Unwirklich

Bes­ter Sai­son­start der Bun­des­li­ga-Geschich­te, ein Tor­jä­ger in nie gekann­ten Sphä­ren — um es mit Trai­ner Sebas­ti­an Hoe­neß zu fra­gen: “Was geht denn hier jetzt eigent­lich ab?”

Lang­sam wird es wirk­lich schwie­rig, sich an die­ser Stel­le nicht zu wie­der­ho­len. Was soll man auch schon Neu­es schrei­ben, wenn der erfolg­reichs­te VfB-Stür­mer seit Men­schen­ge­den­ken ein Spiel inner­halb von 15 Minu­ten mit einem lupen­rei­nen Hat­trick dreht und die eige­ne Mann­schaft spä­tes­tens nach dem Aus­gleich mit vor Selbst­ver­trau­en fast bers­ten­den Brust­ring über den Platz rennt und am Ende eine Mann­schaft mit null Punk­ten nach Hau­se schickt, die uns so über­haupt nicht liegt, erst recht nicht mit unse­rem ehe­ma­li­gen Flü­gel­flit­zer Tia­go Tomás? Wenn der geg­ne­ri­sche Tor­jä­ger in der zwei­ten Halb­zeit aus­ge­wech­selt wird und mit anse­hen muss, wie Ser­hou Gui­ras­sy ihm in der Tor­schüt­zen­lis­te davon zieht?

Ich hat­te das Bild bereits im letz­ten Rück­blick bemüht und auch der Ver­ti­kal­pass geht in sei­nem Spiel­be­richt in eine ähn­li­che Rich­tung: “Alle Her­aus­for­de­run­gen hat der VfB bra­vou­rös gemeis­tert.” Die Brust­ring­trä­ger zocken sich ein­fach jede Woche durch ein neu­es Level. Zuletzt ging es gegen den Tabel­len­kel­ler, jetzt mit Wolfs­burg sowie nach der Län­der­spiel­pau­se Uni­on und Hof­fen­heim gegen (geho­be­ne) Mit­tel­klas­se — auch wenn es völ­lig absurd ist, dass wir aktu­ell drei Mal so viel Punk­te haben wie unser nächs­ter Geg­ner aus Köpe­nick. Und sie schie­ßen dabei Tore ohne Ende. 22 Tore in sie­ben Par­tien macht einen Schnitt von über drei Toren pro Spiel und drun­ter machen sie es auch de fac­to nicht, ledig­lich Leip­zig ließ weni­ger als zwei Tore gegen uns zu. Und das hat nicht nur mit der phä­no­me­na­len Aus­beu­te von Ser­hou Gui­ras­sy zu tun, son­dern auch mit dem aktu­ell bes­ten Vor­la­gen­ge­ber der Bun­des­li­ga, Chris Füh­rich und vie­len ande­ren auf dem Platz, die dafür sor­gen, dass Gui­ras­sy die Leis­tung des Teams mit Toren ver­edeln kann.

Ein Tor schöner als das andere

Denn Wolfs­burg war im Ver­gleich zu Mainz, Darm­stad und Köln nicht nur das nächs­te Level an Spiel­stär­ke, son­dern auch an Schwie­rig­keit. Denn die Gäs­te lie­fen den VfB super aggres­siv an und auch wenn das 0:1 aus einem Feh­ler des erneut leicht über­for­der­ten Pas­cal Sten­zel ent­sprang, war die Wolfs­bur­ger Füh­rung zur Pau­se kei­nes­wegs unver­dient, denn der VfB stell­te sich nicht nur sel­ber ein Bein, er spiel­te auch nicht beson­ders gut. Es war nun aber auch nicht so, als hät­ten wir uns an die Wand spie­len las­sen, es war halt nur die­ser eine Feh­ler mehr, der sie in Rück­stand brach­te. Es läuft eben auch gera­de so gut, dass, wie in der 40. Minu­te, der geg­ne­ri­sche Spie­ler freih­ste­hen im VfB-Straf­raum über den Ball säbelt und Alex Nübel ein­fach jeden Schuss von Tia­go Tomás von scharf links her­aus­fi­schen kann. Und so über­win­det die Mann­schaft dann auch einen Geg­ner wie Wolfs­burg, auch weil sie deren Feh­ler gna­den­los aus­nutzt. Ich kann mich immer noch nicht ent­schei­den, was schö­ner war: Chris Füh­richs Pass auf Gui­ras­sy, der Cas­teels ele­gant aus­stei­gen lässt oder wie eben­je­ner Gui­ras­sy die Ver­wir­rung in der Wolfs­bur­ger Hin­ter­mann­schaft aus­nutzt, um in aller See­len­ru­he den Deckel auf das Spiel zu machen.

Man kann längst nicht mehr allein von Spiel­glück oder einem dank­ba­ren Spiel­plan spre­chen, wenn man den Erfolg des VfB ver­ste­hen will. Die Mann­schaft schafft es aktu­ell, auch dank der wöchtent­li­chen Bestä­ti­gung, sich von Stim­mungs­schwan­kun­gen frei zu machen. Ein Rück­stand gegen eine ekli­ge und zugleich spiel­star­ke Mann­schaft wie Wolfs­burg hät­te uns noch vor einem hal­ben Jahr irgend­wann den Zahn gezo­gen. Erneut ließ der VfB aber in die­sem Spiel nur acht geg­ne­ri­sche Päs­se pro Defen­siv­ak­ti­on zu, die Wolfs­bur­ger, trotz des hohen Anlau­fens, deren 16. Der VfB ent­wi­ckelt mit­un­ter eine gera­de­zu drü­cken­de Domi­nanz: Laut Under­stat brin­gen die Brust­ring­trä­ger mit 66 nach den Bay­ern und Lever­ku­sen die dritt­meis­ten Päs­se in der Zone von etwa 18 Metern vorm geg­ne­ri­schen Tor an den Mann. Gleich­zei­tig las­sen mit Uni­on, Leip­zig und den Bay­ern nur drei Mann­schaf­ten weni­ger Päs­se in der Zone rund um den eige­nen Straf­raum zu. Hin­zu kommt eine Pass­quo­te von 87 Pro­zent, die in der Liga auch nur von Spit­zen­rei­ter Lever­ku­sen und Ver­fol­ger (!) Bay­ern getoppt wird.

Keine Sorgen

Es wirkt so absurd, oder um die Über­schrift auf­zu­grei­fen, unwirk­lich. Aber der VfB ist aktu­ell wirk­lich so gut und auch wenn, wie man ja gebets­müh­len­ar­tig beto­nen muss, in Zukunft auch mal wie­der ein Spiel ver­lo­ren gehen wird, muss man sich aktu­ell kei­ne Sor­gen um einen kom­plet­ten Ein­bruch machen. Dazu funk­tio­niert aktu­ell ein­fach zu viel, egal unter wel­chen Umstän­den. Und war­um über­haupt soll­te der VfB unbe­dingt ein­bre­chen. Vor drei Jah­ren spiel­te die Mann­schaft eine sta­bi­le Sai­son, wenn auch nicht so außer­ge­wöhn­lich wie die bis­he­ri­ge — für die 18 Punk­te brauch­te man damals dop­pelt so vie­le Spie­le. In den ver­gan­ge­nen bei­den Spiel­zei­ten manö­vrier­te sich die Mann­schaft aus ver­schie­de­nen Grün­den ziem­lich schnell in den Tabel­len­kel­ler und fand erst auf den letz­ten Drü­cker die Trep­pe nach oben. Die nächs­te Schwie­rig­keits­stu­fe steht der Mann­schaft in zwei Wochen in Köpe­nick bevor, wo es nicht nur um wei­te­re Bun­des­li­ga-Punk­te geht, son­dern auch end­lich dar­um, dass Trau­ma gegen Uni­on end­lich hin­ter uns zu las­sen und an der Alten Förs­te­rei ein Bun­des­li­ga-Spiel zu gewin­nen. Nie stan­den die Chan­cen so gut wie jetzt. Und gleich­zei­tig kann ich micht nicht mehr erin­nern, wann wir mit einem sol­chen Hoch­ge­fühl in die zwei­wö­chi­ge Fuß­ball-Zwangs­pau­se gegan­gen sind. Wun­der­schön.

Zum Wei­ter­le­sen: Dani­el beschreibt im VfBlog “Ein gei­les Spiel”

Titel­bild: © Chris­ti­an Kas­par-Bart­ke/­Get­ty Images

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