Neu beim Brustring: Sebastian Hoeneß

Mit der Ver­pflich­tung von Sebas­ti­an Hoe­neß spielt der VfB zum ers­ten Mal seit 1998/1999 eine Vier-Trai­ner-Sai­son. Auch wenn ihr den Sohn von Ex-Stür­mer und ‑Mana­ger Die­ter Hoe­neß heu­te Abend bereits in Akti­on sehen könnt, möch­ten wir Euch vor­ab ein paar Exper­ten-Ein­drü­cke mit­ge­ben.

Man habe gegen Uni­on auf eine Trend­wen­de gehofft und die ers­te Halb­zeit sei ja auch nicht so schlecht gewe­sen, stell­te Sport­di­rek­tor Fabi­an Wohl­ge­muth auf der gest­ri­gen Pres­se­kon­fe­renz zur Vor­stel­lung von Sebas­ti­an Hoe­neß fest. Die Fra­ge, war­um man trotz des guten Ein­drucks Lab­ba­dia 48 Stun­den spä­ter den Lauf­pass gab, lässt sich nur wohl nur mit Panik beant­wor­ten. Oder Über­for­de­rung in sport­li­chen Ent­schei­dun­gen. Auf jeden Fall bringt mich das in die Bre­douil­le, Euch für die Fahrt nach Nürn­berg oder den Vor­mit­tag im Büro noch ein paar Ein­drü­cke mit­zu­ge­ben, bevor er Abends im Pokal­spiel erst­mals an der Sei­ten­li­nie steht. Einen Ein­druck sei­ner Per­son bekam man ja schon auf der Pres­se­kon­fe­renz: Er wirk­te auf­ge­räumt, vol­ler Taten­drang, klar in den Aus­sa­gen und den Vor­stel­lun­gen. Und damit wie fast jeder ande­re Trai­ner bei sei­ner Antritts­pres­se­kon­fe­renz. Viel­leicht sind immer­hin die Pres­se­kon­fe­ren­zen mit ihm leich­ter zu ertra­gen als Lab­ba­di­as Recht­fer­ti­gung­s­ti­ra­den, die er in neun Jah­ren Abwe­sen­heit vom VfB nie ver­lernt hat­te.

Als Aufsteiger Drittliga-Meister

Nun aber erst­mal zu Hoe­neß. Gebo­ren wur­de er 1982 in Mün­chen, wo sein Vater Die­ter Hoe­neß bereits seit sei­nem Wech­sel vom VfB im Jahr 1979 beim FC Bay­ern kick­te. Die­ter kehr­te 1990 als “Direk­ter für Mar­ke­ting und den sport­tech­ni­schen Bereich” zurück nach Bad Cannstatt, sein Sohn kick­te im VfB-Nach­wuchs und wur­de 1999, vier Jah­re nach der Ent­las­sung des seni­or, mit der B‑Jugend des VfB Deut­scher Meis­ter. Anschlie­ßend folg­te er sei­nem Vater nach Ber­lin um schließ­lich in Hof­fen­heim im Jahr 2010 mit 28 Jah­ren sei­ne Spie­ler­kar­rie­re zu been­den, die ihn drei Regio­nal­li­ga-Spie­len für die Hof­fen­hei­mer gip­fel­te. Anschlie­ßend trai­ner­te er die Nach­wuchs­mann­schaf­ten von Her­tha Zehlen­dorf, von Salz­burg-Nord und ab 2017 des FC Bay­ern. Die zwei Jah­re als Ver­ant­wort­li­cher der U19 blie­ben vor allem unvoll­endet, erklärt mir Bay­ern-Fan Alex, den ich zu Hoe­neß’ Zeit in des­sen Geburts­stadt befragt habe. In der ers­ten Sai­son ver­spiel­ten die Bay­ern die Staf­fel­meis­ter­schaft am letz­ten Spiel­tag an Hof­fen­heim, in der Fol­ge­sai­son erreich­te man gar nur Platz 4, wäh­rend der VfB den süd­deut­schen Titel und im Anschluss auch die Vize­meis­ter­schaft und den Pokal hol­te. Auch die Youth League-Sai­son sei nicht opti­mal gelau­fen, so Alex und das obwohl er Spie­ler wie Fein, Köhn oder Batis­ta Mei­er zur Ver­fü­gung gehabt habe.

Hoeneß bei den kleinen Bayern. Christian Kaspar-Bartke/Getty Images for DFB
Hoe­neß bei den klei­nen Bay­ern. © Chris­ti­an Kas­par-Bart­ke/­Get­ty Images for DFB

Wie wir alle wis­sen ist jedoch der Unter­schied zwi­schen dem Junio­ren­be­reich nicht nur bei Spie­lern, son­dern mit­un­ter auch bei Trai­nern erheb­lich. Hoe­neß jeden­falls hat­te sich bei den Bay­ern für die Über­nah­me der damals in der drit­ten Liga spie­len­den zwei­ten Mann­schaft emp­foh­len, die 2019/2020 als ers­te Zweit­ver­tre­tung die­se Liga gewann — als Auf­stei­ger. In die­ser Sai­son habe die Mann­schaft eine Hin­run­de mit ledig­lich 22 Punk­ten — in 19 Spie­len, die drit­te Liga hat ja 20 Mann­schag­ten) durch eine Rück­run­de mit 38 Zäh­lern wie­der wett gemacht. Vor allem defen­siv haben die Mann­schaft Zeit gebraucht, um sich an die Vor­ga­ben des Trai­ners zu gewöh­nen, so Alex. Den Anteil des Trai­ners an einem sol­chen Erfolg glas­klar von ande­ren Fak­to­ren abzu­gren­zen ist natur­ge­mäß schwie­rig. Unser Bay­ern-Exper­te weist dar­auf hin, dass die Mann­schaft mit Sta­ni­sic, Feld­hahn, Will, Stil­ler, Jeong oder Kühn, die heu­te teil­wei­se Bun­des­li­ga spie­len eine hohe Qua­li­tät hat­te. Die Füh­rung des Trai­ners habe da sicher­lich auch mit rein­ge­spielt, eben­so wie die Tat­sa­che, dass die Mann­schaft sich im Lau­fe der Sai­son immer bes­ser in der Liga zurecht­fand. Es lässt sich aber fest­hal­ten: Hoe­neß hat auf jeden Fall Erfah­rung im Umgang mit jun­gen Mann­schaf­ten — auch wenn unse­re ja nicht mehr ganz so jung ist, wie wir immer tun. Zumin­dest nicht auf dem Platz.

Wohlfühloase mit stillen Einlagen

Auf jeden Fall wur­de durch die­sen Erfolg sein ehe­ma­li­ger Ver­ein aus Hof­fen­heim auf Hoe­neß auf­merk­sam und ver­pflich­te­te ihn zur Sai­son 2020/2021 als Nach­fol­ger von Alfred Schreu­der, der ja im ver­gan­ge­nen Herbst neben Hoe­neß ver­mut­lich auch ein Kan­di­dat auf die Nach­fol­ge von Mat­a­raz­zo war. Hof­fen­heim hat­te sich unter Schreu­der für die Euro­pa League qua­li­fi­ziert und dort zum einen zu über­win­tern und zum ande­ren erneut in den Euro­pa­po­kal ein­zu­zie­hen sei auch die Erwar­tung an Hoe­neß gewe­sen, weiß Kicker-Jour­na­list Ben­ni Hof­mann zu berich­ten, der sich nicht nur beim VfB auf und nebem dem Platz gut aus­kennt, son­dern zu die­ser Zeit auch über die Hof­fen­hei­mer schrieb. Hof­fen­heim über­leb­te die Vor­run­de inter­na­tio­nal, schied dann aber rela­tiv bla­ma­bel gegen Mol­de FK aus — die Älte­ren unter Euch erin­nern sich an die Duel­le des VfB mit den Nor­we­gern. In der Liga sprang am Ende nur Platz 11, hin­ter dem VfB her­aus, was sich aber Ben­ni zufol­ge teil­wei­se auch auf vie­le Ver­let­zun­gen und vor allem Coro­no-Infek­tio­nen zurück­füh­ren ließ. Dies sei in Hof­fen­heim auch in die Bewer­tung von Hoe­neß ers­ter Sai­son ein­ge­flos­sen.  In der ver­gan­ge­nen, sei­ner zwei­ten Sai­son in Hof­fen­heim, rutsch­te die Mann­schaft nach einer star­ken Hin­run­de noch auf Platz 9 ab, was wie­der­um die mil­dern­den Umstän­de der Vor­sai­son etwas rela­ti­viert.

Hoeneß in Hoffenheim. © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images
Hoe­neß in Hof­fen­heim. © Chris­ti­an Kas­par-Bart­ke/­Get­ty Images

Ben­ni erklärt, dass es damals und teil­wei­se heu­te noch eine Art “Wohl­fühl­oa­se” rund um die Mann­schaft gebe, die sich auch in Dis­zi­plin­pro­blem aus­drü­cke. Die­se habe Hoe­neß in der ver­gan­ge­nen Spiel­zeit nicht in den Griff bekom­men, auch wenn sie nicht im allei­ne anzu­las­ten sei­en, son­dern auch dem Sport­di­rek­tor und dem Umfeld im Ver­ein. Hin­zu sei gekom­men, dass sich Hof­fen­heim wäh­rend der Coro­na-Zeit einem — ange­sichts der von Ben­ni neu­lich in einem sehr lesens­wer­ten Arti­kel beschrie­be­nen stil­len Ein­la­gen Diet­mar Hopps —  selt­sam anmu­ten­den Spar­dik­tat unter­wor­fen habe. Gera­de in der Innen­ver­tei­di­gung und beim Thems Zwei­kampf­stär­ke sei dies zu spü­ren gewe­sen, hier habe man sich nicht ver­stärkt, son­dern eher durch Ver­käu­fe geschwächt. Im ver­gan­ge­nen Som­mer war dann für Hoe­neß Schluss in Hof­fen­heim. Er wur­de von André Brei­ten­rei­ter und im Anschluss bekann­ter­ma­ßen durch Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo ersetzt, was am letz­ten Spiel­tag zu einer durch­aus pikan­ten Kon­stel­la­ti­on führt.

Die Rückkehr der Dreierkette

Wie also lässt Hoe­neß sei­ne Mann­schaf­ten, abge­se­hen von dem, was wir schon aus der Pres­se­kon­fe­renz an All­ge­mein­plät­zen — offen­siv, mutig, schnell — spie­len? In der Dritt­li­ga-Meis­ter­sai­son habe er meist im 4–2‑3–1 oder 4–4‑2 mit einem kla­ren Ziel­spie­ler in Per­son des heu­ti­gen Kie­lers Otschie Wriedt gespielt, erklärt Alex. Die Sai­son ist aber natür­lich mitt­ler­wei­le drei Jah­re her und lässt sich viel­leicht von der drit­ten Liga auch nicht opti­mal auf die ers­te Liga über­tra­gen. In Hof­fen­heim, so Ben­ni, habe Hoe­neß häu­fig auf ein 3–3‑2–2 gesetzt, dass auch Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo beim VfB spie­len ließ, sei­ne Grund­ord­nung pas­se also bes­ser zum Kader, so der kicker-Redak­teur. Wir dür­fen uns also gege­be­nen­falls auf die Rück­kehr der Drei­er­ket­te freu­en — oder auch nicht, auf jeden Fall scheint die Vie­rer­ket­te vor­erst Geschich­te. Ben­ni beschreibt auch eine Grad­li­nig­keit im Spiel nach vor­ne, die ja auch der VfB zuletzt häu­fig ver­mis­sen ließ. Defen­siv habe die Hof­fen­hei­mer Mann­schaft Pro­ble­me in der Straf­raum­be­set­zung und bei Stan­dards gehabt. Vie­les dürf­te Hoe­neß also ver­traut vor­kom­men beim VfB in den nächs­ten Wochen.

Die Ein­schät­zung, ob Hoe­neß aus der Lage, in der der VfB steckt und aus dem Kader, den er zur Ver­fü­gung hat, mehr macht als sei­ne Vor­gän­ger — näm­lich bei­spiels­wei­se mal zwei Spie­le in Fol­ge oder gar ein Aus­wärts­spiel gewin­nen, fällt bei Alex nega­tiv aus. Er traut Hoe­neß nicht zu, die Defen­si­ve schnell genug zu sta­bi­li­sie­ren, auch weil Alex den Kader für einen der drei schlech­tes­ten der Liga hält und es des­we­gen nicht unbe­dingt an Hoe­neß allein fest­ma­chen wür­de. Ben­ni hält ihn auf jeden Fall für eine “smar­te Lösung” im Hin­blick auf eine mög­li­che Zukunft in der zwei­ten Liga, in der Hoe­neß eine schlag­kräf­ti­ge Mann­schaft für den Wie­der­auf­stieg for­men kön­ne. Dass Hoe­neß vor einer Mam­mut­auf­ga­be steht, sieht jeder, der sich die Tabel­le anschaut. Mei­ner Mei­nung nach kann es jetzt nur dar­um gehen, der Offen­si­ve mit einem neu­en Spiel­sys­tem einen Kick­start zu ver­pas­sen und in den ver­blei­ben­den Spie­len ein­fach genü­gend Tore zu schie­ßen und die indiv­diuel­len Defen­siv­pat­zer, die unwei­ger­lich kom­men wer­den, damit zu kaschie­ren.

Ein junger Rino?

Egal ob bei Spie­lern oder Trai­nern: Im Fuß­ball und viel­leicht auch im Sport all­ge­mein kommt es häu­fig auf die rich­ti­ge Kon­stel­la­ti­on und das rich­ti­ge Timing an. Hoe­neß bis­he­ri­ge Trai­ner­kar­rie­re ist weder beson­ders beein­dru­ckend, noch so ver­hee­rend wie die von Tay­fun Korkut. Viel­leicht hilft es schon, wenn er nicht mit der Hybris eines Bru­no Lab­ba­dia an die Sache ran­geht, viel­leicht hat er genau die Ideen, die die Offen­si­ve, unser der­zeit größ­tes Sor­gen­kind, kli­cken las­sen. Viel­leicht wächst er auch beim VfB als Trai­ner wei­ter. Mei­ne ein­zi­ge Hoff­nung besteht aktu­ell vor allem dar­in, dass man end­lich etwas geän­dert hat und dass Hoe­neß Spiel­an­la­ge bes­ser zum Kader zu pas­sen scheint, auch wenn ich bei den Schwä­chern sei­ner Hof­fen­hei­mer Mann­schaft das Gefühl krie­ge, dass wir einen jün­ge­ren Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo ver­pflich­tet haben — mit all den Stär­ken und Schwä­chen.

Las­sen wir uns über­ra­schen. Auf­bruch­stim­mung kommt bei mir jeden­falls nicht auf. Zu groß ist die Ent­täu­schung gegen­über der sport­li­chen Lei­tung, die nicht nur eine sport­li­che Ent­schei­dung unnö­tig ver­schlepp­te, son­dern auf dem Podi­um der Pres­se­kon­fe­renz ein sehr unsou­ve­rä­nes Bild abgab, gera­de was die Ein­schät­zung der eige­nen Arbeit angeht — sie­he oben. Zu ent­täuscht bin ich auch von der Mann­schaft, der ich aktu­ell nicht zutraue, dass sie genü­gend Eigen­ver­ant­wor­tung besitzt, um das Spiel in Bochum so anzu­neh­men, wie es nötig wäre. Es ist mal wie­der alles sehr schwie­rig und ob und wie ein Sebas­ti­an Hoe­neß den Wie­der­auf­stieg angeht, damit möch­te ich mich aktu­ell noch gar nicht beschäf­ti­gen. Es hät­te uns schlim­mer tref­fen kön­nen — mitt­ler­wei­le traue ich den Her­ren Wohl­ge­muth und Wehr­le alles zu — aber an eine wun­der­sa­me Ret­tung glau­be ich erst, wenn ich sie sehe.

Titel­bild: © Chris­ti­an Kas­par-Bart­ke/­Get­ty Images

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