Von Wahrscheinlichkeiten und Glücksspiel: Eine Zwischenbilanz

Ein Drit­tel der Bun­des­li­ga-Sai­son 2021/2022 des VfB ist absol­viert — Zeit für eine Zwi­schen­bi­lanz, auf sport­li­cher, aber vor allem auf emo­tio­na­ler Ebe­ne.

Lasst mich mit einem Zitat ein­stei­gen:

Das war eine Replik zu mei­nem Rück­blick auf das Bie­le­feld-Spiel, die im wei­te­ren Ver­lauf der Dis­kus­si­on zum Glück dif­fe­ren­zier­ter wur­de. Was auch dar­an liegt, dass ich über meh­re­re Tweets hin­weg ver­sucht habe, mei­ne Hal­tung zur aktu­el­len sport­li­chen Situa­ti­on dar­zu­le­gen. Denn Schön­re­den will ich beim VfB nichts. Habe ich auch in der Ver­gan­gen­heit sel­ten getan. Wenn ich selbst bei Resch­ke und Korkut nicht sofort auf alles drauf­ge­hau­en habe, dann viel­leicht aus der Hoff­nung her­aus, dass ich mich mit mei­nem in über 20 Jah­ren geform­ten VfB-Fan-Fuß­ball­wis­sen doch ein­fach mal irre. Schön­re­den ist das, was uns unter ande­rem zu zwei Abstie­gen geführt hat. Die Sai­son 2012/2013 rede­te man sich mit dem Pokal­fi­na­le schön und jede fol­gen­de damit, dass man ja eigent­lich für einen Abstieg viel zu gut besetzt sei. Am fatals­ten viel­leicht im Som­mer 2018, als man sich nach einem 4:1 gegen Mün­chen und Platz 7 ziem­lich sicher war, mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben. Auch ich war da sehr opti­mis­tisch. Weil ich mir nicht vor­stel­len konn­te, dass ein Sport­vor­stand einen Kader kom­plett am Trai­ner vor­bei plant.

Also, blin­des Ver­trau­en, “lasst die mal machen”, will beim VfB eigent­lich kei­ner mehr. Zu groß die Angst vor dem drit­ten Absturz in sechs Jah­ren, den sport­li­chen, aber auch den wirt­schaft­li­chen Fol­gen. Ich glau­be wirk­lich, dass es vor allem Angst und cheap tag heu­er repli­ca nicht schlech­te Lau­ne oder ein gene­tisch ver­an­lag­ter Hang zum Brud­deln ist, der vie­len VfB-Fans in die­ser Län­der­spiel­pau­se den Schweiß auf die Stirn treibt, wenn sie dar­an den­ken, dass nächs­te Woche schon wie­der ein Spiel ist. Angst auch davor, dass sich die Geschich­te wie­der­holt: Sind wir nicht 2017/2018 auch in der Rück­run­de durch die Liga gestürmt, so wie in der ver­gan­ge­nen Sai­son und kam nicht auch dann das böse Erwa­chen? Hat­ten wir nicht damals auch ein Men­ta­li­täts­pro­blem? Und ist das “Dia­man­ten­au­ge” nicht wirk­lich ein­fach nur ein Wie­der­gän­ger des “Per­len­tau­chers”, ein Mann für die zwei­te Rei­he, ein Träu­mer, der mit sei­nem Jugend­wahn den Klas­sen­er­halt aufs Spiel setzt, den Erfolg des Ver­eins? Die Par­al­le­len erschei­nen frap­pie­rend.

Der Weg zum Erfolg 

Klar ist: Wir wol­len, dass der VfB erfolg­reich ist. Aktu­ell bedeu­tet Erfolg, wie eben schon ange­deu­tet, Klas­sen­er­halt. Und ich unter­stel­le mal, dass auch die­je­ni­gen, die in der Ver­gan­gen­heit in ver­ant­wort­li­chen Posi­tio­nen beim VfB waren, größ­ten­teils den Erfolg des Ver­eins woll­ten. Mit­un­ter stan­den ihnen die Struk­tu­ren und Rah­men­be­din­gun­gen im Weg, meis­tens aber sie sel­ber. Wolf­gang Diet­rich bei­spiels­wei­se, der das Ver­spre­chen auf Erfolg zum Kern sei­ner Aus­glie­de­rungs­kam­pa­gne erhob. “Ja zum Erfolg”, der mit 40 Daim­ler-Mil­lio­nen erkauft oder viel­mehr ange­scho­ben wer­den soll­te und den VfB im kom­men­den Som­mer, so Diet­richs Visi­on, in die Cham­pi­ons League füh­ren wür­de. Ein geplan­ter Erfolg also, ein Vor­ha­ben das nicht allein des­halb kra­chend schei­ter­te, weil wir mit 10 Punk­ten aktu­ell von der zufäl­li­gen Erfül­lung der Ziel­vor­ga­be mei­len­weit ent­fernt sind. Der Plan, mit dem man die­sen Erfolg errei­chen woll­te, war von Anfang an mehr Schein als Sein.

Das ging schon los mit der irri­gen Vor­stel­lung, man kön­ne sich mit einer sol­chen Anschub­fi­nan­zie­rung, die nicht mal durch­gän­gig in den Kader floss, in kür­zes­ter Zeit oben eta­blie­ren. Zwi­schen Ver­ei­nen, die sich für 40 Mil­lio­nen ein bis zwei neue Spie­ler und kei­nen gan­zen Kader ver­pflich­ten und jenen Kon­struk­ten, die im Lin­ke-Tasche-Rech­te-Tasche-Prin­zip jede Sai­son eine Anschub­fi­nan­zie­run erhal­ten, und wenn die nur dar­aus besteht, dass man wegen eines hor­ren­den Trans­fer­mi­nus kei­ne Insol­venz anmel­den muss. Um das zu schaf­fen, hät­te man regel­mä­ßig am ein­zi­gen lukra­ti­ven euro­päi­schen Wett­be­werb teil­neh­men müs­sen. Nicht unmög­lich, aber äußerst unwahr­schein­lich. Statt­des­sen ver­brann­te man das Geld mit einem Kader, der an und für sich ent­ge­gen der ober­fläch­li­chen Betrach­tung vie­ler Beob­ach­ter nicht so schlecht war — in der letz­ten Sai­son hät­te kaum jemand auf Kempf, Cas­tro, Sosa und Gon­za­lez ver­zich­ten wol­len — für den Tay­fun Korkut in sei­nem Ver­such, den Lauf aus der Vor­sai­son ein­fach wei­ter­lau­fen zu las­sen, kei­ne rech­te Ver­wen­dung hat­te. Der Weg zum Erfolg war eine Mischung aus Groß­kot­zig­keit — die Ver­pflich­tung Resch­kes in der Hoff­nung, er brin­ge ein wenig Bay­ern-Glanz mit oder voll­mün­di­ge Ankün­di­gun­gen zu kurz- und lang­fris­ti­gen sport­li­chen Zie­len — und Dilet­tan­tis­mus —  vom sich ste­tig dre­hen­den Trai­ner­ka­rus­sel über innen­po­li­tisch moti­vier­te Per­so­nal­po­li­tik hin zu der kata­stro­phals­ten Sai­son der VfB-Bun­des­li­ga-Geschich­te. Die Angst, die vie­le Fans und Mit­glie­der vor der Aus­glie­de­rung hat­ten, bestä­tig­te sich: Man hat­te sein Ver­trau­en in ein Pferd gesetzt, das den Jockey alle paar Meter abwirft und am Ende als letz­tes ins Ziel stol­pert.

What are the odds? 

Hal­ten wir also eine Bin­sen­weis­heit fest: Erfolg ist nicht plan­bar. Weder durch Fre­di Bobic, noch durch Robin Dutt, Jan Schin­del­mei­ser oder Micha­el Resch­ke. Und auch nicht durch Sven Mislin­tat, dar­in wür­de er mir wohl zustim­men. Man kann ledig­lich die Wahr­schein­lich­keit auf Erfolg erhö­hen. Und am Ende ist es doch ein wenig Glücks­spiel, auch wenn unser Sport­di­rek­tor mir in die­sem Punkt wohl wider­spre­chen wür­de. Denn mit Sicher­heit gaben sei­ne Daten her, dass Sasa Kalajd­zic und Silas für ein paar Tore gut sind, mit ein biss­chen Anlauf auch auf Bun­des­li­ga-Niveau. Dass Wata­ru Endo einer der bes­ten Sech­ser seit Jah­ren wer­den könn­te. Aber wenn der von dir ver­pflich­te­te Trai­ner qua­si dazu gezwun­gen wer­den muss, Endo auf­zu­stel­len und wenn es Dei­nen Stür­mern das Kreuz­band reißt, dann kannst Du die Jungs noch so gut gescou­tet haben: Kurz­fris­tig hast Du ein schlech­tes Blatt auf der Hand. Aber ist so etwas vor­her­seh­bar, abwend­bar, kann man für Miss­erfol­ge vor­pla­nen?

Im Fal­le von Tim Wal­ter sicher­lich, wie die­ser Trans­fer intern abge­lau­fen ist, ist mir immer noch schlei­er­haft. Aber ansons­ten musst du vor allem mit Wahr­schein­lich­kei­ten und Worst-Case-Sze­na­ri­en arbei­ten: Wenn das pas­siert, wie kann ich dar­auf reagie­ren und wie wahr­schein­lich ist es, dass das pas­siert? Davor war auch Micha­el Resch­ke nicht gefeit. Dass Gon­za­lo Cas­tro, den er sicher­lich auch aus alter Ver­bun­den­heit ver­pflich­te­te, in sei­nen ers­ten 1,5 Jah­ren beim VfB ein abso­lu­ter Fehl­ein­kauf sein wür­de, der weit unter sei­nen Mög­lich­kei­ten spiel­te, war mei­ner Mei­nung nicht abseh­bar. Dass ein Pablo Maf­feo, den man statt mit Abstiegs­kampf schein­bar mit hoch­tra­ben­den Sai­son­zie­len und Con­nec­tions nach Man­ches­ter zum VfB gelockt hat, Pro­ble­me haben wür­de, schon eher. Oder um ein aktu­el­les Bei­spiel zu neh­men: Ist es wahr­schein­li­cher, dass Cas­tro an sei­ne ein­zi­ge rich­tig gute Sai­son beim VfB anknüp­fen kann oder ist es wahr­schein­li­cher, dass Mateo Kli­mo­wicz und Tan­guy Cou­li­ba­ly den ent­schei­den­den Schritt in ihrer Ent­wick­lung machen, der sie von Ein­wech­sel­spie­lern zu Stamm­kräf­ten wer­den lässt?

Wetten dass? 

Beim VfB bewer­tet man die Wahr­schein­lich­keit für das zwei­te Sze­na­rio als grö­ßer. Das ist natür­lich auch einem Sys­tem­wech­sel geschul­det: Der VfB ver­pflich­tet jun­ge Spie­ler mit Poten­zi­al (ich weiß nicht mehr, wie häu­fig ich das von mei­nen Gesprächs­part­nern gehört habe, wenn ich sie über unse­re Neu­zu­gän­ge aus­ge­fragt habe), die beim VfB zu jenen Spie­lern rei­fen sol­len, die der Ver­ein ent­we­der teu­er wei­ter­ver­kau­fen kann oder die uns auf dem Platz hel­fen. Mit die­sem Kon­zept in der Bun­des­li­ga bestehen zu wol­len ist natür­lich in jeder Sai­son ein Gam­ble, eine Wet­te: Ent­wi­ckeln sich genü­gend talen­tier­te Spie­ler so wei­ter, das aus Talent Qua­li­tät und damit Erfolg wird? Im Fal­le von Silas, der in der zwei­ten Liga häu­fig durch Hek­tik auf­fiel und sei­ne Ziel­stre­big­keit erst nach dem Auf­stieg fand, traf das zu. Auch auf Orel Manga­la und Bor­na Sosa, die wenn auch kei­ne 18 mehr, beim VfB zu Leis­tungs­trä­gern wur­den. Hin­zu kam, dass die Mann­schaft vor allem in der Hin­run­de der ver­gan­ge­nen Sai­son von Ver­let­zun­gen wei­test­ge­hend ver­schont blieb und so ein­ge­spielt und eupho­risch wie sie war selbst den BVB mit 5:1 an die Wand nagel­te.

Womit wir wie­der bei der aktu­el­len Situa­ti­on sind. Der­zeit wird ger­ne die VfB-Start­elf jenes Spiels her­aus­ge­kramt und dar­auf ver­wie­sen, dass die meis­ten der Spie­ler in die­ser Elf auch aktu­ell zur Ver­fü­gung stün­den, aber nicht mal in der Lage sei­en, Augs­burg und Bie­le­feld zu schla­gen. Das ist natür­lich aus­ge­mach­ter Quatsch, die auch von einer Über­hö­hung die­ses 5:1 her­rührt. Denn natür­lich lan­de­te der VfB nicht wegen die­ses 5:1 auf einem respek­ta­blen neun­ten Platz in der End­ab­rech­nung, son­dern weil er sich in unzäh­li­ge Spie­le zurück­kämpf­te, in denen es nicht so blen­dend aus­sah. Weil er sich in sol­chen Spie­len dar­auf ver­las­sen konn­te, dass Kalajd­zic sei­ne Bir­ne irgend­wie an Sosas Flan­ke brin­gen wür­de oder Silas oder Gon­za­lez einen blen­den­den Ein­fall hat­ten. Und weil die Mann­schaft ein­ge­spielt war. Alles Fak­to­ren, die man nicht pla­nen, aber zumin­dest beein­flus­sen kann.

Nicht seriös zu bewerten

In der aktue­len Situa­ti­on ste­hen die Kar­ten eher schlecht: Erst zwei Mal stell­te Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo die glei­che Start­elf auf, wie Timo im letz­ten Pod­cast her­aus­ge­fun­den hat. Wie hoch ist die Wahr­schein­lich­keit, dass ein Chris Füh­rich ein Ersatz für Nico Gon­za­lez sein kann und nicht wie Phil­ipp Kle­ment, der eben­falls mit guten Sta­tis­ti­ken und wenig Erst­li­ga-Erfah­rung aus Pader­born nach Stutt­gart wech­sel­te, meist auf der Bank lan­det? Wis­sen wir aktu­ell noch nicht, denn Füh­rich war, durch Fremd­ein­wir­kung, in sei­ner bis­he­ri­gen Zeit beim VfB mehr ver­letzt als fit. Geht das gut, Cas­tros Ver­trag nicht zu ver­län­gern und sei­ne Ver­ant­wor­tung als Füh­rungs­spie­ler auf meh­re­re Schul­tern zu ver­la­gern? Könn­te ich aktu­ell nicht mit Gewiss­heit sagen, denn ich wüss­te nicht mal, wes­sen Schul­tern das ange­sichts stän­dig wech­seln­den Per­so­nals sein könn­ten. Reicht es, einen Ersatz­spie­ler und Zweit­li­ga-Leis­tungs­trä­ger aus Wolfs­burg aus­zu­lei­hen und dane­ben auf die mit­tel­fris­ti­ge Hil­fe eines 18jährigen Talents zu set­zen, um die Zeit zu über­brü­cken, bis die etat­mä­ßi­gen Stür­mer wie­der fit sind, anstatt mit dem wenig ver­füg­ba­ren Geld jeman­den zu ver­pflich­ten, der dir safe ein paar Buden macht, aber schon auf die 30 zugeht und dem­entspre­chend lan­ge unter Ver­trag steht? Und wie wahr­schein­lich ist es, dass die­ser Spie­ler mit viel Erfah­rung und wenig Poten­zi­al auch wirk­lich lie­fert?

Wor­auf ich hin­aus­will: Ob Sven Mislin­tat und Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo mit ihren Per­so­nal­ent­schei­dun­gen zu sehr ins Risi­ko gegan­gen sind und ihre Geld auf die fal­sche Zahl gesetzt haben, lässt sich aktu­ell über­haupt nicht seri­ös bewer­ten. Denn mit jeder Ver­let­zung und jedem posi­ti­ven Coro­na-Test sinkt natür­lich die Wahr­schein­lich­keit auf Erfolg. Und eine sol­che Häu­fung an Aus­fäl­len, auch von Leis­tungs­trä­gern, kann man nicht vor­her­se­hen. Ja, der Ansatz des VfB ist mit einem gewis­sen Risi­ko behaf­tet. Aber mit einem Risi­ko, dass die sport­lich Ver­ant­wort­li­chen mei­ner Ansicht nach ein­kal­ku­liert haben und bei dem sie die Chan­cen auf Erfolg — unter nor­ma­len Umstän­den — höher bewer­ten als das Risi­ko des Miss­erfolgs. Natür­lich schützt sie das nicht vor Miss­erfolg — einen Vor­wurf kann man ihnen dar­aus mei­ner Mei­nung nach aber nicht machen. 

Wie erwartet*

Lei­der sehen das schein­bar nicht alle so:

Ja, ich weiß, nur eine Ein­zel­mei­nung, wahr­schein­lich nicht ernst­ge­meint. Man wird sie aber in den kom­men­den Wochen im schlimms­ten Fall häu­fi­ger lesen. Einer muss ja schuld sein. Ent­we­der der Trai­ner, der Kader­pla­ner, die medi­zi­ni­sche Abtei­lung oder aktu­ell der Ath­le­tik­trai­ner. Es wird wie­der Leu­te geben, die bereit sind, eine mit­tel- bis lang­fris­ti­ge sport­li­che Kon­zep­ti­on in kür­zes­ter Zeit über den Hau­fen zu wer­fen. Natür­lich, das habe ich schon an ande­rer Stel­le betont: Der VfB muss sich vor allem im sport­li­chen Bereich Struk­tu­ren schaf­fen, die grund­sätz­lich unab­hän­gig sind von Per­so­nen. Aber im Spe­zi­el­len hängt es dann doch mit­un­ter am die­sen Per­so­nen, vor allem jetzt, wo der Ver­ein noch alles ande­re als gefes­tigt ist. Und sicher­lich wäre es blau­äu­gig, aus dem Tur­n­around, der zum Auf­stieg führ­te, direkt abzu­lei­ten, dass es wie­der genau­so gelingt. Aber wer in der aktu­el­len Situa­ti­on meint, die Arbeit von Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo in der schwe­ren zwei­ten Sai­son nach einer eupho­ri­schen Auf­stiegs­sai­son bewer­ten zu kön­nen, ist mehr als nur unse­ri­ös, es grenzt an Popu­lis­mus. Er trägt Mislin­tats Phi­lo­so­phie mit, indem er bei­spiels­wei­se nicht den letz­te Sai­son noch in einem Bun­des­li­ga-Kader ste­hen­den Sven Schipp­lock hoch­zieht, son­dern den jun­gen und für die ers­te Mann­schaft vor­ge­se­he­nen Stür­mern den Vor­tritt lässt, auf dass sie an die­ser Situa­ti­on rei­fen.

Und damit end­lich zum sport­li­chen Zwi­schen­fa­zit, dass man nicht ohne ein Stern­chen zie­hen kann. Denn ob sich die Mann­schaft im Ver­gleich zur letz­ten Sai­son wei­ter­ent­wi­ckelt hat oder nicht, das lässt sich nur schwer seri­ös beant­wor­ten. Die Anzahl der Gegen­ore ist wei­ter­hin ein The­ma und damit auch die Qua­li­tät der Abwehr­ar­beit, aber eben auch wegen der Per­so­nal­wech­sel und weil vor­ne nie­mand in der Lage ist, die Tor­dif­fe­renz wie­der aus­zu­glei­chen. Es gab ein, zwei Spie­le, dar­un­ter das 0:0 gegen Auf­stei­ger Bochum, bei denen man das Gefühl hat­te, die Mann­schaft habe die Rea­li­tät des Abstiegs­kamp­fes, dem man sich letz­te Sai­son recht­zei­tig ent­zog, noch nicht begrif­fen. Auch gegen Bie­le­feld wur­de man das Gefühl nicht los, die Mann­schaft ver­su­che Abläu­fe der letz­ten Sai­son zu limi­tie­ren, die aber wegen feh­len­der Ein­ge­spielt­heit und der Qua­li­tät des zur Ver­fü­gung ste­hen­den Per­so­nals so nicht repro­du­ziert wer­den kön­nen — The­ma Hacken­pass, The­ma kein Ziel­spie­ler für Sosas Flan­ken. Über­per­formt hat die Mann­schaft, anders als letz­te Sai­son, bis­her jedoch noch nicht. Die Punk­te gegen Fürth waren wich­tig, ange­sichts deren bis­her an den Tag geleg­ten Erst­li­ga­un­taug­lich­keit aber auch alter­na­tiv­los. Der Rest war mehr oder min­der erwart­bar: Gegen Leip­zig und Lever­ku­sen chan­cen­los, gegen unter nor­ma­len Umstän­den bezwing­ba­re Geg­ner wie Frank­furt und Uni­on mit dem spä­ten Lohn für die rich­ti­ge Ein­stel­lung. Aber man konn­te eben der Über­ra­schungs­mann­schaft aus Frei­burg kein Bein stel­len und lern­te im Pokal gegen Köln, dass der Geg­ner den Unter­schieds­spie­ler hat der uns so drin­gend fehlt.

Gegen Reflexe

Nun hilft das Gejam­mer nichts: Mann­schaft und Trai­ner müs­sen für die Situa­ti­on Lösun­gen fin­den, anders als gegen Bie­le­feld, als nichts, aber auch gar nichts was man sich vor­ge­nom­men hat­te zu funk­tio­nie­ren schien. Die rest­li­chen sechs Spie­le in der Hin­run­de sind alle­samt eklig: Gegen sport­lich mei­len­weit ent­fern­te Bay­ern und Dort­mun­der und mit Mainz, Köln sowie mit Abstri­chen Her­tha und Wolfs­burg Mann­schaf­ten, die wir letz­te Sai­son an einem guten Tag schla­gen konn­ten, ob in die­ser Sai­son ein guter Tag reicht, ist unge­wiss. All das erhöht den Druck auf die Leis­tung in der Rück­run­de. Je weni­ger Punk­te man bis Weih­nach­ten holt, des­to mehr muss die Mann­schaft neu­en Jahr über­per­for­men. Zehn Punk­te unter dem Weih­nachts­baum wären eine mitt­le­re Kata­stro­phe.

Es kann jetzt nur dar­um gehen, daß eige­ne Selbst­ver­trau­en zu stär­ken und sich nach zwei Nacken­schlä­gen zurück in die­sen Abstiegs­kampf zu bei­ßen. Die Mann­schaft scheint intakt, braucht aber drin­gend einen Moral-Boos­ter (pun inten­ded!) um nicht in eine Men­ta­li­täts­spi­ra­le zu  kom­men. Mehr Ziel­stre­big­keit, mehr Resi­li­ent, so ein­fach das gesagt ist — anders wer­den wir nicht durch den Rest der Hin­se­rie kom­men. Was mich zuver­sicht­lich stimmt: Intern hat jeder mit die­sem schwe­ren Jahr gerech­net, zumin­dest in den Füh­rungs­po­si­tio­nen, wenn auch nicht unter die­sen Umstän­den. Ob der grund­sätz­lich lobens­wer­te sport­li­che Ansatz, der über ein gro­ßes Iden­ti­fi­ka­ti­ons­po­ten­zi­al ver­fügt, auch im zwei­ten Jahr bun­des­li­ga­taug­lich ist: Das müs­sen wir wei­ter­hin genau beob­ach­ten und kri­tisch hin­ter­fra­gen. Aber bit­te auf Grund­la­ge belast­ba­rer Erkennt­nis­se und nicht mit den abge­dro­sche­nen Refle­xen des Fuß­ball­ge­schäfts, die in der Ver­gan­gen­heit eher ein Schuss ins Knie als ein Voll­tref­fer waren. Ich zumin­dest schät­ze die Wahr­schein­lich­keit, dass sich Ver­trau­en aus­zahlt immer noch höher ein, als das Risi­ko, damit erneut blind ins Ver­der­ben zu ren­nen.

Titel­bild: © Alex Grimm/Getty Images 

1 Gedanke zu „Von Wahrscheinlichkeiten und Glücksspiel: Eine Zwischenbilanz“

  1. Ja, was bis­her über­wiegt ist lei­der die Ent­täu­schung dar­über dass es kein „Wei­ter so“ gibt wie in der Vor­sai­son als sich alle oft in einen wah­ren „Rausch“ gespielt haben und es fast von allei­ne lief. Das abge­dro­sche­ne Sprich­wort „im Erfolg begeht man die meis­ten Feh­ler“ hat aus mei­ner Sicht wie­der zuge­schla­gen, trotz aller Wid­rig­kei­ten wie Coro­na, Ver­let­zungs­pech etc.
    Aber genau das erwar­tet man doch von den Prot­ago­nis­ten, auch mal einen Plan‑B zur Hand zu haben und nicht immer ins offe­ne Ver­der­ben zu ren­nen und starr auf sei­ne Posi­tio­nen zu behar­ren und nach­her doch wie­der alles schön zu reden. Viel zu spät hat der Trai­ner auf die schein­bar „nie ver­sie­gen­de“ eige­ne Nach­wuchs-Quel­le zurück­ge­grif­fen, den Schwung vom ers­ten Auf­tritt eines „Pols­ters“ aus dem Bar­ce­lo­na-Spiel nicht genutzt und kei­ne Über­ra­schung aus dem Hut gezau­bert bei den regel­mä­ßi­gen frag­wür­di­gen Auf­stel­lun­gen. Das höchs­te Gut ist und bleibt bei Misslin­tat die „Spiel­mi­nu­ten“. Ein Kli­mo­witz z.B., der unbe­strit­ten viel Poten­ti­al besitzt wird wie­der und wie­der auf­ge­bo­ten und bekommt sei­ne Spiel­mi­nu­ten im 2. Jahr die im schein­bar immer wie­der zuste­hen, war­um auch immer. Mir fehlt der Glau­be dass es je wie­der ein „Spie­ler aus dem eige­nen Stall“ nach oben schafft, aber genau dass wol­len die Fans doch sehen. Bes­tes Bei­spiel ist doch wie­der der Fall „Bätz­ner“, bei uns als zu leicht befun­den, und er woll­te doch nur bei den Profi‘s mit­trai­nie­ren. Die A‑Jugend auf Meis­ter-und Pokal­sieg-Kurs, und kei­ne inter­es­siert es. Die ande­ren Ver­ei­ne machen es doch alle vor, Glad­bach, Her­tha, Köln, Lever­ku­sen etc. , alle las­sen ihre Jugend auf­lau­fen, nur wir kau­fen immer aus­wärts ein, die Namen könn­te ich jetzt alle auf­zäh­len. Mitt­ler­wei­le macht es wirk­lich kei­nen Spaß mehr sich das jedes Wochen­en­de anzu­schau­en, und so geht es ver­mut­lich nicht nur mir…

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