Der VfB verliert zum ersten Mal unter Tayfun Korkut, unter dem Strich verdient, mit 0:3 in Dortmund. Statt eines Auswärtssieges nehmen die Brustringträger einen Rucksack voll Hausaufgaben mit nach Hause.
Irgendwann, das war uns allen klar, musste auch die phänomenale Serie des Tayfun Korkut einmal enden. Die letzte Niederlage des VfB datiert vom 27. Januar dieses Jahre. Fünf Siege und drei Unentschieden später fanden wir uns vor dem Spiel in Dortmund auf Platz 8 wieder. Und jetzt ist sie da: Die dritte Niederlage im zwölften Rückrundenspiel. Beim Tabellendritten.
Ich steige extra auf diese Art und Weise in den Spielbericht ein, damit von Beginn an klar wird, dass die Niederlage in Dortmund zwar ärgerlich ist — wie jede Niederlage — aber kein Grund, die drohende Relegation auszurufen. Ja, es wurde nicht der vielleicht erhoffte Überraschungssieg gegen eine Spitzenmannschaft in der Krise. Aber es wurde eben auch nicht die befürchtete Klatsche gegen eine angeschossene Raubkatze. Dass Dortmund auf fast jeder Position besser besetzt ist als der VfB, wussten wir vorher. Und wenn es schlecht für uns läuft, setzt diese Qualität sich halt am Ende durch. Deshalb sollten wir, wenn schon nicht die Punkte, dann doch wichtige Lektionen aus diesem Spiel mitnehmen.
Glück und Qualität
Denn wirklich überraschen konnte einen die Niederlage am Ende auch nicht. Wie schon gegen Hamburg mussten wir mit ansehen, was passiert, wenn den Brustringträgern das nötige Glück für eine frühe Führung fehlt: Es fällt uns verdammt schwer, ein Tor zu schießen. Anschauungsmaterial für den Segen eines glücklichen ersten Treffers bot stattdessen der Gegner. Der BVB, der den Gästen bis kurz vor der Pause eigentlich nur hinterher rannte, kam nach Pulisics Glückstreffer wie verwandelt aus der Kabine und fertigte den VfB innerhalb von wenigen Minuten nach Strich und Faden ab.
Es war eben jene Qualität, mit der Batshuayi und Kollegen die rote Abwehr auseinander nahmen, die uns vorne fehlt. Nicht, dass ich für nächste Saison eine Champions League-Mannschaft im Brustring erwarte. Aber wir müssen endlich ein Rezept finden, wie wir den Ball auch mal ohne seltene Naturereignisse wie Scorerpunkte von Andreas Beck oder hanebüchene Abwehr- und Torwartfehler des Gegners über die Linie bringen. Das fiel uns schon in der zweiten Liga häufig schwer und wie hinlänglich bekannt ist, auch in der Hinrunde. Wenn die Mannschaft dann noch ihre Stärken vermissen lässt, hat sie halt gegen einen solchen Gegner keine Chance.
Unterdurchschnittliche Defensive
Denn obwohl der VfB zehn seiner 26 Saisontreffer aus Standardsituationen heraus erzielt hat, fand am Sonntag keine der sieben Ecken und gefühlt ebenso vielen offensiven Freistöße den Weg ins Tor. Was wahrscheinlich auch an der Qualität der Dortmunder Abwehrspieler lag, die sich dieser in der zweiten Halbzeit wieder bewusst wurden. Hinzu kam, dass die VfB-Defensive gleichzeitig weit unterdurchschnittlich verteidigte. Das betraf nicht nur die Innenverteidigung mit Benjamin Pavard und Holger Badstuber, die dem Kombinationsspiel des BVB nach der Pause kaum etwas entgegen setzen konnten, sondern auch die Außenverteidiger Insua und Beck, die mit zunehmender Spieldauer immer überforderter wirkten. Dass das 0:3 die höchste Saisonniederlage des VfB bis dato ist, zeigt allein schon an den Zahlen, dass dies defensiv der bisher schlechteste Auftritt in dieser Spielzeit war.
Aber eben weil dieses Spiel ein negativer Ausreißer nach unten war, möchte ich mich gar nicht lange mit unserer Abwehr befassen. Ja, wir wissen noch nicht, wie sie im August dieses Jahres aussieht. Aber das Grundgerüst steht und die Zeiten, in denen uns eine ganze Reihe an unterdurchschnittlichen Abwehrspielern die Haare zu Berge stehen ließen, scheinen vorerst vorbei zu sein. Beruhigend, nachdem wir die letzten drei Bundesliga-Saison mit 75, 60 und 62 Gegentoren abgeschlossen haben. Aber: Wir müssen reden. Übers Toreschießen.
Viele Zuspiele, wenig Chancen
Denn obwohl uns die derzeitige Spielweise wahrscheinlich den Klassenerhalt gesichert hat, ist das kein Konzept für die Zukunft und spätestens in der kommenden Saison wird es genügend Mannschaften geben, die gemerkt haben, dass man uns ziemlich leicht beikommt, indem man entweder genauso konsequent verteidigt, wie wir das in dieser Saison getan haben, oder uns den Ball gibt und erst mal schaut, was wir damit anfangen. Denn auch gegen Dortmund schlug der VfB zwar viele, viele Flanken (26, fast doppelt so viele wie Dortmund), Mario Gomez und Daniel Ginczek konnten jedoch keine einzige davon verwerten.
Nicht falsch verstehen: Die erste Halbzeit bis zum Gegentor war offensiv bärenstark. Aber sie führte eben deshalb nicht zu einem Tor, weil der VfB von insgesamt nur vier Torschüssen zwei überhaupt aufs Tor brachte. Alles andere versandete vorher zwischen Sechzehn- und Fünfmeterraum oder schon vor dem Strafraum. Dem VfB fehlt es vorne an Akteuren, die das Spiel mit einem Pass oder einer Aktion gefährlich machen können. Das geht wie gesagt so lange gut, wie es einem der Gegner durch Abwehrfehler überraschend einfach macht. Aber wenn man auf eben solche entscheidenden, öffnenden Pässe angewiesen ist, fehlen sie einem und man läuft bei einer Zwei-gegen-Zwei-Situation ins Abseits so wie Mario Gomez und Daniel Ginczek.
Vorbereitung auf die nächste Saison
Deren Qualitäten wir durchaus brauchen, ich möchte das nicht als Fundamentalkritik an den beiden verstanden wisssen. Aber gerade im offensiven Mittelfeld muss sich diesen Sommer etwas tun. Oder die vorhandenen Spieler müssen ihre Rollen anderes interpretieren. Wie auch immer, es sind Hausaufgaben, die zuvorderst Tayfun Korkut und Michael Reschke lösen müssen. Insofern war das Dortmund-Spiel also nur die auf Dauer unvermeidliche Folge der Spiel- und Herangehensweise dieser Rückrunde. Sehen wir die Niederlage also nicht als Beginn des ganz großen Absturzes, sondern als eine Gelegenheit, uns auf die nächste, nicht minder schwere Saison vorzubereiten.
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