Endlich wieder Bundesliga. Endlich wieder dem VfB dabei zusehen, wie er sich um den Lohn der mühevollen Arbeit bringt. Achja. Und willkommen zurück, Bruno.
Eigentlich wollte ich diesen Text mit Return of the Bruno überschreiben, aber neulich erhielt ich eine Zuschrift, ich möge doch in Zukunft möglichst auf die englische Sprache verzichten. Dem werde ich zwar nicht unbedingt Folge leisten, aber ich fand die obige Überschrift dann doch passender. Denn irgendwie wirkte bereits nach wenigen gespielten Minuten am Samstag gegen Mainz alles seltsam vertraut. Trotz zweimonatiger Pause, trotz WM und Weihnachten und allem was sonst noch so beim VfB gerade abgeht. Abgesehen vom Trainer natürlich, der vielleicht an diesem Spieltag am Meisten unter Beobachtung stand.
Denn natürlich erwarten die einen, dass er Mislintats und Matarazzos müder Mannschaft endlich Beine macht, während für die anderen jetzt schon klar ist, dass Labbadia im zweiten Anlauf nicht gelingen wird, zu Beginn des Jahrzehnts zu seinem Standardrepertoire gehörte: Der Klassenerhalt. Natürlich sind solche Vergleiche nach einem Spieltag völliger Quatsch, ich erinnere an die ersten Spiele unter Pellegrino Matarazzo, als man sich fragte, warum man jetzt eigentlich den alten Trainer entlassen hatte, mit dem neuen liefe es ja nun auch nicht wirklich besser. Labbadia betonte bereits bei seiner Vorstellung, er wolle das spielen lassen, was die Mannschaft kann. Und das, nunja, tat sie auch gegen Mainz.
Keine Revolution
Was nicht unbedingt heißt, dass das, was sie kann, auch das ist, was zum Erfolg führt. Silas und Tomás beispielsweise können super Läufe in die Tiefe starten, um hinter die Abwehr zu kommen. Blöd nur, wenn diese so eng gestaffelt steht, wie es bei der Mainzer Hintermannschaft bekanntermaßen der Fall ist. Dass die Mannschaft eine Viererkette spielen kann, hat sie in der Rückrunde der vergangenen Saison mehr oder minder bewiesen. Einen Waldemar Anton auf die rechte Außenbahn zu stellen, anstatt den ebenso soliden, aber positonssichereren Pascal Stenzel dort aufzubieten, ist hingegen keine gute Lösung, erst recht nicht für den Spielaufbau.
Kurzum: Es war keine Revolution, die man auf dem Rasen des Neckarstadions sah. Immerhin erkämpften sich die Brustringträger im Mittelfeld mehr Bälle zurück, als man es von ihnen gewohnt war, scheiterten aber danach immer wieder daran, einen vielversprechenden Angriff einzuleiten, weil man den Mainzern zu viel Zeit zum Sortieren gab oder weil das Spielgerät schlichtweg versprang. Erst als die Gäste nach der Pause unerklärlicherweise dem VfB mehr Räume boten — vermutlich weil sie nach vier sieglosen Spielen vor der Winterpause selbst dringend einen Dreier brauchten — konnten die Gastgeber die Mainzer Abwehr mit langen Bällen vor den Strafraum vor Probleme stellen, kamen die Außenstürmer häufiger gefährlich hinter die letzte Reihe und hätten das Spiel zu ihren Gunsten entscheiden können — wären sie nicht in Person von Guirassy, Vagnoman und Tomás so grandios gescheitert.
Nur einer ist clever
So blieb es bei einem angesichts der Chancen der zweiten Halbzeit und der zunehmenden Einfallsloslosigkeit der Gäste enttäuschen Unentschieden durch die beiden Toren der ersten Halbzeit, die beide nicht unbedingt für die jeweils kassierende Mannschaft sprachen. Denn nachdem Tomás und vor allem Silas ein weiteres Mal an der Mainzer Abwehr hängen geblieben waren, scheiterte Guirassy nach einem der wenigen guten Pässe in den Strafraum an Finn Dahmen, bevor er sich kurz darauf in eine ähnliche Position schlich und eiskalt vollendete. Es ist diese Cleverness und Kaltschnäuzigkeit, die den VfB aktuell am Leben hält und die die Mannschaft leider viel zu häufig vermissen ließ. Wie Guirassy zwei Mal in plain sight (sorry!) durch das Mainzer Abwehrnetz schlüpfen konnte, verstehe ich nicht, ich habe aber auch das Gefühl, dass die 05er in jedem Spiel gegen uns ungefährlicher werden.
Umso ärgerlicher, dass nur 58 Sekunden nach Wiederanpfiff Leandro Barreiro im Stuttgarter Strafraum zu Boden ging, nachdem Naouirou Ahamada ihm mit voller Wucht in die Hacken getreten hatte. Vorausgegangen war der Mainzer Anstoß, der in einen langen Ball auf die rechte Seite mündet und schließlich vom VfB ins Seitenaus geklärt wurde. Den aus dem Einwurf resultierenden Pass hätte die VfB-Abwehr leicht klären können, hätte sich jemand für das etwas ziellos laufen gelassene Spielgerät interessiert. Ahamada stand jedoch ohne Gegenspieler am Strafraumrand, fasste zeitgleich mit Barreiro den Entschluss, den Ball in seine Obhut zu nehmen und kam den entscheidenden Schritt zu spät, ohne dass ihm einer seiner Mitspieler vor der nahenden Gefahr gewarnt hätte. Wieder nicht zu Hause zu Null gespielt und am Ende wieder Punkte verschenkt, die man sich vermutlich erst in zwei Wochen gegen Bremer zurückholen kann, die sich bis dahin sicherlich von der abendlichen Abfuhr in Köln erholt haben.
Geduld in der Bewertung
Dreier- oder Viererkette hin oder her: Erneut lässt der VfB einen schlagbaren Gegner mit einem Punktgewinn entkommen. Weil die Chancen zwar gut, aber in der Summe zu wenige waren, um die Wahrscheinlichkeit auf ein Tor entscheidend zu erhöhen. Hinzu kam, dass Labbadia mit Sosa sein bester Spieler fehlte und dass Guirassy momentan als einziger Torgefahr ausstrahlt. Silas war wie immer bemüht, aber einfallslos, Tomás sah man fast gar nicht. Er dürfte in den kommenden Wochen seinen Stammplatz an Chris Führich verlieren, der aber in diesem Spiel auch keinen Unterschied mehr machen konnte. Von dem angeblich laufintensiven Spiel, das Labbadia seinen Spielern abverlangt, war auch wenig zu sehen, aber dass die Mannschaft nicht in der Lage ist, die Vorgaben ihres Trainers umzusetzen, sit leider auch nichts Neues.
Nun ist weiterhin Geduld gefragt. Mit Mannschaft und Trainer, die ihre Auswärtsschwäche nun ausgerechnet in den Werkshallen der Brause- und Softwarefabrikanten überwinden müssen, um zu Punkten zu kommen. Und mit der eigenen Bewertung der aktuellen Lage. Ich weiß, es fällt gerade schwer, nicht die Nerven mit diesem Klepperlesverein zu verlieren. Aber vielleicht ist die Mannschaft ja doch so lernfähig, wie es ihrem Trainer in Bezug auf die letzten neun Jahre zugesprochen wird.
Titelbild: © Adam Pretty/Getty Images