Am Samstag beim Spiel gegen die TSG Hoffenheim kommt es nicht nur zum Duell zweier Überraschungsmannschaften, auch beide Chef-Trainer bekommen ihr Wiedersehen mit ihren alten Mannschaften. Der VfB muss dagegen ohne den verletzten Guirassy beweisen, dass das alles eine mannschaftliche Leistung ist und man nicht zu abhängig von guineischen Nationalspieler ist.
Der neue VfB ist endgültig da. Auch gegen den vermeintlichen Angstgegner Union Berlin gelang den Rekord-Schwaben ein klares 3:0. Doch große Freude kommt nicht auf, denn Guirassy erlitt bei dem Spiel einen Muskelfaserriss und wird dem VfB erstmal “ein paar Wochen” fehlen. Eigentlich wollten wir diesen Stress-Test erst Mitte Januar sehen, wenn der Stürmerstar mit Guinea in Senegal um den Afrika Cup of Nations spielt. Jetzt stellen sich alle die Frage: Wie gut ist der VfB ohne Serhou? Diese Frage werdenwir in den kommenden Wochen wohl oder übel beantwortet bekommen. Das Problem ist, dass er nicht nur der Mann für die Tore ist. Er bringt die Physis mit, lange Bälle festzumachen und abzulegen (siehe das 1:1 gegen Darmstadt), er lässt sich gerne mal fallen und beteiligt sich am Spielaufbau und ist eine wahre Pressingmaschine. Schaut euch einfach das 1:0 an der Alten Försterei an. Dieses Tor ist so sinnbildlich für die Qualität von Guirassy. Er erobert den Ball, spielt ihn zu Rouault, läuft zwischen den Innenverteidigern durch, zeigt auch noch Rouault an, wo der freie Raum sein wird und köpft das Ding wunderbar an dem zu früh rausstürmenden Rönnow vorbei. Poetry in Motion.
Ja, die Qualität des Stuttgarter Angriffs wird definitiv abfallen, ABER: der VfB ist nicht nur Guirassy. Denn auch mit Guirassy gab es ein Spiel (ja, kleine sample size) in dem der Neuner abgemeldet war und wir trotzdem gewinnen konnten. Weil Führich endlich die richtigen Entscheidungen trifft und Deniz Undav da steht, wo ein Stürmer zu stehen hat. Auch gegen Union gelangen dem VfB zwei Tore trotz Guirassy-Auswechslung. Das waren auch keineswegs Zufallsprodukte. Das 2:0 war der verdiente Lohn für Silas, der in den letzten Spielen unglücklich beim Abschluss war. Dazu das 3:0. Den Ball in einer Pressingsituation gewonnen, die Flanke von Goldmedaillen-Sieger Jeong und der Kopfball von Undav. Auch das ist der neue VfB. Diese Kaltschnäuzigkeit, Fehler auch auswärts zu bestrafen hat die letzten Jahre so sehr gefehlt. Was mir auch etwas zu sehr untergeht ist unsere Defensive. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, wir haben die Hälfte der Spiele zu null (!) gespielt. Waldemar Anton und Hiroki Ito bestätigen die Leistung der letzten Saison, während Zagadou endlich seinen Durchbruch erlebt, auf den die Dortmund-Fans und wir solange gewartet haben. Und dann natürlich Nübel. Ich lag bei meiner Einschätzung so falsch, wie Journalisten, die das Spiel gegen Hoffenheim ein Derby nennen.
Ja ich bzw. wir geraten vielleicht zu schnell ins Schwärmen und Träumen, aber der VfB gibt uns halt auch immer wieder Recht. Es wäre auch mit Guirassy wahrscheinlich ein schweres Spiel gewesen, ohne Guirassy wird das ein echter Härtetest. Denn ich würde auch gerne den Hut vor Matarazzos Arbeit in Hoffenheim ziehen, aber die “Erfolgsgeschichte” hinter der TSG ist mir ein Dorn im Auge. Ich mein, dass muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Dieser Verein spielt was weiß ich wie viele Jahre in der Bundesliga, hat so und so viele Jahre international, ja sogar Champions League gespielt, aber hat trotzdem regelmäßig wie zuletzt gegen Frankfurt Auswärtsspiele im eigenen Stadion. Und nein, es ist und bleibt kein Derby. Das Duell Derby zu nennen ist respektlos gegenüber was Köln und Gladbach am Sonntag abgerissen haben oder auch was auf der Waldau gegen die Kickers los war.
Das zweite Thema neben der Guirassy-Frage ist das Duell Hoeneß gegen Matarazzo. Beide Coaches haben quasi die Mannschaften getauscht. Ich behaupte zudem mit meinem Laienwissen, dass beide Trainer auch paradoxerweise voneinander profitiert haben. Denn beide spielen einen ähnlichen Ballbesitzfußball mit ähnlichen Pressing-Elementen. Beide wollen eher das Spiel langsam hinten raus aufbauen. Unterschiede sind wahrscheinlich eher Nuancen, die wahrscheinlich Taktikblogger eher identifizieren können als ich es tue.
Es ist auch das Duell — und damit zum Thema Drei — der besten Heimmannschaft gegen die beste Auswärtsmannschaft. Der VfB ist daheim noch ohne makellos — so wie die TSG bei Auswärtsspielen. Beide haben jeweils ihre vier Spiele gewonnen und mindestens einer der beiden Serien wird auf jeden Fall zu Ende gehen.
Personalsituation
Hey habe ich schon erwähnt, dass Guirassy ausfällt? Nee, im Ernst: Er ist leider nicht der einzige Verletzte. Josh Vagnoman wird wohl sein Saisondebut erst nächstes Wochenende feiern. Er trainiert zwar mit der Mannschaft, ist aber wohl nicht soweit für das Spiel gegen die TSG. Offen ist der Einsatz von Zagadou, der französische Innenverteidiger konnte zum Teil mit der Mannschaft trainieren, aber ein Einsatz kommt vielleicht auch für ihn zu früh. Dünn sind wir weiterhin auf der Ersatz-Torwartposition besetzt. Florian Schock wird auch gegen Hoffenheim Nübel back-uppen.
Mögliche Startelf
Wie gegen Union, nur mit Undav statt Guirassy und Silas für Leweling. Alternativ könnte auch Jeong auf rechts spielen und Silas vielleicht im Sturmzentrum spielen, was ich aber bezweifle. Leweling fande ich die letzten Spiele nicht sehr überzeugend, wobei er gegen Union zumindest sein bestes Spiel machte.
Statistik
In 27 Spielen liegt der VfB mit 11 Siegen vorn. Abzüglich der 9 Unentschieden konnte die TSG aus Hoffenheim immerhin noch 7 Spiele für sich entscheiden. Von den elf Stuttgarter Siegen gelangen sieben daheim, während die TSG nur zwei Spiele im Neckarstadion für sich entscheiden konnte. Die Stärke von Hoffenheim ist die Laufleistung. Während Matarazzos VfB regelmäßig in der unteren Tabellenhälfte der Lauftabelle lag, hat die TSG mit dem Italo-amerikanischen Trainer die zweitmeisten Kilometer gelaufen. Mit 25 gelben Karten liegt die TSG vorne in der Statistik, dagegen hat der VfB mit ganzen neun gelben Karten und den wenigsten Fouls der Liga die fairste Truppe. Wie oben schon erwähnt ist der VfB auch defensiv sehr stark. Ausgenommen dem Spiel in Leipzig kassierte der VfB nicht mehr als einen Gegentreffer (eins davon war auch ein Eigentor) und beendete vier seiner acht Spiele ohne gegnerischen Treffer.
Fazit
Mit einer Menge Selbstvertrauen aber ohne Guirassy steigt der VfB am Samstag in den Ring (wer kennt’s noch?). Er wird schmerzlich vermisst werden, aber auch ohne ihn müssen wir uns vor der TSG nicht verstecken. Ich tippe — weil es die letzten beiden Male Glück gebracht hat — auf ein 0:0.
Titelbild: © Johannes Simon/Getty Images