Rund um das Spiel gegen Hamburg

Am Sams­tag trifft der VfB im Neckar­sta­di­on auf den Tabel­len­letz­ten aus Ham­burg. Mit HSV-Fan Sascha (@rebiger), der bei In Dino Veri­tas über sei­nen Ver­ein pod­cas­tet, spra­chen wir über das Spiel und die aktu­el­le Lage bei den Ham­bur­gern.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Sascha, vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nimmst. Stell Dich bit­te zunächst kurz vor: Wie bist Du zum HSV gekom­men und was hat es mit “In Dino Veri­tas” auf sich?

Sascha: Moin! Ich bin ganz klas­sisch HSV-Fan gewor­den: Papi hat mich ins Sta­di­on mit­ge­nom­men. Das war Anfang der 80er-Jah­re, der HSV war in Deutsch­land eine Rie­sen­num­mer und ich sofort Fan. Ja, ich bin alt. Aber ich kann immer­hin behaup­ten, dass ich der sel­te­nen Spe­zi­es der HSV-Fans ange­hö­re, die Titel­ge­win­ne noch live mit­er­lebt haben. Trotz­dem ich, wie ange­spro­chen, schon so uralt bin, habe ich mich erst vor knapp zwei Jah­ren an das The­ma Pod­cast her­an­ge­traut. Seit Juli 2016 gibt es “In Dino Veri­tas”, der in sei­ner Ursprungs­form noch leicht iro­nisch ange­haucht “Wun­der­ba­rer HSV” hieß. Das Mot­to damals bei Grün­dung: Ich mache aus allen schlech­ten Nach­rich­ten gute. Das wur­de irgend­wann sehr anstren­gend, inso­fern habe ich den Pod­cast nach einem Jahr einem Relaunch unter­zo­gen, ihn umbe­nannt und bin viel glück­li­cher damit, weil man nun nicht mehr zwin­gend posi­tiv und fröh­lich sein muss, son­dern auch mal meckern darf. Alles in allem bin ich aber sehr stolz dar­auf, wie gepflegt, kul­ti­viert und freund­lich mei­ne jewei­li­gen Gäs­te sind.

Der HSV steckt auch in die­ser Sai­son mit­ten­drin im Abstiegs­kampf, nach den letz­ten Jah­ren kann man schon fast sagen, tra­di­tio­nell. Ein Gefühl, dass den VfB-Fans durch­aus ver­traut ist. War­um schafft es der Ver­ein nicht, sich aus dem Tabel­len­kel­ler zu befrei­en?

Ich möch­te jetzt gar nicht groß­ar­tig von HSVplus und der Aus­glie­de­rung spre­chen, das wür­de Euch VfB-Fans even­tu­ell nur ner­ven und auch gar nicht inter­es­sie­ren. Des­halb nur kurz: Es war nicht die bes­te Ent­schei­dung, Diet­mar Bei­ers­dor­fer zum Vor­stands­vor­sit­zen­den zu machen. Gene­rell wur­den sehr vie­le fal­sche Per­so­nal­ent­schei­dun­gen getrof­fen, in der Füh­rungs­eta­ge, bei den lei­ten­den Ange­stell­ten und letzt­lich auch beim Spie­ler­ka­der. Was wir der­zeit auf dem Rasen her­um­lau­fen sehen, ist ein wild zusam­men­ge­schus­ter­ter Hau­fen weni­ger guter Ein­zel­kön­ner, die der gute Ver­dienst ver­bin­det, aber sicher kei­ne homo­gen zusam­men­ge­stell­te Mann­schaft.

Mit Chris­ti­an Titz steht bereits der drit­te Trai­ner in die­ser Sai­son an der Sei­ten­li­nie. Wel­chen Ein­druck hast Du von ihm? War die Tren­nung von Mar­kus Gis­dol im Nach­hin­ein betrach­tet dei­ner Mei­nung nach rich­tig? Und war­um ist Bernd Hol­ler­bach geschei­tert?

Chris­ti­an Titz ist ein guter Fuß­ball­leh­rer. Er hat es geschafft, aus unse­rer U21 ein Spit­zen­team der Regio­nal­li­ga Nord zu for­men und auch zuvor hat er schon her­vor­ra­gen­de Arbeit im Jugend­be­reich geleis­tet. Er ver­folgt eine attrak­ti­ve, nach vorn aus­ge­rich­te­te Spiel­phi­lo­so­phie. Das gefällt mir extrem gut. Nun muss er es nur noch schaf­fen, die­se den Spie­lern zu ver­mit­teln. Das hat gegen Her­tha zumin­dest schon mal 45 Minu­ten gut geklappt. Was sei­ne bei­den Vor­gän­ger angeht: Mar­kus Gis­dol hät­te ich gern län­ger hier gese­hen. Er hat auf die Jugend gesetzt und in sei­ner kur­zen Zeit bei uns nicht weni­ger als acht Youngs­tern ihr Bun­des­li­ga­de­büt ermög­licht, unter ande­rem Fie­te Arp und Tat­su­ya Ito. Er war zuletzt glück­los und wirk­te aus­ge­brannt, hat­te aber auch extrem unter einem glück­lo­sen Sport­di­rek­tor Jens Todt und der lee­ren Kas­se zu lei­den, die es ja nicht mal ermög­lich­te, im Win­ter über Ver­stär­kun­gen nach­zu­den­ken. Und Hol­ler­bach? Ach, der lie­be Bernd. Ich mag ihn. Aber es war ein Him­mel­fahrts­kom­man­do, sich auf ihn, einen der uner­folg­reichs­ten Zweit­li­ga­trai­ner der jüngs­ten His­to­rie, ein­zu­las­sen. Es spricht für ihn, dass er sich den HSV ange­tan hat und dem Klub hel­fen woll­te. Aber ein guter Chef­coach ist er offen­sicht­lich nicht.

Zum Abstiegs­kampf gehö­ren lei­der auch immer wie­der unschö­ne Zwi­schen­tö­ne aus der Mann­schaft. Haben die Dis­kus­sio­nen um Papado­pou­los und Wala­ce, um zwei Bei­spie­le zu nen­nen, dei­ner Mei­nung nach auch Aus­wir­kun­gen auf die Leis­tun­gen der Mann­schaft? Und traust Du der Mann­schaft einen Kraft­akt im Sai­son­end­spurt und den Klas­sen­er­halt wie in den ver­gan­ge­nen Jah­ren zu?

Wel­che Leis­tung denn? Scherz bei­sei­te. Falls die­se Zwi­schen­tö­ne wirk­lich Aus­wir­kun­gen haben soll­ten, dann posi­ti­ve. Um es mal salopp zu for­mu­lie­ren: Wenn die Stink­stie­fel nicht mehr dabei sind — und ich gehe davon aus, dass weder Wala­ce noch Papado­pou­los noch zu Ein­sät­zen kom­men wer­den — könn­te das Gefü­ge wie­der gestärkt wer­den. Ins­ge­samt fin­de ich den Kader, wie oben beschrie­ben, aber nicht erst­li­ga­taug­lich. Inso­fern glau­be ich nicht mehr an das oft zitier­te “Wun­der” und gehe des­halb davon aus, dass der HSV absteigt.

Für den VfB und sei­ne Fans war der Abstieg 2016 eine Zäsur, für vie­le von uns war es der ers­te Abstieg ihrer Fan­kar­rie­re. Fern­ab jeg­li­cher Häme: Wel­che emo­tio­na­len Aus­wir­kun­gen hät­te ein Abstieg auf die Fans des HSV, deren Selbst­ver­ständ­nis ja ver­mut­lich auch dadurch geprägt ist, dass der HSV eben noch nie abge­stie­gen ist?

Es gab vor eini­gen Wochen irgend­wel­che Voll­idio­ten, die ein Pla­kat in die Fan­kur­ve gehängt hat­ten mit der Auf­schrift “Bevor die Uhr abe­ghängt wird, jagen wir Euch durch die Stadt” (oder so). Kurz dar­auf, nach der nächs­ten Plei­te, stan­den plötz­lich auf­ge­stell­te Kreu­ze und ein “Wir krie­gen Euch alle”-Spruchband auf dem Trai­nings­platz. Da sind ein paar Schwach­ma­ten in Bier­lau­ne durch­ge­dreht, die mal eini­ges bei sich hin­ter­fra­gen soll­ten. Ich will das gar nicht klein­re­den, sowas geht gar nicht. Aber: Das waren nur eini­ge weni­ge Men­schen. Die meis­ten von uns sind nor­mal. Klar gibt es eini­ge, denen es etwas bedeu­tet, dass der HSV immer erst­klas­sig war. Ich per­sön­lich wäre lie­ber Fan eines Ver­eins, der nicht immer erst­klas­sig war, es aber zukünf­tig bleibt. Und ich glau­be, dass ich nicht der ein­zi­ge bin, der so denkt.

Im Dezem­ber wur­de die Lei­he des ehe­ma­li­gen VfB-Talents Aria­nit Fera­ti been­det und er kehr­te aus Düs­sel­dorf nach Ham­burg zurück. Traust Du ihm zu, in abseh­ba­rer Zeit eine Rol­le in der ers­ten Mann­schaft zu spie­len?

Vor vier­zehn Tagen hät­te ich gesagt: Nein. Jetzt, unter Chris­ti­an Titz als Haupt­ver­ant­wort­li­chem, sehe ich da Chan­cen. Denn Titz lässt, seit er Chef­coach ist, stets vie­le Talen­te aus den unte­ren Teams (U21, U19, U17) vor­spie­len. War­um soll nicht auch Fera­ti eine sol­che Chan­ce bekom­men? Wenn er die dann nutzt, ist er dabei. Unter Titz zählt Leis­tung.

Vor der Län­der­spiel­pau­se ver­lor der HSV nach einer 1:0‑Führung zu Hau­se gegen Her­tha BSC. Wie­so konn­te man die Füh­rung nicht über die Zeit brin­gen?

Das hake ich mal unter “Psy­cho­lo­gie” ab. Unse­re Spie­ler haben in der Halb­zeit­pau­se plötz­lich ange­fan­gen zu rea­li­sie­ren, dass man ja tat­säch­lich Sieg­chan­cen hät­te, wür­de man so gut wei­ter­spie­len wie in der ers­ten Hälf­te. Da haben sie das gro­ße Flat­tern bekom­men. Zudem hat Her­tha-Trai­ner Pal Dar­dai auch ein­fach gut gecoacht und sei­ne Mann­schaft in der zwei­ten Hälf­te per­fekt ein­ge­stellt. Muss man auch mal sagen dür­fen. Dass es am Ende wie­der nicht zu Punk­ten gereicht hat war zwar scha­de, aber irgend­wie hat die­se Nie­der­la­ge nicht so wirk­lich weh­ge­tan. Weil der Abstieg gefühlt schon nach der Nie­der­la­gen gegen Bre­men und dem Remis gegen Mainz fest­ge­stan­den hat. Und weil der HSV 45 Minu­ten lang ech­ten Fuß­ball gespielt hat – das kann­ten wir so gar nicht mehr und das hat schon gereicht.

VfB und HSV sind wei­ter­hin die Mann­schaf­ten mit den wenigs­ten geschos­se­nen Toren der Liga. War­um klappt es bei Euch mit den Toren nicht und was sind neben der Tor­aus­beu­te die größ­ten Schwä­chen der Mann­schaft?

Die eine gro­ße Schwä­che und der Grund dafür, dass wir so wenig Tore erzielt habe ist das, was ich schon ange­spro­chen habe: Der HSV hat kei­ne Mann­schaft, son­dern vie­le Ein­zel­spie­ler (gehabt). Auf dem Feld war bis­her viel zu viel Stück­werk zu sehen und Spiel­zü­ge wirk­ten oft sehr zufäl­lig ent­stan­den statt vor­her trai­niert. So holt man in der Bun­des­li­ga nichts.

Und was sind die Stär­ken? Vor wem müs­sen wir uns am Sams­tag in Acht neh­men?

Die gro­ße Unbe­kann­te heißt Chris­ti­an Titz. Wenn er es geschafft hat, den Spie­lern wie schon ansatz­wei­se gegen Ber­lin zu sehen sei­ne Phi­lo­so­phie zu ver­mit­teln, gibt es einen mutig nach vorn spie­len­den HSV zu sehen. Und wer weiß, ob nicht doch mal der Kno­ten platzt und es ein oder zwei Tör­chen zu bestau­nen gibt? Wer die schie­ßen soll? Tja. Fie­te Arp hat Schul­stress (!), Bob­by Wood kommt gera­de von den US-Län­der­spie­len zurück und Gre­go­rit­sch spielt in Augs­burg. Wenn Tor­ge­fahr aus­ge­hen wird, dann am ehes­ten von der lin­ken Sei­te, die mit Filip Kostic und dahin­ter Dou­glas San­tos für HSV-Ver­hält­nis­se über­durch­schnitt­lich gut besetzt ist.

Traust Du dem HSV einen Aus­wärts­sieg in Stutt­gart zu? Was ist Dein Tipp fürs Spiel?

Für mich ist der HSV — sor­ry, dass ich Titz schon wie­der erwäh­ne — unter dem neu­en Chef­coach noch eine gro­ße Wun­der­tü­te. Es ist alles mög­lich. War­um nicht auch ein schmut­zi­ger 1:0‑Auswärtssieg durch ein Eigen­tor in der vier­ten Minu­te der Nach­spiel­zeit durch Den­nis Aogo?

Sascha, vie­len Dank für das Gespräch!

Bild: © VfB-Bilder.de

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