lie­ber dar­über, dass Bar­ner von Diet­rich (wie auch immer) geschmiert ist: Zitat: “Eine Ver­eins­füh­rung, die sich schein­bar auch nicht davor scheut, über einen Jour­na­lis­ten die Stim­mung in Öffent­lich­keit und Ver­ein in die für sie rich­ti­ge Rich­tung zu len­ken” Lügen­pres­se! Lügen­pres­se! Lügen­pres­se! Ernst­haft?

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    • Hal­lo Chris­ti­an,

      ger­ne gehe ich auf die drei von dir her­vor­ge­ho­be­nen Punk­te ein. Was ich da sonst durch­mischt haben soll und was sonst noch unplau­si­bel sein soll, müss­test Du mir dann noch­mal erläu­tern.

      1. Ich habe nir­gends geschrie­ben, dass die Wahl der genann­ten Her­ren und die Aus­glie­de­rung NUR durch die Arti­kel von Gun­ter Bar­ner zustan­de gekom­men sind. Zur Aus­glie­de­rung sel­ber hat Bar­ner auch gar nicht mal so viel geschrie­ben, da hat sich eher Tho­mas Haid her­vor­ge­tan (da auch die Bit­te an Dich, das nicht durch­ein­an­der zu schmei­ßen). Es ist ja auch nicht ver­bo­ten, dass Gun­ter Bar­ner aus­schließ­lich posi­tiv über Wolf­gang Diet­rich und den Auf­sichts­rat des VfB berich­tet. Aber es hat, wie ich es im Arti­kel mehr­fach gesagt habe, ein unschö­nes Geschmäck­le, wenn immer der glei­che Jour­na­list völ­lig unkri­ti­sche Arti­kel ver­fasst, und sich ein­sei­tig auf die Sei­te des Objekts sei­ner Bericht­erstat­tung stellt. Und das war nicht nur ein­mal so, son­dern ist seit Jah­ren so. Und zwar nicht erst seit ges­tern, son­dern bereits seit 2011. Im übri­gen liegt es mir völ­lig fern, “Lügen­pres­se” zu schrei­en. Es muss aber mög­lich sein, ein­zel­ne Jour­na­lis­ten für ihre Arbeit zu kri­ti­sie­ren, ohne dass einem gleich vor­ge­wor­fen wird, man hole die Lügen­pres­se-Keu­le raus. Die Redak­teu­re der Stutt­gar­ter Zei­tung und der Stutt­gar­ter Nach­rich­ten machen größ­ten­teils sehr gute Arbeit, eini­ge ken­ne ich auch per­sön­lich. Was mir gegen den Strich geht, ist die ein­sei­ti­ge Bericht­erstat­tung Bar­ners und, und damit kom­men wir zu

      2. ..die Bericht­erstat­tung im Fall Schin­del­mei­ser. Sor­ry, aber das geht schon mit der Unter­stel­lung los, Schin­del­mei­ser habe eine zu gro­ße Nähe zu Andi Becks Bru­der Arthur Beck. Der hat­te zum Zeit­punkt des Arti­kels zwei Spie­ler beim VfB unter Ver­trag: Gals­tyan und Ses­sa von der zwei­ten Mann­schaft (https://www.transfermarkt.de/aka-global-gmbh/beraterfirma/berater/1956). Ste­ven Skrzyb­ski hin­ge­gen, auch ein Kli­ent Becks, lehn­te sogar einen Wech­sel zum VfB (aus der zwei­ten Liga von Uni­on) ab. Iro­ni­scher­wei­se wird dann der drit­te Beck-Spie­ler im Ver­ein von Schin­del­mei­sers-Nach­fol­ger ver­pflich­tet: Andre­as Beck.

      Zu den Trans­fers. Zitat Diet­rich aus der StZ:

      „Es gab kei­ne ein­zi­ge Ver­pflich­tung, hin­ter der ich nicht voll und ganz ste­he.“ Wohl war dem 68-Jäh­ri­gen das Augen­merk sei­nes ehe­ma­li­gen Sport­vor­stands zu sehr auf jun­ge Spie­ler aus­ge­legt: „Wir wol­len das eine tun, ohne das ande­re zu las­sen“, sagt Diet­rich, „wir brau­chen bei­des – Erfah­rung und Ent­wick­lungs­po­ten­zi­al.“

      Und des­we­gen ent­lässt man den Sport­di­rek­tor einen Monat vor Ende des Trans­fer­fens­ters, am Tag, an dem Hol­ger Bad­s­tu­ber, die per­so­ni­fi­zier­te Erfah­rung einen Ver­trag beim VfB unter­schreibt? Und holt einen Nach­fol­ger, der Den­nis Aogo aus der Arbeits­lo­sig­keit holt? Und nein, ich kann nicht jeden Mit­ar­bei­ter fra­gen. Aber ich kann lesen, dass bei Schin­del­mei­sers Ver­ab­schie­dung sehr vie­le Leu­te anwe­send waren. Diet­rich brauch­te ihn nicht zu dis­kre­di­tie­ren. Das geschah bereits durch den hane­bü­che­nen Arti­kel von Gun­ter Bar­ner. Was meinst Du denn, woher er die­se Infor­ma­tio­nen hat?

      3. The­ma Fonds: Diet­rich ist ja nicht blöd, dass habe ich ihm nie unter­stellt. Natür­lich hat er ein sol­ches Invest­ment nie aus­ge­schlos­sen. Aber gewor­ben wur­de in die­sem Film­chen damit für die Aus­glie­de­rung, dass man sei­ne Inves­to­ren vor Ort sucht. Jetzt ist die­se Regio­na­li­tät nur noch zweit­ran­gig. Ist das nicht offen­sicht­lich genug? Viel­leicht kommt auch gar kein Fond und Diet­rich prä­sen­tiert im Som­mer Würth und Kär­cher als Inves­to­ren. Aber glaubst Du, er hat das ein­fach nur so gesagt und nicht, um sich eben­die­se Hin­ter­tür offen zu hal­ten? Ich fin­de, der Satz am Ende steht nicht im Gegen­satz dazu.Es ist ja nicht nur Diet­rich. Wie kommt denn ein Gun­ter Bar­ner dazu, kurz vor der Mit­glie­der­ver­samm­lung ein sol­ches Por­trait über den unter Beschuss ste­hen­den Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­den zu schrei­ben und danach einen Arti­kel (kei­nen Kom­men­tar!) zu ver­fas­sen, in dem er dem Auf­sichts­rat noch publi­zis­ti­schen Feu­er­schutz gibt. Da muss man doch auch als Redak­ti­on irgend­wann mal sagen: “So Gun­ter, jetzt reicht es”. Oder am ver­gan­ge­nen Frei­tag: Mor­gens kommt die Nach­richt mit dem Fond und abends erscheint ein ziem­lich unkri­ti­scher Arti­kel über Diet­rich, in dem die gan­ze Sache mit kei­nem ein­zi­gen Wort erwähnt wird. Und auch sonst bis­her nicht? Du sagst ja sel­ber, dass das ein guter Punkt ist.

      Natür­lich ist da kein Geld geflos­sen oder so. Aber im Fal­le des Schin­del­mei­ser-Arti­kels liegt die Ver­mu­tung nahe, dass da gezielt Infor­ma­tio­nen an Bar­ner gestreut wur­den, um Schin­del­mei­sers Stuhl schon mal anzu­sä­gen. Wie­so soll­te das vor einer Mit­glie­der­ver­samm­lung nicht ähn­lich lau­fen. Man kennt und schätzt sich. 😉 Es ist natür­lich nur eine Mut­ma­ßung, aber mir erscheint sie ange­sichts der Fül­le der unkri­ti­schen Arti­kel als plau­si­bel. Wie gesagt, es geht mir hier nicht um StZ und StN im All­ge­mei­nen, son­dern ledig­lich um die­se Per­son, die Jour­na­lis­mus mit Geschmäck­le betreibt.

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  2. Was für eine Chro­no­lo­gie, die allen klar machen müss­te, wel­chen fata­len Feh­ler so vie­le Mit­glie­der mit ihrem JA zum See­len­ver­kauf begin­gen.

    Wann das ers­te Mal die Aus­glie­de­rung the­ma­ti­siert wur­de, kann ich sagen. Vor und auf der leg­n­dä­ren MV von der Mäu­ser Wahl.
    Damals nutz­ten der Prä­si und Ruf, natür­lich auch Mäu­ser, das Ansin­nen von Role­der, der die­se für die Zukunft in Aus­sicht stell­te, als ein nogo für den Ver­ein für die Wahl­kam­pa­gne, die ihren Höhe­punkt auf der MV fan­den.

    Sie sag­ten damals, mit uns nicht. Sie hat­ten recht, sie waren am Trau­er­tag in kei­ner ver­ant­wort­li­chen Posi­ti­on mehr in Amt und Wür­den. Rest ist bekannt.

    Wel­che Rol­le Bar­ner spielt, hät­te dem Letz­ten bewusst wer­den müs­sen, als der Blog­ger C. Prechtl (by the way) ent­hüll­te, wel­cher Pos­ten für Bar­ner unter Diet­rich eigent­lich zuge­sagt war. Natür­lich war das nach der Ent­hül­lung nicht mehr mög­lich. Der Ver­ban­de­lung zwi­schen den Bei­den tat das wohl kei­nen Abbruch. Wahr­schein­lich ist Diet­rich dem Bar­ner noch was schul­dig. Daher auch die­se Arti­kel von ihm. Die an Offen­sicht­lich­keit kei­ne Fra­ge mehr offen las­sen dürf­ten.

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