In Leverkusen verliert der VfB mit 0:2. Völlig verdient, denn auch in diesem Spiel wuchs mal wieder niemand über sich hinaus.
Um der Chronistenpflicht nachzukommen, habe ich mir das komplette Auswärtsspiel in Leverkusen nochmal bei VfBtv im Re-Live gegeben. Warum? Das weiß ich auch nicht so richtig, denn der Eindruck, den mir der Liveticker, auf den ich am Freitagabend dank TV-Vertrag und Zugverbindung angewiesen war, vermittelte, täuschte nicht: Der VfB spielte irgendwie ganz gut mit, um das Spiel dann am Ende doch zu verlieren und auch nach dem 12. Spieltag dieser Saison den letzten Tabellenplatz zu belegen. Mit acht Punkten, einem Torverhältnis von 8:26, also einer Differenz von ‑18. Der schlechtesten Tordifferenz, die wir je an einem 12. Bundesliga-Spieltag hatten, Mit den zweitmeisten Gegentoren und den zweitwenigsten Punkten in der Bundesliga-Geschichte zu diesem Zeitpunkt der Saison. Ihr ahnt es, Platz 1 in diesen beiden Kategorien belegen die Abstiegsspielzeiten 1974/75 und 2015/16. Im Negativrekorde brechen sind wir also derzeit ziemlich spitze.
Nicht bitter sondern verdient
Das war es aber auch schon mit Höchstleistungen. Beim Tabellendreizehnten präsentierten sich die Brustringträger mal wieder als das personifizierte Mittelmaß. Viele Leverkusener Chancen konnten einerseits geklärt oder verhindert werden. Andererseits reichte mehr als einmal nur ein steiler Pass in den Strafraum und nur die Ineffizienz von Vollandt und Co. bewahrten uns vor einem Rückstand. Einerseits gewann der VfB am Freitagabend 57 Prozent der Zweikämpfe und hatte neun Ecken. Andererseits wurde kaum einer dieser gewonnenen Zweikämpfe in Strafraumnähe geführt und die Eckstöße waren samt und sonders harmlos. Und nein. Christian Gentners Kopfball ans Außennetz war keine Großchance, ebenso wenig wie der Alibi-Kopfball von Mario Gomez. Einerseits hat der VfB-Pech, dass er in der ersten Minute im VAR-Roulette leer ausging, andererseits hat er Glück, dass die Dummheit von Emiliano Insua, der den alten “Kopfball mit der Hand vortäuschen”-Trick so tölpelhaft, wie man es selten sieht, vorführte, noch gerade so außerhalb des Strafraums stattfand.
Ich will noch gar nicht mal so sehr auf die kollektive Tiefschlafphase vor dem 1:0 eingehen. Wenn der Ball da nicht reingegangen wäre, dann wäre es halt bei einer der anderen Großchancen der Gastgeber passiert. Jetzt wird nach dem Spiel so getan, als könnte man das Ergebnis mit dem Lieblingswort aller VfBullshit-Bingo-Spieler zusammenfassen: Bitter! Bitter hieße, dass der VfB drauf und dran war, in Leverkusen ein Tor und damit, so wie wir es uns im Podcast erhofft hatten, Bayer und Trainer Heiko Herrlich das Leben schwer zu machen. Dass er die wenigen positiven Elemente vom Nürnberg-Spiel mitgenommen und gegen einen wankenden Gegner mal so richtig einen rausgehauen habe! Mal gegen eine individuell besser besser besetzte Mannschaft über sich hinauswachsen, mal so richtig überperformen. Aber das Ergebnis war nicht bitter. Es war verdient. Weil der VfB nicht überperformte, sondern in der im letzten Absatz beschriebenen Mittelmäßigkeit verharrte.
Noch mittelmäßiger als die anderen
Eigentlich habe ich ja nichts gegen Mittelmäßigkeit. Mittelmäßig sein hieße ja, dass wir ein paar Spiele gewinnen — vorzugsweise gegen gleich starke oder schlechtere Mannschaften — und ein paar verlieren — vermutlich gegen Spitzenteams. Das ganze garniert mit ein paar Unentschieden. Es gibt eine Reihe von Mannschaften, deren Saison bisher so verläuft, wobei die Ausschläge variieren. Eigentlich hatte ich mir genau so eine Saison im Mittelmaß gewünscht. Das Problem ist nur: Mit einer mittelmäßigen Leistung gewinnst punktest Du nicht in Leverkusen. Oder gegen Frankfurt, Dortmund, Hoffenheim oder München. Und wenn Du dann nicht mal gegen die direkte Konkurrenz gewinnst, bist Du halt verdient Tabellenletzter. Zugegebenermaßen: Es gibt eine kleine Zahl von Vereinen, die derzeit ähnlich schlecht dastehen, wie der VfB. Aber die hatten zumindest mal ein Spiel dabei, indem man das Gefühl haben konnte, sie wären in der Lage, im Kampf gegen den Abstieg Außergewöhnliches zu leisten.
Nehmen wir mal unsere drei direkten Tabellennachbarn, die alle auch nur zwei Siege auf dem Konto haben. Die Fortuna, mehrere Wochen lang ärgster Konkurrent um Platz 18, hat in den letzten beiden Spielen sieben Tore geschossen, eines weniger als der VfB in 13 Pflichtspielen. Gegen Berlin und München. Der andere Sieg der Düsseldorfer war übrigens ein 2:1 gegen Hoffenheim. Hannover spielt zwar bislang auch eine bescheidene Saison, hat aber immerhin gegen die damals noch starken Bremer und die dauerstarken Dortmunder jeweils Unentschieden gespielt. In Leverkusen stand es übrigens am Ende 2:2, bei wem die 96er als Letztplatzierter den ersten Saisonsieg einfuhren, wisst Ihr vielleicht noch. Nürnberg, derzeit Tabellenfünfzehnter, spielt in der Tat eine ähnlich bescheidene Saison wie der VfB. Sie sind definitiv nicht die Art Aufsteiger, die in der ersten Saison an den Europapokalplätzen kratzt. Aber hey: Sie haben mit Ihren Siegen gegen Düsseldorf und Hannover wenigstens diese beiden Vereine hinter sich gelassen. Der VfB hingegen würgt sich gegen Düsseldorf zu einem 0:0, spielt in Freiburg 3:3, duselt sich gegen Bremen zu einem Heimsieg und gewinnt gegen völlig harmlose Nürnberger. Außergewöhnliche Leistungen sehen anders aus.
(Fast) keiner ist unbezwingbar — außer für uns
Schauen wir uns doch mal die Mannschaften an, gegen die der VfB seine acht Niederlagen kassiert hat. Klammern wir Mainz und Hannover, gegen die der VfB mit einer normalen Performance hätte punkten müssen, aus. Nehmen wir uns stattdessen die Vereine vor, die auf dem Papier spielstärker sind als unsere Mannschaft und die dementsprechend die letzte Saison auch größtenteils auf einem höheren Tabellenplatz als unserem beendet haben. Dass die Bayern eine unterdurchschnittliche Saison spielen und schon bei diversen mittelmäßigen Teams Punkte liegen gelassen haben, hat wohl jeder mitbekommen. Der VfB hingegen ging mit 0:3 sang- und klanglos unter. Leipzig steht zwar auf Platz vier, wurschtelt sich aber auch ziemlich durch die Saison bisher. Gegen den VfB reichte es immerhin zu einem 2:0‑Sieg. Da boten selbst die Mannschaften, die Salzburg-Nord in der Europapokalquali abklappern musste, mehr Gegenwehr. Der BVB — na gut, da kann man diese Saison nicht wirklich Punkte erwarten. Doof nur, dass das niemand dem FCA gesagt hat, der den Tabellenführer bis zur sechsten Minute der Nachspielzeit bei einem Unentschieden hielt — nur eine Woche, bevor wir gegen Dortmund untergingen. Auch der Tabellensechste von der Autobahnraststätte an der A6 ist nicht unbezwingbar, Düsseldorf hat es wie beschrieben bewiesen. Für den VfB schon. Die Eintracht, die fucking Überperformer der Stunde? Glichen gegen Nürnberg erst in der 92. Minute zum 1:1 aus, hatten aber keine Mühe, den VfB zu überrollen. Und schließlich, um den Kreis zu schließen, Leverkusen. Vor dem Spiel standen sie auf Platz 13 und hatten genauso viele Gegentore kassiert wie der VfB. Nur der VfB konnte ihnen keinen einschenken.
Was diese Zusammenstellung verdeutlicht: Sechs der acht Niederlagen waren nicht überraschend, aber die eine oder andere wäre mit einer außergewöhnlichen Leistung vermeidbar gewesen. Aber diese Mannschaft ist zu außergewöhnlichen Leistungen nicht fähig. Warum, das versteht noch keiner so richtig. Aber irgendwie kriegen es 17 andere Mannschaften in dieser Liga ja auch hin, ab und zu mal über die Erwartungen hinaus zu performen. Nur nicht der VfB, der Verein der Underperformer. Der Verein, der nicht in Mainz gewinnen muss, bei dem manch einer denkt, dass sich die letzte Rückrunde einfach so fortsetzt. Wo “bitter”, siehe oben, zum geflügelten Wort geworden ist. Und: Bei dem die Führungsspieler, oder jene, die sich dafür halten, sich nach dem Spiel entweder selbst auf die Bank verbannen oder ohrfeigen wollen. Als ob sich die kommenden Gegner von dieser Art der Selbstgeißelung beeindrucken lassen würden.
Mal die Brechstange rausholen
Was vielleicht helfen könnte: 90 Minuten lang konsequent verteidigen und nicht zehn Minuten vor Schluss wegnicken (oder in den ersten 25 Minuten oder in den zehn Minuten nach der Pause). Konter konsequent, schnell und präzise ausspielen und nicht ewig an der Mittellinie mit dem Ball rumdaddeln. Flanken von der Grundlinie hinter die Abwehr und nicht aus dem Halbfeld mit Ansage. Und einfach mal einen schweren Gegner mit purem Willen an die Wand nageln. Klingt vielleicht archaisch, aber ich fürchte, anders als mit der Brechstange kommen wir da unten nicht mehr raus,
Also, die Herren: Ihr habt jetzt bis Weihnachten, wenn der Herr Reschke Eure Underperformance der Hinrunde mit dem Rest des Ausgliederungsgeld kompensieren darf, noch fünf Gelegenheiten, es besser zu machen. Macht was draus!