Im Schongang zum Klassenerhalt

Der VfB spielt gegen den Tabel­len­letz­ten aus Ham­burg nur 1:1 und macht statt eines gro­ßen Schritts Rich­tung Klas­sen­er­halt nur einen klei­nen. 

Dass die Brust­ring­trä­ger die Rot­ho­sen nicht in Grund und Boden stamp­fen wür­den, nur weil die einen auf Platz 8 und die ande­ren auf Platz 18 ste­hen, das soll­te jedem, der nur ein wenig über die Dyna­mik des Abstiegs­kamp­fes weiß, von vorn­her­ein klar gewe­sen sein. Inso­fern ist es also nicht wirk­lich über­ra­schend, dass der VfB auch im zwei­ten Heim­spiel in Fol­ge mit einem Remis vom Platz ging. Ein biss­chen scha­de ist es trotz­dem.

Schlafmützig

Denn obwohl der HSV unter sei­nem neu­en Trai­ner Chris­ti­an Titz zwei Wochen Zeit hat­te, sich neu auf­zu­stel­len und genü­gend Leh­ren aus der 1:2‑Niederlage nach eige­ner Füh­rung gegen Ber­lin zu zie­hen, benö­tig­ten sie trotz­dem die Schüt­zen­hil­fe einer in der ers­ten Halb­zeit ziem­lich kopf­lo­sen VfB-Abwehr, um in Füh­rung zu gehen und ins Spiel zu fin­den. Tay­fun Korkut muss­te wegen der anhal­ten­den Nach­wir­kun­gen einer Gehirn­er­schüt­te­rung Timo Baum­gartl und wegen einer Gelb­sper­re auf Andre­as Beck ver­zich­ten. Dafür rück­te Mar­cin Kamin­ski ins Zen­trum der Vie­rer­ket­te, Ben­ja­min Pavard auf den rech­ten Flü­gel. Eben­je­ner Pavard hat­te sich den Ball eigent­lich schon in gewohn­ter Manier erkämpft, ließ ihn sich aber vor dem eige­nen Straf­raum unge­wohnt schlaf­müt­zig wie­der abknöp­fen. Weder Kamin­ski noch Bad­s­tu­ber war gedan­ken­schnell genug, um Wald­schmidts Schuss und Holt­bys Nach­schuss ins Tor zu ver­hin­dern. Wie schon in Köln mach­te die zu die­sem Zeit­punkt zweit­stärks­te Abwehr den immer noch schwächs­ten Sturm durch Unkon­zen­triert­hei­ten unnö­tig stark.

Da ist es passiert: Der VfB pennt, der HSV geht in Führung.
Da ist es pas­siert: Der VfB pennt, der HSV geht in Füh­rung.

Ich tue mich ein biss­chen schwer damit, die wacke­li­ge Abwehr­ar­beit in der ers­ten Halb­zeit nur auf die ver­let­zungs- und sper­ren­be­ding­ten Umstel­lun­gen zu redu­zie­ren. Es ist ja nicht so, als ob Kamin­ski und Bad­s­tu­ber über­haupt kei­ne Spiel­pra­xis hät­ten oder als ob Pavard noch nicht auf rechts gespielt hät­te. Aber das, was den VfB in den ver­gan­ge­nen Spie­len stark gemacht und zu Sie­gen ver­hol­fen hat­te, näm­lich das kom­pro­miss­lo­se Ver­tei­di­gen und Erkämp­fen von Bäl­len, das beka­men die Zuschau­er erst in der zwei­ten Halb­zeit zu sehen. Die Ham­bur­ger spiel­ten den VfB auch nicht an die Wand, trotz­dem fehl­te der des­sen Abwehr immer wie­der der ent­schei­den­de Schritt, um den Nord­deut­schen die Chan­ce zu neh­men.

Viele Chancen, keine Tore

Eine von vielen Szenen, in denen Daniel Ginczek offensiv hängen blieb - um kurz darauf dennoch zu treffen. Bild: © VfB-Bilder.de
Eine von vie­len Sze­nen, in denen Dani­el Gin­c­zek offen­siv hän­gen blieb — um kurz dar­auf den­noch zu tref­fen. Bild: © VfB-Bilder.de

Die­ser Schritt fehl­te auch vor­ne. Wie schon in ver­gan­ge­nen Spie­len taten sich die Brust­ring­trä­ger schwer, den Ball gefähr­lich in den Straf­raum zu brin­gen. Die Spiel­eröff­nung bestand größ­ten­teils auf lan­gen Bäl­len auf die Flü­gel oder ins Zen­trum, die aber in Abwe­sen­heit von Andre­as “Flan­ken­gott” Beck ihren Emp­fän­ger nicht fan­den.  Ansons­ten beschränk­te man sich dar­auf, den Ball von links nach rechts zu schie­ben, in der Hoff­nung, es möge sich eine Lücke in der Ham­bur­ger Hin­ter­mann­schaft auf­tun. Schließ­lich war auf die­se Wei­se auch bis­her immer irgend­wie ein Ball für den VfB ins Tor gefal­len.

Und so geschah es schließ­lich auch dies­mal. Nach meh­re­ren Quer­päs­sen spiel­te Den­nis Aogo einen Pass, der im Foot­ball wohl den Bei­na­men Hail Mary ver­passt bekom­men hät­te, auf Emi­lia­no Insua. Des­sen Flan­ke wur­de vor die Füße von Erik Thom­my abge­fälscht, des­sen Schuss wie­der­um ver­wan­del­te Dani­el Gin­c­zek im Nach­fas­sen zum Aus­gleich. Erneut hat­te es der VfB geschafft, fast wie aus dem Nichts ein Tor zu machen. Lei­der ver­kehr­te sich das in der Fol­ge ins Gegen­teil. Der Aus­gleich ver­lieh den VfB-Spie­lern zwar neu­es Selbst­ver­trau­en und führ­te ihren Gegen­spie­lern den dro­hen­den Abstieg wie­der vor Augen, aus den vie­len dar­aus resul­tie­ren­den Mög­lich­kei­ten schlu­gen sie jedoch kein Kapi­tal.

Kein Gomez, keine Party

Wäre da mehr als ein Punkt drin gewesen? Bild: © VfB-Bilder.de
Wäre da mehr als ein Punkt drin gewe­sen? Bild: © VfB-Bilder.de

Das lag auch dar­an, dass Mario Gomez nicht sei­nen bes­ten Tag erwisch­te. Nicht nur, dass er kei­ne Bäl­le von den Flü­geln auf­ge­legt bekam. Auch sonst agier­te er nicht sehr glück­lich, ver­lor vie­le Zwei­kämp­fe und und konn­te bei vie­len Abwehr­pat­zern des HSV vor allem in der zwei­ten Halb­zeit den Ball nicht ent­schei­dend unter Kon­trol­le brin­gen. Natür­lich war er nicht allei­ne schuld an der aus VfB-Sicht inef­fi­zi­en­ten zwei­ten Halb­zeit. Aber man merkt eben, wie wich­tig es ist, dass Gomez sei­ne Chan­cen kriegt und auch ver­wan­delt. Denn die sich bie­ten­de Alter­na­ti­ve, einen auf­ge­rück­ten HSV, der für den Klas­sen­er­halt unbe­dingt drei Punk­te benö­tig­te, ein­fach aus­zu­kon­tern, wur­de viel zu häu­fig fahr­läs­sig igno­riert. Erik Thom­my und Chadrac Ako­lo ver­such­ten zwar mit Fern­schüs­sen noch, das Spiel zu dre­hen, gefähr­lich wur­de das aber auch nicht.

Im End­ef­fekt ist das 1:1 also ein gerech­tes Ergeb­nis zwi­schen einer Mann­schaft, die es bes­ser nicht konn­te und einer, die mit Erreich­ten zufrie­den war. Denn wenn der HSV die Klas­se noch hal­ten will, muss er aus sol­chen Grot­ten­kicks mehr raus­ho­len. Wir wis­sen sel­ber nur zu gut, dass es sol­che Spie­le sind, die einem letzt­end­lich das Genick bre­chen, weil man selbst gegen mit ein biss­chen Glück schlag­ba­re Geg­ner wie den VfB — vor allem nach eige­ner Füh­rung — zu limi­tiert ist. Gleich­zei­tig hat­te ich beim VfB das Gefühl, dass es vor allem dar­um ging, die­ses Spiel nicht zu ver­lie­ren. Dabei ver­such­te Korkut durch­aus, sei­ner Mann­schaft in der zwei­ten Halb­zeit noch ein­mal offen­si­ve Impul­se zu geben. Ako­lo kam für Mar­cin Kamin­ski auf Chris­ti­an Gent­ners Posi­ti­on rechts vor­ne ins Spiel, der dafür die Außen­bahn in der Vie­rer­ket­te besetz­te und es Pavard ermög­lich­te, in die Mit­te zu rücken. Spä­ter brach­te der Trai­ner zwar noch einen sehr enga­giert auf­tre­ten Jacob Bru­un Lar­sen für Thom­my auf dem Flü­gel, aber mit die­sem posi­ti­ons­ge­treu­en Wech­sel wie auch mit dem von Manga­la für Aogo mach­te Korkut deut­lich, dass er hier nicht mit einem zusätz­li­chen Offen­si­ven wie Özcan oder Donis mehr Risi­ko als nötig ein­ge­hen woll­te.

Ein kleiner Schritt ist auch ein Schritt

Viel­leicht muss­te er das am Ende auch wirk­lich nicht. Das Unent­schie­den ist zwar das bis­her schwächs­te Spiel unter Korkut gewe­sen, aber gleich­zei­tig auch kein Bein­bruch und es hilft dem VfB im Zwei­fels­fal­le mehr als dem HSV. Es ist, wie bereits ange­deu­tet, ein biss­chen scha­de, dass es am Ende nur für den klei­nen statt den gro­ßen Schritt Rich­tung Klas­sen­er­halt gereicht hat. Mit ein wenig mehr Risi­ko und offen­si­vem Ein­falls­reich­tum hät­ten wir die 40 Punk­te. Den­noch kein Grund, jetzt einen Abwärts­trend aus­zu­ru­fen. Natür­lich wird das nächs­te Spiel in Dort­mund nicht ein­fach, gera­de nach dem schwarz-gel­ben Deba­kel am Sams­tag­abend. Aber der direk­te Abstieg ist bei 18 Punk­ten Vor­sprung bei nur noch sechs Spie­len so gut wie aus­ge­schlos­sen und weder ist die Mann­schaft jetzt plötz­lich so insta­bil, noch die Mann­schaf­ten hin­ter uns so sta­bil, als dass uns noch der Rele­ga­ti­ons­platz droht. Zumal  vie­le der Abstiegs­kan­di­da­ten auch noch gegen­ein­an­der spie­len und sich die Punk­te weg­neh­men.

Auf der ande­ren Sei­te ist Platz sie­ben mit dem Kan­ter­sieg der SAP-Prak­ti­kan­ten erst­mal in etwas wei­te­re Fer­ne gerückt. Gut so. So kann der VfB wei­ter sei­ne Punk­te sam­meln, ohne dass der gro­ße Angriff nach oben aus­ge­ru­fen oder erhofft wird. Die Hoff­nung auf einen ruhi­ges Sai­son­fi­na­le steigt, auch wenn der VfB den Klas­sen­er­halt im Schon­gang schafft — so wie am Sams­tag.

 

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