Pokalspiel doing Pokalspiel things

Äußerst knapp setz­te sich der VfB in der ers­ten Pokal­run­de in Ros­tock durch. Immer­hin: Er setz­te sich durch, über das “wie” kann man geteil­ter Mei­nung sein.

Eigent­lich schaue ich ja schon viel zu lan­ge Fuß­ball, um mich auf die Dis­kus­si­on, was ein knap­per Aus­wärts­sieg gegen eine unter­klas­si­ge Mann­schaft in der ers­ten Pokal­run­de wert ist, ein­zu­las­sen. Denn natür­lich tut man sich als klas­sen­hö­he­re Mann­schaft grund­sätz­lich schwer und sei es nur eine Halb­zeit lang oder für 20 Minu­ten. Am Ende bleibt immer hän­gen: Die Ama­teur­mann­schaft, bestehend aus Stu­den­ten, Schrei­nern und Ver­si­che­rungs­an­ge­stell­ten kämpf­te auf­op­fe­rungs­voll und bot dem Bun­des­li­ga­ver­ein vor eige­nem, fre­ne­ti­schen Publi­kum Paro­li. So ähn­lich lief es auch am Mon­tag­abend im Ost­see­sta­di­on, nur dass die Han­sa-Spie­ler in der drit­ten Liga natür­lich Voll­pro­fis sind. 

Der übliche Klassenkampf, ohne VfB-Torschüsse

Beim Tor schaltete der VfB schneller. © Getty / Bongarts
Beim Tor schal­te­te der VfB schnel­ler. © Get­ty / Bon­garts

Abge­se­hen davon war es der pokal­üb­li­che Klas­sen­kampf, dem man als Kom­men­ta­tor meis­tens nach einer hal­ben Stun­de attes­tiert, dass hier kein Klas­sen­un­ter­schied zu erken­nen sei. Dabei mach­te Ros­tock vor allem das, was gegen die­se VfB-Mann­schaft sinn­voll war: Sie stell­ten sich hin­ten rein und lau­er­ten auf Kon­ter. Denn der VfB zog sei­nen Stil auch im drit­ten Pflicht­spiel durch: Mit einem Ball­be­sitz­an­teil von über 60 Pro­zent, knapp 600 gespiel­ten Päs­sen und damit dop­pelt so viel wie der Geg­ner, von denen über 80 Pro­zent anka­men. Das Pro­blem in Ros­tock war nur: Es ent­stan­den dadurch kei­ne Chan­cen.

Denn anders als gegen Han­no­ver und Hei­den­heim, war es dies­mal die ande­re Mann­schaft, die mehr Tor­schüs­se ver­zeich­nen konn­te. Das lag zum einen dar­an, dass Han­sa ein­fach sehr kom­pakt ver­tei­dig­te und zum ande­ren dar­an, dass sich der VfB mit sei­nem Kurz­pass­spiel immer wie­der in die­sem eng­ma­schi­gen Abwehr­netz ver­hed­der­te. Das Tor des Tages war dann eigent­lich ganz unty­pisch für die Spiel­wei­se von Trai­ner Tim Wal­ter und irgend­wie doch typisch. Denn zum einen zeig­te sich die Mann­schaft hell­wach und führ­te die Ecke so schnell aus, dass die Ros­to­cker noch nicht mit dem Lamen­tie­ren über die Schieds­rich­ter­ent­schei­dung fer­tig waren, als Al Ghad­dioui frei­ste­hend ein­köpf­te. Zum ande­ren zeigt sich hier der Vor­teil der Maß­ga­be Wal­ters, die Ecken kurz aus­zu­füh­ren, weil Ascací­bar den Ball Dida­vi so auf­le­gen konn­te, dass er die Flan­ke par­al­lel zur Grund­li­nie schla­gen konn­te, statt wie üblich bei Ecken in einer Kur­ve Rich­tung Fünf­me­ter­raum. Auf der ande­ren Sei­te war es von fünf Pflicht­spiel­to­ren das drit­te, das aus einem Stan­dard resul­tier­te.

Defensive Schlampigkeit

Mehrfach hatte der VfB defensiv das Nachsehen - zum Glück ohne Konsequenz. © Getty / Bongarts
Mehr­fach hat­te der VfB defen­siv das Nach­se­hen — zum Glück ohne Kon­se­quenz. © Get­ty / Bon­garts

Die unglei­che Tor­schuss-Sta­tis­tik zeigt aber auch, wie anfäl­lig der VfB hin­ten war. Das hat­te weni­ger mit dem ver­let­zungs­be­ding­ten Debüt von Natha­ni­el Phil­lips zu tun (wer mehr über unse­ren Neu­zu­gang aus Liver­pool erfah­ren, bit­te hier wei­ter­le­sen), son­dern mit dem Defen­siv­ver­hal­ten der gan­zen Mann­schaft. Viel zu häu­fig konn­te Ros­tock über die Flü­gel vor­sto­ßen, meist nach nach­läs­si­gen Ball­ver­lus­ten im Mit­tel­feld. Oder sie ver­such­ten sich durch die Mit­te zu drib­beln, so wie auch Hei­den­heim am Sonn­tag zu sei­nem Anschluss­tref­fer gekom­men war. Letz­ten Endes konn­te der VfB alle die­ser Angrif­fe abweh­ren, es offen­bar­te sich jedoch eine gewis­se Schlam­pig­keit in der Abwehr­ar­beit, die auch Tim Wal­ter nicht gefal­len dürf­te und die auch zunächst wenig mit der von ihm ver­ord­ne­ten Spiel­wei­se zu tun hat.

Denn es macht einen Unter­schied, ob ich so hoch ste­he und mir den Kon­ter durch einen ver­lo­re­nen Zwei­kampf oder einen ris­kan­ten Pass ein­fan­ge, oder ein­fach, weil ich im Mit­tel­feld die ver­meint­lich ein­fa­chen Päs­se nicht zum Mit­spie­ler bekom­me. Exem­pla­risch dafür stand Dani­el Dida­vi gegen Ende des Spiels, der einen Ball aus dem eige­nen Straf­raum zuge­spielt bekam, aber nicht in der Lage war, die­sen abzu­schir­men, son­dern ihn gleich wei­ter­spiel­te — zum Geg­ner. Prin­zi­pi­ell bin ich ja begeis­tert vom Ver­such, jede brenz­li­ge Situa­ti­on in der eige­nen Hälf­te mit einem Netz­werk befrei­en­der Kurz­päs­sen zu lösen. Die­se Päs­se müs­sen dann aber auch sit­zen und wenn wir die­sen Fuß­ball durch­zie­hen wol­len, dür­fen wir uns sol­che Nach­läs­sig­kei­ten nicht erlau­ben.

Immerhin: Rostock bezwungen

Zumal sich unter zuneh­men­dem Ros­to­cker Druck auch ein biß­chen Ermü­dung ein­schlich bei den Brust­ring­trä­gern. Da wur­de der Ball doch wie­der lang nach vor­ne geschla­gen, mit dem erwart­ba­ren Kon­troll­ver­lust als Fol­ge. So war das Pokal­spiel gegen den Dritt­li­gis­ten, wenn man ehr­lich ist, das bis­her schlech­tes­te Sai­son­spiel des VfB. Das mag dar­an lie­gen, dass sich Ros­tock als ers­te Mann­schaft nicht vom VfB aus der Reser­ve locken ließ, nicht mal, als sie zur Halb­zeit in Rück­stand waren. Es liegt aber auch dar­an, dass zum einen die Mann­schaft nicht durch­gän­gig in der Lage war, sich die Grund­la­gen für ihre Spiel­wei­se zu schaf­fen. Zum ande­ren, dass Tim Wal­ter sein Spiel­sys­tem für sol­che Geg­ner offen­bar noch ver­fei­nern muss.

Den­noch: Der VfB ist wei­ter und zeig­te sich zumin­dest etwas sou­ve­rä­ner als in den letz­ten bei­den Jah­ren. Und wir konn­ten end­lich, end­lich, end­lich mal ein Pokal­spiel in Ros­tock gewin­nen. Hört sich nach nicht viel an, wenn Han­sa in den sozia­len Medi­en aber nach der Aus­lo­sung schon scherz­haft von einem Frei­los sprach, ist es das dann irgend­wie doch. Wer auch posi­tiv auf­fiel: Fabi­an Bred­low. Der muss­te den an der Hüf­te ver­letz­ten Gre­gor Kobel erset­zen und mach­te sei­ne Sachen zumin­dest so sta­bil, dass ich anders als in den letz­ten Jah­ren kei­ne Sor­ge habe, wenn wir mal auf den zwei­ten Tor­hü­ter zurück­grei­fen müs­sen. Ob Tim Wal­ter Phil­lips mit der Kader­no­mi­nie­rung und der Ein­wechs­lung einen Gefal­len getan hat, weiß ich nicht. Der Neu­zu­gang fiel natür­lich leis­tungs­mä­ßig gegen­über sei­nen Kol­le­gen nicht ab, in der ein oder ande­ren Situa­ti­on merk­te man aber, dass er eben erst seit Ende letz­ter Woche im Kader ist und die Abstim­mung dem­entspre­chend nicht opti­mal funk­tio­niert. Ich will ihm dar­aus kei­nen Vor­wurf machen, viel­leicht wäre Awoud­ja trotz­dem die bes­se­re Alter­na­ti­ve zu Bad­s­tu­ber gewe­sen.

Bitte keine Empörung über die Empörung!

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Ein letz­tes Wort noch zu den Begleit­um­stän­den des Spiels. Dass die Ros­to­cker bei einem sol­chen Spiel ordent­lich Stim­mung machen kön­nen, haben wir schon letz­tes Jahr gemerkt. Scha­de, dass man sich dann als Kur­ve hin­ter einem Spruch­band wie “Aus­ser Rand und Band für Ver­ein und Vater­land” ver­sam­melt. Mag sein, dass der sich für sein 20jähriges Bestehen fei­ern­de Fan­club sowohl den FC Han­sa, als auch die Natio­nal­mann­schaft unter­stützt. Der Spruch ist trotz­dem eine bewuss­te Pro­vo­ka­ti­on und das nicht zum ers­ten Mal. Wer also meint, mit sol­chen For­mu­lie­run­gen pro­vo­zie­ren zu müs­sen, darf sich über die Reak­tio­nen dar­über nicht beschwe­ren. Natür­lich ist es ein Pro­blem, wenn eine gan­ze Fan­sze­ne oder gleich meh­re­re Bun­des­län­der pau­schal in die rech­te Ecke gerückt wer­den, weil man damit jenen Unrecht tut, die sich dem ent­ge­gen­stel­len. Aber wer als Kur­ve Spruch­bän­der die­ser Art tole­riert, muss mir nicht mit “Ihr blö­den Wes­sis hal­tet uns Ossis alle für Nazis” kom­men.  Nun ja, hof­fen wir mal, dass die Los­fee und nächs­tes Jahr gnä­dig ist und uns ein Ost­see­sta­di­on-Tri­ple erspart bleibt.

Titel­bild: © Get­ty / Bon­garts

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