Lebenserhaltende Maßnahme

Beim 1:0 gegen Augs­burg lan­det der VfB erneut einen dre­cki­gen Sieg. Neben den drei Punk­ten ist das neue Tabel­len­bild das Bes­te am Spiel.

Nicht nur in dieser Szene zeigte der VfB, dass er sich die drei Punkte erkämpfen wollte. Bild: © VfB-Bilder.de
Nicht nur in die­ser Sze­ne zeig­te der VfB, dass er sich die drei Punk­te erkämp­fen woll­te. Bild: © VfB-Bilder.de

Schon wie­der mit dem Rücken zur Wand gestan­den und schon wie­der — nach dem Rück­schritt gegen Lever­ku­sen —  einen klei­nen Schritt  nach vor­ne gemacht. Es sind die klei­nen Din­ge, an die man sich der­zeit hal­ten muss, wenn mal als VfB-Fan an sei­nem Her­zens­ver­ein Freu­de fin­den will. Nach dem 1:0‑Heimsieg gegen Augs­burg, erst dem drit­ten Sieg im 14. Pflicht­spiel, steht der VfB min­des­tens bis Mon­tag­abend auf Platz 15 und hat immer­hin zum zwei­ten Mal in den letz­ten drei Spie­len zu null gespielt. Haben wir das Gröbs­te also hin­ter uns, sind die obli­ga­to­ri­schen fünf schlech­ten Spie­le zu Beginn von Mar­kus Wein­zier­ls Amts­zeit jetzt vor­bei?

Hal­ten wir mal fest: Der VfB ist der größ­ten Aus­sichts­lo­sig­keit im Abstiegs­kampf mal wie­der von der Schip­pe gesprun­gen. Gegen einen Geg­ner, der wesent­lich mehr Gegen­wehr bot als die Nürn­ber­ger vor drei Wochen. War der VfB damals vor allem des­halb erfolg­reich, weil der Geg­ner ihm kaum gefähr­lich wur­de, so war der Sieg gegen Augs­burg wesent­lich här­ter erkämpft. Aber immer­hin: Erkämpft. Das wur­de nicht nur deut­lich, wenn es, wie bei Gomez’ Grät­sche an der Sei­ten­li­nie oder bei Schie­bers raus­ge­scho­be­nem Ellen­bo­gen gegen Pavard etwas rus­ti­ka­ler wur­de, son­dern vor allem beim Füh­rungs­tref­fer. Den lei­te­te näm­lich Marc-Oli­ver Kempf ein, der schon in den letz­ten Spie­len eine gute Figur gemacht hat­te. Er nahm dem zu zöger­li­chen Koo den Ball ab und schuf damit, trotz des erschre­ckend lang­sa­men Spiel­auf­baus, der dar­auf folg­te, die Mög­lich­keit für Ana­sta­si­os Donis, den Ball zum Sieg­tref­fer links unten ins Tor zu mur­meln. Es gab auch ande­re Licht­bli­cke: Nicolás Gon­zá­lez war zwar erneut nicht erfolg­reich, aber trotz­dem immer enga­giert bei der Sache.

Sieg durch Lucky Punch

Der Treffer sitzt. Bild: © VfB-Bilder.de
Der Tref­fer sitzt. Bild: © VfB-Bilder.de

Bei aller Freu­de über die drei Punk­te muss man aber auch fest­hal­ten: Sie waren neben den guten Auf­trit­ten von Kempf, Gon­zá­lez und natür­lich auch Donis das Bes­te am Spiel. Denn es fehl­te nicht viel, und alles, was in die­sem Spiel gut lief, hät­te am Ende wie­der unter “stets bemüht” ver­bucht wer­den müs­sen. Denn das 1:0 war, so schön es auch ist, dass Donis direkt bei sei­nem Come­back wie­der trifft, nicht mehr als ein Lucky Punch und selbst in sei­ner Ent­ste­hung sinn­bild­lich für die Pro­ble­me des VfB. Denn nach dem Ball­ge­winn von Kempf brauch­te der VfB eigent­lich viel zu lan­ge, bis der Ball bei Andre­as Beck vorm Straf­raum und in der Fol­ge bei Ana­sta­si­os Donis lan­de­te. Sicher, betrach­tet man den Spiel­auf­bau im Wis­sen um den spä­te­ren Erfolg, sieht der Dop­pel­pass von Donis mit dem dies­mal außer­ge­wöhn­lich offen­si­ven Ascací­bar ziem­lich geni­al aus. Aber die Augs­bur­ger Hin­ter­mann­schaft ver­liert Donis halt auch völ­lig aus den Augen, so dass er im Moment des Abschlus­ses in einem Radi­us von knapp drei Metern kei­ne geg­ne­ri­sche Inter­ven­ti­on zu befürch­ten hat.

Ansons­ten brach­ten die Brust­ring­trä­ger offen­siv erneut nicht so wirk­lich viel zustan­de, was auch der expec­ted goals-Wert von 0,7 (laut Under­stat) ver­deut­licht. Immer­hin mal ein Bereich, in dem die Mann­schaft über- statt under­per­form­te, anders als vor Wochen­frist gegen Lever­ku­sen. Anders als bei den Päs­sen, von denen der VfB nicht nur weni­ger spiel­te als der Geg­ner, son­dern auch weni­ger zum Mit­spie­ler brach­te, beson­ders im Angriffs­drit­tel. 36 Pro­zent Ball­be­sitz deu­ten auch nicht eben auf eine Domi­nanz der Heim­mann­schaft hin, wobei man auch mit wenig Ball­be­sitz viel anrich­ten kann. In die­sem Spiel war das eher nicht der Fall: 18 Mal schoss Augs­burg Rich­tung Tor, vier Schüs­se gin­gen auf den Kas­ten. Gäs­te­trai­ner Manu­el Baum hat­te nicht ganz unrecht, als er nach dem Spiel fest­stell­te, dass ein Unent­schie­den gerech­ter gewe­sen wäre. Wobei man dazu sagen muss, dass sich die Augs­bur­ger vor­ne auch nicht geschick­ter anstell­ten als der VfB zuletzt.

Vom DFB und seinen Mitarbeitern

Beson­ders deut­lich wur­de das in einer Sze­ne, die mich noch aus einem ande­ren Grund auf­reg­te: Nach einem Luft­zwei­kampf blieb Ben­ja­min Pavard am Boden lie­gen, die Augs­bur­ger jedoch spiel­ten wei­ter, wie es die Regeln vor­se­hen, und es war nur Ron-Robert Ziel­ers spek­ta­ku­lä­rer Ret­tungs­tat zu ver­dan­ken, dass der VfB hier kein Gegen­tor kas­sier­te. Das Spiel lief wei­ter, der VfB konn­te die Situa­ti­on klä­ren, aber Pavard lag immer noch am Boden. Erst als die Augs­bur­ger den fol­gen­den Gegen­an­griff unter Kon­trol­le gebracht hat­ten, unter­brach Schieds­rich­ter Harm Osmers das Spiel und begab sich von jen­seits der Mit­tel­li­nie zum immer noch vor sei­nem eige­nen Straf­raum lie­gen­den Pavard. Unter­wegs wur­de er noch von Zie­l­er zur Rede gestellt — völ­lig zurecht. Denn wie bei dem Zusam­men­prall von Chris­ti­an Gent­ner gegen Wolfs­burg in der ver­gan­ge­nen Sai­son, wenn auch mit weni­ger gra­vie­ren­den Fol­gen, ver­säum­te es der Schieds­rich­ter, recht­zei­tig das Spiel zu unter­bre­chen, um eine Behand­lung eines ver­letz­ten Spie­lers zu ermög­li­chen. Sicher: Nötig wur­de die Regel, so lan­ge wei­ter­zu­spie­len, bis der Schieds­rich­ter das Spiel unter­bricht, weil es in der Bun­des­li­ga lei­der genü­gend Spie­ler gibt, die das Fair­play durch simu­lier­te Ver­let­zun­gen in der Ver­gan­gen­heit mit Füßen getre­ten haben. Aber dann muss der Schieds­rich­ter eben auch abpfei­fen, wenn ein Spie­ler offen­sicht­lich wirk­lich ver­letzt ist. Osmers muss Pavard wahr­ge­nom­men haben, denn der lag wäh­rend der Augs­bur­ger Tor­chan­ce in sei­ner Nähe. Und selbst wenn nicht: War­um hat er, wie der unsäg­li­che Gui­do Wink­mann damals, fünf Assis­ten­ten, wenn ihm kei­ner Bescheid sagt? Wenn ein Spie­ler nicht spä­tes­tens dann auf­steht, wenn sich sei­ne Mann­schaft im Angriff befin­det, soll­te man sich viel­leicht mal Gedan­ken machen, bevor es soweit kommt, dass Team­ärz­te for­mal wider­recht­lich das Feld betre­ten müs­sen, um einem Spie­ler bei­zu­ste­hen. Es war ins­ge­samt sowie­so ein eher schwa­cher Auf­tritt der Unpar­tei­ischen, nicht nur in die­ser Sze­ne.

Ein starkes Zeichen der Fanszenen. Bild: © VfB-Bilder.de
Ein star­kes Zei­chen der Fan­sze­nen. Bild: © VfB-Bilder.de

An die­ser Stel­le viel­leicht ein klei­ner Exkurs zu Osmers’ Arbeit­ge­ber, dem DFB, der an die­sem Spiel­tag völ­lig zurecht und deut­lich sein Fett weg­be­kam. Es war beein­dru­ckend und gleich­zei­tig beklem­mend, wie ruhig es im Sta­di­on in der ers­ten Hälf­te war, von ein paar zöger­li­chen “VfB”-Wechselgesängen und dem in sol­chen Fäl­len unver­meid­li­chen Gas­sen­hau­er “Ja, der VfB!” ein­mal abge­se­hen. Ein­drucks­voll, weil es die deut­schen Fan­sze­nen mal wie­der geschafft haben, sich zusam­men zu rau­fen und ein deut­li­ches Zei­chen zu set­zen, anstatt sich unter­ein­an­der bei einem sol­chen The­ma in die Haa­re zu krie­gen. Beklem­mend, weil man natür­lich eine sol­che Stim­mung im Sta­di­on nicht haben möch­te, damit aber, je nach­dem, wie schnell die Schnaps­ideen ande­rer Ligen — loo­king at you, La Liga — auch in Deutsch­land Fuß fas­sen wer­den, rech­nen muss. Viel­leicht soll­te man dann doch mal über­le­gen, ob man jenen, die dafür sor­gen, dass in deut­schen Sta­di­on nicht über 90 Minu­ten eine sol­che Toten­grä­ber­stim­mung herrscht, wirk­lich stän­dig Knüp­pel in Form von völ­lig absur­den Spiel­an­set­zun­gen zwi­schen die Bei­ne wer­fen muss.

Der Patient lebt noch

Aber zurück zum Sport­li­chen und dem VfB. Wie ein­gangs geschrie­ben: Das Bes­te an die­sem Spiel ist neben dem Sieg die Tat­sa­che, dass man die rote Later­ne jetzt erst­mal wei­ter­ge­ge­ben hat und schlimms­ten­falls als Tabel­len­sech­zehn­ter, bes­ten­falls auf einem Nicht­ab­stiegs­platz ste­hend am Sonn­tag nach Mön­chen­glad­bach fährt. Ob das gegen den Tabel­len­zwei­ten hel­fen wird, ist eine ande­re Fra­ge. Auch elf Punk­te sind ver­dammt wenig für eine Hin­run­de und der VfB wird im Dezem­ber noch ein paar Mal wirk­lich über sich hin­aus­wach­sen müs­sen, um eine eini­ger­ma­ßen ver­nünf­ti­ge Aus­gang­si­tua­ti­on für den Abstiegs­kampf in der Rück­run­de zu haben. Um im sprach­li­chen Bild der Über­schrift zu blei­ben: Der Pati­ent VfB lebt noch, aber der Weg vom Kran­ken­bett run­ter und aus dem Kran­ken­haus her­aus ist noch weit.

 

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