Wie in jeder Saison blicken wir auch in diesem Januar auf jene Spieler, die der VfB aktuell an andere Vereine verliehen hat: Nikolas Nartey, der für den SV Sandhausen aufläuft und Pablo Maffeo, der in dieser Spielzeit das Trikot des spanischen Erstliga-Aufsteigers SD Huesca trägt.
Normalerweise nehmen wir uns ja in der Winterpause Zeit für diesen Artikel. Nun gibt es in dieser verspätet begonnen Saison keine Winterpause, weswegen wir gewartet haben, bis die 2. Bundesliga und La Liga ihre Saisonhalbzeit erreicht haben, um Bilanz zu ziehen. Was in diesem Jahr auffällt: Der VfB hat mit Nikolas Nartey und Pablo Maffeo nur zwei Spieler verliehen. In den vergangenen Jahren — dies ist die vierte Auflage dieses Artikels, waren es zwei Mal je sechs Leihspieler, in der vergangenen Saison sogar sieben. Das mag zum einen mit einem gut geplanten Kader zu tun haben, der so aufgebaut ist, dass nur wenige Spieler ihr Glück oder Entwicklungsmöglichkeiten woanders suchen müssen. Mit Sicherheit hat es auch damit zu tun, dass man sich von vielen Spielern, die schon mal oder mehrfach verliehen wurden getrennt hat (Ofori, Kopacz) oder sie in den Kader integriert hat (Kaminski, Thommy). Vor allem aber liegt es daran, dass der VfB für diese Saison unter Pandemiebedingungen einen besonders großen Kader vorhalten muss, um mögliche Ausfälle durch Corona-Infektionen und Quarantäne abfedern zu können.
Wie auch immer: Die Vorzeichen, unter denen der defensive Mittelfeldspieler Nikolas Nartey und der Rechtsverteidiger Pablo Maffeo verliehen wurden, könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Nartey bereits in der letzten Saison direkt nach seiner Verpflichtung aus Köln in die dritte Liga nach Rostock verliehen wurde, soll er in dieser Saison eine Etage höher den nächsten Entwicklungsschritt machen. Pablo Maffeo hingegen wurde in Bad Cannstatt in der Abstiegssaison 2018/2019 erst zur persona non grata und dann an seinen Ex-Verein, den spanischen Zweitligisten FC Girona, verliehen. Wäre Girona nicht im Finale der Aufstiegsplayoffs gescheitert, hätten sie Maffeo vielleicht fest verpflichtet. Durch den Nicht-Aufstieg entfiel aber die Kaufplicht von 5 Millionen Euro und abgesehen davon fehlten dem Club in der Folge die Mittel, um sich einen Spieler wie Maffeo zu leisten, wie mir Marc Riera i Castellà ( @marcriera_24) verraten hat, der mir bereits vor einem Jahr von Maffeos Bilanz in Girona berichtete. Auch dieses Jahr haben wir wieder Experten zu unseren beiden Leihspielern befragt: Stefan (@CDSandhausen) vom SVS-Fanclub Carpe Diem Sandhausen sowie Huesca-Fan Alfredo Pascual (@AlfredoPascual1) und Víctor Rapún Bescós von sportaragon.com, einem Internetportal zum Profisport in Aragonien, der Region, in der Huesca im Nordwesten Spaniens liegt. An dieser Stelle auch danke an VfB-Blogger Christoph (@ReyBucanero74) von Stuttgart International für die Übersetzung der Antworten unserer Experten aus dem Spanischen. Außerdem hat uns das Team von Create Football mit weitergehenden Statistiken zu beiden Spielern versorgt, die Euch eine zusätzliche Perspektive zu den Einschätzungen unserer Experten geben soll.
Nikolas Nartey: Stammspieler im Abstiegskampf
Zunächst zu Nikolas Nartey. Der stand in der aktuellen Zweitliga-Saison in 13 Spielen für die Kurpfälzer auf dem Platz, im November verpasste er ein Spiel wegen der Beruf in die dänische U21 und seit der 0:4‑Niederlage in Hannover zu Jahresbeginn hat er die letzten vier Spiele mit muskulären Problemen verpasst, so auch die 1:2‑Niederlage am gestrigen Abend in Darmstadt. Beim Großteil der Spiele stand er in der Startelf und mindestens 60 bis 70 Minuten auf dem Platz, eine Ausnahme bilden nur das 1:2 in Osnabrück, als er bereits nach 13 Minuten gelbrot-gefährdet ausgewechselt wurde und das darauffolgende 2:2 gegen Braunschweig, als er erst in der 80. Minute eingewechselt wurde. Insgesamt hat er bereits vier gelbe Karten gesammelt — Stefan zufolge sei Nartey aber nicht durch überhartes Spiel aufgefallen in der Hinrunde — und beim 3:2‑Auswärtssieg das Tor zum 3:1 vorbereitet. Er habe viel Positives über seine Zeit in Rostock gelesen, erklärt Stefan und auch beim SVS sei Nartey als einer der jüngsten Spieler im Kader direkt Stammspieler geworden, was ja auch die Zahlen belegen.
Er ist zwar Stammspieler, allerdings in einer Mannschaft, die in dieser Saison ziemlich neben der Spur zu sein scheint und gegen die wahrscheinlich sogar der VfB der letzten Saison eine Chance hätte. Erst drei Siege stehen nach 18 Spielen zu Buche, was gleichbedeutend ist mit Platz 17. Laut Stefan habe es in der Mannschaft lange nicht gepasst, obwohl die Transfers im vergangenen Spätsommer eigentlich vielversprechend gewesen seien. Viele Spieler seien hinter den Erwartungen geblieben, hinzu kamen individuelle Fehler — kennt man beim VfB. In dieser schwierigen Situation sei Nartey nicht unbedingt positiv herausgestochen, sondern habe sich allgemein dem schwächeren Niveau angepasst, so Stefan, auch wenn er immer wieder Aktionen hatte, in denen er seine Mitspieler gut in Szene setzen konnte. In fast allen Spielen agierte Nartey auf der Sechserposition, teilweise als Teil einer Doppelsechs und das unabhängig von den wegen des sportlichen Misserfolg mehrfach gewechselten Grundformationen der Mannschaft. Narteys Stärken seien seine Technik, gerade im Spiel nach vorne. In der Defensivarbeit sieht Stefan noch Verbesserungspotenzial. Das deckt sich durchaus auch mit der Einschätzung der Hansa-Experten vor einem Jahr und von Köln-Experte Thomas bei seiner Verpflichtung. Create Football hat für ihn vier Kernfähigkeiten für seine Position, die des Ball-Winning Midfielders herausgerarbeitet. In zwei Kategorien, gewonnene Zweikämpfe und erfolgreiche Tacklings, liegt Nartey über dem Zweitliga-Durchschnitt, bei Balleroberungen und abgefangenen Bällen darunter. Seine offensive Ausrichtung lässt sich daran ablesen, dass er pro 90 Minuten 0,47 Torchancen kreiert, für einen defensiven Mittelfeldspieler beachtlich. Nartey, so schreibt Create Football in seiner Analyse agiere teilweise als sogenanner Box-to-box-Spieler, also jemand, der den Ball mit offensiv ausgerichteten Dribblings in die gegnerische Hälfte trage.
Wann kommt der Entwicklungssprung?
Eine Entwicklung habe er in der bisherigen Saison nocht nicht erkennen können, so Stefan, dies sei aber auch der aktuellen Situation geschuldet. Die Herausforderungen des Abstiegskampfes könnten aber auch einen positiven Einfluss auf die Entwicklung eines jungen Spielers haben. Ob ihn diese Entwicklung nach dieser Saison in die Bundesliga führt? Stefan ist skeptisch, denn der Sprung von der zweiten in die erste Liga sei groß für einen Spieler, der in der zweiten Liga nicht herausrage. Allerdings könne Narteys spielerische Stärke ihm in der Bundesliga zugute kommen. Sollte man beim VfB für ihn im Sommer keine Verwendung haben, hätte Stefan aber auch nichts gegen eine feste Verpflichtung.
In der Tat wäre Nartey nicht der erste junge Spieler, der beim VfB in der Bundesliga einen Sprung nach vorne macht. Wobei man auch festhalten muss, dass er etwas älter ist als Silas Wamangituka oder Tanguy Coulibaly, denn Nartey wird im Februar 21 Jahre alt. Was entgegen dem vorherrschenden Jugendwahn natürlich immer noch jung genug ist, um einen Entwicklungssprung zu machen. Die Frage ist natürlich auch, welche Möglichkeiten sich ihm beim VfB bieten. Aktuell ist seine Position mit Wataru Endo und, beachtet man Narteys offensive Stärken, vor allem durch Orel Mangala besetzt. Nach den beiden kommt im aktuellen VfB-Kader auf der Sechser-Position: nichts. Außer Gonzalo Castro, der die Position spielen könnte, aber seine Karriere in absehbarer Zeit beenden wird. Sollte die positive sportliche Entwicklung anhalten, ist nicht auszuschließen, dass Mangala im Sommer oder spätestens 2022 den VfB verlässt. Nartey könnte dann sein Nachfolger werden, müsste dafür aber länger verletzungsfrei bleiben — schon in der vergangenen Saison fiel er lange wegen Innenbandrisses aus — und in der nächsten, spätestens der übernächsten Saison einen großen Sprung machen. Bisher lässt sich, sicherlich auch wegen der beiden ungewöhnlichen Spielzeiten, in denen er vom VfB verliehen wurde, meiner Meinung nach noch keine Prognose treffen, ob dieses Leihgeschäft für beide Seiten von Erfolg gekrönt sein wird.
Pablo Maffeo: Auf Glückssuche in Spanien
Auch die Leihe von Pablo Maffeo könnte erfolgreich für beide Seiten verlaufen, allerdings würde das bedeuten, dass der Rechtsverteidiger einen neuen Verein findet und nicht zum VfB zurückkehrt, wo man auch in dieser Saison kein Verwendung für ihn hatte. Wobei am Ende immer noch der VfB der Verlierer werde, denn Wolfgang Dietrichs gewohnt großkotzige Ankündigung, für den Spieler, den er kurz zuvor noch öffentlich bloßgestellt hatte, werde man bestimmt wieder die Ablösesumme generieren, für die man ihn verpflichtet hat, wird wohl so nicht eintreffen. Während Maffeo in Stuttgart also ungerne gesehen ist, freute man sich bei Huesca über seine Verpflichtung, berichten Victor und Alfredo unisono. Huesca habe einen Rechtsverteidiger gebraucht, so Victor und Maffeo genieße in Spanien durch seine Auftritte in Girona in der ersten und zweiten Liga einen guten Ruf. Man habe sich von ihm, erklärt Alfredo, vor allem offensive Akzente erhofft, da sein Ersatz Pedro López eher defensiv ausgerichtet sei. Über seine Probleme beim VfB hatten beide Experten vor der Verpflichtung wenig gehört, Victor vermutet aber, dass sich Maffeo in Spanien wohler fühle und Probleme gehabt habe, sich in Deutschland einzugewöhnen.
Bleibt Huesca drin?
Maffeo, so Victor, habe großes Potenzial, müsse aber mehr an sich arbeiten. Eine Entwicklung hat auch Alfredo noch nicht erkennen können, was zum einen an den bereits angesprochenen Verletzungen liegt, zum anderen an der schlechten Form der Mannschaft, aus der Maffeo auch nicht positiv heraussticht. Denn auch Huesca steht, als Aufsteiger vielleicht nicht ganz überraschend, in der Tabelle ähnlich schlecht da wie Sandhausen in der 2. Bundesliga. Eigentlich noch schlechter, denn sie sind Tabellenletzter mit bereits sechs Punkten Rückstand auf das rettende Ufer. Alfredo meint zu Maffeo: “Persönlich erinnert er mich wegen seiner Schnelligkeit und Spielweise an Jordi Alba oder Bernat — natürlich nicht auf dem gleichen Niveau und mit mehr defensiven Schwächen.” Wird er diese Stärken und Schwächen auch in der nächsten Saison für Huesca auf den Platz bringen? Alfredo vermutet, dass Huesca eine Kaufoption hat, ist sich aber wie Victor nicht sicher, ob Huesca diese im Falle eines Abstiegs ziehen will oder kann. Das hänge auch von Maffeos Leistung ab. Beim VfB hat der übrigens noch einen Vertrag bis Sommer 2023