Am vergangenen Mittwoch lieh der VfB Stuttgart Steven Zuber für die Rückrunde aus Hoffenheim aus. Wir haben uns über den Flügelspieler in der Rhein-Neckar-Region schlau gemacht.
An dem Tag, als sich Hasan Salihamidzic auf seinem samtbezogenen Goldthrönchen nicht zurückhalten konnte und scheinbar ohne Absprache mit dem VfB den Wechsel von Benjamin Pavard nach München herausposaunte, verkündete der VfB auch einen Transfer. Allerdings war es nicht die Bestätigung, dass mal wieder ein talentierter Spieler in die falsche Richtung auf die A8 auffährt, stattdessen gab Michael Reschke bekannt, was der Vertikalpass bereits am vormittag geleakt hatte: Den zweiten Winterneuzugang des Vereins mit dem Brustring. Steven Zuber wird für die Rückrunde dieser Saison ohne Kaufoption aus Hoffenheim ausgeliehen. Nachdem uns die Sportredaktion der Rhein-Neckar-Zeitung vor dem o:4‑Debakel im Oktober für das Gegnerinterview Rede und Antwort stand, haben wir uns dort über den VfB-Neuzugang erkundigt. Ressortleiter Joachim Klaehn hat unsere Fragen zu Zuber beantwortet.
Als russischer Meister nach Deutschland
Steven Zuber wurde am 17. August 1991 in Winterthur in der Schweiz geboren und machte dort auch seine ersten fußballerischen Schritte, bevor er sich mit 15 Jahren dem Grasshopper Club Zürich anschloss, wo er zum Profi wurde und mit dem Schweizer Cup 2013 auch seinen ersten Titel feierte. Nach 146 Spielen und 33 Toren für den GC zog es ihn dann weiter nach Russland zu ZSKA Moskau, mit denen er im gleichen Jahr noch den russischen Supercup und 2014 die Meisterschaft in der Premjer Liga gewann. Als frischgebackener russischer Meister wechselte er dann im Sommer zur TSG Hoffenheim, die damals noch von Markus Gisdol trainiert wurde. Von ihm versprach man sich in Sinsheim vor allem mehr Optionen für die die Offensive, so Klaehn.
Für die TSG, bei der er noch einen Vertrag bis 2020 besitzt, hat Zuber in den letzten viereinhalb Jahren insgesamt 82 Ligaspiele gemacht, dabei sieben Tore geschossen und acht vorbereitet. Was bei einem Blick auf seine Einsatzzeiten sofort ins Auge sticht: In keiner Spielzeit gehörte er in Hoffenheim über die gesamte Spielzeit der Startelf an. In seiner ersten Saison machte er 17 Spiele, in der darauffolgenden gar nur 12. 2016/2017 stand er 24 Mal auf dem Platz, letzte Saison 20 Mal, in der laufenden Spielzeit brachte er es auf 9 Einsätze in der Hinrunde. Die gute Nachricht vorneweg: Er hatte keine längeren Verletzungspausen, verpasste in seiner Zeit in Hoffenheim überhaupt nur sechs Spiele verletzungsbedingt, auch wenn Joachim Klaehn von mehreren Blessuren spricht, die ihn Einsatzzeit kosteten. Zudem spiele Zuber am liebsten auf einer zentraleren Achterposition, auf der sein Trainer Julian Nagelsmann allerdings in dieser Saison die Qual der Wahl hat und deshalb Zuber nicht so häufig einsetzte, wie dieser es sich wünschen würde, was der Spieler schließlich auch zur Sprache brachte.
Vorzeigeprofi mit Schokoladenseite
Auch wenn Zuber in seiner Karriere eine Handvoll Spiele auf dem rechten Flügel gemacht hat, ist links “ohne Wenn und Aber seine Schokoladenseite”, erklärt Klaehn. Schaut man sich nun an, wie er in den letzten Jahren dort eingesetzt wird, fällt auf, dass Zuber immer mehr von der Linksaußen-Position ins linke Mittelfeld “zurück” rutschte. Klaehn zufolge hängt das vor allem mit der Umstellung Nagelsmanns auf eine Dreierkette zusammen, in Folge derer er zum linken Offensivverteidiger umgeschult wurde — ein Anzeichen für Zubers Flexibilität, die einem aber, wie man weiß, gelegentlich auch zum Nachteil gereichen kann. Auf jeden Fall scheint er die Anforderungen, die Markus Weinzierl an die Flügelspieler in seinem System hat, zu erfüllen. Klaehn bezeichnet ihn als einen “dynamischen Akteur, der präzise Flanken schlagen kann und mit seiner linken Klebe aus der Distanz beeindruckt.”
Auch sonst scheint Zuber eine Verstärkung für die Mannschaft zu sein. Julian Nagelsmann lobt ihn im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung als “Vorzeigeprofi: Wenn er nicht spielt, ist er auch sauer auf mich, gibt aber dennoch im Training immer Gas.” Seine einzige Schwäche, so Klaehn, sei sein Perfektionismus, Zuber mache sich manchmal zu viele Gedanken über sein Spiel. Natürlich bleibt bei solchen Fertigkeiten auch eine Karriere in der Nationalmannschaft nicht aus. Zuber durchlief alle Nachwuchsteams der Eidgenossen und hat in 21 Länderspielen bereits 5 Tore geschossen, zuletzt beim 6:0 in der Nations League gegen Island davor im WM-Gruppenspiel gegen Brasilien, als er den Führungstreffer von Coutinho per Kopf ausglich.
Klaehn zitiert Zubers Ehefrau Mirjana, die ihrem Mann attestierte, seine Auslandsjahre hätten ihn als Profifußballer sehr geprägt, er sei dadurch ein offener, extrovertierter Mensch geworden. Zuber, so Klaehn, sei “ein cooler, reflektierter Typ”, der Grenzerfahrungen liebe, zum Beispiel das Schwimmen mit kleineren Haien oder das Tauchen mit Blick auf größere Exemplare — hinter Gittern. Scheinen, verzeiht mir den flachen Witz, nicht die schlechtesten Vorraussetzungen für das Haifischbecken Abstiegskampf zu sein.
Kurzfristig eine Hilfe
Alles in allem lässt sich an dieser Leihe nicht allzu viel aussetzen. Kurzfristig ist damit allen beteiligten Parteien geholfen: Der VfB erhält spielstarke Unterstützung im Kampf um den Klassenerhalt, Zuber kann regelmäßig spielen und die TSG ihren nach dem internationalen Ausscheiden aufgeblähten Kader bis zum Ende der Saison ausdünnen. Wäre da nicht der Wermutstropfen der fehlenden Kaufoption.
Selbst wenn #Zuber kurzfristig hilft, die Klasse zu halten: Eine sechsmonatige Leihe ohne Kaufoption ist, was strategische Kaderplanung angeht, ein ziemliches Armutszeugnis von #Reschke. #VfB
— Lennart Sauerwald (@l_sauerwald) January 9, 2019
Ich kann mir gut vorstellen, dass Zuber perfekt in Weinzierls System passt und er mit ihm und Esswein seinen wuchtigen Konterfußball über die Außenbahnen erfolgreich umsetzen kann. Ich kann mir aber genauso vorstellen, dass ein erfolgreicher Steven Zuber im Sommer eher noch Mal in Sinsheim verlängert und selbst wenn nicht wäre er mit einem Jahr Restvertrag zwar nicht unbezahlbar, aber sicher teurer, als wenn man jetzt schon eine Kaufoption vereinbart hätte. Auf der anderen Seite…
Natürlich sind längere Verpflichtungen mit mittelfristiger Perspektive wie Gonzalez, Sosa, Maffeo grundsätzlich wünschenswert. Aber die Strategie muss sich sowohl an kurz- als auch an langfristigen Zielen orientieren. Und im Vordergrund steht erstmal der Klassenerhalt
— Brain Drain (@braindrain21) January 9, 2019
…bringt uns die langfristige Planungssicherheit mit einem schlechteren Spieler nichts, wenn wir absteigen. Das Kind ist quasi schon halb in den Brunnen gefallen. Bevor wir ein Schutzgitter am Brunnen anbringen, müssen wir es erstmal herausziehen. Welche Perspektiven Zuber in Hoffenheim hat, hängt natürlich auch vom Nachfolger Nagelsmanns in Hoffenheim ab, wie Joachim Klaehn ganz richtig anmerkt.
Hoffen wir also erstmal, dass Zuber uns kurzfristig helfen kann und kümmern uns um die langfristige Perspektive auf der offensiven Außenbahn, wenn es soweit ist. Die Vorraussetzungen scheinen zumindest personell auf der linken Seite gegeben. Es wird interessant sein zu sehen, was die Mannschaft am Samstag gegen Mainz auf den Platz bringt.
Titelbild: Wikipedia/Soccer.ru unter CC BY-SA 3.0