Und niemals vergessen: Scheiß Relegation!

War­um das Spiel gegen Uni­on am Diens­tag für VfB-Fans kei­nes ist wie jedes ande­re.

Abnei­gun­gen gegen ande­re Fuß­ball­ver­ei­ne sind ja etwas sehr Per­sön­li­ches. Mein Vater hat mir eine gesun­de Skep­sis gegen­über dem pro­vin­zi­el­len Welt­schmerz des 1. FC Kai­sers­lau­tern mit­ge­ge­ben (“wenn der FCK absteigt, stirbt eine gan­ze Regi­on und ganz Deutsch­land weint mit”) und die aktu­el­le Kri­se des FC Schal­ke 04 löst bei mir ange­sichts der aggres­si­ven Abwer­be­ver­su­che (Bor­don!) Anfang der 2000er Jah­re und unse­rem Meis­ter­jahr 2007 immer noch eine leich­te Scha­den­freu­de aus. Ein­tracht Frank­furt hin­ge­gen fand ich als Kind Nord­hes­sens wegen ihres ver­meint­li­chen Allein­ver­tre­tungs­an­spruchs für das gan­ze Bun­des­land zum Kot­zen, mitt­ler­wei­le ist mir der Ver­ein rela­tiv sym­pa­thisch. Der 1. FC Uni­on Ber­lin hin­ge­gen war mir rela­tiv lan­ge rela­tiv egal. Ich wuss­te, dass es den Ver­ein gibt, dass sie mal im Pokal­fi­na­le stan­den und anschlie­ßend im Euro­pa­po­kal spiel­ten als einer der weni­gen Zweit­li­gis­ten, die halt nur über ein ver­lo­re­nes Pokal­end­spiel auf die inter­na­tio­na­le Büh­ne kom­men. It was fun while it las­ted.

Und dann stieg der VfB ab. Vom aus­tausch­ba­ren Sta­di­on in Wolfs­burg, in dem der ers­te Gang in die zwei­te Liga seit knapp 40 Jah­ren besie­gelt wur­de, ging es end­lich mal wie­der nach Bochum an die Cas­tro­per Stra­ße, wo ich am 12. Mai 2007 eines der geils­ten Aus­wärts­spie­le mei­nes Lebens ver­folg­te. Oder auf den Bet­zen­berg. Ans Mill­ern­tor. Zum Der­by in den Wild­park. Und am 20. Novem­ber 2016 in die Alte Förs­te­rei nach Ber­lin-Köpe­nick, wo der VfB trotz eines Terod­de-Tors nur 1:1 spiel­te und den Sprung auf Platz 1 ver­pass­te. Etwa eine Stun­de nach Abpfiff schrieb ich auf Twit­ter:

In jenem sozia­len Netz­werk kur­sier­ten ja die letz­ten Wochen die “how it started/how it’s going”-Tweets. So begann also mein Ver­hält­nis zu Uni­on. Wie es läuft? Naja, eigent­lich woll­te ich in der Über­schrift Uni­on statt Rele­ga­ti­on schrei­ben, war­um das aber nicht den Kern der Sache trifft, dazu gleich mehr. Aber zunächst: War­um “scheiß Uni­on”? War­um habe ver­spü­re ich jetzt eine Abnei­gung gegen einen Ver­ein, den ich vor vier Jah­ren noch sym­pa­thisch fand? 

Der 27. Mai 2019

Nun…


Es war erneut ein Abstieg des VfB, der die­ses Ver­hält­nis nach­hal­tig belas­te­te. Und ich hät­te alles dafür gege­ben, dass Uni­on an die­sem 27. Mai 2019 nicht auf­steigt. Nicht, dass die­ser von Wolf­gang Diet­rich und Hel­fers­hel­fern zugrun­de gerich­te­te VfB den Abstieg nicht voll­kom­men ver­dient gehabt hät­te. Aber abstei­gen will trotz­dem kein Fan und wer etwas ande­res sagt, lügt sich sel­ber an. Vor allem willst Du nicht so abstei­gen, in die­sen von der DFL for­cier­ten und insze­nier­ten moder­nen Gla­dia­to­ren­kämp­fen namens Rele­ga­ti­on, bei denen man die Fern­seh­sen­der noch­mal rich­tig schön mel­ken kann und sich dann wun­dert, dass regel­mä­ßig die Emo­tio­nen über­ko­chen. Otto Reha­gels “Halb­angst”, Karls­ru­he gegen Regens­burg, Sech­zig gegen Regens­burg, Nürn­berg gegen Ingol­stadt, you name it. Oder eben Uni­on gegen VfB.

Da steigst Du aus­wärts ab, musst an einem Mon­tag­abend noch quer durch die Repu­blik heim­fah­ren und Dich vor­her von Ber­li­ner Rotz­na­sen noch bepö­beln und mit Ben­ga­los bewer­fen las­sen. Den­nis Aogo berich­te­te kurz nach sei­nem Kar­rie­re­en­de in einem Inter­view auf 11Freunde.de, er sei beim Ver­las­sen des Spiel­felds von platz­stür­men­den Uni­on-Fans getre­ten wor­den. Da denkst Du dir: Fickt Euch. Hart. Nun muss man natür­lich zwei Sachen dazu anmer­ken: Ers­tens sind nicht alle Unio­ner so und zwei­tens ist das Bild des sym­pa­thi­schen Kult­clubs natür­lich auch eine Zuschrei­bung von Außen. Sta­di­on­re­no­vie­rung hin, Weih­nachts­sin­gen her: In der Alten Förs­te­rei gibt es neben vie­len nor­ma­len Leu­ten den glei­chen geis­ti­gen Boden­satz wie in allen ande­ren Sta­di­en und Sze­nen der Repu­blik auch.

Teil der Geschichte

Was sich aber nicht rela­ti­vie­ren lässt ist fol­gen­des: Der Bun­des­li­ga-Auf­stieg 2019 ist für Uni­on das High­light der jün­ge­ren und viel­leicht auch der älte­ren Ver­eins­ge­schich­te, auf jeden Fall der Nach­wen­de­ge­schich­te. Man kann aber die Geschich­te die­ses für Uni­on mär­chen­haf­ten Mon­tag­abends nicht ohne den Geg­ner erzäh­len, den sie auf dem Weg ins gelob­te Bun­des­li­ga-Land über­win­den muss­ten. Nicht ohne die Abseits­stel­lung von Nico Gon­za­lez. Nicht ohne den Platz­sturm. Etwas, über dass ich mich nicht mit­freu­en kann, weil an die­sem Abend die gan­ze Schei­ße, dir wir unter Diet­rich erdul­den muss­ten, ihren nega­ti­ven sport­li­chen Höhe­punkt fand. Weil ich im Gäs­te­block stand und Mann­schaft und Ver­eins­füh­rung zum Teu­fel wünsch­te. Wenn Bochum 2007 das geils­te Aus­wärts­spiel mei­nes Lebens war, war Ber­lin-Köpe­nick 2019 das mit Abstand beschis­sens­te. Dass sich der Ver­ein in Per­son sei­nes Prä­si­den­ten in der Coro­na-Kri­se mitt­ler­wei­le als der stink­nor­ma­le Pro­fi­ver­ein geriert, der er wahr­schein­lich schon im Novem­ber 2016 war, trägt sein Übri­ges zu mei­ner Ernüch­te­rung bei. Da ist das Nick-Horn­by-Zitat auf der Rück­wand des Gäs­te­blocks nichts ande­res als die Toten­kopf­flag­ge auf St. Pau­li: Mar­ke­ting­folk­lo­re.

Nichts als Marketing.
Nichts als Mar­ke­ting.

Es wird also ein emo­tio­na­les Spiel am Diens­tag­abend. Immer­hin im Neckar­sta­di­on, und nicht erneut in die­sem ver­ma­le­dei­ten Gäs­te­block. Fun Fact: Das letz­te Mal, als Chris­ti­an Gent­ner im Neckar­sta­di­on auf­lief, war er noch Kapi­tän des VfB und traf zum 1:0 des VfB gegen, natür­lich, Uni­on Ber­lin im Hin­spiel der Rele­ga­ti­on. Gent­ner. Noch so ein schwie­ri­ges Ver­hält­nis. Dass er zu Uni­on ging, konn­te man ihm nicht ernst­haft zum Vor­wurf machen. Vie­les, was in den sechs Jah­ren davor in denen er den VfB als Kapi­tän aufs Feld führ­te, schon.

Des­we­gen: Herz­li­chen Glück­wunsch, Uni­on. Ihr seid für mich wie Kai­sers­lau­tern und Schal­ke und ich hof­fe, dass Nico­las Gon­za­lez Chris­ti­an Gent­ner am Diens­tag­abend den Ball abluchst und ein, zwei oder auch drei Tore macht. Ich wür­de ja sagen, es ist nichts Per­sön­li­ches. Aber das stimmt, wie im ers­ten Satz beschrie­ben, lei­der nicht.

8 Gedanken zu „Und niemals vergessen: Scheiß Relegation!“

    • Hi,

      naja, als abgei­fern wür­de ich es nicht bezeich­nen, zumal ioh ja auch durch­aus ein­schrän­ke, dass nicht alle Unio­ner so sind. Und wer als ers­tes zum Gäs­te­block rennt, statt sich über den Auf­stieg zu freu­en oder Spie­ler tritt, ist eben Boden­satz. Fer­tig.

      Lie­be Grü­ße!

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  1. Warst du eigent­lich mal zu Gast in Stutt­gart? Ich 2mal mit Uni­on. Außer Ros­tock gab es kei­ne Spie­le, bei denen wir aggres­si­ver und inten­si­ver aus dem Heim­ber­reich pro­vo­ziert wur­den. Scha­de dass du so undif­fe­ren­ziert schreibst.
    Aber du bestä­tigst am Ende nur das abge­ho­be­ne VfB Bild.

    Meinst du eigent­lich, dass Gen­te dei­nen Ein­druck teilt? Hast du mal eine Minu­te dar­auf ver­wen­det zu schau­en, was er über Uni­on denkt? Wie geil er es fin­det, dass er bei Miss­erfolg nicht von den Heim­fans bedroht wird?

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    • Hal­lo Oli­ver,

      Nein, war ich in der Tat noch nicht. Ich fin­de es aber anstren­gend bis amü­sant, dass alle Kom­men­taro­ren hier

      1. schein­bar nicht drauf klar­kom­men, dass es an die­sem 27. Mai 2019 nicht nur freu­den­trun­ke­ne sta­di­on­re­pa­rie­ren­de und weih­nachts­sin­gen­de Auf­stei­ger auf dem Rasen der AF rum­lie­gen, son­dern eben auch so Voll­as­sis wie oben auf dem Bild, die nach (!) dem Spiel beim größ­ten Erfolg des eige­nen Ver­eins auf direk­tem Weg zum Gäs­te­block zu lau­fen

      2. Den Arti­kel schein­bar nur über­flo­gen haben. Oder selek­tiv gele­sen. Natür­lich pöbeln wir Gäs­te­fans an. Vor allem im Hin­spiel der Rele­ga­ti­on. Natür­lich gibt es auch bei uns, wie bei Uni­on, wie über­all Voll­as­sis, die es über­trei­ben. Mei­ne Frus­tra­ti­on, die ich im Arti­kel zum Aus­druck gebracht habe, ist eigent­lich die, dass ich Uni­on nach der Zweit­li­ga-Sai­son damals eigent­lich sym­pa­thisch fand und ihnen, sie­he Tweet, den Auf­stieg gewünscht hät­te. Nur eben nicht gegen uns, mit den Begleit­um­stän­den.

      Zu Gent­ner wür­de ich vor­schla­gen, dass Du zu Din­gen, von denen Du kei­ne Ahnung hast, bit­te ein­fach den Rand hältst. Dan­ke.

      Vie­le Grü­ße, Lenn­art

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  2. Über das Aogo-Zitat hab ich mich ehr­lich gesagt sehr gewun­dert. Es kursier(t)en so vie­le You­tube-Vide­os vom Abpfiff und den Momen­ten danach, aber nir­gends war/ist etwas zu ent­de­cken, was das Zitat ansatz­wei­se erhär­tet.

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