A light that never goes out

“Die ein­zi­ge Kon­stan­te sind wir Fans” stand vor einer Wei­le in der Cannstat­ter Kur­ve geschrie­ben und aktu­ell trifft das Mal wie­der zu. Beim VfB hat sich in den letz­ten Wochen vie­les geän­dert.


Take me out tonight
Whe­re there’s music and there’s peo­p­le
And they’­re young and ali­ve

- The­re is a Light that never goes out, The Smit­hs

Eigent­lich woll­te ich die­sen Arti­kel ja schon vor Weih­nach­ten schrei­ben, tra­di­tio­nell am 23. Dezem­ber bevor es in die Weih­nachts­pau­se geht. So wie es die Kol­le­gen vom Ver­ti­kal­pass getan haben oder Bernd Saut­ter bei den Pro­phe­ten der Liga eini­ge Tage vor­her. Aber dann kam die neue Staf­fel von “Ali­ce in Bor­der­land” auf Net­flix (unbe­dingt anschau­en!) und irgend­wie war es dann doch nicht mehr so drin­gend. Und jetzt haben wir schon den 6. Janu­ar (Fro­hes Neu­es!) und ich mer­ke: Mein VfB-Enthu­si­as­mus brennt gera­de etwas auf Spar­flam­me. Klar, liegt natür­lich auch dar­an, dass der­zeit nicht viel pas­siert in Bad Cannstatt, abge­se­hen von einem Trai­nings­la­ger, das natür­lich nicht in Stutt­gart son­dern in Mar­bel­la statt­fin­det. Und einem gera­de­zu absur­den und über jour­na­lis­ti­sche Ban­den aus­ge­foch­te­nen Klein­krieg auf der Geschäfts­stel­le, aber dazu gleich mehr. Was ist pas­siert? Und was genau soll “auf Spar­flam­me” hei­ßen? Soll das hier ein Abschieds­text sein?

Natür­lich nicht! Nächs­te oder über­nächs­te Woche neh­men wir die nächs­te Pod­cast­fol­ge auf und in knapp zwei Wochen steht auch schon das Heim­spiel gegen Mainz an. Aber aktu­ell? Puh. Im Mai, kurz nach dem Klas­sen­er­halt gegen Köln schrieb ich hier fol­gen­des:

Es tritt jetzt hof­fent­lich das ein, was ich schon vor zwei Jah­ren nach der unsäg­li­chen Der­by-Nie­der­la­ge gefor­dert habe: Es kann nicht die Lösung sein, im Fal­le des Miss­erfolgs – und ein sol­cher wäre die­se Sai­son bei­na­he gewor­den – ein­fach nur die Ver­ant­wort­li­chen aus­zu­tau­schen. Statt­des­sen müs­sen die­se Lösun­gen für die Pro­ble­me fin­den. Ich war auch wäh­rend der Sai­son mehr von Mat­a­raz­zo über­zeugt, als ich es nicht war. Sei­ne reflek­tier­te Sai­son­ana­ly­se bestä­tigt mich in der Mei­nung, dass es rich­tig war, an ihm fest­zu­hal­ten. Er, Sven Mislin­tat und der gesam­te VfB haben jetzt zum ers­ten Mal seit Jah­ren wie­der die Chan­ce, in Bad Cannstatt etwas auf­zu­bau­en, den Ver­ein für Bewe­gungs­spie­le wie­der in der Bun­des­li­ga zu eta­blie­ren. Auch das pas­siert nicht von heu­te auf mor­gen, aber wenn wir es rich­tig anstel­len, geht es jetzt so lang­sam wie­der berg­auf mit die­sem Ver­ein und sei­nen Fans, die in den letz­ten zehn Jah­ren so viel ein­ste­cken muss­ten. Vie­le Chan­cen auf den früh­zei­ti­gen Klas­sen­er­halt hat die Mann­schaft in den letz­ten Wochen lie­gen gelas­sen. Die­se Gele­gen­heit, die schlim­men Jah­re hin­ter uns zu las­sen, soll­ten wir ergrei­fen.

Nun ja. Bei­de in die­sem Absatz genann­ten Per­so­nen sind nicht mehr beim VfB aktiv und zumin­dest in der bis­he­ri­gen Spiel­zeit hat man es ver­säumt, etwas auf­zu­bau­en und dass sich der VfB in der Bun­des­li­ga eta­bliert steht aktu­ell auch mal wie­der auf des Mes­sers Schnei­de. Natür­lich habe ich auch geschrie­ben, dass das nicht von heu­te auf mor­gen geht und auch in die­ser Sai­son konn­te es pri­mär um nichts ande­res als den Klas­sen­er­halt gehen. Aber neun sieg­lo­se Spie­le zu Sai­son­be­ginn, gefolgt von immer­hin drei Sie­gen, die aber auch abso­lut über­le­bens­not­wen­dig und damit in der Gesamt­schau kei­ne her­aus­ra­gen­de Leis­tung waren, lie­ßen nicht nur bei mir den Ein­druck enste­hen, dass zumin­dest die Mann­schaft aus der gro­ßen Sai­son­ana­ly­se im Som­mer nicht viel mit­ge­nom­men hat. Frü­he Gegen­to­re, spä­te Gegen­to­re, Gegen­to­re nach eige­nen Toren, eine mise­ra­ble Chan­cen­ver­wer­tung und mit­un­ter auch rund­her­um erschre­cken­de Auf­trit­te — alles wie­der­hol­te sich in die­ser Hin­run­de. Kurz: Dass erst Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo und in der Fol­ge auch sein bis dato Co-Trai­ner Micha­el Wim­mer den Ver­ein ver­las­sen mus­ten, über­rascht mich jetzt nicht kom­plett. Denn auch wenn noch 19 Spie­le zu absol­vie­ren und die Abstän­de in der Tabel­le mar­gi­nal sind: Dass ein drit­ter Abstieg seit 2016 mehr wäre als ein Betriebs­un­fall, das ist kei­ne Erfin­dung von Alex­an­der Wehr­le und Claus Vogt, auch wenn aktu­ell die gesam­te sport­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on dar­auf getrimmt zu sein scheint, den größt­mög­li­chen Teu­fel an die Wand zu malen.

Etwas Besonderes

Zur Tren­nung von Sven Mislin­tat habe ich mich schon aus­führ­lich geäu­ßert, das muss ich hier nicht noch­mal wie­der­ho­len. Klar ist: Es gibt mit Fabi­an Wohl­ge­muth und Bru­no Lab­ba­dia eben­so­we­nig eine Garan­tie auf den Klas­sen­er­halt wie es sie mit Sven Mislin­tat und Micha­el Wim­mer oder Jess Thorup gege­ben hät­te. Wer etwas anders behaup­tet und meint, die eine oder ande­re Kon­stel­la­ti­on hät­te sicher zum Unter­gang des Ver­eins und dem Wie­der­se­hen mit 1860 in der Drit­ten Liga geführt, lügt sich sel­ber an. Die Kal­ku­la­ti­on, dass die Chan­cen auf den Klas­sen­er­halt, der auch für mich alter­na­tiv­los ist und zunächst höchs­te Prio­ri­tät haben muss, mit Bru­no Lab­ba­dia ziem­lich gut sind, kann ich eini­ger­ma­ßen nach­voll­zie­hen und wie wir auch schon bei sei­ner Vor­stel­lung her­aus­ge­ar­bei­tet haben, ist das nicht der glei­che Bru­no Lab­ba­dia, von dem wir uns im August 2013 ver­ab­schie­det haben. Viel­leicht gelingt es ihm sogar, hier über den kom­men­den Som­mer hin­aus etwas auf­zu­bau­en, auch indem er die Vor­ga­ben sei­ner Vor­ge­setz­ten umsetzt und dem hoch­ge­prie­se­nen 2005er-Jahr­gang eine Chan­ce in der Bun­des­li­ga gibt. Wer die Zeit von 2010 bis 2013 aus­blen­det, könn­te recht opti­mis­tisch in die Zukunft bli­cken.

Und trotz­dem: Spar­flam­me. Mit Tho­mas Hitzl­sper­ger, mit Sven Mislin­tat, mit Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo war der VfB irgend­wie etwas Beson­de­res, in einer Art, wie er es lan­ge nicht mehr war, viel­leicht zuletzt 2003, also man qua­si vom Abgrund in die Cham­pi­ons League stürm­te, elf Jah­re nach­dem man die Qua­li­fi­ka­ti­on gegen Leeds ver­spielt hat­te. Aber auch damals war “jung und wild” mehr aus der Not gebo­ren, als dass es ein Kon­zept war. Und auf die eige­ne Jugend set­zen war jetzt auch wirk­lich nichts, was der VfB als Maß­nah­me exklu­siv hat­te. Nein, auf jun­ge Talen­te und deren Ent­wick­lung zu set­zen, die ja bei eini­gen durch­aus impo­sant statt­fand, das war anders. Auf­re­gend, aber auch risi­ko­be­haf­tet. Mit einem Trai­ner, den vor­her wirk­lich nie­mand kann­te und der sich von einem Co-Trai­ner in Hof­fen­heim zu einem der Trai­ner mit der längs­ten Amts­zeit in Stutt­gart empor­ar­bei­te­te. Der weder ent­las­sen wur­de, als sei­ne Mann­schaft fast den Auf­stieg ver­spiel­te, noch als sie fast abstieg. Ich bezie­he mich jetzt mal nur aufs Sport­li­che, denn um das im glei­chen Zuge ver­än­der­te gesell­schafts­po­li­ti­sche Enga­ge­ment mache ich mir kei­ne Sor­gen: Es war ein neu­er VfB, den wir so nicht gewohnt waren und ich erwar­te­te regel­mä­ßig mit Span­nung, was die Ver­ant­wort­li­chen als nächs­tes aus dem Hut zau­bern wür­den. 

In den letz­ten Tagen gab es zwei Per­so­na­li­en, die die aktu­el­le Situa­ti­on und mei­ne Stim­mungs­la­ge viel­leicht ganz gut zusam­men­fas­sen: Der VfB wur­de mit dem 32jährigen Joshua Gui­la­vogui in Ver­bin­dung gebracht, gleich­zei­tig wird Mateo Kli­mo­wicz nach einer ver­lo­re­nen Hin­run­den in Bie­le­feld nach Mexi­ko wei­ter­ver­lie­hen — dass er noch ein­mal den Weg zurück nach Deutsch­land fin­det, ist unwahr­schein­lich. Ist die Ver­pflich­tung eines erfah­re­nen Bun­des­li­ga­spie­lers wie Gui­la­vogui sport­lich sinn­voll? Ver­mut­lich, vor allem, wenn man das Spiel gegen den Ball stär­ken will, dass uns bis dat0 27 Gegen­tref­fer in 15 Spie­len ein­ge­bracht hat. Reißt mich so eine Ver­pflich­tung vom Hocker? Eher nicht. Gleich­zei­tig sieht man an Kli­mo­wicz, dass nicht aus jedem Talent auch ein Bun­des­li­ga­spie­ler wird, dass neben Ver­pflich­tun­gen wie Silas und Kalajd­zic eben auch sol­che Tran­fers in der Bilanz von Sven Mislin­tat ste­hen. Das ist nicht mal als Gene­ral­kri­tik gemeint, aber es zeigt, dass es nicht den einen, alter­na­tiv­lo­sen Weg gibt — zumal Sven Mislin­tat ja auch nicht nur Teen­ager ver­pflich­tet hat. Und viel­leicht war das zwar ganz schön, dass der VfB etwas Beson­de­res war, aber eben auch nicht mehr. Genü­gend Ver­ei­ne, die zwar in der Tabel­le vor uns, aber finan­zi­ell ähn­lich schlecht da ste­hen wir wir, hal­ten jedes Jahr eini­ger­ma­ßen pro­blem­frei die Klas­se, ohne etwas Beson­de­res zu sein. Das heißt nicht, dass ich will, dass der VfB so ist wie die­se Ver­ei­ne — außer den Teil mit dem Klas­sen­er­halt — aber viel­leicht wür­de es uns ganz gut tun, anzu­er­ken­nen, dass es einen Mit­tel­weg gibt zwi­schen dem VfB 2010–2013 und dem VfB 2019–2022. Oder wie Chris­tof Kne­er es in der Süd­deut­schen Zei­tung nennt: Den Vin­ta­ge-VfB

Hauptsache Unruhe

Gar nicht Vin­ta­ge son­dern eher retro ist das, was beim VfB gera­de abseits des Sport­li­chen abgeht. Da sehen sich erst Prä­si­di­um und dann auch noch Ver­eins­bei­rat zu län­ge­ren Stel­lung­nah­me ver­an­lasst (klar, ist ja Janu­ar, wie vor zwei Jah­ren) in denen es im Grun­de dar­um geht, so zu tun, als wären sich in bei­den Gre­mi­en alle wohl­ge­son­nen, als strit­te man sich höchs­tens in der Sache, aber nicht auf per­sön­li­cher Ebe­ne. Wäre alles schön und gut, wenn nicht kurz dar­auf irgend­wer Car­los Ubi­na wie­der Inter­na in den Block dik­tie­ren wür­de. Was am Ende stimmt und ob die Tätig­kei­ten von André Büh­ler und Marc Nico­lai Schlecht nun sat­zungs­kon­form waren oder nicht, ist dabei fast zweit­ran­gig. Es geht dar­um, dass man sich im e.V. seit Jah­ren stän­dig gegen­sei­tig Stö­cke in die Bei­ne wirft um davon zu pro­fi­tie­ren, wenn der ande­re stol­pert. Und nicht nur im Ver­ein sel­ber, son­dern offen­sicht­lich auch außer­halb, Haupt­sa­che Unru­he, mal schau­en, was es einem per­sön­lich bringt, selbst wenn sich der eige­ne Vor­stand von einem distan­ziert. Irgend­wer in der Mer­ce­des­stra­ße wird schon davon pro­fi­tie­ren und damit das auch außer­halb alle ent­spre­chend mit­be­kom­men, gibt es ja die Stand­lei­tung nach Möh­rin­gen. Es ist ein­fach nur noch ermü­dend und führt dazu, dass ich auch für die Ver­eins­po­li­tik aktu­ell wenig Enthu­si­as­mus auf­brin­gen kann. Es scheint sich ja doch nichts zu ändern, egal wen man wählt.

Und den­noch: Das Licht geht nie­mals aus, wie The Smit­hs sin­gen. Aus dem Ver­ein aus­tre­ten, die Spie­le boy­kot­tie­ren, sich ein Schei­tern von Alex­an­der Wehr­le und Claus Vogt wün­schen, not­falls auch mit einem Abstieg? Nein. Dass man jetzt wie­der die Ein­heit des Ver­eins beschwört, um die Klas­se zu hal­ten, ist ein alter Trick, den schon Wolf­gang Diet­rich beherrsch­te. Und damals wie heu­te kon­ter­ka­riert man mit dem eige­nen Ver­hal­ten eben­je­nen Auf­ruf zur Einig­keit. Wenn es wie­der los­geht, bin ich trotz­dem an Bord. Im Sta­di­on, vor dem Fern­se­her und auch wenn es um Sat­zungs­fra­gen geht. Aber bis dahin könn­ten die im Trai­nings­la­ger in Mar­bel­la auch von mor­gens bis abends pokern — ich wür­de es zur Kennt­nis neh­men, mehr nicht.

Titel­bild: © Mat­thi­as Hangst/Getty Images

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