Rund um das Spiel gegen St. Pauli

Am drit­ten Spiel­tag ist der FC St. Pau­li zu Gast im Neckar­sta­di­on. Mit Anna-Maria (@amhass) und Nor­bert (@headnut1910) vom St. Pau­li-Blog Magi­scher FC spra­chen wir über das Spiel und ihren Ver­ein.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Ihr bei­den und vie­len Dank, dass Ihr Euch Zeit für unse­re Fra­gen nehmt. Stellt Euch doch bit­te erst­mal vor: Wie seid Ihr St. Pau­li-Fans gewor­den, wie ist der Blog “Magi­scher FC” ent­stan­den und wie seid Ihr auf den Namen gekom­men?

Magi­scher FC: Moin also mein Name ist Nor­bert, 1984 hat mei­ne Mut­ter ihren Mann über­zeugt nicht mehr in den Volks­park zu gehen, sie sind dann mit ihren Kin­dern ans Mill­ern­tor gegan­gen und wir sind als Fami­lie hän­gen geblie­ben. Bis heu­te steht mei­ne Schwes­ter mit mir im Sta­di­on.

Ursprung des Blogs war 2001 die Inter­net­sei­te mei­nes ehe­ma­li­gen Fan­clubs, die Inhalt brauch­te und für die ich eine Kolum­ne namens “Nor­bert regt sich auf” bei­steu­er­te. 2008 hab ich das dann aus­ge­glie­dert und erst­mal allei­ne gegrün­det. Seit ca. 2010/2011 sind wir ein Kol­lek­tiv meh­re­rer Men­schen. Zur Zeit um genau zu sein vier Men­schen. In die­ser Beset­zung nun seit gut einem Jahr.

Am Namen schuld sind — wie immer — die Ultras, die in vie­len Lie­dern vom “magi­schen FC” sin­gen. Unse­ren Unter­ti­tel “kom­mu­nis­ti­sches Pro­pa­gan­da­me­di­um des FCSP” gab uns mal einer unse­rer Lieb­lings­t­wit­te­rer, als wir mehr Soli­da­ri­tät für unse­re nord­ko­rea­ni­schen Brü­der und Schwes­tern ein­for­der­ten. Es ging um unse­ren Aus­rüs­ter.

Und die zwei­te im Bun­de, Anna-Maria, bekam 7 Jah­re nach obi­gem Wech­sel ans Mill­ern­tor ihr ers­tes St. Pau­li-Shirt von einem Fami­li­en­freund, der damals in der Fan­zene sehr aktiv war, geschenkt. End­gül­tig ver­fal­len war sie 3 Jah­re spä­ter, als bei einem der Stadt­der­bys die Fans unse­res Nach­barn es für cool hiel­ten, klei­ne Kin­der (= sie damals) anzu­pö­beln, weil sie Fans des fal­schen Ver­eins sei­en. Sie hat dann vie­le Jah­re nicht in oder um Ham­burg gelebt und den Ver­ein aus der Fer­ne ver­folgt. Seit fünf Jah­ren ist sie nun wie­der in Ham­burg, seit einem Jahr Mit­glied des Kol­lek­tivs.

Die letz­te Bun­des­li­ga-Sai­son des “magi­schen FC” ist ja, wie ich gera­de nach­ge­se­hen habe, doch län­ger her, als ich gedacht hät­te. Zwi­schen­durch schnup­per­te der Ver­ein aber durch­aus immer mal wie­der an den Auf­stiegs­plät­zen, auch in der ver­gan­ge­nen Sai­son. Was fehlt St. Pau­li noch, um wie­der in die Bun­des­li­ga auf­zu­stei­gen und wie erklärt Ihr Euch den Absturz auf Platz 9 am Ende der ver­gan­ge­nen Sai­son?

Die kur­ze Ant­wort ist: Geld fehlt. In einer Welt von Inves­to­ren und rie­si­gen Unter­schie­den in Fern­seh­gel­dern zwi­schen Liga 1 und 2 wird es immer schwie­ri­ger die Bun­des­li­ga als FCSP zu errei­chen. Die lan­ge Ant­wort beant­wor­tet auch so ein biss­chen die Fra­ge nach dem letzt­jäh­ri­gen Absturz. Dem FCSP fehlt eine Men­ta­li­tät, die sport­li­chen Erfolg als Ziel sieht und Erfolg ermög­licht. Dazu gehört auch die Betreu­ung von Spie­lern, bes­se­re Trai­nings­mög­lich­kei­ten (die teil­wei­se erst sehr spät geschaf­fen wur­den), das set­zen von Zie­len und Bench­marks und ein all­ge­mei­nes sport­li­ches Kon­zept. Wir haben über­haupt kein sport­li­ches Gesicht.

Im Lau­fe der letz­ten Sai­son lös­te Jos Luhuk­ay, den wir ja in Stutt­gart auch noch ken­nen, Mar­kus Kauc­zinski als Trai­ner ab. Vor dem ers­ten Spiel der neu­en Sai­son sorg­te er bereits für Auf­se­hen, als er Ver­ein und Mann­schaft scharf kri­ti­sier­te. Könnt Ihr die­ses Ver­hal­ten nach­voll­zie­hen? Und wie bewer­tet Ihr sei­ne Arbeit bis­her? 

Jos Luhukay hat schlechte Laune. © Getty/Bongarts
Jos Luhuk­ay hat schlech­te Lau­ne. © Getty/Bongarts

Man hat als Trai­ner bei einem Ver­ein eine Brand­re­de frei. Denn die­ses Mit­tel ver­braucht sich sehr schnell. Wenn ich die schon vor dem ers­ten Spiel der ers­ten vol­len Sai­son ver­brau­che, dann wird es schwie­rig. Auch kann ich den Zustand der Mann­schaft ger­ne kri­ti­sie­ren, muss mich dann aber auch fra­gen, war­um ich mit der Vor­be­rei­tung eine Woche spä­ter anfan­ge, als die meis­ten ande­ren Zweit­li­gis­ten. Natür­lich hat er Recht in inhalt­li­chen The­men, sie­he vor­he­ri­ge Ant­wort, jedoch, er ist auch Teil des Pro­blems. Und mit Brand­re­den ändert man garan­tiert nix.

Ansons­ten ist Fuß­ball ein Ergeb­nis­sport und Luhuk­ay hat bis­her kei­ne Ergeb­nis­se gelie­fert. So ein­fach ist das: 9 Spie­le, 2 Sie­ge (1 davon im Pokal nach Elf­me­ter­schie­ßen), 3 Unent­schie­den, 4 Nie­der­la­gen — mit einem Schnitt von 0.75 in Liga­spie­len steigt man neben­bei ab.

Nach­voll­zie­hen kön­nen wir vie­le der kri­ti­sier­ten Punk­te neben­bei schon — so sehen wir da The­men, die wir auch aus “exter­ner Innen­sicht” immer wie­der kom­men­tie­ren. Aber wenn hier jemand seit Mona­ten Trai­ner ist und kom­mu­ni­ka­tiv mit dem Fin­ger immer nur auf ande­re zeigt, dann kommt das auch bei uns nicht nur gut an.

Und was hät­te die Kri­tik für Aus­wir­kun­gen auf das Innen­le­ben des Ver­eins?

Gute Fra­ge, kön­nen wir schwer beant­wor­ten, uns erzählt ja nie­mand was. Die Fan­stim­mung war jeden­falls schon mal deut­lich bes­ser.

Wie bewer­tet Ihr denn die som­mer­li­chen Neu­zu­gän­ge und ins­be­son­de­re Ex-VfBler Boris Tash­chy?

Tash­chy kam mit der Begrün­dung “kennt der Trai­ner” und da fan­gen bei uns sofort alle Alarm­glo­cken an zu klin­geln. Pro­fes­sio­nel­les Scou­ting sieht anders aus. Aber viel­leicht wird er ja noch eine Gra­na­te. Wir täu­schen uns ger­ne. Wenn er denn mal aus dem Auf­bau­trai­ning raus kommt.

Boris Tashchy, früher beim VfB, danach in Duisburg, spielt jetzt bei St. Pauli, ist aber noch verletzt. © Bongarts/Getty
Boris Tash­chy, frü­her beim VfB, danach in Duis­burg, spielt jetzt bei St. Pau­li, ist aber noch ver­letzt. © Bongarts/Getty

Nur ein Punkt aus den ers­ten bei­den Spie­len, ein knap­pes Wei­ter­kom­men beim VfB Lübeck im Pokal: Wie seht Ihr den Sai­son­start des FC St. Pau­li?

Die Ergeb­nis­se spre­chen für sich. Und wir wür­den ger­ne sagen kön­nen, dass wir unter­per­formt haben. Kön­nen wir aber nicht. Mit 2 Punk­ten aus den nächs­ten 4 Spie­len müss­te man aktu­ell schon zufrie­den sein.

Ich zäh­le auf den ers­ten Blick sehr vie­le Ver­letz­te im Kader, unter ande­rem ja auch Tash­chy. Ist das auch ein Grund für die noch bestehen­den Pro­ble­me?

Abso­lut. Die Ver­let­zungs­sor­gen zie­hen sich durch die letz­ten fünf Jah­re als Dau­er­pro­blem. Nur nai­ve wür­den die mit “Pech” erklä­ren und nur Eso­te­ri­ker mit Was­ser­adern unter dem Trai­nings­platz. Grün­de sind eher die bereits erwähn­ten Feh­ler im Trai­ning und medi­zi­ni­scher Betreu­ung.

Anschlie­ßend dar­an: Was sind die Stär­ken Eurer Mann­schaft in die­ser Sai­son und was die Schwä­chen?

Stär­ken? Äh wir sehen gut aus. Also die Fans. Ne viel­leicht theo­re­tisch unse­re Innen­ver­tei­di­gung, die mit Ave­vor, Zier­eis, Knoll, Cars­tens sich vor nie­man­den in Liga 2 ver­ste­cken muss. Pro­blem: 2 mal ver­letzt, ein­mal beim Trai­ner in Ungna­de gefal­len. Und mit 1 Innen­ver­tei­di­ger spielt man kei­ne Sai­son durch. Und wir haben durch­aus auch gute Indi­vi­du­al­spie­ler, die Tem­po (Conteh), Über­sicht (Becker), Ball­si­cher­heit (Möl­ler-Dæh­li) oder einen Fuß für gute Päs­se (Miyai­chi) haben. Aber ers­tens spie­len immer maxi­mal zwei von denen, weil der Rest ver­letzt ist und zwei­tens kriegt man sowas dann nie in ein Sys­tem gebaut.

Schwä­chen? Kon­di­ti­on. Ab der 75. Minu­te bau­en wir bru­tal ab.

Und vor wem müs­sen wir uns am Sams­tag beson­ders in Acht neh­men?

Schne­cke Kal­la. Weil er ein­fach St. Pau­li ist und eigent­lich nie Tore macht. Außer uns steht das Was­ser bis zum Hals. Beson­ders gefähr­lich ist er, wenn er das Team als Kapi­tän anführt. Macht er als Vize nur sehr sel­ten, aber wenn er es macht, sind wir über­durch­schnitt­lich erfolg­reich.

Ein Blick abseits des Rasens: Wel­che The­men beschäf­ti­gen die Fan­sze­ne des FCSP der­zeit neben dem Fuß­ball?

Die sport­li­che Situa­ti­on führt nun nicht gera­de zu Opti­mis­mus und führt durch­aus zu vie­len Dis­kus­sio­nen in der (akti­ven) Fan­sze­ne. Ansons­ten stößt die Außen­kom­mu­ni­ka­ti­on und das Mar­ke­ting nicht nur auf Gegen­lie­be. Schön ist es, dass die aus der Fan­sze­ne vor­an­ge­trie­be­ne Awa­re­ness­grup­pe wahr­nehm­ba­rer wird

Ansons­ten halt die Klas­si­ker #nazis­raus­aus­den­sta­di­en (Beson­de­rer Gruß nach Chem­nitz), #kein­men­schi­stil­le­gal (der Nach­bar macht in der Cau­sa Jat­ta erstaun­li­cher­wei­se nicht alles falsch).

Außer­dem müs­sen wir gera­de ler­nen wie zwei­te Run­de im Pokal eigent­lich geht.

Abschlie­ßend: Euer Tipp fürs Spiel?

Locke­rer 7–0 Aus­wärts­sieg. Ne, Spaß bei­sei­te, wenn es weni­ger als 3–0 für den VfB wird, ist es ein Erfolg. 

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