Dennis Aogo ist der erste Spieler in dieser Saison, der nicht mehr von Jan Schindelmeiser verpflichtet wurde. Wir haben mit einem Schalke-Experten über unseren Neuzugang gesprochen.
Hassen Talib Haji (@hassanscorner) betreibt unter hassanscorner.tv einen Videoblog über den FC Schalke 04.
Rund um den Brustring: Mit welcher Zielsetzung wurde Dennis Aogo vor drei Jahren vom HSV verpflichtet und wie hat er sich seitdem bei Euch entwickelt?
Hassan: Dennis Aogo kam 2013 als Panikverpflichtung im Doppelpack mit Kevin-Prince Boateng. Zunächst wurde er nur ausgeliehen, doch Schalke zog nach einem soliden Jahr die Kaufoption. Aogo war auf Schalke kein Spieler, der sich besonders hervorgetan hat. Er spielte seinen Stiefel als Linksverteidiger oder Mittelfeldspieler im Zentrum herunter, ohne groß zu überragen. In meinen Augen ist er ein durchschnittlicher Spieler, der sich am Berger Feld mehr zurückentwickelte, als weitere Schritte nach vorne hat machen können.
Rund um den Brustring: Warum stand er in der vergangenen Saison kaum im Kader und warum wurde sein Vertrag nicht mehr verlängert?
Hassan: Aogos Können und seine gezeigten Leistungen spiegelten nicht mehr den Anspruch des Vereins wider. Zudem sah ihn Ex-Trainer Markus Weinzierl eher im defensiven Mittelfeld als auf der linken Außenbahn. Doch auf beiden Positionen konnte er sich nicht durchsetzen und landete entweder auf der Bank oder Tribüne. Gemessen an seinem üppigen Gehalt von geschätzten drei bis vier Millionen Euro – und den wenigen Einsatzzeiten – war eine Vertragsverlängerung schlichtweg nicht vertretbar.
Rund um den Brustring: Vorher hat er meist als Linksverteidiger gespielt, selten auch mal im defensiven Mittelfeld. Liegt ihm die linke Außenbahn auch am ehesten? Wie hat er den Linksverteidiger interpretiert?
Hassan: Die Position des Linksverteidigers liegt Aogo meiner Meinung nach wesentlich besser als das Spiel im Mittelfeldzentrum. Den Hauptgrund sehe ich persönlich darin, dass er nur einen starken Fuß hat – den linken. Das ist vor allem im Mittelfeld ein Nachteil, wenn die Räume eng sind und diese schnell entkrampft werden müssen. Außerdem fehlt Aogo der Mut zur Offensive. Er traut sich sehr wenig zu, geht ungerne ein Risiko ein. So sieht dann auch zumeist sein Passspiel aus. Er spielt selten vertikal, viel quer und zurück. Er ist mehr um Sicherheit bemüht. Auf der linken Seite fehlte ihm oft das Durchsetzungsvermögen, das zum Beispiel Sead Kolasinac im Offensivspiel auszeichnete. Defensiv gesehen ist sein Spiel durchschnittlich
Rund um den Brustring: Was sind seine Stärken, was seine Schwächen?
Hassan: Zu seinen größten Stärken zähle ich seine Erfahrung, die er über die vielen Jahre gesammelt hat. Das ist ein großer Pluspunkt. Damit ist er in der Lage, jungen VfB-Spielern bestimmt mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Zu seinen größten Schwächen zählt sein fehlender Mut zum Risiko. Ihm lastete auf Schalke das Attribut des Alibifußballers an. Dem kann ich schwerlich widersprechen.
Rund um den Brustring: Was gibt es sonst noch über ihn zu wissen? Wie war sein Standing bei den Fans und innerhalb der Mannschaft auf Schalke?
Hassan: Es gab bei den Fans sicher Leute, die ihn mochten und andere, die ihn ungerne haben spielen sehen. Wie sein Standing in der Mannschaft war, ist schwer zu beurteilen. Schlechtes ist mir da jedenfalls nicht zu Ohren gekommen.
Rund um den Brustring: Traust Du ihm ein Comeback in der Nationalmannschaft zu?
Hassan: Nein. Ich denke, der Zug ist längst abgefahren.
Rund um den Brustring: Vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke, Hassan.
Was Hassan im Interview erzählt, klingt wirklich nicht sehr vielversprechend. Natürlich muss man sehen, dass ein Spieler, der sich bei Schalke nicht durchsetzt nicht unbedingt zu schlecht für einen Aufsteiger wie den VfB sein muss. Wir sind halt mittlerweile, man kann es nicht anders sagen, eine Nummer kleiner als die Gelsenkirchener. Auch seine Bundesliga-Erfahrung ist, wie Hassan es angesprochen hat, in manchen Situationen mit Sicherheit kein Nachteil.
Was mich nachdenklich stimmt, ist die risikoarme Spielweise, die Hassan beschreibt. Sie scheint so gar nicht in das Spielkonzept von Hannes Wolf zu passen. Natürlich kann nicht die gesamte Mannschaft wie zu Zornigers Zeiten blind nach vorne stürmen, aber die angesprochenen “Alibi”-Pässe zur Seite oder nach hinten sollten beim VfB eigentlich der Vergangenheit angehören.
Was einen zu der Frage bringt, wer Aogo eigentlich verpflichtet hat. Die Kollegen vom Vertikalpass haben es schon angesprochen: Aogo wirkt wie ein Transfer von Fredi Bobic, den man geholt hat, weil man halt seinen Namen aus der Bundesliga kennt. Und anscheinend, weil man Ailton, an dessen Verpflichtung ich ja auch meine Zweifel hatte und habe, noch nicht zutraut, Insua während dessen Verletzung zu vertreten. Aber wieso sollte Michael Reschke, der ja eher dafür bekannt ist, jene Spieler zu holen, die nicht bei jedem schon auf dem Zettel stehen, einen solchen Spieler verpflichten? Weil die Not groß und das Geld für sein wahrscheinlich etwas gesunkenes Gehalt war?
Hoffen wir mal, dass einer von beiden uns positiv überrascht und das Pokalspiel in Cottbus der erste und letzte Einsatz von Dzenis Burnic auf der linken defensiven Außenbahn war. Nachdem die Verletzung von Insua doch schwerwiegender ist, als zuletzt angenommen, wäre es fatal wenn jetzt die Abwehrseite, über die wir uns in unserer Saisonvorschau die wenigsten Sorgen gemacht haben, plötzlich zum Problemkind wird.
Bild: © Torsten Mannek
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