Neu im Brustring: Atakan Karazor

Der VfB weiß immer noch nicht, in wel­cher Liga er dann spielt, hat aber bereits den zwei­ten Neu­zu­gang für die kom­men­de Sai­son fest­ge­macht: Ata­kan Kara­zor kommt von Hol­stein Kiel. Da Euch der Name wahr­schein­lich genau­so wenig sagt wie uns, haben wir uns mal über ihn schlau gemacht.

Ein Neu­zu­gang wie aus dem Nichts, den kei­ner auf der Rech­nung hat­te und von dem man in Stutt­gart so gut wie gar nichts weiß — das gab es beim VfB län­ger nicht mehr. Am Mitt­woch hat Ata­kan Kara­zor einen Ver­trag bis 2023 unter­schrie­ben, höchs­te Zeit also, Euch den neu­es­ten zukünf­ti­gen Brust­ring­trä­ger vor­zu­stel­len. 

Dafür haben wir uns natür­lich wie üblich bei sei­nen ehe­ma­li­gen Ver­ei­nen umge­hört. Zum einen in Kiel bei Pike vom Hol­stein-Pod­cast 1912FM, zum ande­ren in Dort­mund bei Niklas Kuhr (@nklskhr), der für @BVBJugend schreibt, denn vor sei­ner Zeit in Kiel spiel­te Kara­zor für die zwei­te Mann­schaft des BVB.

In Dortmund reichte es nicht für die Bundesliga

In Kiel in der Rückrunde wichtig: Atakan Karazor. © Calcio Culinaria Kiel
In Kiel in der Rück­run­de wich­tig: Ata­kan Kara­zor. © Cal­cio Culi­na­ria Kiel

Dass er in Dort­mund lan­de­te, ist kei­ne Über­ra­schung, wenn man weiß, dass Kara­zor 1996 in Essen gebo­ren wur­de, sei­ne ers­ten fuß­bal­le­ri­schen Schrit­te bei Schwarz-Weiß mach­te und 2012 dann mit 16 Jah­ren in den Nach­wuchs des VfL Bochum wech­sel­te. Von dort war es dann sport­lich und geo­gra­phisch nur noch ein klei­ner Sprung zu den Ama­teu­ren von Borus­sia Dort­mund,  für die er im defen­si­ven Mit­tel­feld ins­ge­samt 59 Spie­le mach­te, dabei ein Tor erziel­te und drei vor­be­rei­te­te  — und in zwei Spiel­zei­ten 20 gel­be Kar­ten kas­sier­te. Grund­sätz­lich als har­ten Spie­ler wür­de Niklas ihn jedoch nicht bezeich­nen: “Er ist ein Spie­ler der vie­le Zwei­kämp­fe sucht und auch führt, da kom­men dann zwangs­läu­fig auch ein paar Kar­ten zusam­men”, erklärt er. Kara­zor erhielt 2016 sogar einen Pro­fi­ver­trag beim BVB, kam jedoch nie für die ers­te Mann­schaft zum Ein­satz. Niklas zufol­ge liegt das vor allem an der Kon­kur­renz, er habe damals auch aber auch noch nicht das Niveau für die Bun­des­li­ga und erst recht nicht für die Borus­sia gehabt. Umso wich­ti­ger sei er für die zwei­te Mann­schaft in der Regio­nal­li­ga West gewe­sen, denn man habe ihm zu die­sem Zeit­punkt schon habe anse­hen kön­nen, dass er das Zeug zu einem sehr guten Zweit­li­ga-Spie­ler habe, so Niklas.

Als er dann vor zwei Jah­ren bei Hol­stein Kiel in der zwei­ten Liga ankam, habe man dort zunächst kei­ne gro­ßen Erwar­tun­gen an ihn gehabt, erzählt Pike, er sei abseh­bar ein Per­spek­tiv­trans­fer gewe­sen. Dem­entspre­chend kam er in der Sai­son 2017/2018 auch nur in vier Zweit­li­ga-Spie­len zum Ein­satz, fünf Mal lief er für die Hol­stein-Reser­ve in der Ober­li­ga Schles­wig-Hol­stein auf. Auch die lau­fen­de Sai­son begann er bei der mitt­ler­wei­le in die Regio­nal­li­ga Nord auf­ge­stie­ge­ne Zweit­ver­tre­tung der Kie­ler, bis er durch die Ver­let­zung von David Kins­om­bi “ins kal­te Was­ser gewor­fen” wur­de. Offen­sicht­lich mit Erfolg, denn Kara­zor hat bis dato 21 Sai­son­spie­le bestrit­ten, dabei zwei Tore erzielt und zwei vor­be­rei­tet. Im Jahr 2019 hat er fast jedes Spiel durch­ge­spielt und “sei­ne Sache extrem gut gemacht”, so Pike.

Staubsauger oder Spielgestalter?

Blickt man auf die kom­men­de Sai­son, so ist das defen­si­ve Mit­tel­feld des VfB nicht gera­de unter­be­setzt. Selbst wenn die Ver­trä­ge von Andre­as Beck, Den­nis Aogo und Chris­ti­an Gent­ner nicht ver­län­gert wer­den, hät­te man immer noch Gon­za­lo Cas­tro, Sant­ia­go Ascací­bar und Rück­keh­rer Orel Manga­la, die auf die­ser Posi­ti­on ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Wel­che Art Sech­ser kommt also mit Ata­kan Kara­zor an den Neckar? Niklas beschreibt ihn in sei­ner Dort­mun­der Zeit als wich­ti­gen Spie­ler im Auf­bau­spiel und in der Bal­ler­obe­rung, auch weil er sei­nen Kör­per gut ein­set­ze, Bäl­le abschir­me und so gewin­ne, alles in allem also sehr zwei­kampf­stark sei. Auch in der Luft, wie Pike ergänzt.

Was die Spiel­eröff­nung angeht, hat­te Niklas bei Dort­mund II den Ein­druck, dass sein Pass­spiel meist sicher, aber weni­ger risi­ko­be­haf­tet oder krea­tiv sei — “stra­te­gisch gut, aber nicht über­ra­gend”. Dass er im defen­si­ven Mit­tel­feld eine gute Prä­senz habe, unter­streicht auch Pike, in Kiel sei er zudem hin und wie­der für einen töd­li­chen Pass gut. Sei­ne Schwä­che sei noch die man­geln­de Erfah­rung und Abge­klärt­heit, Kara­zor pas­se sich jedoch schnell an eine neue Situa­ti­on an, was sich auch dar­in offen­bart, wie schnell er sich in die­ser Sai­son in der Kie­ler Mann­schaft in den Vor­der­grund spiel­te. In Kiel hat er übri­gens in die­ser Sai­son schon sechs gel­be Kar­ten gesam­melt, wobei Pike sei­ne Art zu spie­len als hart, aber nicht unfair beschreibt. Bei Ball­ver­lus­ten sei halt mit­un­ter die Grät­sche das Mit­tel der Wahl, um sich den Ball zurück zu holen.

Traut ihm der Kiel-Exper­te den sofor­ti­gen Durch­bruch in der Bun­des­li­ga zu? Nein, sagt Pike. Das Poten­zi­al dazu habe er, man kön­ne aber nicht erwar­ten, dass er sofort ein­schla­ge. Ange­sichts des Alters und der bis­he­ri­gen Ent­wick­lung sicher kei­ne über­ra­schen­de Ein­schät­zung. Offen­sicht­lich hat­te Kara­zor in den letz­ten zwei Jah­ren einen ziem­lich stei­len Auf­stieg aus der Regio­nal­li­ga West in die obe­re Hälf­te der zwei­ten Liga. Was aber auch heißt, dass eine so schnel­le Ent­wick­lung auch irgend­wann mal ein Leis­tungs­tief beinhal­tet. Wie schon bei Mateo Kli­mo­wicz wird wich­tig sein, wie er an die Mann­schaft des VfB und (hof­fent­lich) die Bun­des­li­ga her­an­ge­führt wird.

Welche Rolle spielt Tim Walter?

Hilf­reich könn­te dabei Tim Wal­ter sein, der dem Ver­neh­men nach als neu­er Trai­ner des VfB fest­steht und gemein­sam mit Kara­zor nach Stutt­gart wech­seln wür­de. Aber moment: Woll­ten wir nicht in Zukunft den Kader und den Trai­ner nach einer von Per­so­nen unab­hän­gi­gen Ver­eins­phi­lo­so­phie ver­pflich­ten? Die Ver­mu­tung liegt ja nahe, dass hier wie­der ein Trai­ner sei­nen Lieb­lings­spie­ler mit zum neu­en Ver­ein nimmt. Das kann hier der Fall sein, es ist aber auch mög­lich, dass Kara­zor auch im Notiz­buch des ehe­ma­li­gen Dort­mun­der Chef­scouts Sven Mislin­tat stand. Zumal er in Kiel, so Pike, auch erst nach der Ver­let­zung Kins­om­bis eine Rol­le spiel­te. Dann aber eine wich­ti­ge.

Wie schon bei Kli­mo­wicz hat der VfB hier für rela­tiv klei­nes Geld — die Ablö­se­sum­me ist nicht bekannt, wird sich aber wohl kaum in der Grö­ßen­ordung eines Kabak oder Maf­feo befin­den — einen jun­gen, eher unbe­kann­ten Spie­ler ver­pflich­tet. Der Vor­teil an sol­chen Trans­fers: Anders als Cas­tro, Dida­vi oder Gomez will sich Kara­zor beim VfB bewei­sen und den nächs­ten Schritt in sei­ner Kar­rie­re machen. Soll­te der Klas­sen­er­halt gelin­gen, wür­de ihm damit der Auf­stieg in die Bun­des­li­ga gelin­gen, der sei­nem bis­he­ri­gen Ver­ein die letz­ten bei­den Spiel­zei­ten ver­wehrt blieb. Ich bin gespannt, wie Tim Wal­ter in der kom­men­den Sai­son spie­len lässt und wie er Kara­zor ein­setzt. Bis­her scheint er eine Mischung aus Ascací­bar und Manga­la zu sein, nur eben mit wesent­lich weni­ger Pro­fi­erfah­rung.

Aus­schnitt im Titel­bild: © Cal­cio Culi­na­ria Kiel

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