Rund um den nächsten Gegner: Im Gespräch mit Hoffenheim-Experte Nikolas Beck von der Rhein-Neckar-Zeitung

Die Rest­run­de star­tet Schlag auf Schlag. Bereits heu­te Abend ist der VfB in Hof­fen­heim zu Gast, vor dem Spiel spra­chen wir mit Niko­las Beck, stell­ver­tre­ten­der Res­sort­lei­ter Sport bei der Rhein-Neckar-Zei­tung.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Niko und vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für unser Gespräch nimmst. Die TSG ist mit einer 1:3‑Niederlage nach 1:0‑Führung bei Uni­on in die Rest­run­de der Bun­des­li­ga gestar­tet und ist damit seit dem Sieg auf Schal­ke Mit­te Okto­ber wei­ter sieg­los in der Bun­des­li­ga. Wor­an lag es am Sams­tag und wel­che Grün­de siehst Du für die Nega­tiv­se­rie?

Niko­las Beck: Hi Lenn­art, immer wie­der ger­ne. Ich war am Sams­tag in Ber­lin vor Ort und grüb­le um ehr­lich zu sein immer noch, was nach einer eigent­lich sehr guten ers­ten Hälf­te nach dem Sei­ten­wech­sel pas­siert ist. Die Bedin­gun­gen waren schwie­rig, kalt, win­dig, Schnee­re­gen, dazu die Atmo­sphä­re an der Alten Förs­te­rei und eine wesent­lich bes­se­re Heim­elf als noch in Durch­gang eins. Aber das kann natür­lich kei­ne Erklä­rung dafür sein, dass von Hof­fen­heim über­haupt nichts mehr kam. Die Tore waren eigent­lich eine Fra­ge der Zeit. Wobei man nicht uner­wähnt las­sen darf, dass die ers­ten bei­den Uni­on-Tref­fer nach Ecken fie­len und die TSG zwei ver­letz­te und kopf­ball­star­ke Innen­ver­tei­di­ger in Akpo­gu­ma und Kabak hat­te aus­wech­seln müs­sen. Bit­ter war das 1:2 kurz vor Schluss, weil in der Situa­ti­on, in der “Hof­fe” zur Ecke, die dann zum Tor wur­de, klä­ren muss­te, eine kla­re Abseits­stel­lung vor­lag. Das 1:3 spät in der Nach­spiel­zeit war dann ein klas­si­sches Kon­ter­tor, weil 1899 “alles oder nichts” gehen muss­te.

Nun blei­ben zwei Inter­pre­ta­ti­ons­mög­lich­kei­ten, die nicht nur für die ver­gan­ge­ne Par­tie, son­dern für die gan­ze Sai­son gel­ten: Ent­we­der betrach­tet man es als star­ke ers­te und schwa­che zwei­te Hälf­te mit unterm Strich dann einem unglück­li­chen Ergeb­nis. Oder man kommt zu dem Urteil, dass ande­re Teams der TSG in Sachen Wil­le, Men­ta­li­tät und Lei­dens­fä­hig­keit ein biss­chen über­le­gen sind. Letz­te­res wäre natür­lich wesent­lich dra­ma­ti­scher. Ich glau­be, die Wahr­heit liegt — wie immer — irgend­wo dazwi­schen. Kein Spiel­glück, zu vie­le indi­vi­du­el­le Feh­ler, die zu Gegen­to­ren führ­ten sowie eine zu schwa­che Effi­zi­enz im geg­ne­ri­schen Straf­raum hat man übri­gens von Sei­ten des Ver­eins als Grün­de für den unbe­frie­di­gen­den Tabel­len­stand ins Feld geführt.

In der Fol­ge ist die TSG bis auf Platz 13 abge­rutscht und damit in Schlag­wei­te des VfB. Was bedeu­tet das für die Situa­ti­on von Trai­ner André Brei­ten­rei­ter und wie bewer­test Du sei­ne Arbeit bis­her?

André Brei­ten­rei­ter kommt super an. Im Team und um das Team her­um. Zu Beginn der Sai­son war wirk­lich so etwas wie eine Auf­bruch­stim­mung, falls es das gibt, zu spü­ren nach zwei auf vie­len Ebe­nen schwie­ri­gen Jah­ren unter Sebas­ti­an Hoe­neß. Zumal in den ers­ten Wochen ja auch Ergeb­nis­se und Erleb­nis­se stimm­ten. Ich erin­ne­re nur an den tol­len Auf­tritt beim 3:0 in Lever­ku­sen. Bis­lang ging ich bei der Ana­ly­se der Ver­ant­wort­li­chen mit, dass man — gemes­sen an den Leis­tun­gen der ers­ten 15 Spie­le — ein paar Punk­te zu wenig ein­ge­fah­ren hat. Fünf sind es laut Brei­ten­rei­ter. Das 1:2 vor dem Break gegen Wolfs­burg etwa war eine Par­tie, die bei die­sem Ver­lauf von hun­dert Mal ver­mut­lich nur ein­mal ver­lo­ren geht. Aber natür­lich müs­sen nach jetzt vier Nie­der­la­gen hin­ter­ein­an­der und der von Dir ange­spro­che­nen lan­gen Zeit ohne Sieg drin­gend Erfolgs­er­leb­nis­se her. Brei­ten­rei­ter hat im Vor­feld bereits so etwas wie die letz­te ver­ba­le Patro­ne gezün­det. Sein Mot­to vor dem Duell mit dem VfB: Die Zeit des Redens ist vor­bei, jetzt müs­sen Taten fol­gen. Gelingt den­noch kein Heim­sieg, ist der Druck vor dem Heim­spiel am Sams­tag gegen Glad­bach natür­lich rie­sig. Zumal es anschlie­ßend im Pokal nach Leip­zig geht.

Wie lässt er die Mann­schaft spie­len und auf wen müs­sen wir heu­te Abend beson­ders auf­pas­sen?

Brei­ten­rei­ter lässt ähn­lich spie­len wie in der ver­gan­ge­nen Sai­son, als er mit dem FC Zürich über­ra­schend Meis­ter in der Schweiz wur­de. Sprich: Drei­er­ket­te mit zwei extrem offen­si­ven Schie­nen­spie­lern. Einer davon, Robert Skov, ist für mich der TSG-Spie­ler der bis­he­ri­gen Sai­son. Am ers­ten Spiel­tag, als David Raum schon und Ange­li­no noch in Leip­zig war, war er eigent­lich nur Platz­hal­ter auf der lin­ken Sei­te. Dann hat er sei­ne Sache aber so gut gemacht, dass Brei­ten­rei­ter ihn nicht raus­neh­men konn­te. Seit­her ist er auf rechts prak­tisch gesetzt und über­zeugt auch offen­siv. Inzwi­schen ist er auch Elf­me­ter-Schüt­ze Num­mer eins — und sicher eine gute Wahl, wenn man auf einen Hof­fen­hei­mer ein beson­de­res Auge wer­fen will am Diens­tag­abend.

Geor­gi­nio Rut­ter wech­sel­te zuletzt nach Leeds, dafür lieh man Kas­per Dol­berg aus Niz­za. Wo siehst Du noch Nach­hol­be­darf im Kader nach dem letz­ten Som­mer?

TSG-Mana­ger Alex Rosen hat mal gesagt, als Sport­di­rek­tor sei man bei vie­len Trans­fers zwei­mal der Dum­me. Ein­mal, wenn man sich anhö­ren müs­se, wie­so man aus­ge­rech­net jenen Spie­ler hole. Und zum zwei­ten Mal dann, wenn man vor­ge­wor­fen bekom­me, eben jenen Spie­ler gehen zu las­sen. So war es bei Geor­gi­nio Rut­ter auch. Die Kri­tik war unge­wöhn­lich laut. Vie­le sahen dar­in die Auf­ga­be der aus­ge­ru­fe­nen sport­li­chen Ambi­tio­nen. Ich sage: Es war der bes­te Trans­fer über­haupt von Rosen, weil die bis zu 40 Mil­lio­nen Euro Ablö­se drin­gend nötig waren.

Außen­ste­hen­de oblie­gen oft dem Trug­schluss, Geld spie­le in Hof­fen­heim kei­ne Rol­le, weil Diet­mar Hopp den Ver­ein unter­stützt. Der Haupt­ge­sell­schaf­ter legt aller­dings schon seit Jah­ren Wert dar­auf, dass sich der Ver­ein selbst trägt. Der Ver­ein muss also, natür­lich noch mal ver­stärkt durch die Pan­de­mie, ein struk­tu­rel­les Defi­zit von 10 bis 20 Mil­lio­nen pro Sai­son durch Trans­fers aus­glei­chen. 21/22 bei­spiels­wei­se hat man einen Ver­lust von 42 Mil­lio­nen geschrie­ben. In der aktu­el­len Sai­son erwar­tet man trotz der Deals von Raum und Rut­ter nur ein leich­tes Plus. Und ewig konn­te man vom Puf­fer, den man sich vor Coro­na durch die Ver­käu­fe von Joel­in­ton, Demir­bay, Schulz und Co. erar­bei­tet hat, eben nicht leben. Dazu kommt, dass Rut­ter mit Sicher­heit ein super span­nen­des Talent und ein ganz beson­de­rer Spie­ler­typ ist, aber er hat eben auch nur zwei Tore geschos­sen in die­ser Sai­son. Dol­bergs Ver­pflich­tung war aller­dings unab­hän­gig vom Abgang des Fran­zo­sen, weil ja auch Ihlas Bebou und Munas Dabbur lan­ge ver­letzt waren. Eine wirk­li­che Kader­schwach­stel­le sehe ich aktu­ell nicht. Den­noch wür­de ich nicht aus­schlie­ßen, dass noch ein­mal ein biss­chen Geld in die Hand genom­men wird.

Mit Ermin Bicak­cic und Sebas­ti­an Rudy ste­hen zwei ehe­ma­li­ge VfBler schon lan­ge im Kader der TSG, noch nicht ganz so lan­ge sind Ozan Kabak und Jacob Bru­un Lar­sen dabei. Wie läuft es für das Quar­tett?

Ich den­ke nicht, dass einer der vier ehe­ma­li­gen VfBler die Geschich­te des Spiels schrei­ben wird. Ozan Kabak ist eine super Ver­stär­kung, plagt sich aber seit Wochen mit einer Mit­tel­fuß­prel­lung her­um, wes­we­gen er in Ber­lin auch vom Platz muss­te. Dazu hat er sei­ne fünf­te Gel­be gese­hen und wird gegen Stutt­gart feh­len. Ermin Bicak­cic ist nach sei­nem Kreuz­band­riss vor zwei­ein­halb Jah­ren gegen die Bay­ern end­lich wie­der dabei. Am Sams­tag wur­de er ein­ge­wech­selt und durf­te erst­mals wie­der ein paar Liga-Minu­ten sam­meln. Brei­ten­rei­ter hat aber auf der Pres­se­kon­fe­renz am Mon­tag­vor­mit­tag noch ein­mal betont, dass er für einen Star­t­el­fein­satz noch nicht bereit sei. Jacob Bru­un Lar­sen hat sich Ende des ver­gan­ge­nen Jah­res einer Leis­ten-Ope­ra­ti­on unter­zie­hen müs­sen und fehlt wei­ter­hin. Sebas­ti­an Rudy ist unter Brei­ten­rei­ter nur noch Ergän­zungs­spie­ler, stand in die­ser Sai­son über­haupt erst ein­mal in der Start­elf.

Zum Abschluss: Dein Tipp für die Hof­fen­hei­mer Start­elf und das Ergeb­nis?

Die Start­elf zu tip­pen, ist schwer. Hin­ter Kevin Vogt, Den­nis Gei­ger und Kevin Akpo­gu­ma ste­hen Fra­ge­zei­chen. Dazu hat der 17-jäh­ri­ge Tom Bischof ein ordent­li­ches Start­elf­de­büt gefei­ert am Sams­tag, aber ob er noch mal den Vor­zug vor Kra­ma­ric und Dabbur erhält? Neben Bau­mann sehe ich für die­ses Spiel eigent­lich nur Skov, Baum­gart­ner, Bebou und N’soki gesetzt. Den­noch glau­be ich an einen Heim­sieg. Darf man das auf Dei­nem Blog über­haupt sagen? 😉 Ich tip­pe auf 3:1 für die TSG Hof­fen­heim.

Titel­bild: © VfB-Bilder.de

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