Zuletzt trafen die TSG Hoffenheim mit Pellegrino Matarazzo und der VfB mit Sebastian Hoeneß am letzten Spieltag der vergangenen Saison aufeinander. Vor der Neuauflage dieses aus Trainer-Sicht besonderen Duells sprachen wir mit Niko Beck, stellvertretender Ressortleiter Sport bei der Rhein-Neckar-Zeitung.
Rund um den Brustring: Hallo Niko und vielen Dank, dass Du dir wieder Zeit für unsere Fragen nimmst.
Niko: Hi Lennart, sehr gerne.
Im Mai kam Hoffenheim das letzte Mal in die Landeshauptstadt und hatte damals gerade so den Klassenerhalt erreicht, welcher der VfB nach dem 1:1 in diesem Spiel zunächst verwehrt blieb. Am kommenden Samstag empfängt der Tabellenzweite den Tabellensechsten. Hättest Du diese Entwicklung bei beiden Mannschaften erwartet?
Ich glaube, das kann keiner von sich behaupten, wenn er ehrlich ist. Daher: Nein, mit Sicherheit nicht.
Am Wochenende verlor die TSG zu Hause gegen Frankfurt mit 1:3, Pellegrino Matarazzo beklagte hinterher die individuellen Fehler in der Abwehr. In der Tat sticht Hoffenheim im oberen Tabellendrittel durch die große Anzahl an Gegentoren heraus. Wo liegen Deiner Meinung nach die Gründe? Sind es wirklich individuelle Fehler oder hat es auch was mit der Spielanlage zu tun?
Gegen die Eintracht waren es definitiv zu viele individuelle Patzer. Allen voran Jay Brooks stand ziemlich neben sich, sodass Matarazzo sogar darüber nachgedacht hatte, ihn vor der Pause zu „erlösen“ und auszuwechseln. Generell leistet sich die Mannschaft viel zu viele Ballverluste, viele auch in der eigenen Hälfte. Statistisch gesehen liegt „Hoffe“ auf einem Abstiegsplatz was die gefährlichen Ballverluste – also jene, die eine Torchance für den Gegner einleiten – angeht.
Wie bewertest Du generell Matarazzo seit seiner Rückkehr nach Hoffenheim Anfang des Jahres und wohin kann er die Mannschaft in dieser Saison führen?
Was man „Rino“ hoch anrechnen muss, ist die Art und Weise wie er mit seinem persönlichen Fehlstart umgegangen ist. Man muss nicht drum herum reden: Hätte Hoffenheim im Frühjahr auch das sechste Spiel in Serie verloren, wäre Matarazzo mit hoher Wahrscheinlichkeit heute nicht mehr Trainer der TSG. Er hat es geschafft, die Mannschaft zu beruhigen, auf und neben dem Platz, und in das Gesamtkonstrukt eine bessere Balance hineinzubekommen. Die Ergebnisse sprechen für ihn. An einen Europapokal-Platz am Ende der Saison kann ich momentan aber noch nicht wirklich glauben. Natürlich lasse ich mich aber gerne eines Besseren belehren. 😉
Wie lässt er die Mannschaft aktuell spielen und wo liegen die Stärken und — abgesehen von der Anzahl der Gegentore — die Schwächen seiner Mannschaft?
Matarazzos Elf tritt immer im 3–5‑2 an, wenngleich in diesem System durchaus variabel. In der Defensive wird nicht mehr ganz so hoch angelaufen wie beispielweise noch unter Julian Nagelsmann, nicht mehr bedingungslos gepresst. Wenn, dann aber absolut effizient. Nach Ballverlusten in der gegnerischen Hälfte erobert kein Team die Kugel so gut und so schnell zurück wie die TSG. Auch die Offensive hat generell bislang überzeugt und ist extrem effektiv. Eine Schwäche der Mannschaft ist aktuell sicherlich – trotz Sturmtank Weghorst und Abwehrkante Brooks – das Kopfballspiel, sowohl offensiv als auch defensiv.
Der lukrativste Wechsel im Sommer war der von Christoph Baumgartner nach Leipzig, dafür kam Mergim Berisha aus Augsburg, Attila Szalai von Fenerbahce und Anton Stach von Mainz 05. Welche Transfers waren noch beachtenswert und wie bewertest Du Alexander Rosens Transfersommer?
Natürlich ist hier die Rückkehr von Florian Grillitsch zu nennen. Der Österreicher kam nach seinem wenig erfolgreichen Jahr in Amsterdam mit einer großen Portion Demut zurück und hat seine alte Rolle nahezu problemlos wieder eingenommen. Szalai und Berisha kommen bislang noch nicht wirklich zum Zug, Anton Stach dagegen ist so ein bisschen der „unsung hero“ im Hoffenheimer Team. Er hat sicherlich einen ganz großen Anteil am Aufschwung. Und, wenn man natürlich auch nicht unerwähnt lassen darf: Maxi Beier. Er war zwar nur ausgeliehen, aber eben trotzdem zwei Jahre lang in Hannover, und ist daher auch eine Art Neuzugang. Lass ihn uns mal den „Guirassy light“ nennen. (lacht)
Sechs Tore in acht Spielen können sich ja auch durchaus sehen lassen. Und Achtung: Bislang traf er in allen vier Auswärtsspielen jeweils einmal. Marius Bülter ist ebenfalls neu dabei und könnte beim VfB sein 100. Bundesliga-Spiel machen. Aktuell kommt er aber meistens von der Bank. Und dann gibt es da natürlich noch den vermeintlichen Königstransfer Wout Weghorst. Der Niederländer taugt zwar ganz gut als Anspielstation an vorderster Front, wurde aber natürlich fürs Tore schießen geholt. Ein Treffer ist ihm noch keiner gelungen – und er kommt auch überhaupt nicht in gefährliche Abschlusspositionen. Daher ist der Transfersommer – Stand jetzt – eher unglücklich gelaufen. Klammert man Beier aus, konnten restlos nur Stach und Grillitsch überzeugen.
Nachdem Ermin Bicakcic den Verein verlassen und Sebastian Rudy seine Karriere beendet hat, steht mit Ozan Kabak nur noch ein ehemaliger VfB-Spieler im TSG-Kader. Wie läuft es für ihn?
Wenn Kabak fit ist, ist er gesetzt. Zuletzt fiel er mit einer Schulterverletzung allerdings aus. Ein Einsatz an alter Wirkungsstätte ist aber noch möglich.
Angelo Stiller hat sich beim VfB direkt im Mittelfeld festgespielt und trifft am Samstag auf seinen ehemaligen Verein. Wir sprachen bei seinem Wechsel über ihn, was sagst Du zu seiner Entwicklung beim VfB in den letzten Wochen?
Irren ist menschlich. 😉 Wie auch von Trainer Sebastian Hoeneß war ich von Angelo Stiller in seiner Zeit in Hoffenheim nicht restlos überzeugt, das gebe ich gerne zu. Dass es für beide in Stuttgart jetzt so gut läuft, ist vielleicht auch ein Grund, warum wir alle den Fußball so lieben. Was hier nicht passt, kann dort the perfect fit sein.
Maximilian Beier spielte die letzten zwei Jahre leihweise in Hannover und hat jetzt bereits sechs Tore erzielt. War das absehbar? Und auf wen müssen wir mehr aufpassen: Auf ihn oder auf Andrej Kramaric?
Das ist vielleicht die leichteste Frage heute. Denn Andrej Kramaric steigt vermutlich erst nächste Woche wieder ins Mannschaftstraining ein. Er hatte Ende September im Heimspiel gegen Dortmund einen Schlag auf den Oberschenkel bekommen, wodurch sich ein heftiges Hämatom gebildet hat, das nicht punktiert werden konnte. Anfangs konnte er nicht mehr wirklich laufen. Inzwischen geht es ihm besser, aber für Samstag reicht es eben nicht. Ansonsten fehlen Dennis Geiger, Stanley Nsoki und Marco John weiterhin.
Dein Tipp für die Startelf und das Ergebnis?
Sollte Brooks eine Denkpause bekommen, würde vermutlich Kevin Vogt ins Zentrum der Dreierkette rücken und den rechten Part Kevin Akpoguma übernehmen, wenn es bei Kabak doch nicht klappen sollte. Dazu Szalai in der Kette. Auf den anderen Positionen erwarte ich eigentlich keine Änderung. Sprich: Grillitsch auf der Sechs, Prömel und Stach auf den Halbpositionen. Skov und Kaderabek auf den Schienen und Beier und Weghorst vorne drin. Und Baumann im Tor natürlich. Ich glaube tatsächlich an einen knappen TSG-Sieg oder ein unterhaltsames Remis.
Titelbild: © Johannes Simon/Getty Images