Der VfB steht nach dem 2:0‑Auswärtssieg in Nürnberg zwar tabellarisch schlechter da als vorher, macht jedoch in der Krise einen kleinen Schritt nach vorne.
Am Ende ist es ja irgendwie alles egal: Platz 18, weil Düsseldorf am Ende Berlin mit 4:1 abschießt. Die wenigsten geschossenen Tore in der Liga, gemeinsam mit Schalke. Immer noch eine erbärmlich schlechte Bilanz für einen Verein, der sich diese Saison im Mittelfeld der Liga etablieren wollte. Aber wenn Deine Spieler, die Dich in den Vorwochen noch zur Weißglut getrieben haben, Richtung Gästeblock rennen, freudestrahlend jubelnd, weil sie gerade das erste Tor seit über einem Monat geschossen haben und ihre ganze Erleichterung und Freude herauslassen, zu einem Gästeblock der die nicht ganz unberechtigte Angst hatte, dass auch dieses Spiel ein Festival der vergebenen Chancen würde und dementsprechend ob des Tores aus dem Häuschen ist, dann geht Dir einfach das Herz auf. Es war ein dreckiger Arbeitssieg, dieses 2:0 in Nürnberg und die Gesamtsituation ist immer noch höchst prekär. Aber es war etwas fürs Herz.

VfB stabiler, Nürnberg am harmlosesten
Aber nicht nur im Positiven. Zwar schlug es nach 90 Minten freudig erregt, während des Spiels hatte es aber doch den einen oder anderen Aussetzer. Als Nürnberg dann doch ein paar Mal einigermaßen gefährlich vor dem Tor von Ron-Robert Zieler auftauchte. Oder als sich Mario Gomez und Christian Gentner wie in den Wochen zuvor beim Vergeben von Torchancen gegenseitig übertrafen. Immerhin: Slapstick-Einlagen einer hühnerhaufigen Abwehr gab es diesmal nicht zu bewundern. Das lag zum einen daran, dass Benjamin Pavard und vor allem Timo Baumgartl einen besseren Auftritt hinlegten als zuletzt. Ob der kurzfristige Ausfall von Holger Badstuber, der Marc-Oliver Kempf wahrscheinlich zu seinem Debüt für den VfB verhalf, zu dieser verbesserten Defensivleistung beitrug, wie man es nach einem Artikel im kicker meinen könnte, lasse ich mal dahingestellt.
Es lag aber zum anderen auch daran, und so ehrlich müssen wir sein, dass Nürnberg ein ziemlich harmloser Gegner war: Understat berechnet nur 0,48 expected goals. So einen niedrigen Wert hatte in dieser Saison noch kein Gegner des VfB, am nächsten dran sind die Bremer, die allerdings wesentlich gefährlicher wirkten und der BVB, der gnadenlos überperformte, als er mit vier Schüssen aufs Tor vier Tore erzielte. Das sieht auch Florian Zenger in seiner Analyse auf Clubfans United so. Und so waren es dann jeweils zweite Bälle nach Ecken, die in diesem Spiel den Unterschied machten. Vielleicht war es auch die Bissigkeit des VfB, die auch der Glubb-Blog anspricht. Meinem Gefühl nach machte sich die aber eher defensiv bemerkbar, während die Offensivleistungen, wie bereits beschrieben, häufig schmerzlich an die letzten Spiele erinnerten. Wenn Ihr Euch wundert, warum ich dieses Mal auch zwei Nürnberger Blogs zitiere: Ich habe im Gästeblock schlichtweg nicht genug vom Spiel mitbekommen, um beispielsweise das Pressing des VfB genauer bewerten zu können.
Hauptsache Tor

Zwei Ausnahmen gab es in der Offensive. Beides mal wurde der Ball nach einer VfB-Ecke zu kurz und zu sehr in die Mitte abgewehrt. Und beide Male standen dort, anders als sonst so häufig, VfB-Spieler zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, was vielleicht doch ein ganz kleines bisschen dafür spricht, jemanden anzustellen, der sich auf Standards konzentriert, ohne da jetzt direkt einen Zusammenhang herstellen zu wollen. Sie hatten zudem endlich auch mal die nötige Portion Glück. Timo Baumgartls erstes Bundesliga-Tor wurde am Ende noch von Torhüter Christian Mathenia abgefälscht und Erik Thommy brachte vor seinem traumhaften Kanonenschuss in den Winkel des Tornetzes den Ball auf eine Art und Weise unter Kontrolle, die angesichts der derzeit vogelwilden Auslegung der entsprechenden Regel durchaus als Handspiel hätte gewertet werden können. Wie schon eingangs beschrieben: Scheißegal. Zwei Mal Schuss, zwei Mal Tor, zwei Mal Sprint in die Südkurve.
Wo 10.000 Stuttgarter warteten. Für den Tabellenletzten mit nur einem Sieg aus elf Pflichtspielen eine beeindruckende Zahl. Aber — und vielleicht bin ich noch immer zu berauscht von der zweiten Halbzeit gegen Frankfurt — fasziniert war ich diesmal irgendwie nicht ganz so. Dafür hab ich mir am Samstagabend auf Twitter noch einiges anhören müssen, aber vielleicht habe ich es auch schlecht formuliert. Die Stimmung war gut, sie kam scheinbar an den Fernsehgeräten zu Hause auch wie Heimspielstimmung rüber. Aber ich hätte mir in diesem mutmaßlichen Alles-oder-Nichts-Spiel mit einer solchen Menge an Auswärtsfahrern irgendwie mehr, for lack of a better word, Bums erwartet. Je weiter man im Block nach hinten schaute, desto ruhiger wurde es und es macht auch irgendwie keinen Spaß, wenn mal etwas ausgefallenere Gesänge wie “Oh, wie ist das schön” — meiner Meinung auf eine bestimmte Art und Weise der Situation angemessen — vom ewigen “Jaaaaa, der VfB” übertönt werden. Das sind halt Fluch und Segen einer so großen Masse und ja, ich weiß, das letzte Spiel in Nürnberg war was anderes. Sei es drum, ich will hier nicht das Haar in der Suppe suchen, sondern den mir hier zur Verfügung stehenden Platz nutzen, um meine Gedanken dazu zu erläutern. Beim Vertikalpass liest sich das auch ganz anders, war halt meine subjektive Sichtweise.
Kleiner Schritt

Als mich Felix vom FCN-Podcast Total Beglubbt vor dem Spiel fragte, ob der VfB mit dem Rücken zur Wand steht antwortete ich ihm: Viel mehr an der Wand geht gar nicht (hier zum Nachlesen und hören). Und jetzt? Hat der VfB einen kleinen Schritt von der Wand weggemacht. Aber wirklich nur einen kleinen Schritt. Denn dank des überraschend hohen Sieges der Fortuna sind wir immer noch Letzter. Zwar haben wir den Anschluss an die von uns Verfolgten, wenn man es so nennen mag, wieder hergestellt, aber die nächsten Auswärtsspiele haben es in sich: In Leverkusen ringt ein Trainer wahrscheinlich um seinen Job, wenn er ihn bis zum Ende der Länderspielpause noch nicht verloren hat, in Mönchengladbach schießt sich gerade jemand richtig warm und in Wolfsburg rutscht man zwar gerade in der Tabelle wieder etwas ab, einfach wird es dort aber auch nicht. Dazu Heimspiele gegen Augsburg, Berlin und Schalke — bis zur Winterpause auch nur in die Nähe der 20 Punkte zu kommen, wird ein hartes Stück Arbeit. Dass die kommenden Gegner auch so harmlos auftreten wie der FCN darf ebenso bezweifelt werden wie eine plötzliche Wiedergeburt der Abwehr aus Granit.
TGIL (Thank God it’s Länderspielpause)
Vielleicht kommt deshalb auch die Länderspielpause zur Abwechslung mal ganz recht. Der Sieg in Nürnberg war nicht so überzeugend, als ob man da irgendeinen Schwung ins nächste Wochenende hinüber retten müsste. Stattdessen sollten wir, ich hab es schon bei Amazon gesagt, die Zeit nutzen, um die Verletzten, zu denen jetzt doch auch wieder Pablo Maffeo zählt, wieder zu Kräften kommen zu lassen. Abgesehen von Borna Sosa und Berkay Özcan, für die die Hinrunde bereits beendet ist, könnten in Leverkusen alle derzeit verletzten Feldspieler wieder einsatzbereit sein: Anastasios Donis, Daniel Didavi, Holger Badstuber und mit Abstrichen eben Maffeo.
Und vielleicht, ganz vielleicht überrascht uns der VfB in zwei Wochen erneut und bringt ein derzeit schwer auszurechnendes Bayer Leverkusen samt Trainer mit einer couragierten Leistung und ein wenig Glück zu Fall. Vielleicht überrascht uns Weinzierl mit einem weiteren der derzeit nur in begrenztem Maße vorhandenen Juwelen der VfB-Nachwuchsarbeit, wie er es in diesem Spiel mit Aidonis getan hat. Die Lichtblicke sind da, aber sie sind klein und sie basieren vor allem auf der Hoffnung, dass man vor dem Nürnberg-Spiel die Talsohle dieser Saison bereits erreicht hat und dass es ab jetzt besser werden muss, weil es nicht mehr schlechter werden kann. Hoffen wir also weiter, dass der VfB sich irgendwie in kleinen Schritten von der Wand wegbewegt, ohne dabei umzufallen.