Parallelwelt Pokal

Nach zehn Jah­ren zieht der VfB wie­der ins Halb­fi­na­le des DFB-Pokals ein. Sebas­ti­an Hoe­neß debü­tiert in Nürn­berg mit einem Sieg, gera­de die ers­te Halb­zeit offen­bart aber, wie viel Arbeit er noch vor sich hat.

Zunächst ein­mal, abseits des Sport­li­chen: Aus­wärts­spie­le wie die­ses in Nürn­berg muss man wert­schät­zen. Selbst wenn der DFB sie auf eine fan­feind­li­che Anstoß­zeit legt und der Heim­ver­ein mit einem aus­ver­kauf­ten Sta­di­on über­for­dert zu sein scheint. Das wird uns spä­tes­tens wie­der bewusst wer­den, wenn wir im Halb­fi­na­le, so mei­ne Befürch­tung, in nörd­lichs­ten Orts­teil Salz­burgs fah­ren müs­sen. Die Mann­schaft kann noch so eine Grüt­ze zusam­men­ki­cken, der Trai­ner der vier­te der Sai­son sein und die Tabel­le ein Alb­traum. Die­ses Mal war ich lei­der kurz­fris­tig ver­hin­dert, aber ich erin­ne­re mich noch gut an 2017, als auch gefühlt das hal­be Max-Mor­lock-Sta­di­on den Brust­ring trug und einen spä­ten Sieg­tref­fer fei­er­te. Gebt mir Nürn­berg aus­wärts im Pokal statt den zehn­tau­sends­ten Trip nach Wolfs­burg oder Hof­fen­heim.

So, nun aber zum Sport­li­chen. Dass der VfB zum ers­ten Mal seit 2013 und zum vier­ten Mal in die­sem Jahr­tau­send im Pokal­halb­fi­na­le steht und dabei auch noch ein net­tes Zubrot ver­dient, ist wahr­schein­lich die bes­te Nach­richt des Abends. Ach­ja, und natür­lich ein Aus­wärts­sieg! Ist man noch ein wenig nach­sich­ti­ger oder opti­mis­ti­scher gestimmt, dann fiel auf, dass Spie­ler ganz über­ra­schend auf ihren ange­stamm­ten Posi­tio­nen bes­ser spie­len als wenn man sie ein­fach irgend­wo­hin stellt und dass der Mann­schaft ein Sys­tem mit Drei­er­ket­te zumin­dest im Ansatz bes­ser zu Gesicht steht als Bru­no Lab­ba­di­as 4–3‑3. Das Pro­blem war nur, dass vor allem in der ers­ten Halb­zeit die Feh­ler die glei­chen blie­ben: Bor­na Sosas Flan­ken segel­ten ins Nichts und hät­ten selbst bei grö­ße­rer Ziel­si­cher­heit nur einen Stür­mer erreicht, zu des­sen Stär­ken trotz sei­ner Grö­ße nicht gera­de das Kopf­ball­spiel zähl­te. Immer­hin schnitt die Mann­schaft das Lang­holz wie­der etwas zurück, litt aber trotz­dem wei­ter­hin unter ihrer alten Schwä­che: Der Behä­big­keit im Umschalt­spiel. Hin­zu kamen gegen Ende der ers­ten Halb­zeit eine Viel­zahl indi­vi­du­el­ler Feh­ler, die die Nürn­ber­ger gera­de­zu zum Tore­schie­ßen ein­lu­den. Wie im Ach­tel­fi­na­le schei­ter­te auch die­ser Zweit­li­gist dar­an, dem VfB ein Tor ein­zu­schen­ken, so dass Dinos Mavro­pa­nos der ein­zi­ge Gegen­tor­schüt­ze in die­sem Wett­be­werb bleibt.

Die Schockstarre lösen

Immer­hin konn­te man erah­nen, was Sebas­ti­an Hoe­neß sei­ner Mann­schaft in der kur­zen Vor­be­rei­tungs­zeit mit­ge­ge­ben hat: Mut, Ziel­stre­big­keit und Tem­po. Das kam in der zwei­ten Halb­zeit wesent­lich bes­ser zum Tra­gen, beson­ders in der 82. Minu­te als Ito einen öff­nen­den Pass auf den star­ten­den Mil­lot spiel­te und die­ser eis­kalt vor einer eska­lie­ren­den Aus­wärts­kur­ve zum Sieg traf. Davor wur­de auch Ser­hou Gui­ras­sy vor dem Tor durch­aus gefähr­lich und mach­te ein wenig Hoff­nung für die anste­hen­den Bun­des­li­ga­spie­le. Über wei­te Stre­cken jedoch bekam die Mann­schaft die Vor­ga­ben ihres Trai­ners nicht auf den Platz und knüpf­te damit an die Zeit unter des­sen Vor­vor­gän­ger an. Ich hat­te ja in der gest­ri­gen Vor­stel­lung von Hoe­neß schon befürch­tet, wir hät­ten einen jün­ge­ren Mat­a­raz­zo ver­pflich­tet. Natür­lich ist es noch viel zu früh für sol­che abschlie­ßen­den Urtei­le. Aber Hoe­neß muss es jetzt mög­lich schnell gelin­gen, der Mann­schaft die­se Mischung aus Angst und Behä­big­keit, eine Art Schock­star­re, aus­zu­trei­ben, sie, wie ich schon in der ver­gan­ge­nen Sai­son schrieb, anzün­den.

Am Sonn­tag in Bochum wird eine sol­che Leis­tung nicht rei­chen. Es steht zu befürch­ten, dass Phil­ipp Förs­ter und Co wesent­lich weni­ger zurück­hal­tend auf sol­che Geschen­ke reagie­ren, wie sie der VfB den Nürn­ber­gern teil­wei­se anbot. Spe­zi­ell Ata­kan Kara­zor bot lan­ge eine unter­ir­di­sche Leis­tung, wan­del­te am Rand zur gelb­ro­ten Kar­te und leis­te­te sich immer wie­der Stel­lungs- und Abspiel­feh­ler. Noch­mal: Wir haben kei­ne Feh­ler­to­le­ranz mehr. Die Mann­schaft muss im Kopf sta­bi­ler wer­den und gleich­zei­tig einen Weg und eine For­ma­ti­on fin­den, in der sie end­lich die­se offen­si­ve Harm­lo­sig­keit ablegt. Hof­fen wir, dass Hoe­neß den Knopf fin­det, den Mat­a­raz­zo nach 2021 ver­lo­ren hat. Die Mann­schaft wie­der­um muss zei­gen, dass sie den Applaus nach Abpfiff ver­dient hat. Ich war nach der ers­ten Halb­zeit extrem ent­täuscht. Nicht wegen des Ergeb­nis­ses, son­dern wegen der Her­an­ge­hens­wei­se der Mann­schaft an die­ses sport­lich reiz­vol­le und finan­zi­ell lukra­ti­ve Spiel.

Wie ein­gangs gesagt: Die sport­li­che Situa­ti­on ist wei­ter­hin düs­ter, dar­über kann auch die Freu­de über den Halb­fi­nal­ein­zug nicht hin­weg­täu­schen. Aber viel­leicht haben wir wenigs­tens noch min­des­tens einen Fei­er­tag in die­ser Sai­son. Nur bit­te nicht in Dings, Salz­burg.

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