In einem etwas seltsamen Auswärtsspiel macht der VfB mit einer unter dem Strich souveränen Leistung gegen Freiburg bereits Anfang Februar die magische Punktemarke voll und kann neue Ziele anpeilen.
Knapp sieben Minuten. So lange dauerte es, bis der VfB beim Auswärtsspiel in Freiburg mal wieder jegliche Zweifel daran beseitigt hatte, wem hier die drei Punkte gehören. Zum 13. Mal in dieser Saison, ergibt zusammen mit dem Unentschieden gegen Leverkusen im Dezember genau 40 Punkte in nur halb so vielen Spielen. Die Bilanz liest sich phänomenal: Zwei Punkte und 2,3 Tore gibt es im Schnitt als VfB-Fan bei einem Spiel unseres Herzensvereins zu bejubeln. Noch nie holte eine Mannschaft mit dem Brustring so viele Siege aus 20 Saisonspielen. Der VfB ist historisch unvergleichlich gut und zeigte das auch in Freiburg.
Da ist Deniz Undav, der nicht nur sein 13. Saisontor in bewährt spektakulär Manier erzielte, sondern auch noch gleich den Ball perfekt in den Lauf von Chris Führich legte und nach der Pause Maxi Mittelstädts Zauberheber einleitete. Da ist eben Mittelstädt, der vermutlich die Saison seines Lebens spielt und diese Partie auch noch mit seinem Treffer krönte. Oder Führich mit seinem mittlerweile sechsten Saisontor. Oder Kapitän Anton, der den Vertikalpass seines Lebens spielt. Eigentlich die ganze Mannschaft, die den Druck der Anfangsminuten zwar nicht über die etwa 90 Minuten Netto-Spielzeit aufrechterhalten konnte, aber dennoch bereits in der ersten Hälfte den Deckel hätte drauf machen können, den Mittelstädt schließlich fand.
Konzentriert und kontrolliert
Jetzt kann man natürlich beklagen, dass eine erneut unterirdisch verteidigte Ecke — irgendein Raum wird schon abgedeckt sein, aber leider wie gegen Leipzig nicht der völlig freistehende Gegenspieler — die Freiburger unnötig ins Spiel zurückbrachte und dass eine der wenigen Torchancen den Dreier zum Kippen hätte bringen können. Demgegenüber steht aber eine konzentrierte Leistung mit den eben erwähnten Chancen in einem nach dem unglücklichen, aber berechtigten Platzverweis und zwei längeren Protestphasen der beiden Kurven etwas zerfahrenem Spiel. Konzentriert und kontrolliert, denn die Mannschaft leistete sich erneut kaum gravierende Fehlpässe, ja bei einer Passquote von über 88 Prozent sowieso kaum Fehlpässe. Auch die schwere Verletzung von Daxo Zagadou bringt die Mannschaft nicht durcheinander, sondern wie man an diversen Solidaritätsbekundungen sah, eher noch näher zusammen. Sebastian Hoeneß entschied sich, wie gegen Leipzig auf eine Dreierkette mit Vagnoman und Mittelstädt auf Außen zu setzen und beförderte damit neben Anthony Rouault auch Leonidas Stergiou in die Startelf. Auch wenn die Brustring-Elf eine gewisse Anfälligkeit bei Schnittstellenpässen erkennen lässt, ist es gut zu wissen, dass auch die zweite Reihe keinen dramatischen Leistungsabfall erwarten lässt.
Beeindruckend war auch Anthony Rouault, der sich vermutlich in einem Kopfballduell die Nase anknackste, aber nicht nur im Aufbauspiel wichtige Akzente setzte, sondern in der Schlussphase noch einen Ball von der Linie köpfte — in allerletzter Sekunde. Einzelspieler, die überraschenderweise über sich hinaus wachsen, ein intaktes Mannschaftsgefüge und Leistungsträger, die diese auch verlässlich bringen: Der VfB brachte in Freiburg alles auf den Platz, was nötig war, um sich auf Platz 3 zu behaupten und ließ sich auch von Fehlern wie beim 2:1 nicht aus der Bahn werfen. Wenn man dann noch bedenkt, dass ab Dienstag mit Toptorjäger Serhou Guirassy und zum ersten Mal seit über zwei Monaten mit Verteidiger und Aufbauspieler Hiroki Ito zwei weitere Leistungsträger zur Verfügung stehen, muss einem eigentlich nicht bange vor den nächsten Wochen werden.
Wie ein Kind im Spielzeugladen
Denn dann erwartet der VfB direkt hintereinander die drei Kellerkinder Mainz, Darmstadt und Köln, zwei davon auch noch im heimischen Neckarstadion, wo zuletzt Leipzig überrannt und niedergeschrien wurde. Dann dürfte der Klassenerhalt irgendwann auch rechnerisch feststehen und der Blick in der Tabelle weiter nach oben wandern. Durch den Sieg im direkten Duell sowie die überraschende Frankfurter Niederlage hat der VfB den Abstand zu Plätzen, die keine Reiseberechtigung nach all der Scheiße beinhalten, weiter ausgebaut. Mit einer ähnlich konzentrierten, kontrollierten Leistung und fast voller Kapelle — Jeong und Silas werden ja im Laufe des Monats auch unweigerlich zurück kommen — sollte die Mannschaft auch den vermutlich wieder tieferstehenden Abstiegskandidaten beikommen.
Aber es gibt ja noch einen zweiten Wettbewerb, in dem sich der VfB weit nach vorne gearbeitet hat und auf den ich heiß bin wie Frittenfett. Zum dritten Mal in Folge bescherte uns das Los einen denkbar schweren und diesmal noch für die Auswärtsfahrt denkbar unattraktiven Gegner. Für die Leverkusener ist es die Woche der Wahrheit: Scheiden sie am Dienstag gegen uns aus und verlieren sie am Samstagabend beim Verfolger aus München, könnten sich jegliche Titelträume schnell in Nichts auflösen. Der VfB hingegen läuft immer noch wie ein Kind durch den Spielzeugladen und kann es kaum fassen, dass er vielleicht zum Saisonende nicht nur die Champions League-Teilnahme kriegt, zumindest aber einen europäischen Platz, sondern auch noch die Chance auf eine Fahrt nach Berlin hat und auf das, was die Engländer silverware nennen: Einen Pokal, einen Titel.
Alles rausholen!
Dummerweise kann Leverkusen bisher mit Druck sehr gut umgehen, noch immer sind sie in dieser Saison ungeschlagen. Klar ist, dass wir uns am Dienstagabend Gegentore wie die in den letzten beiden Spielen nicht erlauben dürfen. Dass die Partie mit auch nur einer Null abgepfiffen wird, halte ich sowieso für unrealistisch. Aber wir sollten es ihnen eben nicht herschenken. Offensiv mache ich mir relativ wenig Gedanken, da kommen wir zu unseren Chancen und wir haben die Spieler und wieder die Haltung, um diese zu verwerten. Oder wie Fabian Wohlgemuth sagt: “Dass wir dafür aber die nötige Qualität im Kader haben, davon bin ich überzeugt. Und nicht nur ich, sondern auch die Mannschaft selbst ist von ihrer Stärke überzeugt. An Gier und Einstellung unsererseits wird es sicher nicht scheitern. Alles andere überlassen wir den Pokalgesetzen.”
40 Punkte, zurückkehrende Leistungsträger, Tore en masse und ein Knallerspiel vor der Brust: Die Aussichten für jeden, der es mit dem VfB hält, sind gerade ziemlich rosig. Lasst uns alles aus dieser historisch guten Saison heraus holen!
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass fragt: “Denkt eigentlich noch jemand zurück an die Relegation? Sie scheint ewig zurück zu liegen.” und Stuttgart.International stellt fest: “Der VfB hat sich bereits am 20. Spieltag den Klassenerhalt gesichert. Ab jetzt beginnt die Kür”
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images