Mit dem höchsten Erstrundensieg seit 2004 setzt sich der VfB im DFB-Pokal gegen den BFC Dynamo durch. Das Weiterkommen war erwartbar, der Auftritt der Brustringträger nicht unbedingt.
1:0 in Rostock, 1:0 in Rostock, 6:5 nach Elfmeterschießen in Cottbus, 3:0 in Homburg, 2:1 in Kiel — wenn sich der VfB in den vergangenen Jahren in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen unterklassige Teams durchsetzte, war das selten eine klare Angelegenheit. Teilweise, weil man es mit nicht nur motivierten, sondern auch sportlich ambitionierten Gegnern zu tun hatte und teils, weil beim VfB das Prinzip galt: Hauptsache weiterkommen. Aber das ist nicht das einzig Bemerkenswerte am 6:0 der Brustringträger im Sportforum Hohenschönhausen, dem höchsten Erstrundensieg seit Kuranyi und Hleb 2004 den Tus Mayen abschossen. Denn nachdem die bisherige Vorbereitung eigentlich recht entspannt verlief, häuften sich zuletzt die Ausfälle, musste man aus diversen Gründen ein Testspiel der zweiten Mannschaft absagen, um ein Freundschaftsspiel gegen den FC Barcelona bestreiten zu können. Und schließlich hätte man vermuten können, dass die junge Stuttgarter Mannschaft Respekt haben würde vor der Atmosphäre in Berlin.
Nunja. Zumindest am Fernseher wirkte das Sportforum weder klein, noch eklig und auch die am Anfang lauter, später weniger vernehmbaren Wechselgesänge der Heimfans wirkten alles andere als furchteinflößend. Da stellte der Gegner auf dem Platz den VfB schon vor ganz andere Probleme — zumindest eine Zeit lang. Denn so ansehnlich sich die Gäste auch teilweise über das Spielfeld kombinierten, am Strafraum war dann meistens Schluss. Auf der Gegenseite wurde der BFC auch nicht so richtig gefährlich, auch wenn sich die Hausherren durchaus reinwarfen in dieses Spiel. Das lag auch an einer besonderen Personalie. Denn weil sich Waldemar Anton vor dem Spiel eine Erkältung eingefangen hatte, rückte Hiroki Ito in die Dreierkette. Ito, der letztes Jahr noch in der zweiten japanischen Liga spielte und von dem mir von Japan-Experten gesagt würde, er bräuchte noch ein bisschen, um in die erste Mannschaft aufzurücken, weshalb ich ihm auch nicht wie üblich einen Vorstellungsartikel widmete. Der bestritt nicht nur seine Position in der Dreierkette ziemlich stabil, sondern schlug auch zwei ziemlich präzise Pässe auf den in der ersten Halbzeit sehr präsenten und außerdem mit der Kapitänsbinde ausgestatteten Borna Sosa. Dessen erster Versuch einer Torvorlage scheiterte noch, den zweiten köpfte Hamadi Al Ghaddioui relativ unbedrängt in die Maschen des Berliner Tors.
Die Einstellung stimmt
Überhaupt: Flanken. So gut der Regionalligist den VfB im Zentrum und am Boden verteidigte, so anfällig war er bei hohen Bällen, die von den Flügeln in den Strafraum segelten. Beim 2:0 von Borna Sosa ebenso wie bei den jeweils ersten Pflichtspieltreffern von Dinos Mavropanos und Mo Sankoh im Brustring. Als letzterer traf, war das Spiel eigentlich schon entschieden, teilweise hatten die letzten 30 Minuten, als die Stuttgarter den Ball immer wieder relativ unbedrängt im Dreieck laufen lassen konnten, etwas von einem Testspiel. Auch wenn der BFC nochmal ziemlich gefährlich vors Tor kam und Fabian Bredlow vor ein paar knifflige Aufgaben stellte, die er fast alle bravourös meisterte: Es reichte für den Tabellenführer der Regionalliga Nordost schlichtweg nicht, selbst ein Ehrentreffer hätte daran nichts geändert. Weil der VfB nicht nur, wie von BFC-Trainer Christian Benbennek angekündigt, selbst im anderthalbsten Anzug gut genug besetzt war, sondern auch, weil diese Spieler die Partie nicht nach dem 3:0 zum Auslaufen und zur Schonung für den Bundesliga-Auftakt nutzten.
Ganz im Gegenteil: Teto Klimowicz, der sonst eher blass blieb, luchste seinem Gegenspieler vor dessen Strafraum den Ball ab und schob ihn mit einer Coolness ein, die ihm in der letzten Saison meist abging und auch Daniel Didavi hatte kurz vor Abpfiff noch Lust und Luft, einen Tempogegenstoß mit einer Vorlage für Darko Churlinov zu veredeln. Es war die Einstellung, die ja auch in der Sommerpause schon gelegentlich angesprochen wurde, die die Angst vor einer Pokalblamage relativ schnell einem Gefühl weichen ließ, dass man beim VfB in der ersten Pokalrunde wie bereits angesprochen eigentlich nicht kennt. Hinzu kam, dass ein Spieler wie Atakan Karazor nicht nur spielerisch, sondern auch was die Mannschaftsorganisation anging, über sich hinauswuchs. Auf der Doppelsechs neben Philipp Klement aufgeboten spielte er eine Rolle, die man so von ihm bisher nur in Ansätzen kannte.
Die Lust am Toreschießen
Das Schöne an komfortablen Erstrunden-Siegen ist, dass sie Dich mit einem guten Gefühl in die Saison gehen lassen. Gleichzeitig darf man ihre Aussagekraft auch nicht überbewerten. Ob Ito und Karazor gegen Fürth auch so stabil stehen, ob Roberto Massimo seine überschaubaren Leistungen auf dem rechten Flügel gegen das Kleeblatt auch durch eine Torvolage kaschieren kann, lasse ich mal dahin gestellt. Am ersten Spieltag der Bundesliga werden wieder andere Lösungen mit anderen Spielern gefragt sein. Aber: Das mentale Grundgerüst für den Klassenerhalt scheint zu stehen, denn die Mannschaft hat sich einen der wichtigsten Faktoren der Vorsaison erhalten: Die Lust am Spielen und Toreschießen.
Zum Weiterlesen: Auch der Vertikalpass fand, dass das Spiel “erstaunlich gut” aussah.
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