Nicht Spitzenspiel-tauglich

Der VfB ver­liert das Spit­zen­spiel gegen den Tabel­len­drit­ten aus Han­no­ver, weil die Mann­schaft ein­mal mehr in einem wich­ti­gen Spiel nicht die not­wen­di­ge Leis­tung abru­fen kann. Ist die Heim­nie­der­la­ge eine Kata­stro­phe? Nein, aber ver­lie­ren hät­te man das Spiel trotz­dem nicht dür­fen.

Es wäre so schön gewe­sen. Der VfB geht, wie in den letz­ten Wochen schon, früh in Füh­rung und man denkt, er hat das Spiel eigent­lich im Griff. Mit einem drei­fa­chen Punkt­ge­winn hät­te der Vor­sprung auf den mit aller­lei Unwäg­bar­kei­ten behaf­te­ten Rele­ga­ti­ons­platz sie­ben Punk­te betra­gen. Im Fal­le eines Unent­schie­dens wären es immer­hin noch vier gewe­sen. Nach dem Han­no­ver wie schon im Früh­jahr alle drei Punk­te vom Neckar mit­nahm, ist es genau einer.

Irgendwas passte nicht

Dabei merk­te man aber schon in der ers­ten Halb­zeit, dass irgend­et­was nicht so recht ins Bild pass­te. Der VfB spiel­te gefäl­lig nach vorn und so fiel der Ball fol­ge­rich­tig auch irgend­wann zum 1:0 ins 96-Tor, ein­fach weil da vor­ne genug Brust­ring­trä­ger an der rich­ti­gen Stel­le rum­stan­den. Aber bereits kurz dar­auf offen­bar­ten sich in der VfB-Abwehr Löcher in Scheu­nent­or­grö­ße, durch die Han­no­ver ein ums ande­re Mal den Ball kul­lern ließ. Zwei­mal hat­ten wir das pure Glück, dass Mar­tin Har­nik im Neckar­sta­di­on immer Mar­tin Har­nik blei­ben wird. Zunächst ver­kno­te­te er sich die Bei­ne und ließ sich dann den Ball von Groß­kreutz wider­stands­los ablau­fen.

Wohin mit dem Ball? Vieles lief an diesem Montagabend nicht rund. Bild © Eric Späte
Wohin mit dem Ball? Vie­les lief an die­sem Mon­tag­abend nicht rund. Bild © Eric Spä­te

Beim drit­ten Mal hat­te der VfB weni­ger For­tu­ne und Har­nik wur­de von der Grund­li­nie so scharf ange­schos­sen, dass er gar nicht mehr anders konn­te, als den Ball ins Tor zu stol­pern. Was den Ex-VfBler nicht dar­an hin­der­te, den Ham­mer zu schwin­gen als hät­te er gera­de den Ball in den Win­kel gezim­mert. Sei’s drum, er war an die­sem Mon­tag­abend im Neckar­sta­di­on eh nicht wohl­ge­lit­ten, aber dazu spä­ter mehr. Mit dem Unent­schie­den ging es also in die Pau­se und eigent­lich war jedem klar, dass Han­nes Wolf in der Halb­zeit etwas ver­än­dern muss­te, denn mit sol­chen Abwehr­lö­chern gewinnt man kei­ne Spit­zen­spie­le. Zumal die Hin­ter­mann­schaft des VfB nicht die schnells­te auf den Bei­nen ist. In der zwei­ten Halb­zeit lief es auch ganz pas­sa­bel, aber eben auch nur das. Wirk­lich zwin­gend kam der VfB nicht mehr vor das Tor der Gäs­te und wenn, dann ließ er die vor Wochen­frist in Aue gezeig­te Effek­ti­vi­tät ver­mis­sen. Beson­ders spek­ta­ku­lär ver­pass­te Dani­el Gin­c­zek die Chan­ce zur Füh­rung, als er kurz nach sei­ner Ein­wechs­lung eine per­fek­te Vor­la­ge des eben­falls ein­ge­wech­sel­ten Maxim in die Wol­ken setz­te. Erneut wur­de er vor­her bei sei­ner Ein­wechs­lung mit tosen­dem Applaus bedacht.

 

Ginczek überhöht? Brych überfordert

Was mich zu der Über­le­gung bringt, ob der gute Dani­el in letz­ter Zeit nicht viel­leicht auch ein biss­chen über­höht wird. Ja, er ist ne Kan­te. Ja, er ist kein schlech­ter Stür­mer. Ja, Pader­born ver­dammt noch mal. Aber der Jun­ge ist offen­sicht­lich immer noch nicht bei 100 Pro­zent, sonst wür­de er nicht so spät erst rein kom­men. Er ist auch noch kein Knip­ser, ansons­ten hät­te er das Ding rein­ge­macht. Gleich­zei­tig wird er sei­tens der Fans ähn­lich mit Erwar­tun­gen über­la­den wie Armin Veh 2014, der auf der Mit­glie­der­ver­samm­lung wie ein, viel­leicht sogar der Mes­si­as gefei­ert wur­de. Ob Wolf ihm damit einen Gefal­len tut, ihn zwei­mal in sol­chen Hoch­druck-Situa­tio­nen zu brin­gen? Gegen 1860 spiel­te er neun Minu­ten beim Stand von 2:1, am Mon­tag­abend acht. Einen Unter­schied konn­te er in die­sen Spie­len nicht machen.

Hoffnungsträger Daniel Ginczek. Muss das sein? Bild © VfB-Bilder.de
Hoff­nungs­trä­ger Dani­el Gin­c­zek. Muss das sein? Bild © VfB-Bilder.de

Viel fata­ler als die ver­ge­be­ne Chan­ce von Gin­c­zek war aber, was der VfB im Anschluss pro­du­zier­te. Maxim spiel­te einen völ­lig ver­penn­ten und noch abge­fälsch­ten Rück­pass Rich­tung Straf­raum­kan­te, Lan­ge­rak lief erst drei Schrit­te vor, dann zwei Schrit­te zurück, grätsch­te in den Han­no­ve­ra­ner Stür­mer rein und hör­te dann kurz auf zu spie­len, um dem Schieds­rich­ter anzu­zei­gen, dass er nicht gefoult habe — als ob das für den einen Unter­schied macht. Wäh­rend­des­sen spiel­te Han­no­ver ein­fach wei­ter, Kamin­ski fiel zu allem Über­fluss im eige­nen Straf­raum ein­fach um und mach­te so den Weg für das 2:1 frei. Die Kro­ne auf die­sen gebrauch­ten Abend setz­te dann noch Schieds­rich­ter Brych, der Timo Baum­gartl mit Rot vom Platz schick­te, weil die­ser aus kur­zer Distanz 30 Meter vorm Tor den Ball an die Hand bekam. Brych hat­te schon vor­her, wie schon so man­cher zweit­klas­si­ge Schieds­rich­ter, den wir erle­ben durf­ten, ein Pro­blem mit der rich­ti­gen Ein­schät­zung von Fouls, auch wenn sei­ne Leis­tung bis dahin ganz pas­sa­bel war. Der Platz­ver­weis war zwar nicht spiel­ent­schei­dend, schwächt den VfB aber in den nächs­ten Spie­len. Am Ende sind die Schieds­rich­ter natür­lich auch ein Opfer der lächer­li­chen Aus­ge­stal­tung des Regel­werks zum Hand­spiel, die in den letz­ten Jah­ren ein­ge­führt wur­de. Nichts­des­to­trotz ließ er hier jeg­li­ches Gespür für die Situa­ti­on ver­mis­sen.

Zu wenig gegen das obere Drittel

Der Tweet bringt es auf den Punkt. Es ist schön, dass der VfB 4:o in Aue gewinnt und Bie­le­feld daheim 3:1 schlägt. Gegen die Mann­schaf­ten, die momen­tan außer dem VfB auf den Plät­zen 1 bis 6 ste­hen, sieht es, gelin­de gesagt, mager aus: 2:0 gegen Braun­schweig, 1:2 gegen Han­no­ver, 1:2 gegen Hei­den­heim, 1:1 gegen Uni­on, 0:5 gegen Dres­den. Auf Platz sie­ben stün­de dann noch Düs­sel­dorf (0:1). Ja, zwei der vier Sai­son-Nie­der­la­gen hat­te noch Jos Luhuk­ay zu ver­ant­wor­ten. Aber doll sind vier Nie­der­la­gen in sech­zehn Spie­len auch nicht, wenn Du unter die ers­ten zwei kom­men willst. 

Natür­lich gewinnt der VfB in die­ser Sai­son nicht jedes Spiel. Aber die­ses, genau die­ses Spiel, darfst Du ein­fach nicht ver­lie­ren. Mit einem Unent­schie­den hät­ten wahr­schein­lich vie­le leben kön­nen. Da geht es aber nicht nur um die ver­pass­te Chan­ce auf die Tabel­len­füh­rung und das Schrump­fen des Punk­te­pols­ters. Da geht es auch ums Selbst­ver­ständ­nis. Da geht es dar­um, end­lich mal wie­der in einem ent­schei­den­den oder zumin­dest wich­ti­gen Moment zuzu­schla­gen und nicht hin­ter­her wie­der die Wun­den lecken und nach dem Posi­ti­ven suchen zu müs­sen wie nach der Nadel im Heu­hau­fen. So sag­te Han­nes Wolf nach dem Spiel:

Die zwei­te Hälf­te ist kom­plett okay. Dass es mal Rück­schlä­ge gibt, ist klar. Wir sind auf einem Auf­stiegs­platz und ins­ge­samt ist alles okay, auch wenn wir hier ger­ne etwas geholt hät­ten.

Das ist es eben. Es ist okay. Natür­lich darf man jetzt nicht alles in Grund und Boden reden. Aber man muss höl­lisch auf­pas­sen. In der Rück­run­de der letz­ten Sai­son war ganz lan­ge auch “ins­ge­samt alles okay”. Bis dann gar nichts mehr okay und das Weh­kla­gen groß war. Ich hät­te es nicht gedacht, aber die Tabel­len­füh­rung scheint der Mann­schaft nicht gut getan zu haben. Man gibt sich schein­bar lie­ber mit der Ver­fol­ger­rol­le zufrie­den.

Kein Weltuntergang, aber schlecht für’s Gefühl

Noch­mal: Die­se Heim­nie­der­la­ge, so schmerz­haft sie ist, ist kein Welt­un­ter­gang. Aber sie ist auch ein Zei­chen dafür, dass es die Mann­schaft auch die­se Sai­son nicht schafft, die big points zu machen. Die Spie­le, die am Ende, obwohl es noch vie­le ande­re Mann­schaf­ten gibt, viel­leicht den Aus­schlag geben. Der VfB tritt zum Jah­res­ab­schluss in Würz­burg an, Han­no­ver spielt daheim gegen Sand­hau­sen, Braun­schweig spielt bei den Badensern. Natür­lich ist das Auf­stiegs­ren­nen auch am 17. Spiel­tag noch nicht ent­schie­den. Aber es wäre schön fürs Gefühl und ein Zei­chen an die Kon­kur­renz, wenn die Mann­schaft am kom­men­den Sonn­tag eine deut­li­che Reak­ti­on zeigt und den zwei­ten Platz ver­tei­digt. Danach steht Han­nes Wolf erst­mal viel Arbeit bevor. Damit die Bilanz gegen die Top 6 in den Rück­spie­len nicht ganz so schlecht aus­fällt.

Auch kein Hei­li­ger. © VfB-Bilder.de

Noch kurz zu Mar­tin Har­nik, auch wenn ich mich dazu schon an ver­schie­de­nen Stel­len geäu­ßert hab: Wäre er nicht nach dem Abstieg gegan­gen, wäre das Echo auf sei­ne Rück­kehr sicher­lich anders aus­ge­fal­len. Auf der ande­ren Sei­te hat er den VfB nicht wegen einer bes­se­ren sport­li­chen Per­spek­ti­ve oder mehr Geld ver­las­sen, son­dern schlicht­weg, weil sein Ver­trag aus­lief und kei­ne der bei­den Par­tei­en über­zeugt war, dass ein neu­er Ver­trag irgend­wem was bringt. Ja, Mar­tin Har­nik hat in den sechs Jah­ren beim VfB vie­le Tore für den Brust­ring geschos­sen. Er war aber auch kein Mario Gomez, der die Mann­schaft allei­ne ret­ten konn­te. Lief es beim VfB schlecht, lief es auch bei Har­nik schlecht. So auch in der letz­ten Sai­son, in der er, neben Nie­der­mei­er, Schwa­ab und Gent­ner, als erfah­re­ner Spie­ler auch eines der Gesich­ter des Abstiegs war. Unter ande­rem wegen sei­ner spek­ta­ku­lär ver­sieb­ten Chan­cen, die er auch in die­sem Spiel wie­der zum Bes­ten gab. Aber auch wegen der in der End­pha­se der Sai­son zur Schau getra­ge­nen Unfä­hig­keit, der Rea­li­tät ins Auge zu schau­en. Wie der Rest der Mann­schaft ging er davon aus, man kön­ne nicht abstei­gen. Der Abstieg war eine Zäsur und ist für vie­le VfB-Fans ein Schock. Mar­tin Har­nik hat ihn nicht allei­ne zu ver­ant­wor­ten, aber er hat ihn eben auch nicht ver­hin­dert. Muss man ihn des­halb aus­pfei­fen? Viel­leicht nicht. Aber man muss ihn auch nicht wie eine Ver­eins­le­gen­de behan­deln.

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