Rund um das Spiel in Cottbus

Am Sonn­tag tritt der VfB im DFB-Pokal bei Regio­nal­li­gist Ener­gie Cott­bus an. Wir haben mit zwei Ener­gie-Fans über ihren Ver­ein und das Spiel gespro­chen.

Nach­dem die Geg­ner­vor­stel­lung in den letz­ten bei­den Jah­ren ja nach einem rela­tiv star­ren Sche­ma (11 Fra­gen an…, Sie­ben The­sen zu…) ablief, lockern wir es ab jetzt etwas auf und inter­view­en ein­fach Fans oder Exper­ten des geg­ne­ri­schen Ver­eins. Die Anzahl und Län­ge der Fra­gen und Ant­wor­ten wird dabei ganz unter­schied­lich sein, aber wir hof­fen, dass das für Euch infor­ma­ti­ver ist als ein fes­tes For­mat, in dem man­che Sachen dann nur um des For­mats ein­flie­ßen, die eigent­lich über­flüs­sig sind.

Den Anfang machen zwei Fans des FC Ener­gie Cott­bus: Sebas­ti­an Pet­zold (@SePetzold) und “Der Schmit­ti” (@Schmitti72).

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Sebas­ti­an, hal­lo Schmit­ti, erzählt mal kurz was über Euch. Was macht Ihr, wo kommt Ihr her, wie seid Ihr Ener­gie-Fans gewor­den?

Sebas­ti­an: Ich bin in Cott­bus groß gewor­den und dort zur Schu­le gegan­gen. Heu­te lebe ich in Ber­lin und arbei­te dort. Von Ber­lin aus ist es nicht weit nach Cott­bus, so dass ich vie­le Spie­le nach wie vor mit­neh­men kann. Wie vie­le ande­re bin ich in der Rekord­sai­son 96/97 bei Ener­gie gelan­det. Damals war ich 14, 15 Jah­re alt. Wir haben sou­ve­rän die Regio­nal­li­ga Nord-Ost gewon­nen und sind in zwei legen­dä­ren Rele­ga­ti­ons­spie­len gegen Han­no­ver 96 in die 2. Bun­des­li­ga auf­ge­stie­gen. Dazu kam die sen­sa­tio­nel­le Final­teil­nah­me im DFB-Pokal als Dritt­li­gist. Seit­dem bin ich dabei – zu Hau­se und aus­wärts.

Schmit­ti: Ich bin vor 45 Jah­ren in Cott­bus gebo­ren und lebe noch immer hier. Ich bin Grund­schul­leh­rer und aktu­ell habe ich Feri­en. Ich habe eine 7 jäh­ri­ge Toch­ter, die viel Zeit braucht. Fan bin ich seit ich 12 Jah­re bin. Als Jugend­li­cher zu DDR-Zei­ten bin ich regel­mä­ßig mit Freun­den ins Sta­di­on und zu Aus­wärts­spie­len. Spä­ter sind die Freun­de weg­ge­zo­gen und die Zeit fürs Sta­di­on fehl­te. Wenn Ener­gie im Fern­se­hen gezeigt wird, schaue ich gern.

Rund um den Brust­ring: Das letz­te mal, als der VfB im Sta­di­on der Freund­schaft zu Gast war, war im Dezem­ber 2008. Mitt­ler­wei­le spielt ihr in der Regio­nal­li­ga Nord­ost. Wie kam es dazu?

Schmit­ti: Ich den­ke es waren vie­le Feh­ler: die Spie­ler haben die Trai­ner nicht ver­stan­den und anders­her­um genau­so. Die Kom­mu­ni­ka­ti­on war schlecht und eini­ge Spie­ler zeig­ten nie ihr Kön­nen. Oft muss­ten die bes­ten Spie­ler an die gro­ßen Ver­ei­ne ver­kauft wer­den, da immer das Geld fehl­te. Und die gewalt­be­rei­ten Fans kos­te­ten eben­so viel Geld für ihre bescheu­er­ten Aktio­nen. Wenn man ein­mal abge­stie­gen ist, die Spie­ler gehen, das Geld weni­ger wird, kommt man schnell nicht mehr aus dem Stru­del.

Sebas­ti­an: Ein sol­cher Absturz hat eine lan­ge Geschich­te und braucht eine Ver­ket­tung von vie­len Fehl­ent­schei­dun­gen. Es ist schwer, den einen Grund aus­zu­ma­chen. Für mich war der Nicht-Auf­stieg 2011 der Knack­punkt. Wir waren nach dem Bun­des­li­ga­ab­stieg 2009 damals eigent­lich gut genug, um wie­der­zu­kom­men, hat­ten mit Nils Peter­sen den Tor­schüt­zen­kö­nig der 2. Liga und stan­den im Pokal-Halb­fi­na­le gegen den MSV. Dort haben wir unglück­lich ver­lo­ren. Danach war die Luft raus und in der Liga ging nicht mehr viel. Es folg­te der Nie­der­gang.
Wir sind dann schon 2012 fast abge­stie­gen, 2014 ging es wirk­lich in die 3. Liga. Die Mann­schaft war dafür eigent­lich zu gut, aber eben kein Team. Der VfB kennt das ja auch. Die Trai­ner­wech­sel in jener Zeit waren wüst und plan­los, zu spät oder voll­kom­men falsch. Trans­fers haben nicht ein­ge­schla­gen und wir haben kei­ne Phi­lo­so­phie mehr erken­nen las­sen. Was Ener­gie Cott­bus über Jah­re stark gemacht hat – das Gefühl das gal­li­sche Dorf im Pro­fi­fuß­ball zu sein – war weg und kam nicht wie­der. Wenn wir nur ein Ver­ein wie jeder ande­re sind, sind ande­re stär­ker.
2016 sind wir dann wei­ter abge­stürzt in die Regio­nal­li­ga. Das ver­ar­bei­te ich heu­te noch. Kei­ne Ahnung, wie das tat­säch­lich pas­sie­ren konn­te. Es war eben eine Auf­ein­an­der­fol­ge von Fehl­ent­schei­dun­gen, Unver­mö­gen und Unglück. Selbst nach einer Hor­ror­sai­son hat­ten wir es ja bis zur 87. Minu­te am letz­ten Spielt eigent­lich geschafft. Ver­rückt, bis heu­te.

Rund um den Brust­ring: Den VfB und Ener­gie ver­bin­den auch zwei für den VfB sehr wich­ti­ge Spie­le: Das DFB-Pokal­fi­na­le 1997 und der der 34. Spiel­tag 2006/2007. Wel­cher Erin­ne­run­gen habt Ihr an die­se Par­tien?

Sebas­ti­an: Ich war bei bei­den Spie­len dabei. Das Pokal­fi­na­le war ein gei­les Ding. Der VfB hat­te das magi­sche Drei­eck und wir kei­ne Chan­ce, die wir nut­zen woll­ten. Am Ende war es eine kla­re Geschich­te. In Cott­bus erzählt man sich aber heu­te noch von die­ser einen Tor­chan­ce von Det­lef Irr­gang kurz nach der Pau­se. Wenn der rein­ge­gan­gen wäre…Nun ja. Mit dem Stutt­gar­ter Anhang war es sehr ent­spannt. Ich erin­ne­re mich gut an Gesprä­che a la „lasst uns mal gewin­nen, wir sind sonst die Dep­pen der Nati­on. Ihr habt doch schon alles erreicht.“ Das stimm­te ja auch.
2007 war ein Wahn­sinns­er­leb­nis. Wir waren nach Stutt­gart gefah­ren, um dort den Titel mit dem VfB zu fei­ern. Der Gäs­te­block war vol­ler Stutt­gar­ter und ich hät­te auf dem Schwarz­markt ein Ver­mö­gen mit mei­nem Ticket machen kön­nen. Unver­ges­sen dann die Toten­stil­le im Gäs­te­block nach unse­rem Füh­rungs­tref­fer. Schal­ke zum Meis­ter machen woll­te nun wirk­lich nie­mand. Ist ja dann auch alles gut gegan­gen. Die Über­ga­be der Scha­le war schon ein Erleb­nis und der Lärm im Sta­di­on war ohren­be­täu­bend. Schö­ne Aus­wärts­fahrt war das.
Ich kann mich zudem auch an den letz­ten Spiel­tag 2003 erin­nern als Timo Rost mit einem Tor in Dort­mund für gute Stim­mung in Stutt­gart gesorgt hat.

Schmit­ti: Das Pokal­spiel habe ich im Fern­se­her auf mei­ner dama­li­gen Arbeit (Jugend­club) mit mei­nen Jugend­li­chen geschaut. War span­nend, aber nicht vom Erfolg gekrönt. Dafür sind wir aber auf­ge­stie­gen. Ist jetzt 20 Jah­re her. An die zwei­te Par­tie habe ich weni­ger Erin­ne­rung, weiß nur, das es seit­dem eine Fan­freund­schaft gibt oder?

Rund um den Brust­ring: Letz­tes Jahr habt ihr den direk­ten Wie­der­auf­stieg nur knapp ver­passt. Jetzt seid ihr mit drei Sie­gen und 12:1 Toren in die Sai­son gestar­tet. Wie wich­tig ist es für Ener­gie, aus der vier­ten Liga wie­der raus­zu­kom­men und wie seht Ihr die Chan­cen?

Schmit­ti: Die 3.Liga wäre ein rie­si­ger Erfolg für den Ver­ein, den Fans und der Regi­on. Die Prä­senz im Fern­se­hen wäre wie­der grö­ßer, was gleich­zei­tig mehr Geld bedeu­tet. Viel­leicht wird die Jugend­ar­beit wie­der mehr geför­dert und neue Talen­te gefun­den.

Sebas­ti­an: Ich glau­be, es ist über­le­bens­wich­tig. Wir müs­sen hoch, sonst sind wir bald von der Bild­flä­che ver­schwun­den. Die vier­te Liga dau­er­haft auf hohem Niveau zu stem­men ohne hoch zu gehen, schafft wohl nur Red Bull. Im letz­ten Jahr haben wir eine gute Sai­son gespielt, aber Jena eben eine über­ra­gen­de. Sie sind ver­dient Ers­ter gewor­den und auf­ge­stie­gen. Dabei haben wir gegen Jena 4 Punk­te geholt. Aber das voll­kom­men neue Team hat einen Moment gebraucht, um sich zu fin­den. Wir haben früh die Punk­te lie­gen las­sen, die wir nicht mehr auf­ho­len konn­ten.
In die­sem Jahr sind wir die bes­te Mann­schaft. Das Team ist zusam­men geblie­ben und sehr gut ver­stärkt wor­den. Wenn alles nor­mal läuft spie­len wir um Platz eins mit und sind auch Favo­rit, kei­ne Fra­ge. Dass der Meis­ter nicht direkt auf­steigt ist ein Skan­dal, aber lei­der juckt die­ses Nadel­öhr nie­man­den. Inso­fern müs­sen wir uns dar­auf kon­zen­trie­ren die Liga zu gewin­nen und dann schau­en, was in der Rele­ga­ti­on geht.

Rund um den Brust­ring: Traut Ihr Eurem Ver­ein zu, sich lang­fris­tig wie­der im Pro­fi­fuß­ball zu eta­blie­ren, oder ist der Zug erst­mal abge­fah­ren?

Sebas­ti­an: Grund­sätz­lich ja. Wir haben hier nach 17 Jah­ren Pro­fi­fuß­ball gute Bedin­gun­gen, die im Osten kaum jemand vor­wei­sen kann. Aber das ist eben kei­ne Garan­tie. Es ist super schwer sich als klei­ner Ver­ein ohne gro­ße finan­zi­el­le Gön­ner lang­fris­tig in Liga 1 oder 2 allein mit har­ter und guter Arbeit zu eta­blie­ren. Wir haben das schon mal geschafft, aber die Zei­ten sind ande­re gewor­den und die Dich­te an ähn­li­chen Clubs ist viel höher. Wir müs­sen erst­mal wie­der hoch in Liga 3 und dann muss man wei­ter­se­hen.

Schmit­ti: Wenn alle an einem Strang zie­hen, Ver­ein, Fans, Stadt und die Regi­on, dann ja. Wir haben ein tol­les Sta­di­on, tol­le Fans (die meis­ten) und haben sehr oft Kampf auf den Platz gezeigt.

Rund um den Brust­ring: Momen­tan wird über Euren Tor­jä­ger Ben­ni Förs­ter dis­ku­tiert, der sich im letz­ten Liga­spiel eine rote Kar­te geholt hat. Euer Trai­ner Claus-Die­ter Wol­litz über­legt ihn des­halb am Sonn­tag auf der Bank zu las­sen. Wie ist Eure Mei­nung dazu?

Sebas­ti­an: Das wäre eine ziem­lich har­te Ent­schei­dung. Ich fin­de es grund­sätz­lich aber gut, dass Wol­litz Dis­zi­plin ein­for­dert. Wenn das sei­ne Linie ist, dann soll er sie durch­zie­hen. Für Ben­ni Förs­ter wäre es natür­lich bit­ter, bei dem High­light nicht dabei zu sein.

Schmit­ti: Das mit der roten Kar­te habe ich mit­be­kom­men, aber sonst nicht so viel dar­über gele­sen, da ich im Urlaubs­mo­dus bin.

Rund um den Brust­ring: Abge­se­hen von Förs­ter: Vor wel­chen Spie­lern soll­ten wir uns in Acht neh­men?

Sebas­ti­an: Ganz sicher vor Stre­li Mam­ba. Der ist unglaub­lich schnell und bei Kon­tern wirk­lich gefähr­lich, wenn er cool vorm Kas­ten bleibt. Ansons­ten ist unser Mit­tel­feld sehr spiel­stark. Viterit­ti, Mar­ce­lo, Zim­mer oder Geis­ler kön­nen kicken und wenn eine Mann­schaft wie der VfB mal nicht nur hin­ten drin steht, son­dern mit­spielt, wird es Räu­me geben. Aber der VfB ist natür­lich indi­vi­du­ell auf jeder Posi­ti­on bes­ser besetzt als wir. Wir brau­chen schon ein Wun­der, um Stutt­gart wirk­lich gefähr­lich zu wer­den. Nicht unter­schät­zen wür­de ich die Atmo­sphä­re: Das Sta­di­on ist seit lan­ger Zeit mal wie­der rich­tig voll und die Leu­te sind heiß. Wenn wir den VfB viel­leicht eine Wei­le lang ärgern könn­ten, dann kann sich da was ent­wi­ckeln.

Schmit­ti: Viterit­ti und Mam­ba.

Rund um den Brust­ring: Und wo lie­gen, wenn man das jetzt schon sagen kann, die Schwä­chen von Ener­gie?

Sebas­ti­an: Wir haben in die­ser Sai­son noch kei­ne Schwä­chen gezeigt. Aller­dings waren die Geg­ner jeweils klar unter­le­gen. Die Abwehr­rei­he war noch gar nicht gefor­dert. Mal sehen, wie wir mit dem Dau­er­druck und der Klas­se des VfB zurecht­kom­men.

Schmit­ti: Die Abwehr und manch­mal die Ein­stel­lung, geben schnell auf, bei Miss­erfol­gen. Aber nicht wei­ter­sa­gen, beson­ders dem VfB.

Rund um den Brust­ring: Vie­le Fans nut­zen ja ein sol­ches Pokal­spiel in der ers­ten Run­de ger­ne für einen klei­nen Aus­flug. Was soll­te man als Besu­cher in Cott­bus außer dem Sta­di­on der Freund­schaft noch gese­hen haben am Wochen­en­de?

Schmit­ti: Der Spree­wald, wenn Zeit ist und die Innen­stadt von Cott­bus mit ihren alten Stadt­kern. Auch der Tier­park und Bra­nit­zer Park in Nähe des Sta­di­ons sind wun­der­schön. Und aktu­ell macht das Cott­bu­ser Bier wie­der Schlag­zei­len. Gibt eine Knei­pe auf dem Alt­markt.

Sebas­ti­an: Cott­bus ist gar nicht so übel. Man kann sich die Innen­stadt um den Alt­markt anschau­en und an der Spree abhän­gen. In Sta­di­onnä­he befin­den sich auch der Bra­nit­zer Park und das ehe­ma­li­ge BuGa-Gelän­de. Da bekommt man den Tag schon rum. Wer mehr Zeit hat, soll­te sich mal den Spree­wald anschau­en.

Rund um den Brust­ring: Abschlie­ßend: Eure Tipps fürs Spiel?

Sebas­ti­an: Es wäre toll, wenn wir einen rich­ti­gen Pokal­fight lie­fern könn­ten. Wie es dann aus­geht, ist eigent­lich egal. Ich hof­fe, dass sich von unse­ren Leis­tungs­trä­gern nie­mand ver­letzt und der gan­ze Ver­ein für die Sai­son etwas mit­neh­men kann. Die Leu­te sol­len wie­der­kom­men wol­len und das Gefühl haben, dass der alte Cott­bus-Spi­rit wie­der da war. Ein klei­nes Fuß­ball­fest soll es wer­den. Und dann war­tet der VfB Auer­bach auf uns.

Schmit­ti: 1:1 nach 90 Minu­ten, Sieg im Elf­me­ter­schie­ßen für Cott­bus. Schließ­lich ist unse­re Liga schon gestar­tet.

Rund um den Brust­ring: Sebas­ti­an, Schmit­ti, vie­len Dank für das Gespräch.

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